13,99 €
trans* Sein – hier kommen die Jugendlichen selbst zu Wort
Wann weiß man, ob man ein Junge oder Mädchen ist? Als was die Welt einen sieht, lernt man ziemlich früh. Doch was, wenn sich das nicht gut anfühlt? Und wie finde ich zu mir selbst in einer Welt voller Erwartungen und Normen? In einfühlsamen Porträts und ausdrucksstarken Schwarz-Weiß-Fotografien über viele Jahre hinweg erzählen Transjugendliche von ihrer Reise zur eigenen Identität und zu einem Körper, der sich für sie richtig anfühlt. Sie erzählen von ihren Herausforderungen, von ihren Hoffnungen und Träumen. Die Journalistin Beate Lakotta und der Fotograf Walter Schels haben sie begleitet und geben tiefe Einblicke in eine komplexe Suche nach dem Selbst.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Veröffentlichungsjahr: 2025
TRANS* – was heißt das überhaupt? Ob man als Junge oder Mädchen gesehen wird, weiß man ziemlich früh. Aber manche Menschen erkennen sich in ihrem zugewiesenen Geschlecht nicht wieder und bezeichnen sich deshalb als trans*. Wem kann man sich anvertrauen, wenn man merkt, dass man im falschen Körper geboren wurde? Bedeutet trans* Sein immer automatisch eine Geschlechtsangleichung? Und kann man sich dabei auch irren? Die Berichte der Jugendlichen in diesem Buch zeigen, dass es nicht den einen richtigen Weg gibt, um zu sich selbst zu finden und für das eigene Ich einzustehen.
© Privat
Beate Lakotta berichtete 25 Jahre lang für den SPIEGEL unter anderem aus Gefängnissen, Forschungseinrichtungen und Gerichtssälen. Für ihre Reportagen wurde sie vielfach ausgezeichnet.
© Privat
Walter Schels, geboren 1936, wurde international bekannt durch seine intensiven Porträts von Menschen und Tieren. Seine Arbeiten erhielten Preise und wurden in zahlreichen Fotoausstellungen im In- und Ausland gezeigt.
Beate Lakotta und Walter Schels realisierten bereits mehrere Buch- und Ausstellungsprojekte gemeinsam. Die beiden sind verheiratet, sie leben in Hamburg.
Du liebst Geschichten? Wir bei Gabriel auch!Wir wählen unsere Geschichten sorgfältig aus, überarbeiten sie gründlich mit Autor:innen und Übersetzer:innen, gestalten sie gemeinsam mit Illustrator:innen und produzieren sie als Bücher in bester Qualität für euch.
Deshalb sind alle Inhalte dieses E-Books urheberrechtlich geschützt. Du als Käufer erwirbst eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf deinen Lesegeräten. Unsere E-Books haben eine nicht direkt sichtbare technische Markierung, die die Bestellnummer enthält (digitales Wasserzeichen). Im Falle einer illegalen Verwendung kann diese zurückverfolgt werden.
Mehr über unsere Bücher, Autor:innen und Illustrator:innen auf:www.thienemann.de
Und hier kommst du direkt zu unseren Events und Lesungen:www.thienemann.de/events-lesungen
Viel Spaß beim Lesen!
Beate Lakotta / Walter Schels
Don´t judge my journey
GABRIEL
HAST DU SCHON EINMAL DARÜBER NACHGEDACHT, zu welchem Geschlecht du gehörst? Vielleicht hast du gehört, dass jemand in deiner Schule trans* ist. Vielleicht kennst du jemanden, den das Thema gerade beschäftigt. Oder du selbst sagst von dir: Ich bin trans* – wie schätzungsweise vier bis fünf von 100 000 Menschen. Das sind gar nicht mal so wenige. Und doch ist es nicht für jeden einfach, offen und ehrlich darüber zu sprechen.
In diesem Buch triffst du 21 trans* Mädchen und Jungen mit ihren echten Gefühlen, Gedanken, und Geschichten. Sie haben sich entschieden, über mehrere Jahre hinweg in Interviews von sich und ihrem Weg zu berichten.
Du erfährst von ihnen, wie es sich anfühlt, im falschen Körper zu stecken, und was sie auf sich nehmen, um ihren Körper dem gefühlten Geschlecht anzugleichen. In neun Kapiteln erzählen sie von Kämpfen vor dem Kleiderschrank, von Selbsterkenntnis, Scham und Geheimhaltung, von Hänseleien und dem Toilettenproblem in der Schule, der Sehnsucht nach Normalität, aber auch von Vertrauen, Solidarität, Freundschaft und der ersten Liebe. Vom Ankommen im eigenen Körper und im Erwachsenenleben.
