Trauma - Astrid Pfister - E-Book
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Trauma E-Book

Astrid Pfister

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Beschreibung

Eine Klinik, in der nichts ist wie es scheint …
Der fesselnde Psycho-Thriller über eine Frau, die um ihr Leben und um die Wahrheit kämpft

In einem renommierten Reha- und Trauma-Zentrum suchen Leah und ihr Mann Maik nach einem traumatischen Einbruch Zuflucht. Während Leah unverletzt blieb, wurde Maik angeschossen und schwebt in Lebensgefahr. Doch in dem Zentrum geschehen seltsame Dinge, und Leah spürt, dass etwas nicht stimmt. Sie fühlt sich in ihrem Verdacht bestätigt, als Maik sich plötzlich verändert und Leah den Zugang zu ihm zu verlieren droht. Sind es die Medikamente oder steckt mehr dahinter? Während sie versucht, das Geheimnis zu lüften, entdeckt Leah nach und nach die schockierende Wahrheit über die Klinik. Wird sie es schaffen, dem Albtraum zu entkommen?

Erste Leser:innenstimmen
„Ein komplexer Psycho-Thriller, der im Laufe der Handlung so einiges auffährt.“
„Ich war durchgehend mitgerissen und das Ende hat mir den Boden unter den Füßen weggezogen.“
„Ein unfassbar spannender Page-Turner mit unerwarteten Wendungen.“
„rasant, fesselnd und ziemlich abgefahren“

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Seitenzahl: 282

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Über dieses E-Book

In einem renommierten Reha- und Trauma-Zentrum suchen Leah und ihr Mann Maik nach einem traumatischen Einbruch Zuflucht. Während Leah unverletzt blieb, wurde Maik angeschossen und schwebt in Lebensgefahr. Doch in dem Zentrum geschehen seltsame Dinge, und Leah spürt, dass etwas nicht stimmt. Sie fühlt sich in ihrem Verdacht bestätigt, als Maik sich plötzlich verändert und Leah den Zugang zu ihm zu verlieren droht. Sind es die Medikamente oder steckt mehr dahinter? Während sie versucht, das Geheimnis zu lüften, entdeckt Leah nach und nach die schockierende Wahrheit über die Klinik. Wird sie es schaffen, dem Albtraum zu entkommen?

Dies ist eine überarbeitete Neuausgabe des bereits erschienenen Titels Trauma.

Impressum

Überarbeitete Neuausgabe Juli 2023

Copyright © 2024 dp Verlag, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH Made in Stuttgart with ♥ Alle Rechte vorbehalten

E-Book-ISBN: 978-3-98778-531-3 Hörbuch-ISBN: 978-3-98778-544-3 Taschenbuch-ISBN: 978-3-96817-417-4

Copyright © 2021, dp Verlag, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH Dies ist eine überarbeitete Neuausgabe des bereits 2021 bei dp Verlag, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH erschienenen Titels Trauma – Niemand wird dich retten (ISBN: 978-3-96817-418-1).

Covergestaltung: Buchgewand unter Verwendung von Motiven von depositphotos.com: © lakov shutterstock.com: © naskopi stock.adobe.com: © AePatt Journey, © Aleksandr Matveev, © powerstock, © Andrea Geiss Lektorat: Lektorat Reim

E-Book-Version 18.04.2024, 11:33:21.

Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Sämtliche Personen und Ereignisse dieses Werks sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen, ob lebend oder tot, wären rein zufällig.

Abhängig vom verwendeten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

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Trauma

Jetzt auch als Hörbuch verfügbar!

Trauma
Astrid Pfister
ISBN: 978-3-98778-544-3

Eine Klinik, inder nichts ist wie es scheint …Der fesselnde Psycho-Thriller über eine Frau, die um ihr Leben und um die Wahrheit kämpft

Das Hörbuch wird gesprochen von Irene Weber.
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Vorwort des Verlags

Dies ist eine überarbeitete Neuauflage des bereits erschienenen Titels Trauma – Niemand wird dich retten von Astrid Pfister. Da wir uns stets bemühen, unseren Leser:innen ansprechende Produkte zu liefern, werden Cover sowie Inhalt stets optimiert und zeitgemäß angepasst. Es freut uns, dass du dieses Buch gekauft hast. Es gibt nichts Schöneres für die Autor:innen und uns, zu sehen, dass ein beständiges Interesse an ästhetisch wertvollen Produkten besteht.

Wir hoffen du hast genau so viel Spaß an dieser Neuauflage wie wir.

Dein dp-Team

Even in times of trauma, we try to maintain a sense of normality until we no longer can. That, my friends, is called surviving. Not healing. We never become whole again – we are survivors.

If you are here today, you are a survivor. But those of us who have made it through hell and are still standing? We bear a different name: warriors.

Lori Goodwin

Kapitel 1

Leah blickte durch das Fenster und betrachtete den wolkenlosen Himmel und die von der Sonne beschienene Wiese. Sie konnte die Sonnenstrahlen fast auf der Haut spüren. Sie seufzte leise, als sie sich ihren Pullover überstreifte. Hier drin existierten keine Jahreszeiten, hier schien es eine immer genau regulierte Temperatur zu geben, egal ob es gerade Winter oder Sommer war. Sie rieb sich fröstelnd über die Arme. Draußen hätte sie wahrscheinlich schon in einem ihrer luftigen Sommerkleider herumlaufen können.

