Totenschiff Eternal Princess - Karl Layton - E-Book

Totenschiff Eternal Princess E-Book

Karl Layton

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Beschreibung

Die Orpheus ist ein Bergungsschiff der Terranischen Republik. Sie finden eine alte Föderationsstation. Als die Crew durch die Logs der aufgegebenen Station stöbert, stoßen sie auf etwas gänzlich Unerwartetes. Ein riesiges Raumschiff, ein dunkles, treibendes Wrack, wurde von den Stationssensoren aufgefangen. Als sie das Schiff erkennen, raubt es ihnen den Atem. Es ist die ETERNAL PRINCESS, ein Luxus-Kreuzfahrtschiff einer untergegangenen Ära. Vor zweihundert Jahren verschwunden mit tausenden Passagieren an Bord, ist das Schiff eine Legende, die jene der alten Titanic weit in den Schatten stellt. Wenn sie das Schiff bergen können, haben sie ausgesorgt. Der Captain der Orpheus lässt seine Crew an Bord gehen, um die Bergung vorzubereiten. Sie finden die ersten mumifizierten Leichen - nichts Außergewöhnliches. Doch als die Crew das Schiff erforscht, merken sie, dass noch etwas an Bord ist und langsam auf ihre Anwesenheit reagiert, als erwache es aus einem langen, tiefen Schlaf. Was immer Crew und Passagiere getötet hat. Es hätte besser für immer in der Kälte des Alls verborgen bleiben sollen...

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Seitenzahl: 338

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhaltsverzeichnis

Prolog

Die Station

Das Schiff

Das Ende

Epilog

Personenverzeichnis

Zeitleiste

KURZER HINWEIS

Dieser Roman ist ohne jedwede Verwendung von KI-Systemen geschrieben worden. Es ist leider ein Trend, ganze Romane von Künstlicher Intelligenz schreiben zu lassen. Hier ist das nicht der Fall. Ich wüsste sonst auch nicht, wohin mit all den Stories, die mein Hirn ständig liefert.

Im Anschluss finden Sie einen Hinweis auf den kostenlos im Netz zur Verfügung stehenden Soundtrack zum vorliegenden Roman.

Ihr Karl Layton

PROLOG

14:04 Uhr, 03.03.2258 Greenwich-Erdzeit

Terrania-City, Planet Erde

Die „Lina-Schwestern“ Jane und Lisa Lineman

„Okay“, gibt Jaqueline triumphierend von sich. „Was hältst du von diesem Outfit?“ Lisa, Jaquelines Zwillingsschwester, sieht stirnrunzelnd auf die junge Frau, die in einem durchsichtigen Minikleid vor ihr steht. „Ziemlich gewagt, meine Liebe“, erwidert sie in einem gekünzelt oberlehrerhaften Tonfall. „Ziemlich gewagt und ziemlich durchsichtig. Und die Strümpfe, die du da anhast mit diesen Haltebändern. Wie nennt man die noch?“

„Ich weiß es nicht“, antwortet ihr Jaqueline.

„Die bringen die Männer auf dem Kreuzfahrtschiff entweder zum Lachen oder machen sie wirklich … scharf auf dich.“

Jaqueline kichert. „Wenn ich mir damit einen der Milliardäre an

Bord angele, wäre das nicht wirklich schlimm.“

„Da stimme ich dir zu. Und jetzt hilf mir mit diesen neuen Schuhen!“

„Oh Gott“, haucht Jaqueline. „Sind die Dinger aus Formenergie? Und warum dreht sich der hohe Absatz ständig?“

Eine Kamera, die per Antigravaggregat im Raum schwebt, filmt alles mit, während die beiden jungen Damen mit den neuen Schuhen beschäftigt sind. Keine von beiden würdigt den außergewöhnlichen Ausblick aus dem Panoramafenster auch nur eines Blickes, der einen gepflegten, großen Garten mit roten Rosenbüschen zeigt. Was den Ausblick wirklich dramatisch macht, ist die verschnörkelte Brüstung, hinter der direkt der Horizont des Atlantiks zu sehen ist. Hier in dem Luxusanwesen auf der riesigen, über dem Atlantischen Ozean schwebenden Plattform, die sich Terrania City nennt. Der Hauptstadt der Föderation der Erde. Ein Formenergie-Prospekt mit einem farbigen Bild eines Schiffes namens TPS Eternal Princess liegt auf dem Tisch vor dem Panoramafenster.

DIE STATION

199 Jahre und 7 Monate später

19:24 Uhr, 02.10.2457 Greenwich-Erdzeit

06:16 Uhr, 05.04.159 Bordzeit TPS Orpheus

821 Lichtjahre von der Erde entfernt im Hyperraum

Greg Annoyed

„Herein“, sagt Greg, der es sich auf dem Bett in seiner engen Kabine auf Deck Vier des Bergungsschiffes Orpheus gemütlich gemacht hat und an die Wand vor ihm starrt. Greg wirkt wie ein Mann Ende Dreißig, schlank und mit blondem Haar. Das Gesicht attraktiv, aber unauffällig. Ein Gong zeigt ihm an, dass jemand hereinwill. „Ja, ja, herein“, schnarrt Greg mit seiner typischen Reibeisenstimme. Die Tür geht auf und „LePascal“ steht im Türrahmen. Ein junger Mann, der wirklich erst die vierundzwanzig Jahre alt ist, nach denen er aussieht. Bei den zahlreichen Verjüngungstherapien weiß man es ja nie so genau. Er ist so etwas wie das Mädchen für alles des exakt einhundert Meter langen Bergungsschiffs des Steel Hawk – Typs. Der junge Mann trägt einen hellblauen Overall, die typische Schiffsbekleidung mit dem Schiffsnamen auf dem Rücken.

„Äh… Mister Annoyed“, stottert der junge Mann, der wie viele Leute des 25. Jahrhunderts nur noch einen einzigen Namen trägt und dafür etwas französisch Klingendes gewählt hat. Obwohl er aus Vermont stammt, wie er mal erzählt hat. Er spricht Gregs Namen als „Anno-Jed“ aus.

„Das Schöne an meinem Namen ist“, beginnt Greg gedehnt, „dass derjenige, der mich anspricht, damit automatisch zugibt, einen Fehler gemacht zu haben.“

LePascal sieht ihn verständnislos an und kratzt sich seinen blonden Wuschelkopf.

„Äh… wieso das jetzt?“

Greg grinst zynisch und erhebt sich betont langsam von seinem Bett.

„Wegen meines Namens, den ich nicht ohne Grund gewählt habe.“

Es dauert einen Augenblick, dann dämmert es dem jungen Crewmitglied.

„Ach richtig, Annoyed wie genervt oder so etwas“, sagt er brav auf und wird rot im Gesicht.

„Und was gibt es nun?“

„Nun… der… äh… Bordcomputer hat etwas gefunden und ich soll… der Crew Bescheid sagen. Hat Captain Schneider gesagt. Sowie ich etwas finde.“

„Ist Schneider schon wach?“

„Weiß ich nicht“, antwortet LePascal treuherzig. Greg stößt einen Stoßseufzer aus.

