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Im Jahr 1640 n. Chr. erhob sich der Dämonenfürst Asmodäus im Schwarzwald. Seitdem ist nichts mehr wie es einmal war, denn überall auf der Erde tauchen Schrecken aus Mythen und Märchen auf und bedrohen die Menschheit. Hexen, Werwölfe, Vampire und Dämonen sind nur die bekanntesten dieser Wesen. 93 Jahre später ist eine neue Generation mutiger Helden erwachsen, Jäger genannt, die sich der finsteren Bedrohung entgegenstellen. Mit Musketen und Degen bewaffnet sowie mit heiligem Eifer ausgestattet, dringen sie in finstere Burgen von Vampiren vor, räuchern Ritualkammern von Schwarzmagiern aus und durchkreuzen durchtriebene Rachepläne hinterlistiger Hexen. Doch in der Welt von HeXXen 1733 gibt es noch eine andere Art von Jägern. Sogenannte Parazoologen verlassen die Sicherheit ihrer Universitäten, um die weniger intelligenten Kreaturen einzufangen, sie zu studieren und in Menagerien auszustellen. Auch sie kämpfen gegen die Heerscharen der Hölle – jedoch nicht allein mit Mut und Entschlossenheit, sondern auch mit den Methoden der Wissenschaft. Der Roman Totenhunger erzählt die Geschichte dreier Parazoologen, die von der Universität Jena aus auf Monsterjagd ausziehen. Dabei stoßen sie auf ihre bislang größte Herausforderung: Ein kannibalistisches Monster geht im Hinterland von Jena um. Während die Parazoologen noch unter Hochdruck daran arbeiten, das Monster zu identifizieren, spitzen sich die Ereignisse auch in Jena zu. Die Parazoologen geraten ins Visier einer Mordermittlung und müssen nicht nur die Fährten wilder Kreaturen in den Wäldern verfolgen, sondern auch ganz und gar menschliche Feinde austricksen. Autorin Nina Schwenzl hat mit Totenhunger einen Roman verfasst, der alle Eigenschaften einer Geschichte in der Welt von HeXXen 1733 vereint: Action und Horror, gewürzt mit einer Prise Historie und einem guten Schuss Humor.
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Seitenzahl: 476
Veröffentlichungsjahr: 2014
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Impressum
Ulisses SpieleBand US25736Titelbild: Carlos DiazRedaktion: Mirko BaderLektorat: Frauke ForsterKorrektorat: Claudia WallerTitelbild & Illustrationen: Carlos Diaz Umschlaggestaltung: Maik SchmidtLayout und Satz: Jörn Aust, Michael Mingers
Ulisses Spiele:Zoe Adamietz, Jörn Aust, Philipp Baas, Mirko Bader, Tania Bogomazova, Steffen Brand, Bill Bridges, Martin Brunninger, J-M DeFoggi, Trisha DeFoggi, Carlos Diaz, Nico Dreßen, Christian Elsässer, Cora Elsässer, Frauke Forster, Vanessa Heilmaier, Nils Herzmann, Nikolai Hoch, David Hofmann, Curtis Howard, Jan Hulverscheidt, Nadine Indlekofer, Philipp Jerulank, Johannes Kaub, Nele Klumpe, Christian Lonsing, Matthias Lück, Thomas Michalski, Carolina Möbis, Vincent Modler, Carsten Moos, Johanna Moos, Sven Paff, Stefanie Peuser, Felix Pietsch, Markus Plötz, Marlies Plötz, Elisabeth Raasch, Nadine Schäkel, Maik Schmidt, Ulrich-Alexander Schmidt, Thomas Schwertfeger, Alex Spohr, Stefan Tannert, Hannah van den Höövel, Jan Wagner, Katharina Wagner, W. Gwynn Wettach, Carina Wittrin
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Nina Schwenzl
Totenhunger
Ein Roman in der Welt von HeXXen 1733©
Originalausgabe
Vorwort
Erst als wir im zurückliegenden Sommer von unserer langen Reise zurückgekehrt waren und in Dresden eine neue Heimat gefunden hatten, fragte mich Ferdinand, ob ich nicht unsere Erlebnisse des Jahres 1733 aufschreiben wolle, um der Nachwelt ein Zeugnis all dessen zu hinterlassen, was wir damals herausgefunden hatten. Ich weiß nicht, warum wir so viel Zeit hatten verstreichen lassen, weil doch die Erinnerung mit den Jahren verblasst. Vielleicht waren vorher unsere Wunden noch zu frisch, vielleicht waren wir darauf bedacht, unsere Namen nicht mehr in Verbindung mit jenen Vorkommnissen zu sehen und uns, falls möglich, vollständig davon zu distanzieren. Vielleicht waren wir auch schlicht und ergreifend zu beschäftigt.
Schließlich setzte ich mich noch an jenem Abend an meinen Schreibtisch, nahm die Feder in die Hand und fand lange keinen Anfang, doch nachdem es mir endlich gelungen war, ein paar Worte aufs Papier zu kritzeln, ging es mir leicht von der Hand und ich schrieb die ganze Nacht. Als ich jedoch im ersten Morgengrauen am Ende angelangt war, musste ich schockiert feststellen, dass das, was ich zu sagen wusste, kaum mehr als zehn Seiten füllte. Erneut las ich alles, was ich zu Papier gebracht hatte, und so sehr ich mir den Kopf zerbrach, mehr wollte mir nicht einfallen. Ich zeigte es meinen Kollegen, und sie beschieden mir, meine Ausführungen seien hervorragend, und sie hätten dem nichts hinzuzufügen. Doch das machte mich nicht froh.
Viele Stunden lang ging ich in den folgenden Tagen in meinem Zimmer auf und ab und sinnierte darüber, was es war, das mich so verdrießlich stimmte. Irgendwann kam ich zu dem Schluss, dass an den Grenzen meiner Abhandlung zwar die Wissenschaft enden mochte, nicht aber das Leben, und dass es dieses Leben war, das auf mich eindrang und mich beschwor, es nicht so einfach außer Acht zu lassen, als sei es nicht der Rede wert. Es ist das Wesen der Wissenschaft, dass sie sich eher mit Fakten befasst denn mit Emotionen, doch in diesem Moment erschien mir dieser Umstand erstmals ungeheuerlich und falsch. Was sagten einem schon meine kühlen Beschreibungen, meine ordentlichen Kategorien, meine abstrakten Begriffe? Ein kahlköpfiger alter Professor mit viel mehr Prestige als ich möge sie an irgendeinem Ort von seinem Pult herunter predigen – und würde dabei doch nichts sagen, was zu erfahren sich wirklich lohnte.
Von dieser Erkenntnis getroffen und zugleich beflügelt, bat ich einen ehemaligen Kollegen um Hilfe, der schon vor Jahren die Wissenschaft zugunsten der Schriftstellerei aufgegeben hatte. Sofort erklärte er sich bereit, unsere Erlebnisse niederzuschreiben. Ihm haben wir alles erzählt, so gut sich ein jeder von uns noch daran zu erinnern vermochte. Mag auch die Zeit manche Dinge überhöht oder verharmlost haben, so haben wir doch unser Bestes getan, alles genau so wiederzugeben, wie es sich ereignet hat. Er hat sein Bestes getan, selbst das Unbeschreibliche in Worte zu fassen. Einige Details in Handlung und Personen sind dem Walten der Künstlerfantasie zuzuschreiben, welche nicht zuletzt deshalb unverzichtbar war, da nicht alle, von denen diese Erzählung handelt, heute noch für sich sprechen können. Es ist trotzdem, oder vielleicht gerade deshalb, ein gutes Buch geworden.
Wenn der werte Leser nur von dem Interesse getrieben sei, jene Kreatur jagen zu wollen, von der die folgende Geschichte handelt, dann empfehle ich ihm, nur meinen Aufsatz zu lesen. Dieser wird ihn in einer halben Stunde alles lehren, was er für die Jagd wissen muss. Doch wenn er erfahren will, was es wirklich bedeutet, dort draußen zu sein, ohne zu wissen, ob er noch auf der Jagd oder schon auf der Flucht ist, dann lade ich ihn ein, meine vollständige Abhandlung zu lesen – nur nicht nach Einbruch der Dunkelheit, denn diese Geschichte ist eine gruselige Geschichte.
Nun bleibt mir nur noch, Euch, wenn schon nicht viel Freude bei der Lektüre – denn es sind wahrlich keine Ausführungen, die zu Heiterkeit einladen –, doch immerhin zu wünschen, dass Ihr etwas aus diesen Seiten mitnehmen möget, und sei es nur die Kraft, an der Wahrheit festzuhalten, und ihrer Spur zu folgen, wohin auch immer sie euch führen möge. Selbst, wenn es schwer ist.
