Training für die Faszien - Divo G. Müller - E-Book

Training für die Faszien E-Book

Divo G. Müller

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  • Herausgeber: Südwest
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2015
Beschreibung

Fit, gesund und schön mit Faszientraining für ein straffes Bindegewebe

Die Faszien bilden in unserem Körper ein Netz und geben ihm dadurch Halt, Struktur und Form. Ob der Oberschenkel straff gespannt oder eher wie Wackelpudding aussieht, hängt im Wesentlichen vom Tonus der ihn umgebenden, bindegewebigen Hülle ab. Deshalb müssen wir neben den Muskeln auch die Faszien trainieren, denn nur dann haben wir eine gut geformte straffe Körperkontur, und nur so werden wir Cellulite, Winkeärmchen und den Hängepo dauerhaft los. Faszientraining sorgt aber nicht nur für einen fitten Körper, sondern auch dafür, dass wir uns mit jugendlicher Spannkraft, leichtfüßig federnd und schmerzfrei bewegen können. Divo Müller hat in Zusammenarbeit mit dem Faszienforscher Dr. Robert Schleip ganz neue Übungen für Menschen entwickelt, die ein eher schwaches Bindegewebe haben, und stellt dieses Ganzkörperprogramm nun erstmals in einem anschaulich bebilderten Ratgeber vor.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 180

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INHALT

Vorwort

THEORIE Entdecken Sie mit uns die Faszination Faszien!

KAPITEL 1

Faszien: das vergessene Organ

Faszien: das Ganzkörpernetz

Die straffe Hülle ist wichtiger als viel Masse

Die 7 wichtigsten Faszienketten

KAPITEL 2

Geniale Gewebe-Architektur

Stress fördert Faszienverhärtung

Die zwei Seiten der faszialen Viskoelastizität

Evolutionäre Biologie

Fazit fürs Faszientraining

Test: Sind Sie ein Tempeltänzer-Typ?

Test: Sind Sie ein Crossover-Typ?

KAPITEL 3

Bindegewebe, Wasser und fließende Dynamik

Neues zum bekannten Thema Wasser

Fasern und Flüssigkeit

Selbstbehandlung: Faszienrolle

Selbstbehandlung: Saugmassage

KAPITEL 4

Zeig mir dein Bindegewebe – und ich sage dir, wie alt du bist

Bewegungsmuffel

Artgerechte Haltung des Menschen

Ernährung für das Bindegewebe

PRAXIS Das Training der Faszien

KAPITEL 5

Wie werden Faszien optimal trainiert?

Tools für das Faszientraining

Grundlagen des Faszientrainings

Gos für den Wikinger, No-Gos für den Tempeltänzer

Die Erfolgsformel für ein gesundes und straffes Bindegewebe

Die Grundpositionen

Trainingsempfehlungen für die Praxis

Die Schulter-Ellenbogen-Kette

Die Brust-Armbeuger-Kette

Das abdominale Netz: gerader, schräger und querer Bauchmuskel

Die diagonale Rückenmuskel-Gesäßmuskel-Kette

Die Plantarsehnen-Fersenpolster-Achillessehnen-Kette

Die Fußgewölbe-Adduktoren-Beckenboden-Kette

Das Cellulite-Special: die Fascia lata

Das Baukastenprinzip

Tipps und Tools

Register

Impressum

VORWORT

Liebe Leserinnen und Leser,

herzlich willkommen in der faszinierenden Welt der Faszien und willkommen zu diesem innovativen Training für ein straffes Bindegewebe. Karin Hertzer, Dr. Robert Schleip und ich freuen uns darauf, unsere Begeisterung für dieses Aschenputtel-Organ mit Ihnen zu teilen.

