Töte, wenn du kannst! - Susanne Mischke - E-Book

Töte, wenn du kannst! E-Book

Susanne Mischke

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Beschreibung

Der schlimmste Alptraum jeder Mutter: Nur einen fatalen Moment lässt Tinka Hansson ihre schlafende Tochter aus den Augen, während sie vor der Markthalle am Göteborger Kungstorget einkauft. Als sie sich wieder umdreht, ist Lucie wie vom Erdboden verschluckt. Der erste Moment des Schreckens wird schnell zur grauenvollen Ewigkeit ... Vier Jahre nagt das ungelöste Verbrechen an Kommissar Greger Forsberg. Erst als ihm die bizarre Selma Valkonen als Kollegin aufgezwungen wird, kommt Bewegung in den alten Fall. Zur selben Zeit erhält Lucies Vater eine anonyme, perfide Nachricht: Seine Tochter lebt, doch für weitere Informationen über ihren Aufenthaltsort soll er zum Mörder werden – und: keine Polizei!

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Vollständige E-Book-Ausgabe der im Bloomsbury Verlag erschienenen Buchausgabe

1. Auflage 2013

ISBN 978-3-8270-7645-8

© 2013 Bloomsbury Verlag GmbH, Berlin

Umschlaggestaltung: ZERO Werbeagentur, München

Datenkonvertierung: Greiner & Reichel, Köln

Licht strahlt durch die Baumkronen wie die Finger Gottes. Allmählich verliert sich der Pfad im Dickicht. Strauchwerk greift nach seinen Füßen und die Last, die er trägt, zerrt an seinen Armen. War ihm der Wald zunächst still vorgekommen, so hört er jetzt unzählige Geräusche, es raschelt und knistert, es murmelt und summt. Ein klagender Schrei lässt ihn zusammenzucken. Seine Nerven liegen blank.

Unter einem Baum, dessen Rinde silbrig schimmert, legt er das Bündel ab, bettet es zwischen hohen Farnen. Sogar hier, im tiefsten Schatten, sind noch Farben zu erkennen, doch er hat keinen Blick für die düstere Schönheit des Ortes. Zitternd und horchend wie ein gejagtes Tier richtet er sich auf. Möchte am liebsten weglaufen.

Er umklammert den Spaten, sticht das Metall in den Boden, durchtrennt Blätter und Wurzeln, die den Grund durchziehen wie Blutgefäße, gräbt tiefer und tiefer. Dann schleift er das Bündel heran. Schwarz gähnt die Grube, Erdgeruch steigt auf. Er weiß, er sollte die Plastiksäcke entfernen, doch schon der Gedanke daran macht ihn panisch, und er stößt das Paket mit dem Fuß hinab ins Loch. Dumpf schlägt der Körper auf. Ihn fröstelt. Zuschaufeln, schnell!

Seine Stiefel stampfen die Erde fest, ein Zweig verwischt die letzten Spuren, und dann ist es plötzlich totenstill. Als hielte der Wald den Atem an. Er hört sein Blut durch die Adern rauschen, sieht sich um. Die Bäume sind näher herangerückt, umzingeln ihn wie Monster. Hastig stolpernd folgt er seinem eigenen Weg durch niedergetretene Preiselbeerbüsche. Das Gestrüpp, so hofft er, wird sich in ein paar Tagen erholt haben. Alles wird sein wie vorher.

Erster Teil

Der 17. August 2007 begann harmlos. Sie frühstückten zusammen. Lucie thronte auf ihrem Hochstuhl und kaute auf einem Stück Brot mit Frischkäse herum. Sie war ein zartes, hübsches Kind. Ihr herzförmiges Gesicht mit dem niedlichen Schmollmund wurde von großen blauen Augen beherrscht, weshalb Leander irgendwann bemerkt hatte, dass seine Tochter einem dieser Äffchen glich, die es nur auf Madagaskar gab. Seitdem nannten sie Lucie manchmal ihren kleinen Mausmaki.

Leander trank den letzten Rest des Milchkaffees aus. Seit Tinka die Zeitung abbestellt hatte, wirkte er morgens immer etwas verloren, als wüsste er nicht, wohin mit seinen Blicken. Jetzt stand er auf und sagte: »Was plant ihr beiden Frauen denn heute Schönes?«

Tinka machte es nur noch schlimmer und sagte mit derselben künstlichen Munterkeit, sie habe vor, mit Lucie in die Stadt zu fahren und sich das Kinderprogramm im Botanischen Garten anzusehen. »Für die meisten Sachen wird sie noch zu klein sein, aber vielleicht finden wir was, nicht wahr, mein Mäuschen?«

Diese falschen Töne gab es zwischen ihnen erst seit dieser Sache. Als wären sie ihre eigenen Karikaturen und müssten einem unsichtbaren Publikum ein glückliches Familienleben vorspielen.