—Professorin Friederike Köhler, Dresden, im Jahre 1741
Kapitel 1
Ferdinand rannte durch die dunklen Straßen der Stadt. Das Getrappel seiner Stiefel auf dem Kopfsteinpflaster hallte laut von den Häuserwänden wider, doch das Geräusch wurde für ihn selbst vom schnellen Schlagen seines Herzens und von dem Blut, das ihm in den Ohren rauschte, übertönt. Der Jäger, der ihn verfolgte, bewegte sich hingegen vollkommen lautlos. Ferdinand konnte nicht sagen, ob er noch hundert Meter Vorsprung vor seinem Häscher hatte, oder ob er in wenigen Augenblicken von spitzen Klauen durchbohrt werden würde. Diese Unsicherheit war noch nervenzerreißender als das Rennen selbst. Doch Ferdinand widerstand dem Drang, hinter sich oder nach oben in den wolkenverhangenen Nachthimmel zu schauen. Das Wissen, wie weit sein Verfolger noch von ihm entfernt war, würde weder seine brennenden Muskeln zu noch größerer Leistung antreiben, noch würde es ihm helfen, wenn er auf den vom Regen glitschigen Steinen stolperte. Er hatte eine vage Vorstellung, was dann passieren würde: Er würde dort liegen, in einer kurzen, kalten Stille, gefolgt von einem kurzen, heißen Schmerz, gefolgt von einer langen, kalten Stille. Alles, was zwischen ihm und diesem Schicksal stand, waren seine Kondition, einige Sekunden Vorsprung und eine gute Portion Glück. Auf Letztere konnte er sich nicht verlassen, und nach seiner Erfahrung war Hoffnung selten genug. Also konzentrierte er sich aufs Rennen.
Er passierte eine weitere Straßenlaterne. Die fortschrittliche nächtliche Beleuchtung mit Seelenlicht hatte sich in dieser Stadt noch nicht durchgesetzt, und so reihten sich entlang der Hauptstraße Öllaternen aneinander, die im Umkreis von wenigen Metern warmes, goldenes Licht verströmten. Zwischen den kleinen Lichtkugeln jedoch lagen Abschnitte tiefer Dunkelheit. Ferdinand war nicht sicher, ob das spärliche Licht ihm mehr half, als es schadete, denn jedes Mal, wenn er erneut in die Schatten eintauchte, brauchten seine Augen ein paar Sekunden, um sich wieder an die Dunkelheit zu gewöhnen. Er hätte wesentlich besser sehen können, vermutete Ferdinand, wenn es gleichbleibend finster gewesen wäre. Doch an diesen Umständen konnte er nichts ändern.
Er rannte an einem Torbogen vorbei und warf einen hastigen Blick auf den Innenhof dahinter, erkannte die Umrisse eines Brunnens. Schweiß brach ihm aus. Er hätte die Bäckerei längst passieren müssen. Hatte er sie verpasst? Bei Tag war ihm die Stadt niedlich vorgekommen, mit ihren Fachwerkhäusern, kleinen Gärten und verwinkelten Gässchen. Er war die Fluchtroute in den zurückliegenden Tagen so oft abgelaufen, dass er sich zutraute, ihr selbst mit geschlossenen Augen zu folgen. Das knapp zweitausend Einwohner zählende Städtchen war ihm wahrlich nicht wie eine Herausforderung erschienen. Doch bei Nacht sah jedes Haus gleich aus; die dunklen Fenster waren nichts anderes als leere Augenhöhlen, die sein Vorbeihasten gleichgültig beobachteten. Einen schrecklichen, endgültigen Moment lang war Ferdinand sicher, sich verlaufen zu haben, ausgerechnet jetzt, wo sein Leben davon abhing. Doch dann sah er vor sich etwas aufblitzen, und sein Herz machte einen Sprung: Die verschlungenen Arme einer goldenen Brezel reflektierten das Licht einer Öllaterne. Sein Körper reagierte, noch bevor sein Verstand den Anblick vollkommen verarbeitet hatte. Er bremste abrupt und bog scharf rechts ab. Ein Lufthauch strich an seinem Hinterkopf vorbei, und Ferdinand hätte schwören können, aus den Augenwinkeln einen riesigen Schatten zu sehen, der rasch wieder an Höhe gewann, doch er drehte sich nicht danach um. Er raste die Gasse hinunter, die Augen stur geradeaus gerichtet, versuchte, den stechenden Schmerz zu ignorieren, der sich gerade in seiner rechten Seite einnistete, versuchte noch mehr, nicht daran zu denken, wie schnell das Ding wieder aufholen würde. Vor ihm erhob sich nun in einiger Entfernung die dunkle Silhouette der alten Stadtmauer. Ein Hund bellte ihn aus dem schmalen Durchgang zwischen zwei Häusern an, als er vorbeirannte.
Wie es der Plan vorsah, mieden die Einwohner heute Nacht die Straßen. Ferdinand war keinem Menschen begegnet, seit er aus dem Gasthaus getreten war, doch in diesem Moment begann er inständig zu hoffen, dass ihm kein verirrter Straßenköter vor die Füße lief. Fünfzig Meter. Das Brennen in seinen Beinmuskeln wurde von dem Gefühl abgelöst, jemand gieße ihm Blei in die Adern. Er biss die Zähne zusammen und zwang sich, der wachsenden Erschöpfung nicht nachzugeben. Dreißig Meter. Sein Verstand ließ ihn wissen, dass sein Jäger etwa doppelt so schnell war wie er, was bedeutete, dass es nun sehr eng werden würde, selbst wenn er beim Abbiegen fünf Sekunden gewonnen hatte. Ferdinand versuchte, die Stimme in seinem Kopf auszublenden. Fürs Denken konnte er jetzt keinen Sauerstoff erübrigen. Zehn Meter. Fünf.
Ferdinand hastete in den Schutz des dunklen Torbogens. Seine Augen suchten fieberhaft den Boden ab, fanden das große weiße Kreuz, und dort endlich hielt er an, stützte die Hände auf den Oberschenkeln ab, rang hörbar nach Atem: ein von der Hatz erschöpftes Beutetier am Ende seiner Kräfte. Es gehörte keine große schauspielerische Leistung dazu, die wehrlose Beute vorzugaukeln, denn genauso fühlte er sich. Seine Beine zitterten, ihm war ein wenig übel, und als er die Augen schloss, tanzten hinter seinen Lidern bunte Lichter zum schnellen Stakkato seines Herzens, das schmerzhaft gegen seine Rippen hämmerte. Doch es war noch nicht vorbei. Leicht schwindelig richtete er sich wieder auf und sah zum ersten Mal in dieser Nacht über die Schulter – gerade noch rechtzeitig, um einen dunklen Schemen vom Himmel herabstoßen zu sehen. Sie hatten alles genau ausgemessen. Wenn ihre Berechnungen stimmten, war der Durchgang ein wenig breiter als die Spannweite der mächtigen Schwingen. Gebannt beobachtete Ferdinand den Sinkflug. Die vogelartige Kreatur war scheinbar genau zu dem Schluss gekommen, den sie sich erhofft hatten: dass es reichen würde, um den Durchflug zu wagen. Trotz seines akuten Mangels an Luft hielt Ferdinand den Atem an. Das hier war der Teil des Vorhabens, bei dem am meisten schiefgehen konnte; der Teil, bei dem er lediglich schweigen und hoffen konnte, dass der Plan aufging. Wo er so darüber nachdachte, ließ ihr Plan etliche Möglichkeiten für ein grausiges und frühes Ableben seinerseits offen. Doch nach mehreren Wochen im Feld war es der beste, den sie hatten.
Er stand regungslos da und starrte der Kreatur entgegen. In Wirklichkeit vergingen wohl nicht mehr als ein paar Sekunden, doch Ferdinand hätte später schwören können, dass er eine Ewigkeit dort ausgeharrt hatte, während er jedes winzige Detail wahrnahm: den Duft süßer Blüten in der Nachtluft, das Geräusch seines eigenen Atems, das Mondlicht, wie es ab und zu zwischen den Wolken durchschien und auf den Federn der Kreatur glänzte. Und dann, als das Wesen fast bei ihm war, so nah, dass er meinte, das Blitzen bösartiger Augen gesehen zu haben, ertönte ein metallisches Rasseln, und etwas Großes fiel von der Decke des Durchgangs. Mit einem dumpfen Krachen schlug die Kreatur auf dem Boden auf. Gleichzeitig stürmten dunkle Schemen von allen Seiten in den Durchgang. Fackeln flammten auf und verwandelten die schattenhaften Gestalten in seine Kollegen. Doch Ferdinand hatte nur Augen für das Wesen, das, unter dem schweren Spezialnetz gefangen, wild mit Flügeln und Klauen um sich schlug und sich zu befreien versuchte. Es war tödlich und wunderschön.
Ferdinand bemerkte nicht, dass er auf die Knie gesunken war, bis ihn jemand am Kragen packte und unsanft in die Höhe zog.
»Ferdinand, beweg deinen Arsch!« Friederike gab ihm einen Schubs, und Ferdinand wankte, immer noch leicht benommen, zum hinteren Ende des Durchgangs. Dort presste er den Rücken an die kalte Steinmauer und versuchte, niemandem im Weg zu stehen. Das war für den Rest der Nacht seine einzige Aufgabe. Die Menschen, die sich nun um ihn herum bewegten und versuchten, die Kreatur in den Käfig zu verfrachten, der außer Sicht auf der anderen Seite der Stadtmauer wartete, trugen schwere Schutzkleidung und waren bewaffnet. Ferdinand hatte auf alles, das ihn langsamer hätte machen können, verzichtet. Zur letzten Notwehr trug er ein Messer in einer Lederhalterung am Arm, doch spätestens jetzt, wo er die Kreatur zum ersten Mal aus der Nähe gesehen hatte, war ihm klar, wie wenig er damit hätte ausrichten können – außer vielleicht, sich ein letztes Butterbrot zu schmieren, falls er unterwegs Hunger bekam. Er hätte sich umziehen und den anderen beistehen können, doch seine Gliedmaßen fühlten sich so schwer an, dass er mit Sicherheit niemandem eine Hilfe sein würde. Trotzdem brachte er es nicht über sich, dem Spektakel den Rücken zu kehren. Zum einen war da ein Rest Sorge um die Männer und Frauen, für die er die Verantwortung trug. Zum anderen war da die Kreatur selbst. Er war zuversichtlich gewesen, dass es ihnen gelingen würde, sie zu fangen. Ob es ihnen aber auch gelingen würde, sie so weit ruhigzustellen, dass es möglich war, sie ohne Gefahr für alle Beteiligten zu verladen und zurück nach Hause zu bringen, war eine andere Sache.