In diesem Buch haben wir Inhalte, Konzepte und neue wissenschaftliche Erkenntnisse zusammengetragen, die sich speziell mit dem Straffen und Kräftigen des Bindegewebes beschäftigen. Daher richtet sich dieses Buch an Menschen, die unter weichem, sogenanntem schwachen Bindegewebe, Überbeweglichkeit und Cellulite leiden. Veröffentlichungen mit Basisübungen für das Training der Faszien gibt es bereits mehrere auf dem deutschen Buchmarkt – dort kommen dann vor allem unbewegliche Menschen auf ihre Kosten. Die meisten dieser faszienorientierten Programme wurden maßgeblich von dem Trainingsansatz der Fascial Fitness inspiriert, den wir als Kernteam von Sportwissenschaftlern, Fitnesscoaches und Körpertherapeuten in enger Zusammenarbeit mit der Fascia Research Group, Ulm, unter Leitung von Dr. Robert Schleip entwickelt haben.

Dieses Buch hat sich ein anderes und spezielles Ziel gesetzt, denn hier geht es darum, den Spannungszustand des Gewebes und damit die Körperkontur zu verbessern. In welch großem Umfang dieses sogenannte Tonisieren von den Faszien mitbestimmt wird, erfahren Sie im spannenden Theorieteil dieses Buches, bei dem wir uns mit vereinten Kräften bemüht haben, fundierte, teils komplexe wissenschaftliche Inhalte anschaulich und mit lebendigen Bildern zu erläutern.

Lassen Sie sich beim Lesen von unserer Faszination für die Faszien anstecken, denn es lohnt sich! Dann verstehen Sie Ihren Körper besser, finden beim Selbsttest heraus, welcher Bindegewebstyp Sie sind – und können das im zweiten Teil vorgestellte Trainingsprogramm optimal nutzen.

Das Thema Straffen des Bindegewebes spricht wohl in erster Linie eine weibliche Klientel an, denn Frauen sind aus rein biologischen Gründen mit einem eher nachgiebigen Bindegewebe ausgestattet. Ansonsten würde kein Baby das Licht der Welt erblicken. Das Älterwerden und die Einwirkung der Schwerkraft fordern dann noch mal einen natürlichen Tribut, dem wir aber nicht tatenlos zusehen müssen. Die Inhalte und Übungen in diesem Buch richten sich daher speziell an Frauen, deren Bindegewebe zu nachgiebig ist und deren Muskeln zu schlaff sind. Bösartige Begriffe dazu gibt es viele, sie reichen von Schlaffi über Wackelpudding bis hin zu Flatterfleisch. Den einen oder anderen benutze ich selbst ab und zu im Buch, nehmen Sie mir das bitte nicht übel! Da ich als reife Frau in den Mittfünfzigern ebenfalls zu dieser Spezies gehöre, traue ich mich das – mit einer großen Prise Humor.

Zugegeben, die Motivation für dieses Buch ist auch aus Eigennutz entstanden, denn mein persönliches Motto lautet nicht nur „Zurück zur Natur“, sondern auch „Zurück zur Kontur“. Das Schöne an diesem spezifischen Faszientraining ist, dass die Übungen hocheffizient sind, um den Körper zu formen, Muskeln zu straffen und Cellulite entscheidend zu verbessern, aber auch großen Spaß machen. Die Frauen in meinen Kursen jedenfalls lieben die federnde Dynamik, die Kraft der Powersounds und die muskuläre Herausforderung. Und nicht zuletzt das Rundum-Wohlgefühl am Ende eines Trainings.

Viel Freude beim Lesen des Theorieteils und beim Umsetzen der Übungen. Dabei geht es nicht so sehr um verbissenen Ehrgeiz und Perfektion, sondern vielmehr um das Erobern eines kraftvollen, elastischen und straffen Faszienkörpers. Wohlbefinden inklusive!

München, im Juli 2015

Divo Müller

Zu weich, zu schlaff, zu wenig Tonus? Oder wohlgespannt und sexy?