„Ist er noch in seiner Kabine?“ Der junge Mann bejaht.

Kurz darauf gehen beide den Korridor auf die Brücke zu.

„Ich sehe es mir erst mal an. Dann entscheide ich, ob wir mehr von der Crew wecken.“

„Aye Sir“, bestätigt der junge Mann. „Äh Sir, dürfte ich Sie etwas fragen?“

„Schieß los, LePascal“, gibt Greg mürrisch von sich. Denn überflüssige Fragen nach offensichtlichen Dingen ist er von dem jungen Mann gewohnt. Irgendwie stört ihn heute der sinnfreie französische Artikel am Anfang von LePascals Namen besonders.

„Da Sie ja nun ein Android sind… haben Sie sich diesen Namen eigentlich selbst gegeben? Oder hat ihr… äh… alter Hersteller das gemacht?“

Greg seufzt und betritt die runde Brücke des Bergungsschiffes, bei der zahlreiche Bildschirme eingeschaltet sind und Lichter an den diversen Pulten leuchten und blinken. Der Kontrollraum der Orpheus war in Abwesenheit des wacheschiebenden LePascal völlig verwaist.

„Mein Besitzer“, beginnt Greg mit starker Betonung auf das zweite Wort, „hat mich damals Gregor genannt.“ LePascal sieht ihn verblüfft an.

„Besitzer?“ Er wird vollends rot. „Aber es ist doch verboten, sentiente Androiden zu besitzen. Oder sentiente Rechner überhaupt. Ich meine…“, er zögert, „das wäre doch illegal gewesen auf Terra.“

Greg setzt sich an den Pult der Wissenschaftsstation und sieht sich neugierig den blinkenden, blauen Punkt auf dem Bildschirm an, der nicht allzu weit vom grünen Punkt entfernt ist, der die Orpheus darstellt.

„In den meisten Staaten der Erde, auch Luna und Mars, ist es verboten, ja. Nur…“, er macht eine Kunstpause und kichert, „ich bin keine sentiente Künstliche Intelligenz.“

Jetzt kratzt sich LePascal wieder am Kopf. „Aber sentient heißt doch, dass man seiner selbst bewusst ist. Wie …“, er weiß offenbar nicht weiter und stockt.

„Wie man von sentienten Wesen allgemein redet, also intelligenten Wesen wie Menschen, Gloaks, Leonen und so weiter. Genau.“

Gregs Stimme klingt geduldig, wie die eines Lehrers, während er mit beiden Händen gleichzeitig diverse Regler und Tasten betätigt und ein detailliertes Scanbild des von der Fernortung des Schiffes gefundenen Objekts heranzoomt. Kleine Bildschirme, die in die Wandpanele eingelassen sind neben zahlreichen Schaltern, füllen sich mit Daten und bunten Skalen.

„Ich bin aber nur ein LLM, ein Large Language Model. Also ein nicht seiner selbst bewusster Android, der keine echte Intelligenz und keine Gefühle hat und nicht mehr Seele hat als ein Toaster, wenn man so will.“

„Sie machen Witze, oder, Mister Greg? Ich meine, Sie sehen wie ein Mann in den Vierzigern mit markantem Gesicht aus. Kinnrinne und so oder wie man das nennt. Blaue Augen, blonde, leicht graue, gewellte Haare. Und Sie reden und lachen und reißen Witze mit der Crew.“

„Nichts, was ein LLM nicht kann, mein Sohn.“ Greg sieht ihn geduldig an. „Ich bin ein nicht-sentienter Android. Ein extra so gebautes Modell von TTT selbst. Nicht mit irgendwelchen Softwareproblemen behaftet wie die Modelle von SpaceOrigin, die teils doch sentient geworden sind. Jedenfalls mit illegalen Upgrades. Und solche habe ich nie bekommen.“

„Ach du Heiliger…“, stößt LePascal hervor.

„Aber dieses nicht-sentiente Sprachmodell hier, das menschliche Gefühle so perfekt simuliert…“, Greg macht eine Kunstpause.

„…tritt dir gleich kräftig in den Arsch, wenn du nicht sofort die gesamte Crew weckst. Wir haben nämlich endlich die Station gefunden und es ist eine vermutlich wertvollere, als wir alle gedacht haben!“

„Ja Sir“ murmelnd hastet LePascal aus dem Raum und Greg hört kurz danach einen Rufton, als der junge Mann den Klingelknopf von einem anderen Quartier drückt.

„Und irgendwann bringen wir dir noch bei, dass man auch das Intercom verwenden kann“, murmelt Greg zu sich selbst, während er in die Scans vertieft ist.

„Okay, was ist es also genau?“, fragt Leroy Schneider, der Kapitän der Orpheus. Der dunkelhaarige, schlanke Mann sieht aus wie ein End-Fünfziger, ist aber tatsächlich viel älter. Er hat der Crew erzählt, dass er 2286 in Hamburg geboren ist. Damit ist er 171 Jahre alt. Er leistet sich immer wieder die teuren Verjüngungskuren.

Entweder auf der Erde oder auf guten Raumstationen, um seine Lebensuhr wieder zurückzudrehen. Etwas, das einen großen Teil seines Vermögens verschlingt. Ein Umstand, der jedem in der Crew bekannt ist.

„Ja, das wollen wir auch wissen“, brummt Thomas Rogers dazu, den alle nur „Tough“ oder „Mister Tough“ nennen. Er gilt als etwas simpel gestrickt, aber ehrlich. Und als etwas zur Gewalttätigkeit neigend, wenn ihm die Worte ausgehen. Aber eben auch als guter Zweiter Ingenieur der Orpheus.

Die Chefingenieurin der Orpheus sitzt gleich neben ihm. Eine Frau Ende Zwanzig, muskulös und sportlich. Sie hat schwarze Leggins und ein sportlich eng sitzendes Oberteil an, das ihre weiblichen Rundungen betont. Es ist in der Crew allgemein bekannt, dass Tough sich in sie verguckt hat, sich aber nicht traut, damit hinter dem Berge hervorzukommen. „Worte sind eben nicht dein Ding“, hat Greg das einmal ihm gegenüber subsummiert. Als Greg wieder einmal menschliche Emotionen zu perfekt nachgeahmt hatte. Oder war es damals keine Gehässigkeit, sondern einfach Ehrlichkeit?

Jedenfalls hatte es zu einem längeren Kampf zwischen Greg und Tough geführt, bei dem der Android einfach ausgewichen und der junge Zweite Ingenieur schließlich erschöpft zu Boden gegangen war.

Schweigend hört „Mister Nice“ zu, wie ihn alle nennen. Mr. Nice ist über Einhundert, hat jedoch das Gesicht eines jungen Mannes.