Er wusste, dass alle ihr Bestes gaben, doch manchmal lagen diese Dinge einfach nicht in ihrer Hand. Oft war es erst das zweite oder sogar das dritte Exemplar, das lebendig den Weg in ein Gehege schaffte und nicht als ausgestopftes Anschauungsobjekt auf einem Sockel oder als Präparat in einer Alkohollösung endete. Karl, ihr befreundeter Arzt, mochte letztere Variante lieber, doch Ferdinand war der Meinung, dass es Dinge gab, die man von den Lebenden lernen musste. Langsam rutschte er an der Wand nach unten. Im Halbdunkel am Rande der Geschehnisse sitzend, ließ er den Tanz der dunklen Schatten an sich vorbeiziehen und wartete ab, zu erschöpft, um noch echte Nervosität zu empfinden. Er lauschte dem hektischen Flattern von Flügeln, das langsam abebbte, dem Scharren von Metall auf Stein und dem Knarzen von Leder, immer wieder unterbrochen von Friederikes gebellten Anweisungen und dem heiseren Kreischen der Kreatur. Schweres Atmen und Laute der Anstrengung drangen zu ihm herüber. Manchmal fluchte jemand. Zwischendurch glaubte Ferdinand, immer noch durch die Straßen zu rennen, verfolgt von Schatten, die nicht da waren. Dann bewegten sich die dunklen Schemen an ihm vorbei, ein großes Bündel zwischen sich tragend, und das Geräusch ihrer Schritte riss ihn aus dem tranceartigen Wachschlaf. Er hatte sich gerade mühsam hochgerappelt, als er hörte, wie der schwere Riegel des Transportkäfigs mit einem metallischen Klacken einrastete.
Sie hatten es geschafft.
Kapitel 2
Der Rückweg nach Jena dauerte fast zwei Wochen. Diesen Teil eines Feldeinsatzes mochte Ferdinand stets am wenigsten. Ohne die Planung, die Vorbereitung, die Aufregung und die Vorfreude blieben nur Arbeit und Stress. Alle Beteiligten an der Jagd waren erschöpft und wollten nach Hause. Die Tage auf der Straße reihten sich aneinander wie die immer gleiche Theatervorstellung – ohne Pausen. Jeden Tag musste man sich darum kümmern, dass alle versorgt waren und halbwegs bei Laune blieben. Jeden Tag mussten die Pferde gestriegelt und gesattelt werden, man musste das Zaumzeug anlegen und nach dem Reiten die Tiere wieder davon befreien und nochmal striegeln, man musste die Hufe kontrollieren und das Leder pflegen. Jeden Tag musste man sichergehen, dass die Wagen in gutem Zustand waren, damit nicht auf den oftmals schlecht ausgebauten Straßen in den Deutschen Landen eine Achse brach. Und natürlich musste man zusehen, dass die Kreatur, wegen der man die ganzen Strapazen auf sich genommen hatte, nicht unterwegs starb. Der Nachtgiger, denn darum handelte es sich bei ihrem neusten Fang, war in dieser Hinsicht noch ein halbwegs umgänglicher Geselle. Obwohl er ihnen sichtlich feindselig begegnete, ließ er sich am zweiten Tag dazu herab, etwas Wasser zu trinken, und akzeptierte am fünften Tag ein totes Kaninchen, in dem er mürrisch mit dem Schnabel herumhackte. Soweit zum Alltag. Doch dann waren da noch die Probleme, die eine Reise mit einem offensichtlich unnatürlichen Wesen in einem großen Käfig mit sich brachte. Meistens lief es darauf hinaus, dass Ferdinand Überzeugungsarbeit leisten musste. Er überzeugte die sie begleitenden Wachen, dass sie erfahrene Wissenschaftler waren, die wussten, was sie taten. (Auf die Diskussion darüber, ob sie möglicherweise verrückt waren, ließ er sich schon lange nicht mehr ein.) Er überzeugte die Wirtin, dass es wirklich sicher war, wenn sie den Käfig für eine Nacht in ihrem Stall abstellten. Er überzeugte sogar die wenig später mit besorgten Mienen vor der Tür stehenden Priester, dass es wirklich keinen Anlass gab, das Monstrum hier und jetzt zu schlachten. Nur bei den unablässig aufkreuzenden Schaulustigen platzte ihm schlussendlich der Kragen, und er bat Friederike, sich darum zu kümmern. Diese kam seinem Wunsch nach, indem sie mit einem jovialen Lächeln vor die versammelten Menschen trat und ihnen versicherte, es gäbe nichts zu sehen, und sie sollten nun bitte nach Hause gehen – und wer dies nicht tat, den würde sie mit zum Nachtgiger in den Käfig stecken. Dann schoss sie ein paar Mal mit ihrer Pistole in die Luft, woraufhin sich die Menge rasch zerstreute. An diesem Abend schließlich überzeugte Ferdinand seine Leute, dass sie für den Rest der Reise Städte meiden und lieber außerhalb der Stadtmauern an der Straße kampieren würden. Fast war er froh, als sie ein paar Tage später von Wegelagerern attackiert wurden. Denn obwohl es eine unschöne Begegnung war, war es immerhin eine, die keine freundliche Überzeugungsarbeit erforderte, sondern lediglich die Kampfkünste der Gruppe auf die Probe stellte.
Es war keine schwierige Probe.
Wenig später querten sie die Saale. Als am Mittag des zwölften Tages endlich wohlbekannte Häuser in Sicht kamen, konnte Ferdinand ein kollektives Seufzen der Erleichterung durch seine Truppe gehen hören. Die Reise näherte sich ihrem Ende, und dieses Wissen gab allen neue Kraft. Zum ersten Mal seit einer Woche hörte er hinter sich Gelächter. Sogar die Pferde schritten energischer aus, während sie dem Lauf des Flusses folgend in Jena einritten.
Die Menagerie lag am Rande der Stadt. An den Ausläufern des Großen Gleisbergs hatte Ferdinand, als vor fast zehn Jahren alles seinen Anfang genommen hatte, einige Hektar Land erworben. Die Wege von und zur Universität nahm er gern in Kauf für die Gewissheit, dass ein Kilometer Brachland ihre durchweg gefährlichen Schützlinge von der Kernstadt und den Menschen dort trennte – und manchmal auch umgekehrt. Dazu kam ein gewisser Stolz, den er verspürte, weil er seinen Tieren diese weiten Flächen zur Verfügung stellen konnte. Nicht alle Inconnu brauchten gleich viel Platz. Der Nachtmahr war glücklich in dem kleinen Häuschen, das sie ihm in der Mitte der Menagerie gebaut hatten, und in dem sie bei besonders schlechtem Wetter manchmal zu Mittag aßen. Es war auf Ferdinands Wunsch hin das unpraktischste Haus der Welt, voll dunkler Ecken, unnötiger Winkel und leerer Schränke. Der Nachtmahr versteckte sich zwischen den Dachbalken und hinter der Treppe, im Leerraum unter den Bodendielen und auf dem kleinen, engen Spitzbogen. Die Studenten im ersten Semester wechselten sich wochenweise damit ab, eine Nacht in dem »Geisterhaus« zu schlafen, damit der Nachtmahr nicht zu hungrig und unleidig wurde – eine Mischung aus Notwendigkeit, Lehrmethode und Initiationsritus. Sorgen, dass der Nachtmahr sie auch zu Hause heimsuchen würde, brauchten sie aber nicht zu haben: In die Wände des Hauses waren so viele Schutzsiegel eingearbeitet, dass Ferdinand im Falle einer widernatürlichen Invasion am liebsten dort drinnen hätte sein wollen.
Die Korndämonen hingegen brauchten ihren Auslauf. Wenn er die Zeit hatte, saß Ferdinand gern auf dem Hochsitz am Rande ihres Getreidefeldes und sah den Ähren dabei zu, wie sie sich in einem sanften Wind zu wiegen schienen – daran sah man, dass die Korndämonen, die man auch als Roggenwölfe bezeichnete, durch das Feld liefen. Es freute ihn, wie lange sie durch ihr Revier streifen konnten, bevor sie auf eine Barriere trafen. Außerdem hatten sie durch die Größe ihres Feldes eher zufällig eine zusätzliche Einnahmequelle aufgetan. Weil Korndämonen keine schädlichen Auswirkungen auf das Getreide hatten, in dem sie lebten, trieben Ferdinand und ein paar Mitarbeiter jedes Jahr im Spätsommer alle von ihnen in einer Ecke des Feldes zusammen, während die mutigsten Bauern der Umgebung so schnell sie konnten das Getreide mähten. Das daraus entstehende »Dämonenbrot« fand bei den Besuchern der Menagerie reißenden Absatz. Es war allerdings fundamental fürs Überleben dieser Kreaturen, dass ein paar Garben auf dem Feld übrig blieben, damit sie in ihnen überwintern konnten.