Vor ungefähr einem Jahr hatte ich ein offenes Gespräch mit einer Freundin. Sie und ich gelten inzwischen als reife Frauen, wir sind beide über 50 und stecken also mitten in den Turbulenzen der Wechseljahre. Wir teilen typische Erfahrungen wie Hitzewallungen, Schlafstörungen und emotionale Achterbahnfahrten und stellten mit einigem Entsetzen fest, dass unser bislang wohlgeformter Körper regelrecht aus dem Leim geht.

Meine Freundin befiel die Ernüchterung beim Radfahren. Sie trug ein ärmelloses Top und fragte sich irritiert, was da am Oberarm so hin- und herflatterte. Es dauerte eine Weile, bis sie begriff, dass es ihr eigener Trizeps, genauer gesagt die Hülle ihres Oberarmmuskels war, der da schlabberte.

Ich kämpfte hingegen eher mit einer schlaffen Mitte, mein Bauch hing irgendwie unansehnlich im Shirt. Und obwohl ich seit Jahren in meinen Kursen die wahre Bedeutung innerer Werte predige, gefiel mir das ganz und gar nicht. Zumal sich der damit verbundene Verlust an Spannkraft auch alles andere als vital und kraftvoll anfühlte.

Meine Freundin und ich hatten übrigens nach der zweiten Flasche Prosecco einen recht lustigen Abend. Am nächsten Morgen beschloss ich jedoch, dem Schlabberfleisch Adieu zu sagen und ein neues Training zum gezielten Straffen des Bindegewebes zu entwickeln.

Mit dieser Idee Ernst zu machen, dazu hat mich schließlich der Bericht einer anderen gleichaltrigen Freundin ermutigt, die ihren Urlaub im indischen Bundesstaat Goa verbrachte und dort morgens am Strand entlangjoggte. Sie hatte sich kurz zuvor mit unserem elastisch federnden Laufstil beschäftigt und probierte genau diesen an jenem Morgen am Strand aus. Bei dieser Gelegenheit wurde sie von einem wesentlich jüngeren Inder aufgehalten, der sie partout auf einen Drink einladen wollte, was sie empört zurückwies. Auf ihre Nachfrage, wie er denn dazu käme, sie am helllichten Morgen derart anzumachen, lautete die überraschende Antwort: „You are so sexy!“Ihr Wutausbruch verwandelte sich postwendend in einen Lachanfall, und auch den tagelang anhaltenden Wadenmuskelkater nach dieser ungewohnten Faszieneinheit war es allemal wert.

Es gibt also nicht nur eine vage Hoffnung auf Besserung oder die Ausrede, wir seien als Frauen nun einfach im biologischen Nachteil oder unsere Gene seien daran schuld. Für alle weichgewebigen, überbeweglichen und zur Schlaffheit neigenden Kandidatinnen und Kandidaten haben wir unser Übungsprogramm entwickelt.

Gratulation zum Erwerb dieses Buches, damit halten Sie die Erfolgsformel für ein gesundes und straffes Bindegewebe in der Hand.

* THEORIE *

Entdecken Sie mit uns die

Faszination Faszien!

* In diesem theoretischen Teil des Buches erwarten Sie aktuelle Konzepte aus der internationalen Faszienforschung, die die Bedeutung dieses bislang vernachlässigten Gewebes neu und wiederentdeckt hat.

Zuerst geht es uns um grundlegende Fragen – also darum, was Faszien überhaupt sind und welchen beeindruckenden Beitrag dieses lebendige körperweite Netzwerk für unser Wohlbefinden, unsere Bewegung und die Körperkontur leistet.

In der Hauptsache beschäftigen wir uns hier mit dem schwachen, schlaffen oder zu nachgiebigen Bindegewebstyp – und bieten Hintergrundwissen, wissenschaftliche Erkenntnisse und Informationen, die Ihnen helfen herauszufinden, wie Sie wohlgespannt und wohlgeformt durchs Leben gehen. *

KAPITEL 1

Faszien: das vergessene Organ

Bis vor ein paar Jahren waren Faszien nur wenigen Insidern bekannt. Neben einigen alternativen Manualtherapeuten und im wahrsten Sinne des Wortes eingefleischten Wissenschaftlern hatte lediglich noch die Fleischindustrie ein Interesse daran, sich mit dem weißen, fasrigen Zeug auseinanderzusetzen – zartes Fleisch verkauft sich nun mal besser als zähes.