Leander stand auf, zog das Sakko über und klemmte sich die Aktentasche unter den Arm. Lucie fing an, aus Leibeskräften zu brüllen und fegte ihren Plastikteller vom Tisch. Neuerdings machte sie jeden Morgen Theater, wenn Leander das Haus verließ. Der verharrte unschlüssig zwischen dem plärrenden Kind, das ihm die Arme entgegenstreckte wie ein Ertrinkender, und der Küchentür.

»Geh nur, ich mach das schon«, erlöste ihn Tinka.

Erleichtert zerzauste Leander seiner Tochter die hellblonden Locken, dann drückte er Tinka einen Kuss auf die Wange. Die Haustür fiel zu. Tinka klaubte Brotstückchen vom Boden auf. Noch immer schrie Lucie wie am Spieß.

Sie war ein Papakind. Tinka hatte mal irgendwo gelesen, dass das in dem Alter normal sei.

Lucies Wutgeheul war bis auf die Straße zu hören. Leander blieb stehen, wartete. Herrgott, warum unternimmt Tinka nichts? Sie kann das Kind doch nicht einfach schreien lassen! Er war kurz davor, umzukehren, als das Gebrüll abrupt abbrach. Leander hielt den Atem an. Was war passiert? Sie wird doch nicht Aber da hörte er durch das gekippte Fenster Tinkas Stimme, brummig verstellt in der Rolle des kleinen Stoffaffen, und gleich darauf ein glucksendes Lachen von Lucie. Erleichtert und beschämt zugleich ging Leander los. Dieses Lachen war das Letzte, was er von seiner Tochter hörte.

Nein, nicht ganz. Gegen Mittag klingelte sein Telefon. Er kam gerade mit Eyja de Lyn, einer recht bekannten Fantasy-Autorin, aus dem Aufnahmestudio und begleitete sie zurück in sein Büro, wo sie Jacke und Handtasche zurückgelassen hatte. Tinka war dran. Sie sei in der Stadt und frage sich, was sie fürs Wochenende besorgen solle: Lamm, Huhn, Fisch oder etwas anderes?

Tinka konnte einem aus dem Schlaf gerissen den Zitronensäurezyklus im Detail erläutern, aber die Essensplanung für zwei Tage überforderte sie. Allerdings hegte Leander den Verdacht, dass sie mit ihren mangelnden hausfraulichen Qualitäten kokettierte und diese sogar noch kultivierte. Am Wochenende delegierte sie das Kochen grundsätzlich an Leander. In seiner vorehelichen Balzphase hatte er seine Kochkünste eingesetzt, um Tinka rumzukriegen. Das rächte sich jetzt. Innerlich seufzend schielte er unwillkürlich nach dem Foto auf dem Aktenschrank. Tinka kniete im Sand und lächelte verhalten in die Kamera. Das Haar war hochgesteckt und betonte ihren grazilen Hals. Ihr Körper in einem schwarzen Badeanzug, schlank, fast schon mager, wurde halb verdeckt von Lucie in Badeshorts. Sie blickte neugierig ins Objektiv. Im Vordergrund war eine Sandburg zu sehen. Familienurlaub auf Korfu, drei Monate her. Leander sandte einen gequälten Blick in das zaghafte Blau von Tinkas Augen. »Wenn du an der Markthalle vorbeikommst, nimm Fisch! Und für Sonntag Lamm und etwas Gemüse. Ich muss aufhören, ich hab«

»Was für Gemüse?«

Seine Besucherin lächelte ihm und dem Foto verständnisvoll zu, nahm ihre Tasche, hängte sich die Jacke über den Arm und strebte zur Tür. Leander machte ihr ein Zeichen, zu warten.

»Tinka, bitte, ich kann nicht länger sprechen, ich habe in zwei Minuten eine Livesendung«, schwindelte er. »Kauf irgendwas. Ciao, ihr zwei Süßen.« Er hörte sie einen Gruß murmeln und im Hintergrund ein Quengeln, das sich sehr nach Lucie anhörte, wenn sie anfing, sich zu langweilen. Das war der letzte Laut, den er von Lucie hörte. Er schaltete das Handy aus und begleitete seinen Gast bis zur Pforte, wie es die Höflichkeit verlangte.

Tinka schleppte sich über die Avenyn. Wie schon befürchtet, war im Botanischen Garten nichts dabei gewesen, was Lucie amüsiert hätte. Im Gegenteil. Ein Clown hatte ihnen beiden Furcht eingejagt, und erst mithilfe einer roten Schildkappe ließ sich Lucie ablenken und beruhigen. Die Kappe, Werbegeschenk eines Mobilfunkanbieters, hielt sie nun in den Händen und kaute darauf herum.