Was daran liegt, dass er sich vor ein paar Jahren nur eine teilweise Runderneuerung in den Verjüngungskliniken leisten konnte und an der optischen Überholung des Körpers abgesehen vom Gesicht gespart hat. Trotz der zahlreichen Falten des Körpers unter dem Kopf mit den Gesichtszügen eines Anfang-Dreißigers und der Tollen-artigen, überreichlichen braunen Haarpracht ist er gesund und weiß anzupacken. Auch wenn er dafür bekannt ist, ständig eine gehässige Bemerkung auf Lager zu haben. Weswegen man ihn ironisch Mr. Nice nennt.

LePascal, Tough und der Captain tragen den Bordoverall, alle anderen sind individuell gekleidet. Bei Greg ist es ein eigenartig deplatziert wirkendes Outfit aus abgewetzter Anzugjacke, historischer Schirmmütze – mit VOTE TAYLOR - Schriftzug darauf – und einer beigen Jeans zu alten, abgewetzten Straßenschuhen, die sogar Löcher in den Sohlen haben.

Greg steht auf und räuspert sich. Was bei einem Androiden vielleicht ungewöhnlich wirkt. Aber andererseits sieht Greg weder wie einer der künstlich wirkenden Frühandroiden des Vor-Überlicht-Zeitalters aus, noch verhält er sich üblicherweise so, wie es viele von einem nichtsentienten Androiden erwarten.

„Wir haben eine Kommunikationsrelais-Station der alten Föderation gefunden. Und eine ganz und gar besondere sogar!“

Greg sagt es triumphierend und ohne irgendeinen Knopf zu drücken, schaltet der Hauptbildschirm sein bisheriges Bild des Weltraums auf eine bläuliche Schemazeichnung um.

„Kein Wunder“, ätzt Mr. Nice sarkastisch. „Wir suchen ja auch die ganze Zeit genau die und wussten, dass sie hier ist.“

In perfekter Nachahmung menschlicher Verhaltensweise atmet Greg tief ein. „Wussten ungefähr wo sie ist und wussten nicht ganz genau, was sie ist. Denn die vom Captain käuflich erworbenen Informationen ließen nun mal Raum für Interpretationen. Aber jetzt wissen wir beides. Wo und was sie ist.“

„Lass es dir nicht aus der Nase ziehen“, brummt Tough und verschränkt die Arme vor der Brust.

„Ja, spuck‘s aus, alter Blechkamerad“, ruft Jane, grinst ihn dabei aber an.

„Das sieht ja aus wie eine…“, beginnt der Captain, hört aber mitten im Satz auf.

„Wie ein Kommunikationsrelais vom Typ HRDRv2“, erklärt Greg.

Er erntet außer vom Captain, der ein begeistertes „Volltreffer!“ ausruft, nur verständnislose Mienen.

„Warte, HRDR heißt, es hat nicht nur den Hyperfunk zehn Lichtjahre weitergeleitet, sondern hatte auch die neuen Kommunikationsdrohnen. Die haben sie doch in den 2250ern erprobt und 2260 oder so schon wieder aufgegeben.“

Greg nickt. „2259 wurden alle aufgegeben. Als die Nullzeit-Quantenkommunikation trotz aller vorherigen Bedenken im großen Stil eingeführt worden ist.“

„Klar“, sagt LePascal leise. „So ein Quantending haben wir ja auch an Bord.“ Niemand beachtet seinen Einwurf.

„Aber das Schmankerl dabei ist der Teil mit dem v2 wie Version Zwei. Das Ding hatte schon Nanotech-Drohnen!“

„Wozu der Mist? Wenn sie schon Nullzeit-Funken konnten, wozu die Nanotech dann noch als Drohne durch die Gegend fliegen lassen?“, fragt Tough.

„Eine gute Frage“, sagt Greg oberlehrerhaft dazu. „Weil sie damals noch die Nullzeitkommunikation als unsicher angesehen haben.

Und die selbstreparierenden Nanotech-Drohnen boten Vorteile gegenüber den konventionellen Drohnen. Bis die Regierung die Entscheidung gefällt hat, doch auf Quantenkommunikation zu setzen und die Kommunikationsdrohnen nicht mehr gebraucht wurden.“

„Wegen dem Nanotech-Krieg 2235. Deswegen die Skepsis wegen der Nanotech mit ihrer Quantenkommunikation“, wirft LePascal wie in einer Schulstunde ein.

„Yeah, Yeah“, kommentiert Tough den Einwurf unwillig.

„Und so haben sie eben vor der Einführung des Quantenfunks ausprobiert, wie gut sich Nanotechdrohnen machen, die in den Relaisstationen nur Antienergie auftanken mussten, sich sonst selbst repariert haben und einfach weitergeflogen sind.“ Er deutet auf den Umriss der Station. „Diese HRDRv2-Stationen waren Hyperfunkrelais, Versuchs-Reparatur- und Auftankstationen.“

„Die Nanotechdrohnen, für die können wir heute ein Vermögen kassieren. Schöner, alter, teurer Föderations-Nanotech, der nicht so beschnitten ist wie die neuen Nanobots und ein Vermögen bringt.“

Captain Schneiders Augen leuchten dabei regelrecht.

„Ich höre immer Föderation, Föderation“, äfft Tough nach.

„Imperium heißt das. Das verdammte alte Imperium.“

Von Jane ist ein deutliches Seufzen zu hören. Der Captain macht eine wegwerfende Handbewegung. „Das ist doch dasselbe“, wirft LePascal ein.

„Sie hießen Föderation der Erde, damals. Nicht Imperium. Diese Bezeichnung Imperium, das ist der Neusprech unserer gegenwärtigen Regierung“, korrigiert Jane. „Die wir seit den letzten richtigen Wahlen 2265 im Regierungs-Dauer-Abo haben.“

„He!“, entrüstet sich Tough und läuft rot an. „Es gibt alle zehn Jahre Wahlen, oder was? Was redest du da? Diese verdammte Propaganda der Föderationsliebhaber. Von wegen, dass damals alles besser war.“ Er hat sich richtig in Rage geredet. „Verdammter Sozialismus damals! Alles kam umsonst aus dem Printer und der Imperator hat die Fäden gezogen!“

Leslie schüttelt den Kopf und reibt sich die Schläfen. „Es gab keinen Imperator. Nur gewählte Präsidenten.“

„Blödsinn!“, ruft Tough. „Die waren nur Marionetten. Im Hintergrund hat der von Aliens ferngesteuerte oberste Admiral als Militärdiktator die Fäden gezogen.“ Er sieht sie eindringlich an.

„Schluss jetzt!“, donnert Captain Scheider. „Ich will hier keine politischen Diskussionen. Nicht, dass wir noch ein politisches Audit kriegen.“ Er sieht Jane und auch Tough eindringlich an.

„Wir sind hier alles loyale Matrosen der Handelsmarine der Terranischen Republik.“ Er pausiert vielsagend. „Gott schütze sie.“ Er weiß, wie leicht eine Schiffscrew einen Termin bei der politischen Polizei auf einer Raumstation bekommt und der Captain wegen Nichtaufrechterhaltung einer „positiven Moral an Bord“ empfindliche Geldstrafen bekommen oder sogar sein Kapitänspatent verlieren kann.