Zart oder zäh, diese Frage wird ganz wesentlich auf der Ebene des intramuskulären Bindegewebes entschieden. Einer kleinen Gruppe von Manualtherapeuten – allen voran den Osteopathen – war das muskuläre Bindegewebe bereits im letzten Jahrhundert ein Begriff. Bereits der Urvater der Osteopathie Andrew Taylor Still (1828–1917) hatte der Faszie außergewöhnliche Eigenschaften und eine umfassende Bedeutung für Heilung zugesprochen. Allerdings rein intuitiv, seine Erkenntnisse entzogen sich einer klaren wissenschaftlichen Grundlage. Dr. Ida Rolf, eine amerikanische Biochemikerin, entwickelte daraus das Rolfing, eine Bindegewebsmassage, und es entstanden weitere sogenannte myofasziale Therapien, die beachtliche Heilerfolge aufweisen konnten. Dennoch waren die dafür herangezogenen Erklärungsmodelle aus heutiger Sicht veraltet und nur wenig überzeugend.

Mittlerweile herrscht weltweit Aufbruchstimmung. Seit dem ersten internationalen Fascia Research Congress 2007, der an der renommierten Harvard Medical School in Boston stattfand, ist das Thema Faszien en vogue. Angeführt wird dieses Feld von Pionieren und Andersdenkern wie der jungen, aufstrebenden Anatomieprofessorin Carla Stecco (Universität Padua), die erst kürzlich in einem historischen Akt den ersten Faszien-Anatomieatlas der Medizingeschichte veröffentlicht hat. Oder von der führenden Faszienforscherin Dr. Helen Langevin (Harvard Medical School), die unter anderem herausfand, dass die Wirkung der Akupunktur auch auf eine Stimulation der bindegewebigen Kollagenfasern und der Kollagen produzierenden Zellen, der Fibroblasten, zurückzuführen ist. Und von dem spätberufenen Forscher Dr. Robert Schleip (Fascia Research Group, Universität Ulm), der seine Karriere als Psychologe und Körpertherapeut (Rolfer und Feldenkraislehrer) begann und inzwischen zum internationalen Netzwerker in Sachen Faszination Faszien avanciert ist.

Manches aus dem Bereich der aktuellen Forschung belegt altes intuitives Wissen und damit die dem unseriösen Bauchgefühl zugeschriebenen Erkenntnisse von Andrew Taylor Still und Kollegen. Manches muss aus heutiger Sicht relativiert und neu bewertet werden. Doch darüber hinaus führt das bislang von der medizinischen Forschung als relativ wertloses Füllmaterial vernachlässigte Gewebe in echtes Neuland. Und immer mehr entpuppen sich dieses bindegewebige Netz und sein flüssiger Gegenspieler, die Grundsubstanz, zu einem wahren Tausendsassa-Gespann, das an allen Ecken und Enden des Körpers zu finden ist. Im menschlichen Organismus sind Faszien nicht nur an jeder Bewegung beteiligt, sie sind offensichtlich mitverantwortlich für zahlreiche Krankheitsbilder wie chronische Rückenschmerzen und viele andere Formen von Weichteilbeschwerden. Sie interagieren unmittelbar mit dem autonomen Nervensystem und reagieren sensibel auf Stress, zudem scheinen sie unser größtes Sinnesorgan für die Körperwahrnehmung zu sein. Eine aktuelle, hoffnungsvolle Spur deutet sogar darauf hin, dass auch die Entwicklung von Krebs mit dieser Matrix des Lebens zu tun haben könnte – woraus sich möglicherweise neue Behandlungsansätze ergeben.