Die Stadt glich einem Ameisenhaufen, wie immer im Sommer, wenn ein Ereignis das nächste ablöste. Aber das Kulturfest, der Göteborgskalaset, Mitte August, schien stets der Höhepunkt zu sein. Früher waren Leander und Tinka an diesen Tagen regelmäßig losgezogen, hatten den Konzerten gelauscht, dem Straßentheater zugesehen oder sich einfach irgendwo ins Freie gesetzt und den Strom der Besucher an sich vorbeiziehen lassen. Spätabends waren sie dann in einer Bar gestrandet und erst in den Morgenstunden ziemlich angetrunken nach Hause gekommen. Damals hatten sie noch im Linnéviertel gewohnt. Als Tinka schwanger wurde, waren sie nach Mölndal gezogen, hauptsächlich, weil Leander der Meinung war, dass ein Kind einen Garten brauche. »Es heißt ja auch Kindergarten und nicht Kinderhinterhof«, hatte er rechthaberisch argumentiert. In dem Vorort gab es doppelt so viel Platz für ein Drittel weniger Miete, nette Nachbarn, viele Kinder. Aber an Tagen wie dem heutigen sehnte sich Tinka zurück nach der unmittelbaren Nähe zum kulturellen Leben. Allerdings würde sie im Moment wohl kaum die nötige Energie aufbringen, um das Angebot zu nutzen.

Lucie war kein einfaches Kind. Da sie nachts schlecht schlief, quengelte sie tagsüber. Sie war häufig krank und dazu kam noch das ewige Drama mit dem Essen. Jede Mahlzeit artete in ein Geduldsspiel aus. Jetzt, mit zwanzig Monaten, war sie achtzig Zentimeter groß und wog gerade einmal zehn Kilo.

»Sie wird doch nicht schon magersüchtig sein«, hatte Tinka den Kinderarzt halb im Scherz, halb besorgt gefragt, doch der hatte sie beruhigt, das würde sich einspielen. »Sie braucht eben ihre Zeit.«

Zeit, dachte Tinka, und: Nur noch zwei Wochen! Zum ersten September hatten sie überraschend kurzfristig für Lucie einen Platz im Kindergarten zugesagt bekommen. Nach dieser Nachricht hatte Tinka sich wie ein Soldat in den allerletzten Kriegstagen gefühlt. Leander dagegen hätte es lieber gesehen, mit dem Kindergarten noch bis zu Lucies zweitem Geburtstag im Dezember zu warten. »So war es doch auch abgesprochen, oder nicht?«, beharrte er. Aber das stimmte nicht ganz. Ursprünglich hatten sie sogar nur ein Jahr Pause eingeplant. Doch als Lucies erster Geburtstag nahte, hatte sich keiner von ihnen vorstellen können, dieses kleine, zarte Wesen fremden Menschen anzuvertrauen. Also hatte Tinka eingewilligt, noch ein weiteres Jahr zu Hause zu bleiben. Aber nun, nach dieser Sache, fühlte sie sich an Absprachen nicht mehr gebunden. »Bleib du doch bis zu ihrem zweiten Geburtstag zu Hause«, hatte sie vorgeschlagen und hinzugefügt: »Wie die jüngsten Erfahrungen gezeigt haben, erscheint es mir nicht ratsam, meine Karriere noch länger zu vernachlässigen.«

Vor diesem Geschütz hatte Leander erwartungsgemäß kapituliert und Tinka reumütig gedacht: Ich lasse Lucie für Leanders Verfehlung büßen. Aber schließlich hatte sie sich gesagt, dass ein Kindergarten das Normalste auf der Welt wäre, keine Buße oder Strafe.

Tinka drängelte sich zuerst in die Markthalle, in der sich mehr Schaulustige als Käufer aufhielten. Sie stellte sich für norwegischen Kabeljau an und dann noch einmal für eine Lammkeule. Die Preise in der Stora Saluhallen waren gesalzen, aber dafür erhielt man gute Qualität. Sie kaufte für Lucie, die langsam unruhig wurde, eine Zimtschnecke und trat wieder hinaus auf den Kungstorget.

Jetzt noch Gemüse und Obst. Zwischen dem großen Marktstand und der Halle war einiges los. Einheimische erledigten ihre Wochenendeinkäufe, herumschlendernde Touristen lauerten vor den Cafés, die die Markthalle säumten, auf einen Tisch im Freien und verstopften den Durchgang. Lucie begann erneut zu quengeln. Die Zimtschnecke hatte sie offenbar aufgegessen oder, was wahrscheinlicher war, fallen gelassen. Hoffentlich würde sie den Rest des Einkaufs noch durchhalten.

Tinka stellte den Buggy an die Seite des Marktstands neben ein paar grüne Plastikkisten mit Salatköpfen und reihte sich in die Schlange ein. Vor ihr war eine ältere Dame an der Reihe, die von nahezu jeder Sorte Obst und Gemüse winzige Mengen kaufte. Während Tinka die Auslage betrachtete und überlegte, was sie auswählen sollte, horchte sie auf Lucie, jeden Augenblick darauf gefasst, jenen typischen Jammerton zu vernehmen, der ihr Weinen für gewöhnlich einleitete und sich dann mit jedem Atemzug zu einem durchdringenden Brüllen steigern würde. Aber Lucie blieb ruhig, und Tinka versuchte, sich auf den Einkauf zu konzentrieren. Was nicht ganz einfach war, denn von beiden Seiten riefen die Kunden dem Standpersonal ihre Fragen und Wünsche zu, und hinter ihr schob sich laut schnatternd eine Gruppe französischer Touristen vorbei. Tomaten, Äpfel, Lauch, Karotten. Bohnen zum Lamm. Rucolasalat. Noch was? In letzter Zeit fiel es Tinka immer schwerer, ihren Alltag zu bewältigen. Sie verlegte Dinge und vergaß, warum sie in ein Zimmer gegangen war. Neulich hatte sie im Parkhaus eine halbe Stunde nach ihrem Wagen gesucht, weil sie sich einfach nicht mehr erinnern konnte, wo sie ihn geparkt hatte, und vorige Woche hatte sie im Nordstan ihre Einkäufe dalassen müssen. Sie hatte an der Kasse gestanden und plötzlich die PIN ihrer Bankkarte nicht mehr gewusst. Die vier Zahlen, seit Jahren dieselben, waren einfach weg gewesen. Als hätte man sie ihr aus dem Gehirn radiert.