„Schon gut“, wiegelt Tough ab und versucht zu grinsen. „Ihr könnt hier reden, was ihr wollt. Föderation, Imperium oder was auch immer. Hauptsache, der alte Schrott bringt Geld.“

„So ist es!“, stößt Kapitän Schneider erleichtert aus.

LePascal

Das Shuttle der Orpheus, das eine von Zweien, das noch funktioniert, nähert sich der Station. Nervös verfolgt LePascal das düstere Gebilde, das optisch aufbereitet auf dem Bildschirm im Shuttle gut zu erkennen ist und immer näherkommt. Er muss sich mit dem Gedanken beruhigen, dass „seine“ Orpheus ganz in der Nähe ist. Wie auch Greg und Jane, die außer ihm in dem kleinen Shuttle sind, trägt er einen Raumanzug ohne Helm. Er sieht, wie Greg mit einem Handstrahler herumfummelt. Eine Thermowaffe!

Fragend sieht er erst Greg und dann Jane an. Sicher wissen die beiden doch, dass Waffen bei privaten Bergungsschiffen wie der Orpheus streng verboten sind. Was den Unterschied zwischen Piraten und Bergungscrews machen soll, wie man ihm während der vorgeschriebenen Einweisungen auf der Erde erklärt hat.

„Pack die Wumme weg, Greg. Nicht, dass sie auf den offiziellen Bergungsvideos zu sehen ist“, gibt Jane streng von sich. Richtig, denkt sich LePascal. Jede Bergung muss auch dokumentiert werden. Da darf kein Strahler drauf zu sehen sein. Doch Greg zuckt nur den Achseln, was man wegen dem Raumanzug kaum sieht.

„Wir verkloppen doch die Nanobots, die wir hoffentlich finden, auf dem Schwarzmarkt. Da sollten wir den Rest nicht als offizielle Prise anmelden.“

Jane seufzt. „Wenn wir Nanobots finden. Ist das nur wieder der normale Schrott, dann melden wir die Prise natürlich offiziell an.

Mit verdammten Videos. Wir finden ja wenig genug in der letzten Zeit. Aber für Nanobots machen wir das natürlich schwarz.“

„Schon gut“, murmelt der Android und steckt die Waffe in eine große Außentasche seines Raumanzugs.

Es dauert eine Weile, bis ein Ruck durch das Shuttle geht, als es sich, unauffällig ferngesteuert durch Greg, seitlich an die alte Raumstation angedockt hat.

„Sei vorsichtig“, wendet sich der Android an LePascal. „Man weiß nie, was man auf diesen alten Stationen findet. Sie hatte zwar zivile Aufgaben, gehörte aber trotzdem zur Raumflotte der Föderation.

War also militärisch.“

„Böses altes Imperium“, äfft Jane das vorherige Gerede von Mister Tough nach.

Greg kichert, dass es fast schon hysterisch klingt. „Fuck Tough Rogers. Regimetreuer Vollidiot.“ Die Sendung ist nur an die beiden im Shuttle gerichtet.

„Können wir gleich raus?“, kommt es unsicher von LePascal.

„Noch nicht. Sie haben zwar meine alten, von irgendwo stammenden Föderationscodes akzeptiert, aber unsere verdammte Gummilippe saugt sich immer noch fest an der alten Föderationsschleuse. Und der Schleusenrechner der alten Station beschwert sich gerade beim Shuttle, dass wir keine Formenergielippe haben.“ Greg seufzt. „Nur dass die seit zehn Jahren kaputt ist.“

„Was ich nicht verstehe, ist, wie du ein nicht-sentienter Android sein willst bei all dem Gefluche.“ Schnell senkt er den Kopf. „Wenn ich das fragen darf, Greg“, fügt LePascal schnell hinzu.

Der Angesprochene seufzt. „Ich gehe strikt nach Logik vor. Als ich damals nach dem Ende der Föderation in das Chaos der schönen neuen Zeit geraten bin, da…“

„Du redest zu viel!“, mahnt Jane.

„Da bin ich streng nach Logik vorgegangen. Ich habe mich an den richtigen Menschen orientiert und musste in der Folge feststellen, dass Gewalt einfach logisch ist. Jedenfalls in einer von Arschgeigen dominierten Welt. Und Fluchen gehört auch dazu, wenn man seinen Platz zwischen all den Eierköppen finden will.“

Jane kichert. „Fertig! Wir gehen rein!“, verkündet Greg und der junge Mann schluckt deutlich hörbar.

LePascal, Greg und Jane stehen vor der Schleuse. Per Funk meldet Greg an die Orpheus, dass der Übertritt bevorsteht. LePascal kann es im Teamfunk mithören. Der auf der Orpheus zurückgebliebene Kapitän bestätigt. „Und Tough und Mister Nice sind auch hier auf der Brücke.“ Er lacht. „Die wollen sicherstellen, dass ihr kein teures Nanitenzeug unterschlagt.“ Irgendeine Bemerkung ist aus dem Hintergrund zu hören, doch sie ist nicht zu verstehen. „Von den Scans wissen wir, dass die Station eher niedriges Energieniveau hat. Aber im Großen und Ganzen funktioniert noch alles. Also seid vorsichtig!“

Die innere Schleuse öffnet sich und LePascal sieht in einen dunklen Schleusenraum, der zu der alten Station gehört. „Und LePascal. Ab sofort nenne ich dich Pascal, wie der richtige französische Name.

Ich bin es einfach leid, deinen belämmerten Namen zu sagen“, knallt ihm in dem Augenblick Greg an den Kopf. Sagt einer, der sich Greg-Annoyed zum Namen gemacht hat, denkt er sich im Stillen, sagt aber nichts.

„Genau, Pascal ist gut. Dieser französische Artikel vor dem Namen ging mir wirklich auf die Nerven“, kommentiert der Captain.

„Pascal klingt wenigstens etwas hochklassiger.“ LePascal – oder Pascal – läuft rot an und will etwas entgegnen, doch allgemeines Gelächter hindert ihn daran. Mr. Nice reißt irgendeinen Witz, doch er ist froh, ihn nicht ganz zu verstehen. Irgendwas Obszönes mit französischen Lebensmitteln.

„Genug jetzt“, ist von Greg zu hören. Er schubst den jungen Mann, der jetzt für alle Pascal heißt, einfach in die dunkle Luftschleuse, die jetzt von ein paar flackernden, defekten Lampen schwach erleuchtet wird. Pascal landet mit einem Aufschrei in der Luftschleuse der Station.

„He, was soll das?“, beschwert er sich.

„Large Language Model – Logik“, erklärt ihm Greg trocken. „Es ist logisch, jemand anderen nach Sprengfallen suchen zu lassen.

Wenn man keinen Scanner nach Militärstandard hat. Und ich habe keinen.“ Wieder gackert es über den Teamfunk.

Ein Knopf im Inneren der Schleuse öffnet sich auf einen langen, wohl ursprünglich weiß getünchten Gang. Abgeblätterte farbige Linien am Boden sollen offensichtlich zu verschiedenen Sektionen der Station leiten. Nicht nur durch die flackernde Beleuchtung ist das mehr als schlecht zu lesen.