Noch stehen wir am Anfang und vieles bedarf weiterer geduldiger und fundierter Forschung. Eines zeichnet sich aber bereits ab: dass das bislang zum reinen Lückenbüßer verunglimpfte Gewebe derzeit einen nicht aufzuhaltenden Siegeszug antritt – mit weitreichender Bedeutung für Bewegung, Gesundheit und Therapie. Die modernen Untersuchungstechniken machen es möglich, das Zeitalter des Bindegewebes hat begonnen.

Vom Aschenputtel-Organ ins Rampenlicht

Erst seit Kurzem wissen wir also, dass das Bindegewebe eines der am meisten unterschätzten Gewebe unseres Körpers ist. Aktuelle Forschungen belegen, dass die Faszien eine wichtige Basis für die körperliche Gesundheit und sportliche Leistungsfähigkeit bilden. Die wissenschaftlichen Entdeckungen der internationalen Faszienforschung sorgen für aufsehenerregende Erkenntnisse, die eine Neuorientierung für den leistungsorientierten Sport und die medizinische Rehabilitation zur Folge haben.

Das gilt auch für alle Bewegungsprogramme, bei denen Gesundheit und körperliche Fitness im Fokus stehen. Faszien sind bei jeder Bewegung beteiligt – beim Laufen, Tanzen und Hüpfen, aber auch beim Werfen und Dehnen.

Gesunde Faszienstrukturen bilden schützende Gelenkkapseln, halten die Rückenmuskeln unter stabiler Spannung und sorgen für eine straffe Körperkontur. Als Sinnesorgan sorgen sie für ein geschmeidig-elegantes Bewegungsbild – und sie sind maßgeblich daran beteiligt, ob wir uns im eigenen Körper wohl- und zu Hause fühlen. Es gibt also genug Gründe, diesem faszinierenden Netzwerk nach Jahren der Vernachlässigung nun mehr Aufmerksamkeit zu schenken.

Gesunde Faszien – harmonische Bewegung

Unser Körper besteht zu einem überraschend großen Anteil aus Faszien. Bei einem erwachsenen Menschen sind es alles in allem 18 bis 23 Kilogramm Bindegewebe, die je nach Zusammensetzung und Bauweise unterschiedliche Aufgaben übernehmen.

Um zu verstehen, wie straffes und kräftiges Bindegewebe aufgebaut ist, schauen wir uns speziell die Faszien der Skelettmuskeln genauer an. Sie sind an jeder Bewegung beteiligt, erlauben es uns, aufrecht zu stehen oder zu sitzen, zu gehen und zu laufen. Sie sind aber auch beteiligt, wenn wir uns drehen, krümmen und hinhocken, wenn wir den Kopf bewegen oder einen Ball werfen. Der Grund: Die Skelettmuskeln werden umgeben und durchdrungen von einem Netzwerk aus Faszien, die nach einem klugen biologischen Bauplan angeordnet sind.

Faszien: das Ganzkörpernetz

Das muskuläre Bindegewebe ist ein dreidimensionales Geflecht, das den Körper in jede denkbare Richtung durchzieht: von oben nach unten, von vorn nach hinten, von außen nach innen. Wie der Name Bindegewebe also treffend beschreibt, verwebt es als körperweites Netzwerk Strukturen miteinander. Es bildet je nach Funktion und Belastung zugfeste Gurte und derbe Häute, formt aber auch sehr flexible Hüllen und zarte Beutel.

Das muskuläre Bindegewebe besteht im Wesentlichen aus Kollagenfasern und Bindegewebszellen sowie aus jeder Menge Wasser. Die kollagenen Fäden verdichten sich je nach Körperkontext und Anforderung zu flächigen Membranen, sie verweben sich aber auch in einer schier endlosen Kontinuität bis ins Innerste des Muskels hinein. Intramuskulär erscheint Kollagen als zartes Gespinst, um sich schließlich noch feiner aufzudröseln und jede einzelne Muskelfaser zu umgarnen. Daher sprechen wir in diesem Buch auch immer wieder vom kollagenen Netzwerk.