»Noch etwas?« Die Verkäuferin blickte sie ungeduldig an. Hatte sie die Frage etwa schon einmal gestellt?

Tinka verneinte und folgte der Verkäuferin zur Kasse. Der Korb mit dem Fisch und der Lammkeule hing schwer an ihrem Arm. Sie bezahlte, verstaute das Gemüse im Korb und das Wechselgeld in der Geldbörse. Als sie sich umwandte, fiel ihr Blick auf einen Mann, der in einem der Cafés vor der Markthalle saß und in seiner Tasse rührte.

Axel?!

Es war ein Flirt gewesen. Anders als er hatte Tinka nie vorgehabt, Leander zu betrügen. Aber es hatte gutgetan, ein wenig umworben zu werden. Seit Tinka nicht mehr in der Firma war, schrieben sie sich E-Mails. Nicht oft und nicht regelmäßig, nur gerade so viele, um den Faden nicht ganz abreißen zu lassen. Er berichtete, was in der Firma los war, und sie kommentierte es auf launige, lustige Art. Sie selbst hatte wenig zu erzählen, denn ob Lucie Zähne bekam, Durchfall hatte oder Husten, würde ihn wohl kaum interessieren. Hatte er sie gesehen? Sie konnte es nicht sagen, denn er trug eine dunkle Sonnenbrille. Oder erkannte er sie womöglich gar nicht? Tinka hatte seit Lucies Geburt abgenommen, und in den Augenwinkeln zeigten sich erste Fältchen. Besser, er sieht mich nicht, dachte sie, aber etwas in ihr wünschte sich doch, er würde ihr zulächeln. Einen Kaffee mit ihr trinken. Vielleicht würde sie jetzt sogar Unsinn! Hatte er ihren Blick gespürt? Nun stand er auf und nahm dabei die Sonnenbrille ab. Verlegen senkte Tinka den Blick auf ihre Schuhe. Er war es gar nicht. Nicht Axel vom Marketing. Der Mann war jünger, kleiner und hatte ganz andere Augen. Ich alberne Gans!

Sie musste sich durch einen Pulk Touristen zwängen bis zu der Stelle, an der sie Lucies Buggy abgestellt hatte. Aber da stand kein Buggy mehr. Die Salatkisten waren noch da, aber der Buggy nicht. Ganz ruhig, befahl sie sich, denk nach! Sie hatte ihn doch dort abgestellt und die Bremse herabgedrückt. Oder? Doch, ganz sicher! Er musste dort sein. Aber er war es nicht.

Tinka wurde von einem eisigen Schrecken gepackt, gleichzeitig brach ihr der Schweiß aus. War sie vielleicht ans falsche Ende des Standes gegangen oder sogar an den falschen Stand? Sie hastete hin und her und stieß dabei rücksichtslos Leute zur Seite, die ihr im Weg waren. Auf der linken Seite machte der Stand einen Knick, dort sah es ganz anders aus, dort war sie nie gewesen. Auch der rechte Nachbarstand kam ihr fremd vor und der linke verkaufte Blumen.

Die Panik ließ sich nun nicht mehr aufhalten.

»Lucie?« Was ein Schrei werden sollte, kam nur als seltsam gequetschtes Wimmern aus ihrem Mund.

Wie konnte das sein? Lucie konnte doch nicht allein aus dem Wagen klettern und ihn wegschieben, wie sie es schon getan hatte, als sie nicht angeschnallt gewesen war. Denn sie war angeschnallt gewesen, ganz bestimmt! Hatte jemand den Wagen verwechselt? Tinka schaute sich um. Es waren etliche Mütter mit Kinderwagen unterwegs. Da! Über den Kungsportsplatsen lief eine Frau, die einen schwarzen Buggy schob. Das Kind darin hatte etwas Rotes auf dem Kopf. Die Vodafone-Kappe! Tinka rannte los.

Leander wurde aus einer Besprechung geholt. Die Kripo wartete auf ihn, ein Mann und eine Frau, die ihm mit ernster Miene erklärten, dass Lucie verschwunden sei.