„Atmosphäre und Schwerkraft vorhanden. Cool“, kommentiert Greg.

„Diese Stationen hatten recht schöne Quartiere für Wartungscrew, die auch als Notquartiere für havarierte Raumfahrer vorgesehen waren. Nach heutigen Standards sind sie luxuriös, mit Printern, die von Unterwäsche bis Mousse au Chocolat alles herstellen konnten“, erklärt der Kapitän über den Teamfunk. „Wenn wenigstens ein Printer noch geht, könnt ihr euch erst mal ein paar Leckereien anfertigen lassen.“ Doch es gibt sofort Widerspruch.

„Skipper, bei allem Respekt. Erzähl denen nicht die ganzen Märchen der Föderation. Von wegen Milch und Honig, die aus den Föderationsprintern geflossen sind.“ Doch niemand geht darauf ein. „Alte Printer gehen sowieso kaum noch“, bemerkt Greg leise.

„Also müssen wir nach oben?“ Es ist nicht ganz klar, ob das nun Pascal genannte Crewmitglied es als Frage oder Feststellung meint.

„Nein!“, antwortet ihm Greg scharf. „Das musst du wirklich noch lernen. Föderationsinstallationen hatten die Brücke immer in der Mitte. Im Zweifelsfall das höhere von zwei in Frage kommenden Decks. Nur Zeug vom Terranischen Imperium hat sie in Navy-Installationen immer oben.“

„Zeug wie unsere Orpheus“, kommentiert der Kapitän über Funk in ungehaltenem Tonfall.

„Das ist richtig, Skipper“, entgegnet der Android mit gelangweiltem Unterton.

„Also zwei Decks höher“, gibt Jane von sich, die einen Stationsplan an der Wand studiert.

Kurz vor der Brücke bleiben alle drei stehen. Denn hier ist ein altes, etwas ausgeblichenes Plakat befestigt. Es hat wie die ganze Station insgesamt recht gut dem Zahn der Zeit standgehalten. Was bedeutet, dass hier noch einiges an Wartung stattfinden muss.

Das Plakat zeigt eine attraktive Frau mit blonden Haaren, die sie zu einem Pferdeschwanz gebunden hat. Sie trägt einen dunkelblauen, eng sitzenden Overall, der an den Ärmeln die vier umlaufenden, goldenen Bänder eines Kapitäns erkennen lässt.

Golden leuchten auch vier breite Streifen auf ihren Schulterklappen und man erkennt vier kleine goldene Quadrate an ihrem einigermaßen bequem aussehenden Stehkragen. Über ihrer linken Brust, die im Foto gut zur Geltung kommt, sieht man ein goldenes Raketensymbol im Ährenkranz. Darunter einen stilisierten Adler mit einem Wappen auf der Brust, das eine römische Eins ziert. Der Blick der Frau ist irgendwo in die Ferne gerichtet.

DIE RAUMFLOTTE BRAUCHT DICH!

In großen Lettern steht es quer über das Plakat geschrieben.

„Chauvi-Propaganda! Das hatten die also damals auch schon“, moniert Jane. „Und zum Rekrutieren war das hier sicher weniger.

Eher zum Angaffen.“ Doch Pascal sieht sich das genauer an.

„Wow!“, stößt er hervor. „Das ist nicht nur ein Fotomodell. Hier steht es unten rechts. Captain Saskia Petrova, Kommandantin der EFS Nemesis, F-1501.“

„Hm“, brummt Jane. „Nemesis-Klasse. Diese alten Fregatten haben damals für einiges an Wirbel gesorgt.“

„Und die ihnen nachfolgenden Purgatory- und Raptor-Klasse – Kriegsschiffe sind ähnlich gut wie das, was die Terra Defence Force heute hat. Weil ihr faulen biologischen Menschen seit zweihundert Jahren keine Fortschritte mehr macht. Sondern alles mit dem Arsch einreißt, was eure Vorfahren aufgebaut haben.“

„Mister Annoyed. Greg. Lass bitte die Volksreden und bringe dein Team auf die Brücke der Station. Ich will einen Inventarbericht!“

„Aye Sir“, antwortet Greg mit ironischem Unterton.

Doch die Brücke öffnet sich nicht. „Wir sind nicht befugt“, erläutert Greg. „Hätte ich mir schon gedacht“, murmelt Jane. Denn das rote Leuchten und Fehlerpiepen der Tür ist in dieser Hinsicht deutlich.

„Mist!“, flucht Pascal und Greg und Jane schauen sich nach ihm um. Immer wieder versucht der junge Mann, mit seinen Raumanzug-behandschuhten Händen das von der Wand genommene Plakat einzurollen. „Es geht nicht. Es rollt sich immer wieder auf!“

Greg lacht. „Weil das Formenergie ist. Du bräuchtest den Codegeber zu dem Plakat.“

Pascal versucht das Plakat unterdessen in einer seiner großen Raumanzugtaschen unterzubringen, doch er kriegt sie nicht zu, weil alles wieder herausquillt.

„Ein Bild für die Götter“, kommentiert Jane.

Als es Greg schließlich gelungen ist, die blaue Tür aufzubekommen, hinter der die Brücke liegt, geht der Android fast ehrfurchtsvoll voran. Pascal, der immer noch an seiner Tasche mit dem Plakat herumfummelt, sieht es schon. Hier blinkt es noch an allen möglichen Konsolen! Der Kontrollraum ist sehr klein, hat vielleicht fünf Meter Durchmesser und hat ein achteckiges Design.

Die Wände sind mit Kontrollpanelen übersäht, darunter die Konsolen, an die man sich setzen kann. Ein Bürostuhl, der aussieht, als sei er zur Hälfe von einem Thermostrahler geschmolzen worden, steht im Raum. Wenn man sich nicht anlehnt, funktioniert er noch.

„Wow, hier blinkt es seit zweihundert Jahren!“ Es gibt zwar Beleuchtungskörper an der Decke, aber die funktionieren nicht mehr. Die Helmlampen der drei Raumfahrer spenden jedoch genug Licht.

„Ich setze meinen Helm zuerst ab. Atmosphäre herrscht ja und nach meinem Analysegerät ist alles in Ordnung. Keine gefährlichen Keime. Aber so ganz trauen kann man dem ja nicht.“

Kaum spricht es der Android, nimmt der den Helm auch schon ab.

Er befestigt ihn auf seinem Rücken. Was bedeutet, dass er in dem engen Kontrollraum sehr viel Platz wegnimmt. Jane geht deswegen zurück auf den Flur. „Sieh zu, dass du rausholst aus dem Rechner, was geht“, gibt sie Greg mit auf den Weg.

Gregs Hände fliegen über verstaubte Tastaturen, die er trotz der Raumanzugshandschuhe verblüffend schnell bedient.