Das Orangenmodell

Um zu verstehen, wie die Faszien im Körper organisiert sind, eignet sich das Orangenmodell: Entfernen Sie die Schale einer Orange und schauen Sie an deren Innenseite, dann entspricht das sich darin befindende weißliche Fasergewebe der Oberflächenfaszie (Fascia superficialis), dem Unterhautfettgewebe. Diese obere Schicht ist deutlich abgegrenzt von der nächsten darunterliegenden, denn Sie halten zum einen die Schale und – getrennt davon – das in eine Hülle verpackte Fruchtfleisch als kompaktes Ganzes in der Hand.

Verblüffende Ähnlichkeit: Ob Orange oder Mensch – beide bestehen aus jeder Menge Wasser, das nach dem Beutel-in-Beutel-Prinzip geschickt verpackt ist.

Schnitt durch den Oberschenkel: Bindegewebe strukturiert den Körper in sogenannte Septen – vergleichbar mit den Schnitzen der Orange.

Analog dazu befindet sich beim menschlichen Körper unter dem Unterhautfettgewebe das Muskelgewebe, das komplett von der unmittelbar darunterliegenden sogenannten tiefen Faszie (Fascia profunda) umhüllt ist. Ich nenne diese Schicht im Training salopp den Cat-Bodysuit, da sie uns im Idealfall wie ein stramm sitzender Gymnastikanzug zusammenhält. Diese Schicht ist von zahlreichen Nerven und Blutgefäßen durchzogen und weist in jungen Jahren eine beträchtliche Zugspannung auf – zumindest solange die kollagenen Fasern straff gespannt sind. Erst mit dem Älterwerden, unter Bewegungsmangel oder bei schlechter Lebensführung gehen die Kollagenfasern regelrecht aus dem Leim. Dann verliert der Körper seine Spannkraft, er wird schlaff und wir fallen aus der bislang klar definierten Körperform.

Von Schnitzen und Septen

Bleiben wir beim Orangenmodell: Als Nächstes zerteilen Sie die Frucht in einzelne Orangenschnitze. Im Muskel bilden die Faszien stützende Trennwände, sogenannte Septen. Sie unterteilen den Muskel in kleinere funktionelle Einheiten. Vergleichbar mit den Orangenschnitzen sind auch einzelne Muskeln jeweils in eine kollagene Hülle verpackt, in das sogenannte Epimysium. Öffnen Sie einen Orangenschnitz, dann läuft Saft, aber Sie erkennen beim genauen Hinsehen auch, dass die süße Flüssigkeit in noch zartere Beutelchen verpackt ist. Übertragen auf die Organisation im Muskel entsprechen diese dem intramuskulären Bindegewebe, dem Perimysium. Doch die Kontinuität unseres Kollagennetzwerks reicht sogar noch weiter, es umgarnt als Mikrostruktur jede einzelne Muskelfaser. Diese hauchdünne Bindegewebsschicht heißt Endomysium.

Dr. Robert Schleip: „Unsere Skelettmuskeln bestehen meist nicht aus einem einzelnen Strang, der am Knochen angewachsen ist. Dann wären sie nicht so dehnbar und zugleich kräftig und reißfest, um alle möglichen Bewegungen ausführen zu können.“ Unsere Muskeln sind also – nach einem bestimmten Bauprinzip – aus Tausenden von Fasern aufgebaut, die in ein besonders straffes Fasziengewebe, die Sehnen, münden und erst danach mit der Knochenhaut beziehungsweise mit gewissen Ansatzstellen am Knochen verwachsen sind. In der Natur hat sich für den inneren Aufbau der Skelettmuskeln das Hülle-in-Hülle-Prinzip bewährt, bei dem mehrere Muskelfasern in einzelnen Hüllen gebündelt werden und mehrere Muskelbündel wiederum von einem äußeren Schlauch umhüllt sind.