Ihr jüngster Neuzugang konnte allerdings fliegen, und das hatte Ferdinand und seine Mitstreiter vor gänzlich neue Probleme gestellt. Es war nicht so, dass sie keinen Platz für den Nachtgiger hatten – den hatten sie – oder dass er besonders schwierig zu halten gewesen wäre – das war er nicht. Doch die Notwendigkeit, eine ausreichend große Voliere zu erbauen, erwies sich als Herausforderung. Ein Tier mit mehreren Metern Spannweite war alles andere als ein bunter Papagei aus der Neuen Welt. Normalerweise hatte das Revier eines Nachtgigers die Größe einer Kleinstadt, und das überstieg selbst Ferdinands Möglichkeiten. Schließlich hatte Karl, ihr Arzt, vorgeschlagen, den Nachtgiger zu den Wolpertingern zu stecken und abzuwarten, was passierte.
Das Wolpertingergehege lag am Waldrand, dort, wo das Gelände langsam anstieg, um im Hinterland jenseits der Menagerie in sanfte Hügelketten überzugehen. Karls Idee erwies sich als durchaus praktikabel. Bisher gab es keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass Nachtgiger anderen widernatürlichen Wesen nachstellten, und falls die Wolpertinger umgekehrt den Nachtgiger anfielen, nun, Ferdinand wäre ehrlich beeindruckt gewesen, wenn die wild zusammengewürfelten Haufen aus Tierteilen dazu in der Lage wären. Sie hatten also einen Maurer kommen lassen, der in Rekordzeit einen kleinen, schmalen Turm hochgezogen hatte, in dem der Nachtgiger tagsüber schlafen konnte, während sie selbst das bereits vorhandene Käfiggitter zum Himmel hin verstärkt hatten. Ein halbes Jahr hatten die Arbeiten gedauert, ein halbes Jahr, in dem die Beteiligten nicht einmal sicher sein konnten, dass jemals ein Nachtgiger lebend gefangen werden konnte. Doch am Ende war ihnen das Glück hold gewesen. Die Nachtgiger-Voliere war nicht nur rechtzeitig fertig geworden, sie hatten auch zeitnah die Spur einer solchen Kreatur aufgenommen und sie lebend einfangen können.
Mit Flaschenzügen und Kränen hievten Ferdinands Gefährten – größtenteils Studierende im Fachgebiet der Parazoologie, aber auch angeheuerte Tagelöhner aus Jena – den Käfig vom Wagen und bugsierten ihn zum Eingang des Geländes. Die Wolpertinger schauten dem Treiben von ihrer Warte am Waldrand aus argwöhnisch zu. Wie Hasen, denen sie am offensichtlichsten ähnelten, waren sie scheue Tiere, doch durfte man sie nicht unterschätzen. Rotteten sie sich zusammen, konnten sie auch für einen erfahrenen Jäger zu einer Bedrohung werden. Doch die große Schar von Menschen in ihrem Gehege schüchterte sie sichtlich ein, sodass von ihnen keine Gefahr ausging. Manchmal erhoben sie sich, mit ihren verkümmerten Flügeln flatternd, ein paar Meter in die Höhe, oder sie stießen seltsame Laute aus, die an das Bellen von Füchsen erinnerten – doch sie hielten Abstand.
Nachdem Friederike das Gehege noch einmal sorgfältig kontrolliert hatte, verließ sie als Letzte den riesigen Käfig. Jetzt kam der Moment der Entscheidung: das Öffnen der Käfigtür. Aller Nerven waren angespannt. Der Nachtgiger hatte seit gestern Abend apathisch in einer Ecke seines behelfsmäßigen Käfigs gekauert. Vielleicht war er vom ständigen Geruckel des Käfigwagens und den Geräuschen bei Tage, wenn er eigentlich schlafen wollte, erschöpft. Vielleicht hatte ihm die lange Zeit auf engstem Raum geschadet. Vielleicht war er während seiner Gefangennahme oder auf der Reise verletzt worden. Ferdinand konnte nur Mutmaßungen anstellen.
Die Tür schwang auf. Der Nachtgiger hob den Kopf. Er brauchte eine Weile, um zu verstehen, was passiert war und welche neuen Möglichkeiten sich ihm damit boten, doch schließlich rappelte er sich mühsam auf, stakste zur Tür und beäugte von dort aus misstrauisch die neue Umgebung. Vorsichtig wagte er einen Schritt hinaus, und dann noch einen, und noch einen. Probeweise machte er ein paar kleine Hüpfer und schlug mit den Flügeln. Im nächsten Moment stieß er ein entrüstetes Kreischen aus und flatterte hinüber zu seinem Turm, um das Schwein in Augenschein zu nehmen, das man als Begrüßungsgeschenk dort aufgehängt hatte. Ferdinand sah gebannt zu, genau wie seine Mitstreiter, Schüler und Bediensteten, die sich um die riesige Voliere versammelt hatten. Dann begann irgendjemand aufgedreht zu kichern – ein Kichern, mit dem sich die Angst und die Anspannung der letzten Wochen lösten. Andere stimmten ein, jemand fing an zu klatschen, und auf einmal stand statt einer hochkonzentrierten Jagdtruppe ein lärmender Pulk von Menschen vor dem Gehege.
Friederike verschaffte sich Gehör, indem sie einige Male mit einem Stock gegen die Metallstäbe des Käfigs schlug. »Gute Arbeit, alle miteinander«, lobte sie, als sich der Trubel ein wenig gelegt hatte. »Ich bin froh, dass alles so gut geklappt hat und wir gesund und munter heimkehrten. Genießt einen schönen Abend im Roten Hirsch; das Essen und Trinken geht auf Rechnung der Universität. Morgen könnt ihr bei mir vorbeikommen und die zweite Hälfte eures Lohns abholen.«
»Hört, hört«, rief jemand, und alle brachen erneut in Gelächter aus, bevor die ersten ihre Ausrüstung zusammenklaubten und in kleinen Grüppchen von dannen zogen.
Während sich die Schar zerstreute, wandte Friederike sich an ihre beiden Kollegen. »Abschlussbierchen?«
»Ich muss mich erst etwas ausruhen«, widersprach Ferdinand. Er war mit einem Mal unglaublich müde. Sein Hemd war so steif von Schweiß und Schmutz, dass es knisternde Laute von sich gab, wenn er sich bewegte. Außerdem hatte er das dringende Bedürfnis, ein paar Stunden für sich zu sein. »Sagen wir um acht?«
Friederike nickte.
»Geht ruhig«, meldete sich nun auch Karl zu Wort. »Ich bleibe noch hier und sehe zu, wie er sich einlebt – und passe auf, dass er nicht doch den Wolpertingern nachstellt.« Die Wolpertinger waren Karl eine Herzensangelegenheit.
Ferdinand klopfte seinem Gefährten auf die Schulter und machte sich auf den Weg nach Hause.
Nur kurz kehrte er in sein Quartier ein, um sich vom Staub der Straße zu befreien, frische Kleider anzuziehen und bei seiner Haushälterin eine Flasche Milch zu holen. Kurz darauf verließ er das Haus wieder, diesmal in Richtung Universität, die nur ein paar Straßenzüge entfernt war. Ferdinand schritt durch die Eingangspforte, überquerte den Hof und stieg eine Treppe nach oben. Nach ein paar weiteren Schritten stand er endlich vor der Tür seines Arbeitszimmers. Er schloss sie auf und trat ein. Sofort umfing ihn der Geruch nach Heimat. Sein Bett und sein Waschtisch mochten sich an einem anderen Ort in der Stadt befinden, doch wenn er an Zuhause dachte, war es stets sein Arbeitszimmer, das vor seinem inneren Auge erschien – dieser große Raum, im ersten Stock der Universität, mit Blick auf den Innenhof. Er schloss die Tür hinter sich und atmete tief durch. Als er den Blick über sein Reich schweifen ließ, spürte er, wie die Anspannung der letzten Wochen aus seinem Körper wich. Muskeln in seinem Nacken, von denen er nicht gemerkt hatte, dass sie verkrampft waren, lockerten sich, und der leichte Kopfschmerz, der so alltäglich geworden war, dass er ihn kaum noch wahrnahm, ließ nach. Langsam ging er zu seinem Schreibtisch, umrundete ihn andächtig und ließ sich schließlich mit einem Seufzen in den abgewetzten Lederstuhl sinken. Seine Leute waren noch unter den Lebenden, der Nachtgiger war in seiner Voliere, und er selbst war zurück in seinem Studierzimmer. Alles war wieder so, wie es sein sollte.
Ein kleiner Stapel Post hatte sich in den Wochen seiner Abwesenheit auf seinem Sekretär aufgetürmt und bereits eine leichte Schieflage erreicht. Ferdinand blätterte einmal lustlos durch die Umschläge, trennte wichtig von unwichtig, bis er spürte, dass sein Magen knurrte. Das Aufziehen sämtlicher Schubladen am Sekretär brachte ein Glas mit Honig, eine halbvolle Dose mit Teeblättern und einen verschrumpelten Apfel zum Vorschein. Ferdinand entfachte ein kleines Feuer im Kamin, setzte Teewasser auf, füllte die Milch in eine Schüssel und öffnete das Fenster. Dann setzte er sich an seinen Schreibtisch, aß den Apfel und begann, seine Post zu lesen. Es dauerte vielleicht eine halbe Stunde, bevor leises Flügelschlagen zu hören war. Im nächsten Moment sprang ihm etwas von der Größe einer Katze auf seine Schulter, und fast wäre Ferdinand durch die Wucht des Stoßes mit dem Oberkörper gegen die Tischkante gedrückt worden.