In jedem Kapitel lernst du mindestens eine Person genauer kennen. Weil die Erfahrungen der Jugendlichen unterschiedlich sind und es nicht den einen Weg als trans* Person gibt, wirst du außerdem Stimmen von verschiedenen weiteren Personen begegnen, die diese Porträts ergänzen.
Dieses Buch ist kein Ratgeber. Was du deshalb hier nicht finden wirst, sind Aussagen von medizinischen Expert*innen, Psycholog*innen oder von LGBTIQ+-Aktivist*innen. Nur die Jugendlichen kommen zu Wort. Es gibt kein Richtig oder Falsch, sondern jede Erfahrung steht für sich.
Zeit spielt in diesem Buch eine wichtige Rolle. Einige der Jugendlichen haben ihr erstes Interview vor mehr als zehn Jahren als Dreizehn- oder Vierzehnjährige gegeben, der Älteste ist heute 28. Du wirst deshalb beim Lesen darauf stoßen, dass manchmal die gleiche Person als 13-Jährige Dinge anders sieht als mit 16, weil sie in der Zwischenzeit neue Erfahrungen gemacht hat. So kannst du ihre Entwicklung besser verstehen.
Diejenigen, die als Erste über sich sprachen, verwenden dabei den Begriff transsexuell. Die Bezeichnung wird mittlerweile nur noch wenig benutzt, weil sie den Eindruck erweckt, es gehe bei Transsexualität auch darum, wen man liebt oder wie man Sex hat. Trans* Sein hat aber nichts damit zu tun, ob man schwul, lesbisch, hetero, bi oder pan ist. Es geht dabei um Identität. Deshalb nennen sich die meisten heute lieber Transgender oder transident. Oder sie sagen einfach: »Ich bin trans*« – was man alles aber auch sein kann, ohne eine körperliche Transformation zu durchleben.
Trans* bedeutet erst mal nur, dass man sich nicht mit dem Geschlecht identifiziert, das auf Grundlage von körperlichen Merkmalen in der eigenen Geburtsurkunde steht. Es bedeutet nicht immer, dass man sich zu 100 Prozent dem anderen Geschlecht zugehörig fühlen muss.
Noch bis vor wenigen Jahren war trans* Sein auf der ganzen Welt ein Tabuthema und Konfliktstoff. In vielen Ländern ist das heute noch so – oder wieder. In Deutschland haben Gesetze bewirkt, dass trans* Personen nicht mehr diskriminiert werden dürfen – auch wenn das in der Realität immer noch vorkommt. Bis vor Kurzem brauchten trans* Personen noch zwei psychologische Gutachten, um ihren Namens- und Geschlechtseintrag ändern zu können. Ein Gericht musste darüber entscheiden. Einige, die hier von ihren Erfahrungen berichten, haben das noch so erlebt. Heute dagegen kann man auf dem Papier schon mit 14 Jahren Namen und Geschlecht wechseln, ohne teure und langwierige Gutachten – unter Umständen sogar gegen den Willen der Eltern.
Vielleicht fragst du dich, ob das alles nur gut ist. Kann man sich dabei nicht auch irren? Doch, das kann man! Deswegen kommen in diesem Buch auch vier Jungen und Mädchen zu Wort, die den Weg wieder zurückgegangen sind. Ihre Geschichten zeigen, wie wichtig es ist, Zweifel zuzulassen und sich Zeit für Entscheidungen zu nehmen.
Einige Porträts beschreiben sehr schmerzvolle Erfahrungen. Manche Jugendliche sprechen über Themen wie Selbstverletzungen oder Selbstmordgedanken. Aber du wirst sehen, dass sie einen Ausweg aus diesen Situationen gefunden haben – und auch wie.
Fast alle Jugendlichen zeigen sich hier mit ihrem echten Namen. Einige sehr intime Passagen haben wir anonymisiert. Begriffe, die vielleicht nicht jeder gleich versteht, haben wir gekennzeichnet und am Ende des Buches erklärt. Dort findest du auch ein paar Anlaufstellen, die Informationen, Unterstützung und Beratung zu rechtlichen und medizinischen Themen rund um das trans* Sein anbieten.
Don’t judge my Journey, der Untertitel dieses Buches, stammt von Tom, der dieses Motto als Tattoo auf der Brust trägt (Seite 191). Es steht für das, was allen hier Beteiligten wichtig ist: Respekt. Vor der Vielfalt aller Menschen, vor jeder persönlichen Geschichte und vor dem Mut, sie zu erzählen.