Wenn Sie einen Muskel von innen nach außen anschauen, entdecken Sie drei Arten von Hüllen:

Ein körperweites Netzwerk umhüllt, durchzieht und vernetzt alle Muskeln. Dabei verwebt sich der Eiweißbaustein Kollagen mal zu einer dehnbaren Hülle um den Muskel, teilt sich in zartere Beutel um einzelne Muskelbündel auf, verwebt diese wiederum in Form feiner Spinnenfäden innerhalb des Muskels miteinander und umgarnt schließlich jede einzelne Muskelfaser.

Feinste Fasern: Diese Abbildung zeigt die feine Hülle um die einzelnen Muskelfasern, das sogenannte Endomysium. Beeindruckend ist die geometrische Biostruktur, die in ihrer Form an Bienenwaben erinnert. Es gibt Vermutungen, dass die Kontinuität des kollagenen Fadens sogar bis in die Körperzelle hineinreicht.

Diese geordnete Scherengitter-Struktur ist ein Kennzeichen von jugendlichen und gesunden Faszien. Die Anatomieprofessorin Carla Stecco (Universität Padua) fand heraus, dass der Winkel hier exakt 58 Grad beträgt. Diese Scherengitter-Struktur finden wir unter anderem in den Muskelhüllen, dem Epimysium.

Ein anpassungsfähiges Netzwerk

Beim Faszientraining nutzen wir die Anatomie der vernetzten Kontinuität und sind von der enormen Anpassungsfähigkeit des Kollagengewebes beeindruckt. Je nach körperlicher Anforderung und Kontext bilden sich belastbare Membranen oder zugresistente Gurte, aber auch nachgiebige Hüllen.

Ein praktisches Beispiel: Wenn Sie sich an die Außenseite Ihres Oberschenkels fassen, fühlt sich diese meist ausgeprägter und fester an als die Innenseite. Beim krabbelnden Kleinkind ist die Oberschenkelaußenseite noch genauso weich wie die Innenseite. Aber durch die Auseinandersetzung mit der Schwerkraft und die Fähigkeit, auf einem Bein zu stehen und schließlich als langbeiniges Lauftier Mensch auf zwei Beinen zu gehen, zu laufen und zu hüpfen, vernetzt sich die Faszienmembran der Außenseite des Oberschenkels zu einer Halt und Stabilität gebenden Struktur. Doch wie beim Muskel gilt auch auf der Ebene des Bindegewebes die unerbittliche Realität des Wolff’schen Gesetzes „Use it or lose it“ – „Nutze oder verliere es“. Beim Gehen und Laufen belasten wir das Gewebe ganz automatisch, doch bei notorischen Stubenhockern und dem damit verbundenen Wenigbelasten der Oberschenkelfaszie verliert die vormals straff gespannte Hülle ihre Festigkeit und Struktur. Zudem gehen auch grundlegende von der Evolution und Biologie in vielen Jahrmillionen errungene Bewegungsfähigkeiten verloren, etwa der geschmeidige, leichtfüßige Gang und das energieeffiziente Ausdauerlaufen. Hinzu kommt der Niedergang der Ästhetik, denn all das lässt den Oberschenkel schlaff und unförmig werden.

Die Formbarkeit des Gewebes ist aber auch Ansporn. Durch adäquate Trainingsreize können die kollagenen Strukturen im Laufe der Zeit wieder kräftig und wohlgespannt werden. Daher lautet das motivierende Fazit: Faszien sind trainierbar!