Zuerst verstand er gar nicht, was sie meinten, und einen verwirrten Moment lang glaubte er, dass ihn Tinka mit Lucie verlassen hätte. Dass sie mit Lucie weggefahren war, zu ihren Eltern nach Utby oder ins Ausland, so etwas hörte man ja ab und zu. Nachdem die Sache mit Eva aufgeflogen war, hatte Tinka zunächst mit einer Wut und Heftigkeit reagiert, die er ihr vorher nie zugetraut hätte, und danach tagelang geschwiegen. Sie müsse nachdenken. Ob und wie es weitergehen solle. Um ein Haar hätte sie den schon gebuchten Korfu-Urlaub abgesagt. Leander hatte sie angefleht, es nicht zu tun und ihnen noch eine Chance zu geben. »Denk doch an Lucie!« – »Das hättest besser du getan!« Unter der griechischen Sonne hatten sie sich wieder einigermaßen versöhnt, aber zurück blieb ein Riss, der jederzeit wieder aufzubrechen drohte. Seither war ihre Ehe wie ein Tanz auf dem Vulkan.

Blödsinn!, erkannte er im selben Atemzug. So etwas Verrücktes würde Tinka niemals tun, und selbst wenn, dann hätte sie wohl nicht die Polizei darüber in Kenntnis gesetzt. In diesem Fall hätte er abends vor leeren Schränken gestanden und einen Zettel auf dem Küchentisch vorgefunden.

Die Kripobeamten nahmen ihn in ihrem Dienstwagen mit aufs Präsidium. Es waren bereits etliche Streifenwagen unterwegs, um nach Lucie zu suchen, das konnte Leander dem Pingpong der krächzenden Funksprüche entnehmen. Zu diesem Zeitpunkt fühlte sich alles noch unwirklich an, und Leander kam es vor, als wäre er in einen Film geraten. Aber die Angst war schon da, und sie wurde von Minute zu Minute größer.

Man brachte ihn zu einem Kommissar namens Greger Forsberg. Ein besonnener Typ Anfang vierzig, der einen professionellen Eindruck machte. Er teilte Leander in dürren Worten das Wenige mit, was man zu diesem Zeitpunkt wusste. Auch Tinka war bereits im Präsidium, in einem anderen Büro. Der Kommissar wollte zuerst mit Leander allein sprechen. Er hatte nicht die Kraft, sich zu widersetzen. Es fiel ihm schon schwer, sich aufrecht auf dem Stuhl zu halten. Eine maßlose, nie gekannte Angst schnürte ihm die Kehle zu und legte sich wie eine kalte Klammer um sein Herz.

Sie nannten es Befragungen, aber es waren Verhöre. Sie, die Eltern, waren Verdächtige.

Kommissar Greger Forsberg war erst seit Januar dieses Jahres für Vermisste Personen zuständig. Seine Exkollegen von der Fahndung fanden dies, milde ausgedrückt, erstaunlich. Auch sein Chef, Anders Gulldén, hatte gezögert, ausgerechnet ihm diesen Posten anzuvertrauen, aber Forsberg hatte ihn darum gebeten. Böse Zungen behaupteten, er habe dies nur getan, weil mit der Stelle ein eigenes Büro verknüpft war.

Sein erster Fall war ein neunzigjähriger, desorientierter Mann gewesen, der nach zwei Tagen Suche tot aufgefunden worden war. Er war in der Nähe der Delsjön-Seen erfroren, gar nicht weit weg von Forsbergs Wohnung in Skår. Man hätte es als böses Omen werten können, aber Forsberg war nicht abergläubisch. Die fünf anderen verwirrten Senioren, die seit Antritt seines Postens als vermisst gemeldet worden waren, hatte man denn auch alle lebend wiedergefunden, zwei ausgerissene Teenager waren von selbst wieder heimgekehrt, drei andere aufgestöbert worden, nachdem Forsberg sich ihre Freunde vorgeknöpft hatte. Und sämtliche nach Sauftouren abgängigen Ehemänner waren ebenfalls wieder aufgetaucht.

Der Fall Lucie Hansson hatte jedoch das Potenzial eines medialen Großereignisses und es war zu befürchten, dass die Presse ihn zu einem zweiten Maddie-Fall aufbauschte. Zumindest waren die Umstände von Lucies Verschwinden ähnlich spektakulär und rätselhaft wie bei dem schottischen Kind, das im Mai des Jahres aus einem Hotelzimmer in Portugal verschwunden war.

Gerade hatte Forsberg die Eltern nach Hause bringen lassen, da erschien auch schon Eva Röög vom Göteborg Dagbladet auf der Bildfläche. Normalerweise pflegte Forsberg mit der Journalistin ein wenig zu flirten, ehe er mit Informationen herausrückte, aber heute war beiden nicht danach zumute. Außerdem kam sie in Begleitung eines gegelten Schnösels, den sie als »Leif Hakeröd, mein neues Faktotum«, vorstellte. Sie wurde blass, als Forsberg ihr in dürren Worten schilderte, was geschehen war. Die Sache schien ihr sehr nahezugehen, und es kam kein Wort des Protests aus ihrem Mund, als er sie und den Schnösel mit dem Hinweis, es gäbe später eine offizielle Presseerklärung, aus seinem Büro hinauskomplimentierte. Er hatte jetzt wirklich keine Zeit für sie, denn als Nächstes mussten unzählige Befragungen durchgeführt werden.