»Hallo, mein kleiner Teufel«, begrüßte er seinen Gast, als er sich wieder gefangen hatte. Er legte den Brief, den er gerade gelesen hatte, zur Seite und kraulte den Miniaturdrachen unter dem Kinn. »Hast du mich vermisst?«
Der Gluhschwanz legte den Kopf schief, zutraulich, doch auch ein wenig vorwurfsvoll.
Ferdinand war jedes Mal wieder fasziniert, wie viel Emotion man mit ein wenig Übung aus dem scheinbar starren Echsengesicht ablesen konnte. »Ich weiß, ich war wieder wochenlang weg«, gestand er und erhob sich, ein wenig unter dem einseitigen Gewicht des Drachen schwankend, »aber ich hab dir Milch mit Honig und ein Feuer gemacht, schau mal.« Er ging zum Kamin hinüber. Der Gluhschwanz sprang ihm von der Schulter und versenkte den Kopf in der Schüssel. Lautes Schmatzen verriet Ferdinand, dass ihm vergeben war.
Er kehrte zu seinem Schreibtisch zurück und widmete sich der neusten Ausgabe des Journal des Inconnu. Die französische Zeitschrift war zum ersten Mal erschienen, als er noch ein Student gewesen war und gehörte seither zu den halbjährlichen Freuden seines akademischen Lebens. Es war nicht das beste oder wissenschaftlichste aller Journale, doch er las es gern. Keine der angeseheneren Periodika ließen ihn derart hautnah mitfiebern, wenn ein Kollege darüber berichtete, wie er einen schneebedeckten Gipfel des Himalaya erklommen hatte, um einen der geheimnisvollen Schneeaffen zu fangen, oder in einem kleinen Kahn die Seitenarme des Rio Negro hinaufgepaddelt war, auf der Suche nach dem legendären Curupira. Obwohl die Methoden hinter vielen Studien zweifelhaft waren, das Lektorat zu wünschen übrig ließ und manche Beiträge offensichtlich einer blühenden Fantasie entsprangen, ließ die Lektüre Ferdinand immer mit dem aufregenden Gefühl zurück, dass es in ihrer Welt noch vieles zu entdecken gab.
Ihre Welt, Ferdinands Welt, war völlig anders, als es noch die Welt seiner Urgroßeltern gewesen war. Und das lag nicht nur daran, dass Kinder immer alles anders machen wollten als ihre Eltern, dass neue Ideen, wenn sie einmal Fuß gefasst hatten, sich nicht mehr ausmerzen ließen, und die Entwicklung unaufhaltsam voranschritt. Nein, dass seine Welt so anders war, lag an einem Ereignis, das nun dreiundneunzig Jahre zurück lag. In jenen Tagen des Jahres 1640, als die Deutschen Lande vom großen Krieg heimgesucht wurden, hatte eine Gruppe von Söldnern in einem abseits gelegenen Tal im Schwarzwald in einem alten Klostergewölbe einen Grabstein bewegt, den sie besser an seinem Platz gelassen hätten. Denn durch ihr unbedachtes Tun stießen sie ein Tor zur Hölle auf. Heerscharen von Dämonen ergossen sich aus dem Höllenschlund, der, so wusste man heute, nicht der Einzige war, der sich nun, da die Siegel einmal gebrochen waren, auftun sollte. Die Dämonen frohlockten über ihre neue Freiheit. Die mordlustigen Bestien fielen in Szenen unbeschreiblichen Grauens über die badischen Lande her, die bereits durch die Folgen des 1618 begonnenen Großen Kriegs ausgelaugt waren. Jeder, der noch die Kraft dazu hatte, griff zu den Waffen, doch eine realistische Chance zu überleben hatten nur jene, die unverzüglich die Flucht ergriffen.
Noch weniger als den Dämonen hatten die Flüchtlinge einem Phänomen entgegenzusetzen, das als der Schwarze Sturm bekannt wurde: ein Gewitter aus bösen Geistern, das über Nationen und Kontinente hinwegfegte und alles veränderte, womit es in Berührung kam. Die dunklen Geister korrumpierten Menschen, hauchten lange vergessener Magie neues Leben ein und ließen alle finsteren Kreaturen, die seit Menschengedenken in ihren Gräbern geschlafen, in tiefen Wäldern gelauert oder in unterirdischen Höhlen ausgeharrt hatten, wissen, dass ein neues Zeitalter angebrochen war.
Wenig später fiel Rom unter dem Ansturm der Dämonen. Diese Niederlage, mehr als alle anderen zuvor, versetzte die christliche Welt in eine angsterfüllte Schockstarre. Kaum jemand schien noch in der Lage zu sein, sich dem Unbegreiflichen in den Weg zu stellen. Der Tag des Jüngsten Gerichts schien gekommen, für den Armen und den Reichen, den Mächtigen und den Schwachen. Niemand war vor dieser Unbill gefeilt. Doch das Ende kam nicht. Und der Grund dafür, davon war Ferdinand überzeugt, war der folgende: Menschen waren ungeheuer anpassungsfähig. Sie lernten, zurückzuschlagen. Sie lernten, die finsteren Geister für ihre Zwecke zu nutzen. Sie klammerten sich mit einer Hartnäckigkeit ans Leben, die wohl selbst den Dämonen ein anerkennendes Nicken abgerungen haben musste. Und nun, fast ein Jahrhundert später, hatten sich die Menschen mit der neuen Situation abgefunden. Rom war nach Jahrzehnten der Besetzung durch infernale Mächte zurückerobert worden, die Grenzen um das von Monstern besetzte Gebiet im Schwarzwald, wie auch Teilen der Schwäbischen Alb, waren gefestigt und gut behütet. Das Böse war zurückgedrängt und eingedämmt worden, die Auswirkungen des Schwarzen Sturms jedoch waren überall auf der Erde spürbar.
Ferdinand selbst bekümmerte das Wissen über die alte Welt, die sie verloren hatten, nicht. Er hatte keinen Vergleich zu jenen Tagen, in denen die Wälder nicht vor Werwölfen gewimmelt hatten, die Toten nicht auf den Befehl eines Nekromanten aus ihren Gräbern aufgestiegen waren und keine Ausgeburt der Hölle von ihrem dunklen Thron im Schwarzwald aus nach der Herrschaft strebte. Obwohl das Leben zweifellos gefährlich war und jeden Tag neue Übel dazukamen, hatten all diese Ereignisse doch ein Gutes: Sie spornten die verbliebenen Menschen zu immer neuen Höchstleistungen an. Manche griffen zum Schwert, andere griffen zur Bibel. Ferdinands Waffen hießen Gelehrsamkeit und Wissenschaft. Sich der Forschung hinzugeben, war der Weg, der seinem Naturell am ehesten entsprach, und Ferdinand war davon überzeugt, dass dieser Weg letztendlich den meisten Erfolg erzielen würde.
Durch die Wissenschaft hatten die Menschen die Geheimnisse von Mechanik und Mathematik, Astronomie und Physik ergründet. Sie hatten damit begonnen, alchemistische Wundermittel zu erschaffen und sie zu ihrem Vorteil im Kampf gegen das allgegenwärtige Böse einzusetzen. Sie hatten gelernt, Seelenlicht zu gewinnen und zu benutzen, indem sie die durch den Äther schwirrenden Sturmgeister einfingen und in einem nur halb-verstandenen, magisch-alchemistischen Prozess in eine grün-grau leuchtende Energieform umwandelten. Jene, die den Kampf gegen das Böse in all seinen Erscheinungsformen aufgenommen hatten, nannte man Jäger. Und in gewisser Weise verstand sich Ferdinand ebenfalls als Jäger. Jedoch nicht als unerbittlich zuschlagender, das Böse vernichtender Jäger, sondern vielmehr als Jäger der Wissenschaft: Er und seine Kollegen waren Angehörige des noch jungen Fachgebiets der Parazoologie, das von Doktor Ottokar Runze erst vor wenigen Jahren ins Leben gerufen worden war. Parazoologen wie Ferdinand, Friederike und Karl hatten sich der Erforschung der sogenannten Inconnu verschrieben, widernatürlicher Kreaturen von geringer Intelligenz, mehr instinktgetriebene Tiere als intelligente Lebewesen – wie der Nachtgiger, den sie unter großen Mühen gefangen hatten, oder der echsenartige Gluhschwanz, mit dem sich Ferdinand vor langer Zeit angefreundet hatte. Dieses wundervolle Journal auf seinem Tisch brachte einige von ihnen hier in sein Studierzimmer, ohne dass er auch nur einen Fuß aus der Tür setzen musste.