„Du machst das lieber mit den Händen als drahtlos, oder?“

„Pascal. Von so einer alten Anlage, in der schon sonst wer dringesteckt und rumgespielt hat, will man sich nichts wegholen, oder?“

„Hat dir das deine Mama nicht beigebracht?“, ertönt die wie immer gehässig klingende Stimme von Mr. Nice auf dem Teamkanal.“

„Und so ein faltiges Etwas wie du braucht sich um so etwas keine Gedanken zu machen“, gibt Greg zurück, der sich offensichtlich berufen fühlt, die Verteidigung vom jungen Pascal zu übernehmen. „Keine Raumstation von Klasse würde dich ranlassen.“

Mr. Nice will irgendetwas entgegnen, doch Captain Schneider würgt ihn sofort ab. Er fordert lautstark mehr Ernsthaftigkeit bei der Arbeit.

„Ich wüsste nicht, was an meiner Bemerkung unernst gewesen sein sollte“, gibt Greg noch halblaut von sich, nur um dann in ein lautes „Wow!“ auszubrechen.

„Ich habe den letzten Logeintrag gefunden, vom 03. Oktober 2259.

Fast zweihundert Jahre alt! Nur textuell, aber immerhin.“

„Und was steht da?“, fragt jemand auf dem Funkkanal. Greg liest vor.

Lieutenant J.G. Philip Monroe. Wohl letzter Besuch auf dieser Station. Schalte auf Schlafmodus. Ob sie jemals wieder geweckt wird, steht in den Sternen. Wenn jemand hier als Schiffbrüchiger landet, so unwahrscheinlich das auch ist, wünsche ich ihm alles Gute. Alle Kommunikationsdrohnen sind noch an Bord. Sogar die Besonderen. Vielleicht gehen die Versuche ja irgendwann weiter.

Monroe Out.

„Also haben sie die Nanotechdrohnen, die experimentellen, auch an Bord gelassen. Gut“, subsummiert Schneider.

„Jedenfalls 2259 bei Stilllegung“, kommt es von Greg, der weiter auf Tasten herumdrückt. Pascal wundert sich, dass er auf den kaum noch leuchtfähigen Monitoren überhaupt etwas erkennen kann, so blass sind die Schriftzeichen.

Greg zählt auf.

Nanotech-Kommunikationsdrohnen, Bestand Null.

Konventionelle Drohnen, Bestand Null.

Hauptenergiegenerator: Offline.

Sekundärgenerator: Offline.

Portable Notgeneratoren: Keine Verbindung.

Hauptrechner: Offline.

Sekundärrechner: Offline.

Tertiärrechner: Offline.

„Also ist uns jemand zuvorgekommen und hat alles Gute mitgenommen!“, entfährt es Pascal.

„Schon gut!“, unterbricht der Captain genervt. „Wir machen uns ja schon ein Bild, was du uns sagen willst. Sag lieber, was überhaupt noch funktioniert. Irgendwas muss ja nun.“

„Die Quartärrechner, das sind die spezialisierten wie der Schleusencomputer, haben sich zu einem Notnetzwerk zusammengeschaltet, um die höheren Funktionen aufrechtzuerhalten. Tolle Föderationstechnik damals!“ Gregs Stimme ist die Bewunderung deutlich zu entnehmen.

„Ja, ja, die super Föderation“, kommentiert Tough Rogers sarkastisch.

„Und die Toaster können im Notmodus auch Hand-Jobs geben“, grummelt Mr. Nice dazu.

„Lebenserhaltung inklusive Gravitongeneratoren funktionieren auch. Alles läuft nur mit Energie aus dem Energiepuffer, der sich irgendwie in einen Noterhaltungsmodus geschaltet hat. Wow. Das ist eine Technik, die ich noch nie gesehen habe.“

„Warum sollte irgendjemand die Gravitongeneratoren und die Lebenserhaltung dalassen?“ Die Frage kommt von Jane.

„Egal“, will der Captain die Diskussion beenden. „Vielleicht war das demjenigen Reichtum genug, mit den illegalen Nanotechdrohnen und dem anderen Zeug. Die ganze Station wollte er wohl nicht auseinanderbauen oder abschleppen oder hatte kein Bergungsschiff wie wir.“ Nach einer Pause redet er etwas ärgerlich weiter.

„Aber jetzt reicht es mir mit dem ganzen Gerede. Greg, du bist unser Spezialist für alles und besonders für das Klarmachen unserer Fundsachen. Mach die Station klar, dass wir uns draufrobben können. Und suche nach Problemzonen. Nicht dass sie uns auseinanderfliegt mit deinem tollen Energiepuffer da oder was auch immer, während wir drübersteigen.“

Der Androide ist die saloppen Formulierungen schon gewohnt.

Die Orpheus schleppt ihre Fundsachen nicht im klassischen Sinn, sondern legt sich mit ihrem konkaven Leib darüber. Die bogenförmige Einstülpung sorgt mit einer Kombination aus Formenergie und Traktorstrahlen dafür, dass das gefundene Schiff oder anderweitige Objekt fest genug sitzt, dass die Orpheus auf Überlicht gehen kann. Wie schnell und wie ruckartig entscheidet dabei der Bordcomputer, der die Festigkeit des Sitzes des Fundobjekts analysiert. Oder letztlich Greg, auf dessen letztes Wort zu dem Thema sich alle in der Crew verlassen.

„Aye Skipper“, antwortet Greg, doch dann zögert er. „Moment, hier sind noch zwei Logeinträge nach dem letzten.“

„Sogar eine Blechbirne wie du müsste wissen, dass das ein Widerspruch ist“, giftet Mr. Nice über den Teamfunkkanal.

„Es sind zwei nachrangige, automatisch generierte Logeinträge, die erst auf Nachfrage angezeigt werden. Wenn man wie ich überall herumschnüffelt“, antwortet der Androide völlig ruhig.

„Der eine ist von praktisch eben, als wir an Bord gekommen sind.

Offensichtlich erzeugt der Bordcomputer, oder besser das ihn ersetzende Netz, diese Einträge bei besonderen Ereignissen autonom.“

„Ja und?“, fragt Tough über den Kanal und gähnt demonstrativ.

„Weil da noch einer ist. Ein Eintrag von… etwas über vier Jahren.“

„Lass dir nicht alles aus der Nase ziehen, Greg.“ Der Kapitän klingt äußerst ungeduldig.

„Nun, es hat eine Ortung gegeben. Zwölfter August des Jahres 2453. Ein riesiges Schiff ist an der Reichweitengrenze der Scanner aufgetaucht, die aber auch nichts mehr wirklich Weites erfassen können. Ah, verstehe…“, murmelt Greg. „Der Stationscomputer wurde drauf aufmerksam, weil es einen Anstieg von Extrauniversalstrahlung gab und hat daraufhin wertvolle Restenergie benutzt, um einen Fernscan durchzuführen. Das gefundene Objekt war nur vier Lichtjahre entfernt, so dass es einigermaßen energieeffizient eingescannt werden konnte, ohne die Stationsreserven zu gefährden.“

Greg pausiert. Dann gibt er ein lautes „Oh!“, von sich.

„Was? Details bitte!“, kommt von Captain Schneider.