Es ging auf Mitternacht zu, als Greger Forsberg sein Fahrrad im Hinterhof abstellte. Er hatte sich zwingen müssen, nach Hause zu fahren, doch im Moment blieb nicht viel mehr zu tun, als zu warten. Besser, er schlief ein paar Stunden.

Seit heute Mittag wurden alle Ausfallstraßen kontrolliert, ebenso die Fähren und Fernzüge, die Flughäfen und die Öresundbrücke. Die Hafenbehörden in Norwegen, Finnland, Deutschland und Dänemark waren informiert. Aufzeichnungen von Überwachungskameras der gesamten Innenstadt waren zusammengetragen worden und wurden von der rasch gebildeten »Soko Lucie« ausgewertet. Ebenso die Bilder der Kameras in den Straßenbahnen. Eine Suchmeldung mit einem Foto der kleinen Lucie Hansson war in den Abendnachrichten gesendet worden, und man hatte eine Telefonhotline eingerichtet für Hinweise aus der Bevölkerung.

Die Hanssons waren ein sympathisches Paar. Leander Hansson gehörte zu den Menschen, deren Attraktivität sich erst auf den zweiten Blick erschloss. Sein Charme entfaltete sich, wenn er sich bewegte und redete, und die Art, wie er seine Worte mit Gesten unterstrich, hatte beinahe etwas Südländisches. Seine Stimme war nicht besonders tief, aber auf eine seriöse Art wohlklingend, sodass man versucht war, alles, was er sagte, für wahr und endgültig zu halten. Dazu kam seine Angewohnheit, immer einen winzigen Tick zu leise zu reden, was einen zwang, sich ganz auf ihn zu konzentrieren. Er war sechsunddreißig und gerade erst Programmchef der Sparte Literatur bei Sverigesradio P2 geworden, dem Kultursender, den auch Forsberg hin und wieder hörte. Tinka Hansson war sechs Jahre jünger, eine hübsche Naturblonde, sehr schlank, beinahe schon dürr. Hellviolett schimmernde Halbmonde unter ihren Augen verrieten, dass sie momentan wohl nicht genug Schlaf bekam. Sie war Chemikerin bei dem Pharmakonzern Astra Zeneka, war momentan aber in Elternzeit.

Zusammen mit Malin Birgersson und einem Techniker war Forsberg nach Mölndal gefahren, wo die Hanssons in einem unauffälligen Reihenhaus wohnten. Die Inspektorin hatte sich angeboten, bei den Hanssons zu übernachten. Noch zog man in Betracht, dass Lucie Hansson entführt worden war, um Lösegeld zu verlangen, und für den Fall, dass die Erpresser anriefen, war eine Fangschaltung installiert worden. Zwar verfügten die Hanssons über kein besonders hohes Einkommen, aber der Vater von Tinka Hansson war Holger Nordin, Seniorchef eines Konzerns, der aus mehreren gesunden, mittelständischen Unternehmen bestand. Holger und Greta Nordin befanden sich noch auf einem Kreuzfahrtschiff in der Karibik und würden vom nächsten Hafen aus so schnell wie möglich nach Göteborg zurückkehren.

Bei der Gelegenheit hatte sich Forsberg im Haus der Hanssons umgesehen. Lucies Zimmer war liebevoll ausgestattet, mit einem Himmelbett, einer Handvoll Puppen und unzähligen Stofftieren. Die Kirschholzmöbel waren an die schrägen Wände des oberen Stockwerks angepasst, eine ausgeklügelte Schreinerarbeit, sicher nicht billig. Die Einrichtung im übrigen Haus war eine geschmackvolle Mischung aus modernem skandinavischem Design und einer Prise IKEA. Im Wohnzimmer wurden die Wände von hohen Bücherregalen eingenommen, und bis auf den antiken Esstisch und den darunter liegenden Perserteppich zeugte nichts vom Wohlstand der Eltern der Ehefrau. Offenbar wollte man unabhängig sein und vom eigenen Geld leben. Ein Mitgiftjäger schien Leander Hansson jedenfalls nicht zu sein.

Nein, es gab keinen Grund, den Hanssons zu misstrauen. Im Gegenteil: Greger Forsberg ahnte, wie sich die Eltern gerade fühlten. Dass es ihnen den Boden wegzog, dass sie durch die Hölle gingen. Besonders leid tat ihm die Mutter des Mädchens, die sich die Schuld an der Katastrophe gab.

Aber natürlich war dem Kommissar klar, dass es auch in kultivierten Milieus zu Gewalttaten kommen konnte.

»Ich habe früher nie gewusst, dass ich den Jähzorn meines Vaters geerbt habe, bis Annika da war«, hatte ihm seine Frau Benedikte einst gestanden. Und in den wenigen Jahren, in denen sie eine Familie gewesen waren, hatte auch Greger Forsberg die Erfahrung gemacht, dass einen ein Kleinkind zur Raserei bringen konnte.