Nach einiger Zeit verstummt das Schmatzen. Kurz darauf sprang der Gluhschwanz flatternd auf den Schreibtisch, tapste über die Tischplatte und wagte von dort den Abstieg auf Ferdinands Knie, ohne sich darum zu kümmern, dass er dabei der Teekanne gefährlich nahe kam und Briefe auf dem Boden verteilte. In aller Seelenruhe rollte er sich in Ferdinands Schoß ein, und dieser akzeptierte, dass dies die Position war, in der er die nächsten Stunden verbringen würde. Er kraulte die Stelle zwischen den Flügeln des kleinen Geschöpfs, das darauf mit einem Laut reagierte, der dem Schnurren einer Katze ähnelte. So saßen sie da, der Professor und der Miniaturdrache, während sich allmählich die Dunkelheit über die Universität senkte. Ferdinand war gerade in einen Absatz über riesige Würmer vertieft, die den Autoren zufolge in den Wüsten Zentralasiens leben sollten, als es an der Tür klopfte. Er schreckte auf und warf einen Blick auf die schwere Pendeluhr. Es war fast zehn. »Herein?«
Friederike steckte den Kopf durch die Tür, und als Ferdinand schuldbewusst lächelte, folgte der Rest von ihr.
»Jemand«, drohte Friederike mit erhobenem Zeigefinger und kam auf ihn zu, »ist nicht gekommen, um ein Bier mit mir zu trinken!«
»Und dennoch sieht es aus, als hätte dich das nicht aufgehalten.« Er beäugte sein Gegenüber amüsiert. »Bist du betrunken?«
Friederike stellte ein unförmiges Bündel auf seinem Tisch ab. »Betrunken ist relativ – im Gegensatz zu dir: ja. Im Gegensatz zu manch anderen unserer Kameraden, die gerade im Wirtshaus sitzen: nein.« Sie packte einen der herumstehenden knautschigen Polstersessel unter den Armlehnen, wuchtete ihn vor den mächtigen Schreibtisch und ließ sich seufzend in den Sessel fallen. »Ich glaube, die haben gleich nach unserer Ankunft mit dem Trinken angefangen. Als ich dazukam, war ich ungefähr vier Runden Helles hinterher. Kennst du das? Wenn du der am wenigsten Betrunkene im Raum bist und deswegen feststellen musst, dass alle anderen sich echt dämlich aufführen?«
»Um ehrlich zu sein: nein«, gab Ferdinand zu. Die Echse in seinem Schoß erhob sich und streckte sich mit einem Gähnen, das nach faulen Eiern roch.
»Oh.« Fast hätte man Friederikes Gesichtsausdruck als verlegen beschreiben können. »Ich habe versucht, die verpassten Runden aufzuholen. Aber wenn man gezwungen ist, schnell zu trinken, macht die ganze Chose keinen Spaß und die Veranstaltung hat bald ihren Reiz verloren. Also dachte ich, ich schau nach, ob du noch lebst.« Sie beugte sich nach vorne und knotete ihr Bündel auf. Zum Vorschein kamen ein halber Laib Brot, ein Stück geräucherter Schinken und eine Ecke Hartkäse. »Und ich hab Essen mitgebracht.«
»Hervorragend«, erwiderte Ferdinand.
»Und Bier.« Seine Kollegin zog zwei Weinflaschen aus ihrer Tasche, die offenbar zweckentfremdet mit Bier gefüllt waren.
»Besser«, grinste Ferdinand.
Friederike zog den Korken aus den Flaschen, reichte ihm eine, nahm die andere und klinkte sie gegen Ferdinands. »Wohl bekomm’s.« Sie nahm einen Schluck. Dann schwang sie, die Flasche in der Hand balancierend, die Beine über die Armlehne, lehnte sich zurück und inspizierte das große Vogelskelett an der Decke.
Der Gluhschwanz betrachtete die beiden Menschen noch einen Moment lang mit einer Mischung aus Desinteresse und Geringschätzung. Dann sprang er auf die Fensterbank und flatterte durch das offene Fenster in die Nacht davon.
Ferdinand stopfte sich Brot und Käse in den Mund und überlegte, ob er ein Gespräch beginnen wollte, doch nach mehreren Wochen mit Friederike im Feld war eigentlich alles zwischen ihnen gesagt. Friederike selbst schien damit zufrieden zu sein, im Sessel zu lümmeln und ihr Bier zu trinken, also kehrte Ferdinand zu seiner Lektüre zurück. Eine ganze Weile lang herrschte einträchtige Stille zwischen ihnen.
»Hier ist ein Beitrag von dem Doktor, der letztes Jahr im Stützpunkt der Ostindien-Kompanie auf Dejima war«, durchbrach Ferdinand schließlich das Schweigen. »Er schreibt, er habe regelmäßig ein kleines grünes Wesen im Waschraum gefunden, das den Badezuber ausgeleckt habe.«
»Warum?« Friederike wirkte belustigt und irritiert zugleich.
»Ich habe nicht die geringste Ahnung und Doktor van der Burgh auch nicht«, erwiderte Ferdinand. »Ich zitiere: Es war uns gegenüber nicht aggressiv und schien kein anderes Verlangen zu haben, als unser Bad heimzusuchen. Auf Beharren unserer japanischen Gastgeber begannen wir, die Örtlichkeiten täglich zu reinigen, woraufhin wir das Wesen nicht mehr zu Gesicht bekamen.« Ferdinand nahm ohne hinzusehen einen Bissen von seinem Brot und blätterte mit leuchtenden Augen die Seite um.
»Haben die Niederländer denn deine Anfrage dieses Jahr bewilligt?«, fragte Friederike.
Ferdinands Gesichtsausdruck verdüsterte sich schlagartig. Der Brief mit dem Zeichen der Handelskompanie war immer der erste, den er aufriss, obwohl er inzwischen nicht mehr wusste, warum. Es war immer dieselbe Antwort: Wenn er kein medizinisches Personal war, gab es keinen Grund, ihn an Bord zu lassen, geschweige denn, ihn um die halbe Welt zu schippern.
Friederike war klug genug, nicht weiter zu fragen, und widmete sich schweigend wieder ihrem Bier.
»Das hier ist interessant«, murmelte Ferdinand nach einer Weile. »Hier bittet ein Professor aus Harvard um Hilfe. Er und seine Kollegen jagen seit Monaten vergeblich ein Wesen, das den Kopf, die Flügel und die Beine eines Adlers hat und den Körper einer Echse … und Tentakel.«
»Tentakel?«, fragte Friederike und setzte sich etwas umständlich auf. »Wo?«
»Wenn ich dem hier Glauben schenke, im Schnabel.« Ferdinand schob seiner Kollegin die Zeitschrift über den Schreibtisch zu.
Friederike klaubte sie eilig auf, um den Beitrag zu studieren.
»Wir könnten das fangen«, erklärte sie, als sie zu Ende gelesen hatte.
»Wie würdest du es anstellen?«, fragte Ferdinand interessiert und zog Papier und Tinte aus einer Schublade.
»Nun ja, es wäre gar nicht so anders als unser neuester Fang. Erfahrungen in der Lindwurmjagd schaden sicher auch nicht. Es käme natürlich darauf an, wo es nistet. Vielleicht macht es mehr Sinn, es in seinem Nest oder seiner Höhle zu überraschen als auf der Jagd.« Sie tippte auf den Artikel. »Der Schnabel ist das Problem. Er schreibt hier, dass sie das Ding schon mehrmals festgesetzt hatten, aber es einfach alle Materialien durchzwickt. Ich frage mich, ob sie schonmal an einen Maulkorb gedacht haben. Nicht einfach, den drüber zu kriegen, aber nicht unmöglich, wenn man –« Sie unterbrach sich. »Was machst du da?«
Ferdinands Feder hörte auf, über das Papier zu kratzen. »Ich schreibe mit«, erklärte er wie selbstverständlich und blickte Friederike mindestens genauso überrascht an wie sie ihn.
»Wieso?«, fragte sie, als nach einigen Sekunden keine weitere Erklärung folgte.
»Ich dachte, wir könnten dem netten Herren antworten.«
»Wieso?«
»Weil er Hilfe braucht und wir eine Idee haben.«
Friederike schnaubte. »Und du glaubst, dass sich jemand auf der anderen Seite des großen Teichs darum kümmert, was wir zu sagen haben?«
»Komm schon, das ist eine großartige Gelegenheit. Vielleicht entsteht etwas aus diesem Brief. Eine freundschaftliche Verbindung nach Harvard könnte unseren Studenten die Möglichkeit eröffnen, dort einen Teil ihres Studiums zu absolvieren. Das wäre wirklich bedeutend.« Ferdinand machte eine Handbewegung zu dem Regal, in dem er die anderen Ausgaben des Journal des Inconnu aufbewahrte. »Sie haben dort Wesen, die haben wir noch nie gesehen haben. Und umgekehrt haben wir Wesen, die sie anscheinend vergessen haben, denn sonst wüssten sie, wie man fliegende Schlangen fängt.«
Friederike runzelte skeptisch die Stirn. »Fein«, brummte sie schließlich und nahm noch einen Schluck Bier. »Aber ich sag dir, es wird nichts dabei rumkommen. Und jetzt schreib mit.«
Ferdinand schrieb mit.
Kapitel 3
Einige Wochen später stand Ferdinand neben Karl im kleinen anatomischen Theater der Menagerie. Die in steilen Rängen angeordneten Sitzreihen waren leer, seit Karl vor ein paar Minuten seine Schüler entlassen hatte, doch er und Ferdinand waren dennoch nicht allein: Das große vogelartige Wesen lag zwischen ihnen auf dem Tisch, reglos, abgesehen vom steten Heben und Senken des Brustkorbs. Der Nachtgiger war immer noch majestätisch, die Krallen an seinen Fingern und Zehen lang und spitz, der Schnabel gebogen und rasiermesserscharf. Doch das konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass er unverkennbar krank aussah. Die halbgeschlossenen Augen waren trüb. Schorfige Stellen bedeckten Hals und Beine. Das Gefieder, das eigentlich schwarzgrün schillern sollte, war stumpf und grau. Am Torso waren Federn ausgefallen und hatten kahle Stellen zurückgelassen, an denen die blasse Haut durchschimmerte.
