Torrbjörn und die Rache des Axvalla Tings - Mia Reinhardt - E-Book

Torrbjörn und die Rache des Axvalla Tings E-Book

Mia Reinhardt

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Beschreibung

Als Björn Dalsson von Isaksgården 1802 aus eigennützigen Interessen beschließt, große Teile des Hornborgasees zwischen den schwedischen Städten Skara und Falköping trocken zu legen, um seinen Besitz zu vergrößern, ist ihm dafür jedes Mittel recht. Dass er sich dabei nicht nur den Hass großer Teile der Bevölkerung zuzieht, sondern auch die alten Geister des Axvalla Tings gegen sich herauf beschwört, will er einfach nicht erkennen, auch wenn ihn die alte Magd Lillemor immer wieder davor warnt. Die geheimnisvollen Zeichen, die ihm die Vergangenheit sendet, ignoriert er solange, bis eines Nachts ein tot geglaubter Junge in nassen Kleidern auf seinem Hof auftaucht, doch da ist es bereits zu spät ... Mit dieser und zwei weiteren, ebenso spannenden Kurzgeschichten aus Schweden entführt Mia Reinhard ihre Leser in phantastische Welten.

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Seitenzahl: 60

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Mia Reinhardt

Torrbjörn und die Rache des Axvalla Tings

Drei Phantastische Kurzgeschichten / Anthologie

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Der Wächter von Eldorna

Torrbjörn und die Rache des Axvalla-Tings

Die Auserwählte

Impressum neobooks

Der Wächter von Eldorna

Auron schlug müde die Augen auf und blinzelte in die aufgehende Sonne, die hinter dem Burgfried von Eldorna langsam den pechschwarzen Wolken entgegenwanderte. Der gleißende Blitz war das Einzige, an das er sich erinnerte.

Dann war es schwarz geworden.

Mühsam schleppte er sich auf allen Vieren zur Mauer des Wehrganges hinüber und lehnte sich erschöpft mit dem Rücken daran. Wie war er nur hier heraufgekommen? Er konnte sich beim besten Willen nicht daran erinnern, gestern vom Festmahl fortgegangen und die steilen Stiegen zu den Zinnen erklommen zu haben. Sein Puls ging schnell, sein Atem war flach.

Er wunderte sich, denn nicht ein Laut war zu hören. Kein Stimmengewirr, das wie sonst aus dem Burghof drang. Kein Klappern von Hufen erschallte, und noch nicht einmal ein Vogel war zu vernehmen.

Es war totenstill.

Es war wie tot.

Nur Aurons Herz pumpte sein Blut zäh und mit dumpfen Schlägen durch die Adern. Das alles war mehr als seltsam, aber im Moment war er schlichtweg noch zu erschöpft, um wirklich Angst zu haben. Und doch fragte er sich, was hier auf Eldorna letzte Nacht geschehen war.

Er legte den Kopf in den Nacken und folgte für einen Augenblick gedankenleer dem Spiel der dunklen Wolken über ihm. Er zwang sich, seine Augen offenzuhalten, die immer wieder zuzufallen drohten, denn er wusste, dass er nicht schlafen durfte. Nicht jetzt. Seine Eltern hatten ihn nach Eldorna gesandt, um der nächste Wächter des Schatzes zu werden, direkt dem Priester unterstellt. Den ewigen Schatz von Eldorna sollte er zukünftig für die nächsten sieben Jahre bewachen. Dazu musste er sich einer Prüfung unterziehen, der sich ausnahmslos alle Anwärter auf diesen verantwortungsvollen Posten stellen mussten. Dabei spielten Geburt und Stand keine Rolle. Heute, am Tag des Blutmondes, hätte die Prüfung stattfinden sollen und nun das. Er war allein nach Eldorna gekommen. Nur Ælthårg, sein Knappe, hatte ihn von der Burg seiner Eltern hierher begleitet. Doch abgesehen davon, dass dieser wirklich der einzige Mensch war, dem Auron blind sein Leben anvertraut hätte, schien auch sein Gefolgsmann wie vom Erdboden verschluckt zu sein.

Einige quälende Versuche später hatte sich Auron endlich aufgerichtet. Schwankend und vom Schwindel beherrscht krallte er seine Finger in die kalte Wehrmauer und blickte hinab. Zuerst in den Burghof und dann hinaus über die Ebene von Eldorna, die sich bis zu den dunklen Wäldern von Daliah zog. Die dahinterliegenden Berge, die Ausläufer des Ptor waren heute nicht zu erkennen. Zu trüb und wolkenverhangen präsentierte sich der Himmel an diesem düsteren Herbsttag und fraß hungrig die schwachen Konturen auf, die die Sonne zu malen versuchte. Wohin Auron seinen Blick auch richtete, nichts oder besser gesagt, nichts, was lebte, war zu erkennen. Auron war allein. So schien es zumindest.