Entlastend war nach Forsbergs Dafürhalten jedoch der schier unglaubliche Umstand von Lucies Verschwinden: am helllichten Tag, mitten auf dem Kungstorget. Eltern, die etwas vertuschen wollten, würden sich eine bessere Geschichte ausdenken. Zudem gab es einen Zeugen. Ein Verkäufer des Marktstands hatte den abgestellten Buggy mit dem Kind darin bemerkt, weil er ihm im Weg gestanden hatte. Leider hatte der junge Mann nicht gesehen, wer ihn von dort weggeschoben hatte.

Forsberg hatte die Anweisung hinterlassen, sofort informiert zu werden, sollte eine Geldforderung eingehen. Aber er bezweifelte inzwischen, dass das geschehen würde. Ein Entführer hätte sich längst gemeldet. Außerdem: Wer auf Geld aus war, überließ Zeit und Ort einer Entführung nicht dem Zufall, und Tinka Hansson hatte sich spontan, nach einem Telefonat mit ihrem Mann, für den Einkauf in der Markthalle entschieden. Wahrscheinlicher erschien dem Kommissar, dass Lucie das Opfer einer psychisch gestörten Frau geworden war. Ein niedliches kleines Mädchen sitzt allein in seinem Buggy zwischen Salatköpfen und Orangenkisten, vielleicht fängt es an zu weinen, die Mutter reagiert nicht sofort Eine Kurzschlusshandlung.

Forsberg war noch immer in Gedanken versunken, als er im Vorbeigehen an den Briefkästen etwas Farbiges wahrnahm, das durch den Schlitz aus seinem Kasten hervorblitzte. Werbung, sagte er sich. Aber dennoch bekam er Herzklopfen, als er den Kasten aufschloss.

Eine Ansichtskarte fiel ihm entgegen. Sie trug eine italienische Briefmarke und zeigte eine Art Kirche. Auf der Rückseite war seine Adresse in sehr gleichmäßigen Druckbuchstaben zu sehen und links oben stand kleingedruckt Torino und Mole Antonelliana. Darunter dehnte sich höhnisch eine leere Papierfläche.

Irgendwie schaffte er es bis in den zweiten Stock, hangelte sich zum Kühlschrank, goss sich Wodka in ein Wasserglas und stürzte ihn hinunter. Der Schnaps fraß sich durch die Kehle und war noch im Magen zu spüren. Er war hungrig gewesen, aber jetzt saß Forsberg am Küchentisch und starrte auf die Mole Antonelliana, auf die St. Giles’ Cathedral in Edinburgh und die Ansicht einer Amsterdamer Gracht mit Ausflugsbooten und Fahrrädern, die er über dem Tisch an die Wand gepinnt hatte. Auf allen drei Karten war die Adresse in geraden, schablonenhaften Druckbuchstaben mit Kugelschreiber geschrieben worden, und alle drei Karten waren ohne Text. Nicht eine Silbe.

Weil ich dir nichts zu sagen habe? Von keiner der Städte hatte Annika jemals gesprochen. Eine Kirche, eine Gracht, eine was war überhaupt eine »Mole«? Er fuhr seinen Laptop hoch. Mole: sehr großes BauwerkDie Mole Antonelliana ist das Wahrzeichen von Turin und das höchste Gebäude Italiens spektakulärer Aufzug Filmmuseum Verbarg sich dahinter eine Symbolik, die er nicht zu deuten vermochte? Der Poststempel war vom 31. Juli. Siebzehn Tage hatte die Karte von Norditalien nach Göteborg gebraucht, so viel zum Fortschritt in der EU. Kein besonderes Datum, der 31. Juli. Auch die anderen beiden nicht.

Edinburgh, Stempel unleserlich, eingetroffen am 7. März 2006

Amsterdam, Poststempel 10. Januar 2007

Turin, Poststempel 31. Juli 2007

Annikas Geburtstag war der 20. September 1987. Seiner war im Februar und der von Annikas Mutter Benedikte im Mai. Gestorben waren Benedikte und ihr Mann Lars am 12. Februar 2000.

Forsberg hörte Schritte aus der Wohnung über ihm, und ein wenig Putz rieselte auf die Postkarten. Der Riss in der Decke kam ihm länger vor als noch vor ein paar Tagen, aber er konnte sich täuschen. Im Bad war vorige Woche die dritte Fliese von der Wand gefallen.