»Also?«, fragte Ferdinand und sah zu seinem Kollegen auf. »Was fehlt ihm?«
Karl trommelte nachdenklich mit einer seiner behandschuhten Hände auf das Holz. »Nun, nach allem, was ich sagen kann, ist er rein körperlich vollkommen gesund. Daher ist meine Vermutung, basierend auf den Erfahrungen mit anderen Tieren, dass wir durch unser Futterangebot nicht alle seine Nahrungsbedürfnisse abdecken.« Er wägte einen Moment lang ab. »Vielleicht hat er auch ein wenig Heimweh, ich weiß nicht …«
Ferdinand warf ihm einen langen, ausdruckslosen Blick zu. »Willst du mir sagen, dass ich Leichen für das Ding auftreiben muss? Leichen, wie in tote Körper von Leuten?«
»Ich will dir sagen, dass wir durch unser Futterangebot nicht alle seine Nahrungsbedürfnisse abdecken«, erwiderte Karl trocken. »Und nichts anderes werde ich in meinen Befund schreiben, Gott sei mein Zeuge. Wenn du dich damit besser fühlst, kannst du ihm auch erstmal eine Fachwerkkulisse aufstellen und gucken, ob das hilft. Pack mit an.«
Er ergriff die feste Segelplane, auf dem der Nachtgiger lag, an den oberen Ecken. Ferdinand nahm die unteren Ecken, und gemeinsam hievten sie das Tier auf den Wagen, der neben der Tür stand. Anschließend ging es den schmalen Gang hinunter und nach draußen in den Park. An den Nachmittagen war die Menagerie für Besucher geöffnet, doch vormittags war es ruhig. Ein paar Mitarbeiter kehrten die Wege, eine Handvoll Studenten kam ihnen auf dem Rückweg von einer praktischen Unterrichtsstunde entgegen; sie grüßten höflich und warfen im Vorbeigehen neugierige Blicke auf das gefiederte Ungetüm.
Ferdinand und Karl brachten den Nachtgiger zurück in sein Gehege und warteten, bis er sich nach einiger Zeit allmählich regte und schließlich leicht benommen wieder auf die Beine kam. »Dieses Mal hast du die Dosierung wirklich gut abgepasst«, bemerkte Ferdinand anerkennend.
Karl schnaubte. »Du meinst, nachdem ich vierzehn Versuche gebraucht habe, bis überhaupt etwas angeschlagen hat. Hätte er nicht vorher schon so übel ausgesehen, ich hätte mir Sorgen gemacht, ob ich es mit der Dosierung diesmal nicht übertrieben habe. Aber die Konstitution von diesem Vieh übertrifft alle meine Erwartungen.« Er schüttelte den Kopf und sah dem Nachtgiger zu, wie er über die Wiese davonstakste. »Willst du was frühstücken?«
»Gern, aber vorher muss ich noch mit Friederike reden.«
Das Lindwurmgehege lag im hinteren Bereich der Anlage. In der damals noch jungen Menagerie war es eines der ersten Inconnu-Reviere gewesen. Ferdinand hatte es unter Mithilfe sämtlicher Studenten, etlicher Freiwilliger, aber auch vieler Kollegen aus dem Lehrkörper errichtet. Über Wochen hinweg hatten sie Steine für die künstliche Höhle geschleppt, Gräser und Büsche gepflanzt und Wasserrohre von der Saale bis hierher verlegt. Es war ein schönes Gehege geworden, doch Ferdinand trauerte dieser entbehrungsreichen Zeit nicht hinterher.
Friederike stand mit hochgekrempelter Hose bis zu den Knien im Teich und winkte ihnen zu. »Ich muss euch was zeigen!«. Sie watete zum Ufer, wo ihre Sachen lagen, und hob einen großen Lederball auf, bevor sie sich wieder dem Wasser zuwandte, wo sich bereits die Kontur von etwas Großem abzeichnete »Barthel, aufgepasst! Und hopp!«
Der Kopf des Lindwurms schoss aus dem Wasser. Der Ball traf seine Stirn, sprang noch einmal hoch, landete wieder und blieb dann still auf seiner Schnauze liegen, während sich die Riesenschlange leicht hin und her bewegte, um den Ball zwischen den Nüstern zu balancieren. Friederike drehte sich mit einem triumphierenden Gesichtsausdruck zu ihren Kollegen um. »Na, was hab ich euch gesagt? Es funktioniert!«
»Ich wünschte, du würdest aufhören, ihm Kunststücke beizubringen. Es nimmt ihn so schon niemand ernst.«
Die Freude in Friederikes Gesicht wandelte sich zu Entrüstung. »Was hast du gegen Barthel?«
»Nichts, wirklich. Ich bin mir im Gespräch mit Kollegen lediglich des spöttischen Lächelns bewusst.«
»Warum? Er ist ein wundervolles Exemplar!« Friederike tätschelte der Schlange den Hals. »Ein Prachtkerl bist du!«
Der Lindwurm schnaubte zufrieden, ließ sich von seinem Balanceakt ablenken und drückte der Frau vor sich die Schnauze gegen den Kopf. Der Ball landete mit einem Platschen im Teich. Friederike kicherte.
Ferdinand schüttelte den Kopf und sah zu dem Lindwurm auf, der aus wässrigen Augen zurückschaute. »Du bist ein großer, schuppiger Regenwurm, nicht?«
»Das ist gemein«, wies Friederike ihn zurecht. »Er hat andere Qualitäten. Er ist schlau!«
»Er ist fast drei Meter lang – wenn man ein wenig zieht.«
»Glaub mir, er kommt einem viel größer vor, wenn man diejenige ist, die ihn allein festhalten muss, während jemand anderes sich hinter einem Felsen versteckt und dabei ruft: Er hat mich erwischt, er hat mich erwischt!« Friederike wedelte theatralisch mit den Armen.
Karl schenkte ihr einen säuerlichen Blick. »Entschuldige bitte, dass mein Versuch, meine Gedärme zu behalten, dir damals Unannehmlichkeiten bereitete. Kommt nicht wieder vor.«
»Ich bin sicher, dass er es schwer hatte, da draußen in der Wildnis. Vermutlich ist er froh, dass er hier ist«, murmelte Ferdinand.
Friederike musterte ihn und auf ihren Zügen zeigte sich ein Grinsen. »Wisst ihr, was ich mir dachte? Vielleicht gehe ich im Frühling los und sehe zu, dass ich ein Weibchen für ihn finde. Kleine Lindwürmer! Das wäre doch was! Ich könnte versuchen, ein Weibchen mit Flügeln zu finden. Dann könnten wir sehen, ob sie sich vererben.«
»Aber ich dachte, du wolltest in die Schweiz und einen weiteren Versuch mit den Tatzelwürmern wagen.« Ferdinand runzelte die Stirn.
»Du hast mir Geld gegeben, wegen meiner großartigen Leistung bei der Überwältigung des Einhorns. Weißt du noch? Wie wir das Einhorn besiegt haben?« Sie schenkte Ferdinand einen eindringlichen Blick und zwinkerte ihm dabei so übertrieben zu, dass Ferdinand gegen seinen Willen lachen musste. Tatsächlich war die Einhorn-Jagd etwas anders abgelaufen, als Friederike andeutete, aber darüber sprachen sie ungern. »Und dieses Geld kann ich verwenden, wie ich will«, fuhr Friederike fort. »So hast du es mir gesagt, und das Wort gilt.«
Ferdinand schüttelte grinsend den Kopf und lenkte ein. »Von mir aus. Du kannst erforschen, was du willst, unter der Bedingung, dass du das hier«, er gestikulierte zu Barthel und seinem Ball hinüber, »niemals den Studenten zeigst. Ich will nicht, dass sie in dem Glauben dort hinaus gehen, alle Lindwürmer wären so …« Er stockte und sah dem Lindwurm zu, wie er den Ball mit der Nase durch den Teich schob. » … so.« Friederike hob zwei Finger zum Schwur und Ferdinand gab sich damit zufrieden. »Übrigens sieht es ganz so aus, als hättest du bald noch eine andere Aufgabe.« Er zog einen Umschlag aus der Innentasche seines Mantels. »Erinnerst du dich an den Brief, den ich nach Harvard geschrieben habe?«
»An den Professor mit dem Tentakelvogel, ja.« Friederike watete noch einmal in den Teich hinaus, um den Ball aus einem Büschel Schilfgras zu befreien.
»Nun, er war sehr beeindruckt von unserer Methode und unseren Erfahrungen, besonders was Lindwürmer angeht. Er will mehr wissen. Sein Schiff legt nächste Woche in Neubremen an.«
Überrascht drehte Friederike sich mit dem Ball im Arm zu ihm um. »Was? Er kommt den ganzen Weg von Harvard, um Lindwürmer zu sehen?«
»Nun ja, er kommt den ganzen Weg, um unsere Lehre und Forschung zu sehen.
Friederike watete zurück an Land und klemmte sich den Ball abwartend unter den Arm.