„Das Objekt ist zwischen 380 und 420 Meter lang und vermutlich vierzig bis sechzig Meter breit. Es war nur ganz kurz auf den Scannern zu sehen. Vierundzwanzig Sekunden lang. Und ist dann ganz in der Nähe eines Anomaliefeldes verschwunden. Dort in vier Lichtjahren ist alles voll von solchen Anomalien.“

„Funksignale? Transpondercodes? Hat die Station es angefunkt?“

„Nein Captain. Nichts von alledem.“ Offenbar war es energetisch tot und hat keinen Transpondercode gehabt.“

„Okay“, denkt der Captain laut. „Das wäre natürlich ein riesiger Fund für uns. Jackpot. Wenn hier etwa ein altes Leonenschlachtschiff oder was von den alten Luminos rumschwebt im Raum. Das wäre schon was mit recht teurer, wenn auch veralteter Militärtechnologie.“

„Oder kann es von den Greys sein? Das Zeug der kleinen grauen Männchen ist ja noch mehr wert.“ Pascal will offensichtlich helfen.

„Es ist keine Untertasse, Pascal. Also keine Greys.“ Und nach kurzer Pause. „Captain, ich überspiele den Scan auf die Orpheus.

Drücken Sie Okay, wenn das Fensterchen gleich aufgeht und sich über nicht mehr gültige Kommunikationszertifikate aufregt.“

„Schon klar, Greg. Ich mache den Job hier nicht den ersten Tag, weißt du“, antwortet Schneider.

„Bei euch Biologischen ist immer alles wie am ersten Tag“, murmelt der Androide halblaut, dass man es gerade so auf dem Teamkanal verstehen kann.

22:13 Uhr, 02.10.2457 Greenwich-Erdzeit

09:05 Uhr, 05.04.159 Bordzeit TPS Orpheus

821 Lichtjahre von der Erde entfernt im Hyperraum, neben der alten Relaisstation

Greg Annoyed

„Endlich alle da“, gibt Greg von sich, als sich die Crew mit etwas Verspätung auf der Brücke der Orpheus versammelt, die wie üblich auch als Besprechungsraum benutzt wird. Es wird recht voll, als Greg vor seinem Navigatorpult vorn am Hauptbildschirm steht, Schneider auf seinem Kapitänsplatz sitzt und sich alle anderen außen an den Schaltpulten im hinteren Teil der Brücke versammeln.

„Also, fangen wir an“, beginnt Greg in einem gelangweilten Ton, der auch gut zu einem 18-Uhr-Meeting in irgendeiner Firma passen würde. Da ertönt ein Piepen und gleich danach ein noch aufgeregterer, durchdringender Fehlerton vom hinteren Teil der Brücke. Greg sieht stirnrunzelnd hin und auch alle anderen drehen sich um. Pascal, der sich auf einem der hinteren Schalterpulte abgestützt hat, fährt mit einem erstaunten Gesichtsausdruck hoch.

Jane schiebt ihn zur Seite und guckt, was er da angerichtet hat.

„Kein Thema Pascal, du hast versucht, die Formenergiehaut der Orpheus zu aktivieren.“

„Oh“, bringt er nur hervor.

„Allerdings haben wir keine mehr. Seit dreißig Jahren fehlt die schon, habe ich mal in den Wartungslogs gelesen.“

„Ah.“

„Können wir jetzt anfangen?“, fragt Greg ungeduldig. „Also“, beginnt er. „Das Schiff ist ein vermutlich vierhundert Meter langes Raumfahrzeug, das keine Energie hat oder sehr wenig. So genau konnten es die Stationssensoren nicht feststellen. Es treibt im Hyperraum und ist vermutlich von einer Raumtasche nahe einer Extrauniversaltasche ausgestoßen und wieder verschluckt worden.“

„Greg, du willst doch nicht vorschlagen, dass wir den Kahn suchen?“ Der Captain mustert ihn kritisch. „Das ist zu gefährlich.

Dinge sind in diesen Raumtaschen nahe den Extrauniversaltaschen schon abgetaucht und nie wieder gesehen worden.“

Jemand kichert hinter ihm. „Ja, die Story von diesem Fähnrich Wendt oder wie er hieß, der im Hyperraum ausgestiegen und siebzig Jahre später als sprechendes Ei wieder aufgetaucht ist.“

„Angeblich wurde ein eiförmiges Fragment seines Raumanzuges gefunden“, korrigiert der Android.

„Genug davon, Leute. Horrorstorys helfen uns nicht weiter. Aber es stimmt, eine Suche ist zu gefährlich.“ Der Kapitän versucht offensichtlich, ein Machtwort zu sprechen. „So gerne ich auch so eine fette Beute jagen würde. Schließlich sind wir dieses Jahr immer noch im Minus.“ Unruhiges Gemurmel ist auf der Brücke zu hören.

„Die technischen Standards der Raumfahrt werden langsam besser. Leider, muss man da als Bergungsunternehmer sagen. Es gibt immer weniger havarierte Schiffe und immer bessere Scanner bei der Konkurrenz. Wenn es so weiter geht, können wir kaum die fällige Wartung unseres Schiffes bezahlen.“

„Deines Schiffes!“, wirft Mister Nice scharf ein. Kapitän Schneider sieht ihn ärgerlich an. „Jedenfalls“, fährt der Kapitän fort, „wird es dann nur ein symbolisches Salär für die Crew geben.“

Das stößt bei der komplett anwesenden Mannschaft auf allgemeinen Unwillen. Es gibt fast einen Tumult, als Tough aufsteht und dem Captain seine ärgerlich vorgepresste Forderung „in jedem Fall bezahlt“ zu werden, entgegenstößt.

„Leider wird die Station, die wir gefunden haben, da auch nicht viel helfen, leer wie sie ist“, entgegnet Schneider ruhig. „Aber deswegen lasse ich uns noch lange nicht auf einen Selbstmordtrip gehen.“

„Fuck. Steht irgendwas in unseren Verträgen über Mindestbezahlung?“

„Welche Verträge?“, fragt Jane und erntet allgemeines Gelächter.

Plötzlich ertönt ein durchdringender Piepton von der Wissenschaftsstation links. Greg bewegt sich schnellen Schrittes dorthin.

„Für symbolisches Geld arbeite ich nicht“, verkündet Tough, da fährt ihm der Android in die Parade.

„Wenn ich die Herren und die Dame unterbrechen darf. Das Schiff ist auf den Scannern gerade wieder aufgetaucht. Und laut der Trajektorie, die ich ermitteln kann…“, er zögert einen Augenblick und steht völlig kerzengerade und regungslos da. Was dafür spricht, dass er sich entgegen seiner sonstigen Gewohnheit drahtlos mit dem Bordcomputer verbunden hat. „… wird das unbekannte Schiff noch für zehn Tage auf einem bogenförmigen Kurs weitab von Anomalien bleiben. Wenn wir noch eine Stunde warten, bis es eine Mindestdistanz von der Anomaliezone erreicht hat.“

„Ist es so schnell?“, fragt der Kapitän zweifelnd.