ZIEMLICH LANGE, NACHDEM MAN GEBOREN WIRD, ist es einem erst mal egal, zu welchem Geschlecht man gehört, ganz gleich, ob man sich später als Mädchen, trans*, Junge oder non-binär identifiziert. Als was einen die anderen sehen, erfährt man, wenn man die Worte dafür lernt: Junge – Mädchen. Hast du dich als Kind gefragt, warum du lieber mit Mädchen oder Jungs spielst? Oder ob es etwas über dich aussagt, dass du lieber Puppen oder Autos magst – und wenn ja, was? Eher nicht? Das ist normal.
Auch im Kindergarten ist es einem noch nicht so wichtig, ob man ein Junge oder ein Mädchen ist. Aber unbewusst sammeln wir Erfahrungen, welche Merkmale und Eigenschaften für ein Geschlecht als passend empfunden werden oder nicht. Im Lauf des Lebens kann sich das wieder ändern, zum Glück! Aber als Fünf- oder Sechsjährige haben wir davon eine ziemlich feste Vorstellung. Und auf dem Schulhof stehen plötzlich die Mädchen in einer Ecke, die Jungs in der anderen.
Vielleicht ist es so, wie Leo es in diesem Kapitel sagt: Es ist bei der Geburt schon in einem drin, so ein inneres Wissen über die eigene Geschlechtsidentität – und zwar egal ob du cis bist oder trans*. Nur passt bei cis Kindern und Jugendlichen dann automatisch nach und nach alles zusammen: der eigene Jungs- oder Mädchenname, die Vagina oder der Penis, die Klamotten, die man gekauft bekommt. Es fühlt sich eigentlich fast immer stimmig an.
Aber woran merkt man dann, dass man trans* ist? Hier erfährst du, in welchen Situationen trans* Kinder und -Jugendliche spüren, dass etwas bei ihnen anders ist. Und wie sie herausfinden, was genau dieses Störgefühl bedeutet.
FYNN, 16 JAHRE
Gemerkt hab ich das so mit drei oder vier. Ich hab zu meiner Mama gesagt, dass ich lieber ein Junge sein möchte. Sie hat das nicht so ernst genommen, weil ich ja noch klein war. Später habe ich das dann nochmal gesagt, und immer wieder. Und irgendwann hat sie es ein bisschen ernster genommen.
LENNI, 16 JAHRE
Ich bin instinktiv zu den Puppen gerannt und hab mit den Mädchen gespielt. Für die war ich ein Mädchen. Ich hab im Kindergarten gar nicht realisiert, dass ich nicht zu den Mädchen gehöre. Ich wusste einfach immer, dass ich ein Mädchen bin.
LEO, 16 JAHRE
Ich denke, es ist von Geburt an in einem drin, zu wissen, welchem Geschlecht man angehört. Ich wusste schon immer: Ich bin Leo. Meine Oma und ich haben früher öfter Prinz und Prinzessin gespielt. Da war ich immer Prinz Phillip und hab sie geheiratet. Einmal wollte Oma Prinz Phillip sein und ich sollte Dornröschen sein. Da wollte ich nicht mehr spielen. Welcher Junge spielt bitte schön gerne eine Mädchenfigur?
BEN H., 15 JAHRE
Ich hab schon mit fünf gespürt, dass ich im falschen Körper bin. Am Anfang war das keine große Sache, ich hab mit Autos gespielt, und auf keinen Fall mit Barbies. Ich dachte, das ist normal. In der Grundschule war das auch erst mal kein Problem. Es wird einem ja auch eingeredet: Du bist halt ein sehr burschikoses Mädchen. Macht nichts, das wird schon vorbeigehen.
MAXINE, 18 JAHRE
Vor dem Schlafengehen habe ich mir immer gewünscht, dass ich ein Mädchen werde und habe gehofft, dass es in Erfüllung geht. Eines Tages, ich muss neun oder zehn gewesen sein, sah ich im Fernsehen zufällig eine Doku über ein trans* Mädchen. Da habe ich gemerkt, dass das Problem dieses Mädchens auch auf mich zutrifft.
FELIX, 16 JAHRE
Im Kindergarten hatte ich gesehen, dass irgendwer im Stehen gepinkelt hat. Ich war voll traurig darüber, dass ich das nicht konnte und hab meine Mutter gefragt, ob es irgendeine Möglichkeit gibt, dass ich das auch kann. Ich war so empört: Warum hab ich keinen Penis? Warum hab ich das, was ich hab? Warum muss ich damit leben?
BEN B., 17 JAHRE
In der Grundschule war alles gut. Bis ich dann mit elf immer noch zu den Jungs rübergegangen bin. Die haben sich gewundert, weil ich als Mädchen bei den Mädchen sein müsste und nicht mit Autos fahren und im Sand buddeln sollte. Mit 13 hab ich gemerkt, dass ich als Mädchen nicht leben möchte und kann.