»Er hat die Hoffnung geäußert, du würdest hier sein und für Gespräche zur Verfügung stehen«, fuhr Ferdinand fort und reichte ihr den Brief, doch Karl ergriff ihn zuerst und faltete ihn auf.
»In der Tat«, brummte er, als er ihn überflogen hatte.
Friederike zog ihm die Blätter aus der Hand und begann zu lesen.
»Huh … Es hat noch nie jemand wegen mir den Atlantik überquert. Ich meine, zu Hause ist Peter – er war der Sohn des Müllers – einmal für mich durch den Mühlbach gewatet, aber der war nur hüfthoch, und ein Dutzend Meter weiter flussabwärts wäre die Brücke gewesen, also hat mich das nicht sonderlich beeindruckt …« Sie sah nochmal auf den Brief hinunter und lächelte plötzlich sehr breit.
»Du fühlst dich geschmeichelt!«, stellte Ferdinand belustigt fest.
»Natürlich fühle ich mich geschmeichelt.« Friederike reichte ihm den Brief zurück und setzte sich auf einen Stein, um ihre Strümpfe und Stiefel anzuziehen. Sie hatte genug Würde, nicht rot zu werden. »Meistens, wenn wir Kollegen treffen, unterhalten sie sich mit euch beiden und nehmen mich nur wahr, wenn es darum geht, wer ihnen wohl etwas zu trinken holen könnte. Selbst wenn sie mich bemerken, bin ich immer die einzige Frau gegen einen Haufen Idioten.«
»Das ist nicht wahr.«
»Ach ja?« Friederike schwang sich ihre Tasche auf den Rücken und stand auf. »Du warst es doch, der mir geraten hat, meine Arbeiten als Friedrich Köhler zu veröffentlichen, damit sie gelesen werden. Und du hattest recht damit. Ich habe das akzeptiert, aber das bedeutet nicht, dass ich glücklich damit bin. Es ist schön, mal ein bisschen Anerkennung zu bekommen.«
»Also wärst du bereit, ihn ein wenig herumzuführen?«, fragte Ferdinand.
Friederike lächelte schief. »Es wäre mir eine Freude.«
Kapitel 4
Am Nachmittag des zweiten Augusts standen die Parazoologen vor dem Haupteingang der Universität. Sie warteten schon eine ganze Weile; nacheinander hatten sich erst Friederike, dann Karl und schließlich auch Ferdinand auf den Eingangsstufen niedergelassen. Es war ein brütend heißer Tag, und auf der fast menschenleeren Straße gab es nichts, das ihnen das Warten erträglicher gemacht hätte. Immerhin hatte das Warten einen Vorteil: Als eine Stunde vergangen war, hatten sich erst Rektor Fragonard und kurz darauf Dekan Arnswaldt zu anderen Terminen verabschiedet. Ferdinand war das nur recht – er verabscheute förmliche Empfänge.
Als die Uhr halb Vier schlug, begann auch Karl, unruhig hin und her zu rutschen und auf seiner Unterlippe zu kauen. Ferdinand sah es sich eine Weile an, dann fragte er: »Welche Klasse verpasst du gerade?«
»Ich werde eine verpassen«, berichtigte ihn Karl, »wenn ich nicht in der nächsten Viertelstunde gehe. Widernatürliche Anatomie.«
»Verstehe«, meinte Ferdinand. Sie sahen die Straße hinunter, doch die Luft, die über dem von der Sommerhitze hart gebackenen Boden flirrte, weigerte sich beharrlich, den gewünschten Anblick hervorzubringen. Eine gefleckte Katze schlich im dünnen Schattenstreifen auf der gegenüberliegenden Straßenseite vorbei und verschwand im Durchgang zwischen zwei Häusern.
»Worum geht es dort gerade?«, mischte Friederike sich ein. Sie hatte alle Steinchen und Stöckchen im erreichbaren Umkreis zusammengesucht und legte daraus zwischen ihren Füßen gelangweilt kleine Muster.
»Es ist mein zweiter Grundlagenkurs.« Karl zuckte mit den Schultern. »Das erste Jahr ist immer die allgemeine Einführung in die Anatomie. Du weißt schon: Was ist eigentlich alles in einem Menschen drin, in einem Hund drin, in einer Kuh drin, und wofür ist das jeweils da. Im zweiten Jahr gucken wir dann, ob und woran wir uns bei einem noch unbekannten Wesen erschließen können, was was und was wo ist.«
»Und wann fangen sie an, Sachen aufzuschneiden?«, fragte Friederike.
»Am ersten Tag – allerdings im Fach Prosektion und Präparation. In der Anatomie zeige ich nur Beispielexemplare.«
Friederike verzog das Gesicht. »Wirklich? Am ersten Tag? Was gibst du ihnen am ersten Tag?«
»Etwas kleines. Eine Eidechse oder eine Ratte oder eine Taube. Ich zeige ihnen, was sie machen sollen und lasse sie zeichnen, was sie sehen.«
»Das erscheint mir trotzdem früh. Wenn mir am ersten Tag jemand ein Tier hingeschoben und gesagt hätte: Bitte schneidet hier …« Friederike schauerte.
»Es ist besser so«, erklärte Karl mit Nachdruck. »Manche Studenten haben überhaupt kein Problem damit, aber die meisten durchlaufen einen gewissen Gewöhnungsprozess. Sie kommen in den Kurs und denken, es wäre so, wie wenn sie fertige Präparate betrachten. Sie unterschätzen, dass da Blut ist, dass da verschiedene Texturen sind, dass sich Gerüche entwickeln.«
»Besonders die Gerüche.« Ferdinand bog den Rücken durch und streckte sich. »Ich erinnere mich, wie du die Riesenameise untersucht hast. Man konnte zwei Wochen nicht in einem Raum mit dir sein.«
»Aber wir haben damals gelernt, was die mandibulare Drüse enthält.«
»Und dass man sie niemals anschneidet«, ergänzte Ferdinand trocken.
Friederike kicherte und schielte zu Karl herüber.
Der ließ sich jedoch nicht aus dem Konzept bringen. »Wie dem auch sei. Ein paar Studenten fallen beim ersten Mal immer in Ohnmacht oder müssen sich entschuldigen. Das ist in Ordnung. Aber wer zur Mitte des Semesters immer noch Probleme hat, ohne zu zögern einen geraden Schnitt zu machen, der sollte sich überlegen, ob Prosektor wirklich die richtige Laufbahn ist. Es macht keinen Sinn, diese Erkenntnis bis in die höheren Semester aufzuschieben.«
»Bist du in Ohnmacht gefallen, als du angefangen hast?«, fragte Friederike. Sie versuchte nun, aus ihren Stöckchen ein kleines Haus zu bauen, was misslang.
»Nein. Ich war zu neugierig. Schon als Junge habe ich alles auseinandergenommen. Ich wollte Sorbonnik studieren und Erfinder werden. Damals dachte ich noch, dass Lebewesen nur in einem Stück kommen. Als ich eines Tages begriff, dass auch sie einzelne Teile haben, hat mich das total überwältigt. Ich bin an die Universität gekommen, weil ich verstehen wollte, wie all diese Dinge funktionieren.«
Friederike wandte sich an Ferdinand. »Bist du in Ohnmacht gefallen?«
»Ich bin nicht so weit gekommen«, wehrte Ferdinand ab. »Ich wollte Arzt werden, also habe ich meinen Vater so lange mit Fragen gelöchert, bis er mich, als ich zwölf war, zu einer öffentlichen Obduktion mitgenommen hat. Als ich wieder aufhören konnte, mich zu übergeben, habe ich beschlossen, diesen Plan nicht weiter zu verfolgen.«
Die Uhr verkündete, dass es in einer Viertelstunde vier Uhr sein würde. Karl erhob sich. »Entschuldigt, aber ich muss jetzt los. Grüßt ihn von mir, wenn er ankommt, wir begegnen uns bestimmt in den nächsten Tagen.«
»So langsam mache ich mir Sorgen«, murmelte Friederike beunruhigt. »Glaubst du, unterwegs ist etwas passiert?«
»Nein«, erwiderte Ferdinand unerwartet prompt und stand ebenfalls auf. Sein Blick war auf etwas hinter seinen Kollegen gerichtet. Friederike und Karl wandten sich um.
Eine Kutsche holperte, eine Staubwolke hinter sich herziehend, die Hauptstraße hinunter und hielt auf die Universität zu. Sie kam vor der Treppe zum Stehen. Der Kutscher stieg vom Bock, um die Tür zu öffnen. Ein Mann um die vierzig kletterte steifbeinig aus der Kabine. Seine Kleidung war von der Fahrt zerknittert, sein flachsblondes Haar stand auf einer Seite hoch, als wäre er unterwegs mit der Wange an der Wand eingeschlafen, doch er trug ein strahlendes Lächeln auf seinen müden Zügen, als wären die drei Personen des Empfangskomitees das Erbaulichste, was er in seinem gesamten Leben gesehen hatte.
»Professor Baker«, begrüßte Ferdinand ihn in seinem besten Französisch und trat mit einem herzlichen Lächeln auf ihn zu. »Herzlich willkommen. Es ist uns eine große Freude, Euch begrüßen zu dürfen. Ich bin Ferdinand Pfeiffer, und das sind meine Kollegen Karl Spielmann und, natürlich, Friederike Köhler. Doktor Köhler hat sich bereit erklärt, Euch während Eures Aufenthalts alles zu zeigen und für Fragen zur Verfügung zu stehen.«