Ungefähr sieben Prozent der Häuser in der Stadt waren einsturzgefährdet, weil sie auf lehmigem Grund gebaut waren, hatte neulich im Göteborg Dagbladet gestanden. Die Stadtverwaltung unternahm nichts dagegen, im Gegenteil, sie gaben nicht einmal genau an, welche Straßen betroffen waren. Aber vielleicht stimmte auch, was sein Vermieter behauptete, dass das alles harmlos wäre und bei Altbauten ganz normal. »Das Haus arbeitet«, pflegte er zu sagen, wenn Forsberg ihn darauf ansprach. Zwei der acht Wohnungen im Haus standen jedoch seit Wochen leer, was bei dem hiesigen Mangel an preiswerten Mietwohnungen für sich sprach. Aber Forsberg wollte nicht umziehen. Die Wohnung war günstig, und er hatte es von hier aus nicht weit zur Arbeit. Außerdem: Was, wenn Annika zurückkäme? Vier Jahre wurden es im Oktober, und natürlich sagte ihm sein Verstand, dass Annika, sollte sie noch leben, inzwischen fast zwanzig und damit alt und klug genug wäre, um ihn im Präsidium zu finden. Dennoch war für ihn die Vorstellung unerträglich, sie könnte eines Tages zurückkommen und vor der leeren Wohnung stehen.

Zweiter Teil

Gierig ruht sein Blick auf ihr, während sie sich auszieht und in das rosa Kleid schlüpft. Nun sitzt sie auf dem Bett, inmitten einer Wolke aus glänzendem, raschelndem Stoff.

Er lächelt. »Wie schön du aussiehst! Wie eine Prinzessin.«

Ja, das ist es. Ein Prinzessinnenkleid! Etwas knistert, und er reicht ihr einen halb ausgepackten Schokoriegel, nach dem sie mit einer schnellen, katzenhaften Bewegung greift. Auf dem Kopfkissen liegt eine Puppe mit langen blonden Haaren. Auch die Puppe trägt ein rosa Kleid.

»Die ist für dich«, sagt er.

Süß und klebrig zerfließt die Schokolade in ihrem Mund. Die Matratze wird schief, als er sich zu ihr setzt. Dunkle, borstige Haare auf weißem Puddingfleisch. Wie komisch er riecht. Er rückt näher zu ihr, sie weicht aus, bis sie gegen den kalten Streifen der Tapete stößt. Seine Hand fühlt sich an wie ein Fisch, der ihr Bein hinaufwandert. Die Härchen an ihren Unterarmen stellen sich auf. Sie presst die Puppe an ihre Brust. Die Puppe hat runde blaue Augen mit richtigen Wimpern und ist wunderschön. Noch viel schöner als der Teddy von neulich.

»Du musst doch keine Angst haben«, sagt er.

Aber sie hat Angst, große Angst, sie durchdringt ihren Körper und füllt das ganze Zimmer, macht die Luft schwer und stickig. Seine Hand legt sich auf ihren Nacken, und sie senkt den Kopf, damit er sie streicheln kann, als wäre sie ein Pony.

Am späten Vormittag des 17. August 2011 kam eine Dame in Greger Forsbergs Büro und mit ihr ein Hauch französischer Lavendelseife. Die Frau trug ein dunkelblaues Kostüm von zeitloser Machart, dazu niedrige Pumps und eine schlichte schwarze Handtasche. Ihr Name war Marta Cederlund, sie wollte ihren Mann Magnus Cederlund als vermisst melden.

Forsberg bat sie, sich zu setzen, nahm ihre Personalien auf und stellte die üblichen Routinefragen, die sie präzise und unaufgeregt beantwortete. Marta Cederlund war klein und von schlanker Zerbrechlichkeit. Ihr Haar hatte sie walnussbraun gefärbt, der Kurzhaarschnitt betonte ihr mädchenhaft schmales Gesicht, das bis auf einen dezenten dunkelrosa Lippenstift nicht geschminkt war. Offensichtlich gehörte sie zu diesen Frauen, die auf sehr vorteilhafte Weise alterten, ihre zweiundsechzig Lebensjahre sah man ihr jedenfalls nicht an. Etwas jedoch irritierte den Kommissar: ihre Augen. Grau und kalt wie Beton blickten sie ihm über den Schreibtisch hinweg entgegen.

Menschen, die in Forsbergs Büro kamen, weil sie einen nahen Angehörigen vermissten, waren im Allgemeinen aufgeregt, verängstigt, verzweifelt. Nervenzusammenbrüche und hysterische Anfälle waren nicht selten, sogar Wutausbrüche kamen vor. Natürlich gab es auch Leute, die sich zu beherrschen wussten, aber immer spürte man ihre Besorgnis. Eine Frau, die ihren Ehemann als vermisst meldete und dabei so teilnahmslos wirkte, als wolle sie ein Auto abmelden, war Forsberg bis jetzt noch nicht untergekommen.

Verstohlen warf er einen Blick zur Seite auf seine neue, junge Kollegin. Sie starrte ungerührt auf den Bildschirm. Im Profil sah sie aus wie ein Vogel. Das schwarze Haar fiel ihr tief ins Gesicht, es glänzte wie das Gefieder eines Kolkraben. Darunter stach die Nase hervor wie ein Geierschnabel. Den linken Nasenflügel zierte ein kleiner Brillant, der aufblitzte, wenn ein Sonnenstrahl durch die Jalousien drang, und der Mund kaute Kaugummi, während die langen Finger in atemberaubender Geschwindigkeit über die Tastatur flogen. Forsberg widmete seine Aufmerksamkeit wieder der Besucherin.

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