Er beschloss, trotz seiner weichen Knie, den Weg nach unten zu wagen. In die Festhalle wollte er gehen, denn das war der letzte Ort, den seine nebelverhangene Erinnerung durchscheinen ließ. Vielleicht würde er dort eine Erklärung für das Unerklärliche finden. Außerdem hatte er Hunger und Durst.

„Ich muss etwas essen und ich brauche Wasser“, murmelte Auron, als wollte er dem flauen Gefühl in seinem Magen durch das Aussprechen seiner Bedürfnisse noch mehr Ausdruck verleihen und seine eigenen Gedanken bekräftigen. Doch eigentlich, so musste er sich insgeheim eingestehen, tat er es nur, um endlich wenigstens irgendeine Stimme zu hören, auch wenn es lediglich seine eigene war. Auf dem Weg zur Halle kam man an der Küche vorbei, soviel wusste Auron, und wenn es etwas zu Essen gab, dann dort.

Nachdem er sich langsam die steile Treppe vom Wehrgang hinabgetastet hatte, durchquerte er den verlassenen Burghof. Es ging schon wieder etwas besser mit den Beinen, und er spürte, wie die Sicherheit seiner Bewegungen langsam zunahm. Plötzlich hielt er inne. Der Eingang zur Küche gähnte ihn schwarz und dunkel aus der Bruchsteinmauer heraus an. Sonst klapperten Töpfe, klirrten tönerne Schalen aneinander, Rauch und Feuerschein drangen heraus, knappe Befehle der Köchin an die Mägde flogen durch den Raum oder Flüche ertönten, wenn sich wieder einmal jemand die Finger an einem heißen Kessel verbrannt hatte. Doch heute?

Nichts.

Auch hier war nicht das kleinste Geräusch zu vernehmen, kein Lebenszeichen, nicht einmal das einer Maus. Die Burg war wie ausgestorben. Nur Auron – so schien es wenigstens – war durch einen unerklärlichen Zufall (etwas anderes konnte es nicht sein!) als einziger am Leben oder besser gesagt vorhanden geblieben. Instinktiv fasste er sich an das Heft seines Schwertes und wurde sich dieser Bewegung erst bewusst, nachdem er erstaunt festgestellt hatte, dass es tatsächlich in seiner Scheide steckte, die von seinem Ledergürtel herabbaumelte. Gestern Abend war er ohne die Waffe zum Bankett gegangen, denn so etwas ziemt sich nicht, und nun war es trotzdem da. Auron hatte keine Lust mehr, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, wie es wider die Natur dort hingekommen sein mochte. Besser ein verschwunden geglaubtes Schwert mit scharfer Klinge, das sich überraschend wiederfand, dachte er bei sich, als gar keines. Unter einem scharfen, metallischen Klang zog er den Stahl heraus, und Auron betrat, die Schwertspitze vorangerichtet, die Burgküche. Er war gespannt darauf, was er finden würde, gespannt, ob er überhaupt irgendetwas finden würde.

Doch er wurde enttäuscht. Zwar standen Töpfe, Pfannen und Zuber mit rohen und gegarten Speisen herum und er konnte zu seiner Freude sogar einige Laib Brot ausmachen, aber ansonsten war es so leblos wie überall auf Eldorna. Er legte sein Schwert griffbereit neben sich auf eine hölzerne Bank und brach sich einen halben Laib Brot ab, den er gierig mit zwei Bechern Dünnbier herunterspülte. Das Bier schmeckte bereits etwas fad, aber das war ihm gleich. Nachdem er auch die andere Hälfte des Brotes auf die gleiche Weise zu sich genommen hatte, fühlte er sich gestärkt und der Schwindel war vergangen. Auron nahm sein Schwert wieder an sich und durchmaß nun die Gänge der Burg mit weiten Schritten in Richtung der großen Halle, da, wo sich gestern Abend alles zugetragen hatte.

***

„He, schenk mir auch mal etwas Wein nach“, rief Ælthårg übermütig und mit gespielter Entrüstung dem Knappen eines anderen Ritters zu.

Prompt ergoss sich ein Schwall des rubinroten Valachers in Ælthårgs Zinnbecher, wobei jedoch die Hälfte des Weins ihr Ziel verfehlte und sich spritzend über den Tisch verteilte.

„Pass ein wenig auf“, ermahnte Auron den fremden Knappen und auch der Herr des Angesprochenen zischte ungehalten über so viel Unachtsamkeit.

Das Essen war längst vorbei. Platten, Teller und Schüsseln, auf denen sich noch vor wenigen Augenblicken Braten, Fische, Gemüse und Früchte getürmt hatten, wurden bereits abgeräumt. Doch das tat dem Fest keinen Abbruch. Ganz im Gegenteil. Es entwickelte sich mehr und mehr zu einem Gelage. Reinar, der Herr von Eldorna, und seine Gemahlin Cyndia saßen mit ihrem Gefolge und einigen anderen Gästen an einer ausladenenden Tafel zusammen. Umrahmt wurden sie von rußenden Fackeln auf gusseisernen Ständern, deren Rauch steil nach oben stieg.