HENRIETTE, 15 JAHRE
Erst dachte ich: Vielleicht bin ich ja schwul. Aber das konnte ich mir nicht wirklich vorstellen. Dann war es: Vielleicht bin ich bisexuell. Aber das passte auch nicht. Am Ende dachte ich: Vielleicht möchte ich einfach nur ein ganz normales Mädchen sein.
LARA, 14 JAHRE
Das Gefühl, ich kann nicht so sein, wie es von mir erwartet wird, hatte ich, seit ich denken kann. Ich dachte, ich passe eher zu den Mädchen, aber anscheinend ist das nicht normal. Jemanden wie mich hab ich sonst nirgends gesehen. Mit zehn wusste ich: Es ist was mit meinem Körper, ich kann ihn nicht so lassen, wie er ist. Ich will ein Mädchen sein.
FÜR MICH WAR ES IMMER SCHON KLAR, dass ich trans* bin. Aber ich denke darüber eigentlich gar nicht so viel nach. Ich beschäftige mich nicht andauernd damit. Für mich selbst bin ich ja schon, wer ich bin.
Ich bin jetzt 13. Ich bin ein Mädchen, nur dass ich früher im Körper von einem Jungen gesteckt hab. Also: Da stecke ich immer noch drin. Aber mein Kopf war schon immer weiblich.
Trans* Sein würde ich in dem Sinne erklären, dass man in einem falschen Körper geboren ist und das irgendwann erkennt. Wenn man sich dann outet und wenn man das Glück hat, dass man von seiner Familie unterstützt wird, kann man früh seinen Namen ändern und alle Informationen erhalten, die dazugehören. Damit fühlt man sich dann schon wohler. Und man kann Hormone nehmen und sich später umoperieren lassen, und irgendwann wird auch mein Körper weiblich sein.
Ich hab früher immer Mädchensachen gemacht. Ich hab mit meiner Mutter zusammen genäht und ich hatte schon immer Puppenwägen und Kleider. Als ich sieben oder acht war, sind wir in den Sommerferien nach Schweden gefahren. Ich hab meine Mutter gefragt, ob ich die Kleider mit in den Urlaub nehmen kann. Und da meinte sie: »Ja, das kannst du machen.« Nach den Sommerferien wollte ich weiter die Kleider tragen.
Zu der Zeit war es dann ein Thema für mich. Ich hab versucht, meinen Körper zu verstehen, und dann hab ich halt gemerkt, mein Körper passt nicht zu meinem Kopf. Ich hab erkannt, dass ich kein Junge bin, sondern ein Mädchen. Ich hab das dann meiner Familie gesagt: »Ich bin trans*.« Und dann war das auch durch.
Meinem Vater haben wir es später erzählt. Da gab es schon ein bisschen Stress. Er meinte, das kann nicht sein. Er wollte das nicht annehmen. Ich bin dann auch erst mal nicht mehr zu ihm hingefahren. Aber jetzt ist unser Verhältnis eigentlich ganz gut. Ich glaube, er weiß auch, dass ich mich nicht mehr ändern werde.
Meine Geschwister haben nie gesagt, dass es schlecht ist oder dass sie das nicht akzeptieren. Bei meinem großen Bruder könnte ich mir vorstellen, dass er mich von Anfang an als Mädchen gesehen hat.
Ich hatte auch immer mehr Freundinnen als Freunde. Eigentlich haben die das ganz normal aufgenommen. Keiner hat doofe Bemerkungen gemacht oder so. Das war halt einfach so. Nachdem ich mich geoutet hatte, haben die Eltern von meinem besten Kindergartenfreund und von meiner besten Freundin gemeint, dass es ihnen schon vorher klar war, dass ich nicht so typisch Junge war.
Auch in der Schule war es eigentlich immer ganz normal. Die wussten das alle, und es war ihnen egal. Es war von Anfang an klar, dass ich mit den Mädchen in die Umkleide gehe. Es wurde gefragt, ob es okay ist. Und die anderen meinten, ja. Seitdem ziehe ich mich ganz normal mit den Mädchen um und werde beim Sport auch als Mädchen gezählt. Ich gehe auch aufs Mädchenklo. Das war nie ein Problem.
Ein einziges Mal war ich im Freibad mit meiner Familie, da hat ein Junge, der mich generell nicht so mochte, meinen Jungsnamen durch das ganze Bad geschrien. Da hab ich geweint, weil das ja für mich einfach schon Geschichte war. Meine Mutter ist zu ihm hingegangen und hat gesagt, dass er das lassen soll. Dafür bin ich ihr auch echt dankbar. Den Jungen hab ich später gar nicht mehr gesehen. Es war mir dann auch egal.