Der Körper als Fluss

Bei aller Begeisterung für die Wandlungsfähigkeit der Kollagenfasern sollten wir eines nicht vergessen: Bindegewebe besteht aus Fasern, aber im Wesentlichen – wie die Orange – aus Flüssigkeit. Umgekehrt kann man es auch so sehen: Wasser macht den größten Volumenanteil im Gewebe aus und wurde als eine clevere Erfindung der Evolution nach einem Beutel-in-Beutel-Prinzip äußerst geschickt im menschlichen Organismus verpackt. Es ist eine immer noch viel zu wenig beachtete Tatsache, dass der lebendige Körper zum größten Teil aus dem salzhaltigen Urmeer besteht, aus dem unsere Vorfahren vor ungefähr einer halben Milliarde Jahre an Land gekrochen sind. Demnach sind auch moderne Menschen klug verpacktes Wasser (je nach Lebensalter mit einem Körperwassergehalt von 80 bis 50 Prozent), das die Natur in ein kollagenes Netzwerk aus unzähligen Taschen und Beuteln eingebunden hat.

Für das Training der Faszien und deren fließende Dynamik sind die Erkenntnisse der modernen Wasserforschung von großer Bedeutung. Mehr dazu lesen Sie im Kapitel „Bindegewebe, Wasser und fließende Dynamik“.

Die straffe Hülle ist wichtiger als viel Masse

An dieser Stelle möchte ich Ihnen das Modell Wurstpelle und Wurstmasse vorstellen: Eine Wurst besteht aus einer breiartigen Masse, die in die Pelle eingetütet wird. Diese Metapher ist leicht nachzuvollziehen, denn auch die Muskelmasse wird in der Muskelhülle, dem Epimysium, verpackt. Dabei ist es wichtig, dass sich ausreichend Masse innerhalb der Hülle befindet.

Für eine straffe Körperkontur ist es jedoch nicht notwendig, möglichst viel Masse aufzubauen und als aufgepumptes Michelin-Männchen rumzulaufen – sofern das nicht Ihrem persönlichen Schönheitsideal entspricht. Ist die umgebende kollagene Muskelhülle kräftig und straff gespannt, dann weisen schlanke Muskeln eine klar definierte und ästhetisch grazile Form auf. Gleichermaßen gilt: Auch wenn ein Körper über einen höheren Fettanteil verfügt, ist die Körperform runder und weicher und weiblich wohlgeformt dank gut gespannter jugendlicher Faszien.

Erst wenn das Kollagen erschlafft, fängt das Fett an, wabbelig auszusehen, und die vormals runden und weiblichen Konturen fallen aus der Form. Schlanksein hat also nicht nur mit Muskelmasse und Fettanteil zu tun, sondern auch sehr viel mit der Spannung des umhüllenden Bindegewebes, also mit den Faszien.

Warum das entscheidend ist, durfte ich bei einem Laborbesuch miterleben: Die Forscher legten einen Schnitz festes Muskelfleisch in ein Reagenzglas und fügten ein Enzym bei, welches das rote Muskelfleisch erhält und nur die weißlichen kollagenen Faseranteile binnen weniger Stunden auflöst. Danach hatte das Muskelfleisch seine ehemals feste Konsistenz verloren und verhielt sich bei Kippbewegungen des Reagenzglases ähnlich wie zähflüssiger Sirup.

Übertragen auf das Faszientraining heißt das, dass wir uns zum einen auf das gezielte Straffen des intramuskulären Bindegewebes konzentrieren. Zum anderen soll die Hülle um den Muskel kräftig und gespannt werden. In Zusammenarbeit mit Dr. Robert Schleip und seinen Kollegen haben wir daher neue Übungen entwickelt. Diese sollen die Bindegewebszellen, die Fibroblasten, anregen, im kollagenen Netzwerk der Muskelhülle verstärkt Fasern anzulegen. Gemäß dem Motto „Hier geht es um die Hülle und weniger um die Wurst“. Um dieses wirkungsvolle Trainingsprinzip zu verstehen, ist es notwendig, die Architektur der Faszien und deren Baumeister, die Fibroblasten, besser kennenzulernen.

* Im Überblick: die 7 wichtigsten Faszienketten *

Die Faszien des Oberkörpers

1. Die Schulter-Ellenbogen-Kette

2. Die Brust-Armbeuger-Kette

Die Faszien der Mitte