„Mehrere gravitonisch aktive Anomalien wirken hier zusammen, so dass das Schiff über einhundertzwanzig Kilometer pro Stunde Fahrt macht. Und die Sensoren der Orpheus können die Extrauniversaltaschen recht präzise ausmachen, auch die potentiellen, vorgelagerten Raumtaschen.“

„Sind die Raumtaschen dasselbe wie die Extrauniversaltaschen?“,

fragt Pascal.

„Nein, sie werden auch Anomalien genannt sind den richtigen Extrauniversaltaschen vorgelagert“, flüstert ihm Jane zu. Doch alle hören es. „Die Extrauniversaltaschen sind Ausstülpungen fremder Universen, während die Raumtaschen räumliche Anomalien sind, in denen Objekte durch die extreme Raumkrümmung eintauchen und verschwinden können“, fügt Jane hinzu.

„Der weiß nicht mal die einfachsten Sachen“, brummt Mr. Nice.

Der Kapitän steht auf. „Okay Mister always Annoyed”, tönt er grinsend. “Setze einen Kurs auf das unbekannte Schiff. Das Geschäft ruft!“

„Aye Sir“, bestätigt der Android.

10:03 Uhr, 03.10.2457 Greenwich-Erdzeit

20:55 Uhr, 06.04.159 Bordzeit TPS Orpheus

Ca. 823 Lichtjahre von der Erde entfernt im Hyperraum, neben dem unbekannten Wrack

Jane Leslie

Die Orpheus hat bereits abgebremst und wird jetzt eine Lichtsekunde neben dem Wrack liegen. Was immerhin noch 100.000 Kilometer sind. Ein Sicherheitsabstand, den das Schiff eine Zeitlang halten will, der besonderen Umstände halber. Schließlich weiß man nicht, was einem erwartet bei einem so mysteriösen Wrack. Sie kann es jedenfalls kaum erwarten. Unruhig fläzt sie sich auf dem Bett in ihrer kleinen Kabine. Sollten sie endlich Glück haben? Durch sein neugieriges Stöbern in den Logs der alten Station hat Greg ein Riesenwrack aufgetan, das seinesgleichen sucht. Wenn das wirklich ein alter Frachter ist, etwa aus Föderationszeiten, dann kann er der Crew ein Vermögen bringen.

Natürlich auch die dringend notwendige Überholung bezahlen.

Nur, wenn Captain Schneider der alten Orpheus wirkliche eine Grundüberholung verpasst, dann bleibt wieder für die Crew nicht viel übrig. Aber wenigstens wären sie dann im Plus. Sie sieht auf die Uhr an ihrem Handgelenk. Ein billiges Standardmodell, das sich mit einer lokalen Crew und den meisten Kommunikationsnetzen der Terranischen Republik und der Kolonien verbinden kann. Weniger als fünf Minuten, dann ist drüben auf der Brücke wieder „Ringelpietz mit Anfassen“, wie sie es nennt. Wenn sich wieder alle auf der engen Brücke gegenseitig auf den Füßen rumstehen. Oder versehentlich auf Knöpfe drücken.

Wenn sich ein Navyschiff solche Nachlässigkeiten leisten würde, hätte sich sicher schon manche Raumstation in einer Explosion aufgelöst. Sie kichert über die Vorstellung. Aber Gott sei Dank kann die Orpheus nicht aus Versehen Torpedos abschießen. Mit Absicht auch nicht, denn sie ist ja unbewaffnet.

Sie seufzt. Wenn sie diesmal ein paar zehntausend Credits mit nach Hause bringen würde, wäre das wirklich schön. Denn ihr Vater, der Ende Vierzig ist, hat Krebs. Er und ihre Mutter können sich die teure Behandlung nicht leisten. Zwar ist Krebs spätestens seit der Einführung der Nanotechnologie im 22. Jahrhundert endgültig besiegt. Aber seit die Föderation nicht mehr existiert, gibt es keine kostenlose Gesundheitsfürsorge mehr. Alles kostet Geld und für fast jede Behandlung muss man hohe Summen abdrücken. Sie lacht bitter. Das sollen nun die neuen Freiheiten sein, die die Terranische Republik ihren Bürgern verspricht. Die Freiheit zu verhungern, an Krankheiten zu sterben und die Regierungspolitik zu preisen. Alles soll viel besser sein als das sogenannte „Alte Imperium“, das angeblich von den Hohen Rassen, einem Konsortium von uralten Aliens aus dem nächsten Spiralarm der Galaxis, beherrscht worden ist. Über einen zu ihnen gehörenden Diktator, sagt man heute, der offiziell nur Oberkommandierender der Raummarine war und angeblich den Hohen Rassen hörig. Oder sogar zu einer ihrer Rassen gehörte und sich nur als Mensch getarnt hat. Doch Jane bezweifelt das, denn sie weiß, dass es auch die andere Seite der Erzählung gibt.

Dass es allen Menschen damals gut ging. Besonders gut soll es in Terrania City gewesen sein. Einst prächtige Hauptstadt der Föderation der Erde, als eine über den Wogen des Atlantiks schwebende reiche und prächtige Stadt. Heute zu Zeiten der Terranischen Republik aber ein Wrack, bei dem man Angst haben muss, dass es nicht bald in eben diesen Wogen des Atlantiks abstürzt, so sehr wie es die Regierung vernachlässigt. Terrania, wie es kurz genannt wird, gilt als Symbol des verhassten alten Regimes und wird entsprechend von den neuen Machthabern abgestraft.

Der Präsident der vereinigten Erde, die ihre Kolonien abgestoßen und sich Terranische Republik nennt, regiert heute von Nova Terra aus, einer in die Sahara künstlich aufgezogenen Megalopolis. Seit James Taylor, der letzter Präsident der Föderation und gleichzeitig erster Präsident der Terranischen Republik war, gibt es erst den dritten terranischen Präsidenten. Taylor selbst wacht noch heute als Machthaber im Hintergrund durch seine Funktion als Parteivorsitzender der ständig regierenden Terranischen Unionisten über das System.

Doch genug davon, unterbricht sie ihre eigenen Gedanken. Zeit in den Besprechungsraum zu gehen. Also auf die Brücke. Und sie prägt sich wieder Mal ein, keine politischen Bemerkungen zu machen. Schließlich hat das Bergungsschiff mit Tough Rogers so etwas wie die politische Polizei an Bord. Auch wenn der regimetreue Kerl bislang noch niemanden bei den terranischen Behörden verpfiffen hat.

Es ist schon ein Tumult ausgebrochen, als sie auf der Brücke erscheint. Greg steht wie immer vorn und versucht, die Wogen der Entrüstung zu glätten. Kapitän Schneider wackelt unruhig mit seinem Kapitänsstuhl von links nach rechts. Was ist nur wieder vorgefallen? Streiten sie schon wieder um die Bezahlung?

„Ruhig Leute, ruhig. Ich sage euch gleich, um was für ein Schiff es sich handelt. Ich lasse nur gerade sowohl den Bordrechner wie auch meinen eignen Rechner hier“, er klopft sich gegen den Kopf, „ein paar Überprüfungen durchführen. Denn eigentlich kann das nicht sein, was die Sensoren sagen.“