Wobei … wahrscheinlich würde ich die Knöpfe gar nicht mehr zukriegen, dachte sie schmunzelnd, während sie die Rundung ihres Bauches streichelte. Sie war im achten Monat schwanger und ihre Babykugel war so gewaltig, dass sie wahrscheinlich zwei Kleider aneinandergenäht bräuchte. Sie ächzte, als sie sich vom Bett hochstemmte, und versuchte ihren Bauch mit einer Hand zu stützen. „Du willst wohl so ein starker Kerl wie dein Daddy werden, was?“

Als sie stand, warf sie einen Blick auf die Uhr, die über der Tür hing. Jedes der Zimmer verfügte über eine, damit man auch ja keinen Therapie-Termin verpasste. Der Raum an sich war ganz hübsch. Natürlich kein Vergleich zu ihrem Zuhause, aber die Institution hatte ihr Bestes versucht, um ein wenig Gemütlichkeit zu schaffen, obwohl das Klinische immer wieder durchdrang. Die Wände waren in einem beruhigenden Pastellblau gestrichen, und die Vorhänge waren farblich darauf abgestimmt. Aber dann sah man unweigerlich den kalten Linoleumboden, das elektrisch verstellbare Krankenbett und die ganzen Hilfsmittel im Badezimmer … Griffe an den Wannenrändern, ein Hocker in der Dusche, ein Alarmknopf.

Diese Dinge verliehen dem Raum automatisch etwas Steriles, andererseits war sie froh, all das zu haben, denn sie wusste, wie wichtig diese Hilfen waren und dass sie ihnen den Alltag erleichterten.

Sie verließ das Zimmer und ging den Gang entlang nach rechts, während sie eine weitere unangenehme Sache einatmete … den antiseptischen Geruch, der irgendwie in jeder klinischen Einrichtung herrschte, egal wie hochpreisig sie auch war. Man versuchte, den Gestank hier zu überdecken mit frischen Blumen, strategisch platzierten Zerstäubern mit ätherischen Ölen und mit zitronigen Möbelpolituren, wie sie in Hotels verwendet wurden. Aber dieser spezielle Geruch, den alle Leute sofort mit Krankheit assoziierten, ließ sich offenbar einfach nicht loswerden.

Während sie den Gang entlangging, nickte sie grüßend Bekannten zu, die auch schon so lange hier waren wie sie und die sie mittlerweile durch verschiedene Gruppengespräche besser kennengelernt hatte.

Ja, Gruppengespräche … sie konnte es selbst nicht fassen, dass sie zu so etwas ging. Früher hatte sie sich immer über Leute lustig gemacht, die von ihren Terminen mit ihren Therapeuten oder Psychiatern gesprochen hatten, aber das schien ihr plötzlich eine Ewigkeit, ein ganzes Leben lang, her zu sein. Wie bei so vielen Dingen konnte man sich in manche Sachen wohl erst hineinversetzen, wenn man sie am eigenen Leib erfahren hatte, aber wenn es half und sie deshalb schneller hier herauskamen, warum nicht? Sie würde alles dafür tun, um in ihr altes Leben zurückkehren zu können.

Sie war am Sprechzimmer angekommen und klopfte leise an die Tür. Dr. Reynolds war eine äußerst renommierte Psychiaterin, die sogar in Harvard studiert und in vielen berühmten Kliniken in Amerika gearbeitet hatte, bevor sie in dieses Trauma-Zentrum gewechselt war. Nur ein kleiner, sympathischer Akzent ließ erkennen, dass sie keine Deutsche war.

„Herein“, rief eine melodische Frauenstimme nur wenige Augenblicke später.

Leah öffnete die Tür und trat in das luxuriös ausgestattete Sprechzimmer. Dr. Reynolds saß hinter ihrem wuchtigen Schreibtisch, der garantiert ein Vermögen gekostet hatte. Er war zweieinhalb Meter lang, aus wunderschönem rötlichen Mahagoniholz gefertigt und mit Intarsien versehen. Passend dazu standen aus dem gleichen Holz auch noch ein Highboard und zwei kleine Schränkchen in dem Zimmer. Die schweren Vorhänge waren fast komplett zugezogen, damit der Raum nicht von der Sonne durchflutet wurde, da die Fenster fast die ganze Wand einnahmen. Einerseits fand Leah das ein wenig schade, andererseits passte so ein sonniges Ambiente wahrscheinlich nicht zu den schwer verdaulichen Themen, die üblicherweise in diesem Raum besprochen wurden. Sie ging zu dem gemütlichen Maxi-Sessel aus butterweichem cognacfarbenem Leder hinüber, der in einer kleinen Sitzecke stand. Als wenn Dr. Reynolds dem Psychiater-Klischee entsprechen wollte, gab es in diesem Raum auch eine Couch, auf die sie sich hätte legen können, aber sie hatte bei ihrem ersten Gespräch hier instinktiv den Sessel gewählt und war seitdem dabei geblieben. Er war so groß, dass sie förmlich darin versank, und das schenkte ihr irgendwie ein Gefühl der Geborgenheit und Sicherheit. Sie streifte ihre Ballerinas von den Füßen und kuschelte sich in den Sessel. Am Anfang hatte sie die Knie noch an den Körper ziehen können, aber das war mit ihrer Kugel unmöglich geworden. Erneut hoffte sie, dass sie zur Geburt des Babys wieder zu Hause sein würde. Sie wollte, dass es in dem wunderschönen Zimmerchen schlafen konnte, welches sie und Maik zusammen eingerichtet hatten. Er hatte die Wände gestrichen und sie hatte kleine Entchen, Vögel und Wattewölkchen daraufgemalt.

Liebevoll strich sie über ihren Bauch.

Dr. Reynolds betrachtete die Geste. „Wie geht es Ihnen heute?“ Leah lächelte. „Ganz gut. Das Baby hält mich ganz schön auf Trab. Ich glaube, es wird später mal ein großer Fußballspieler, so wie es jetzt schon tritt. Ich habe gerade an Zuhause und an das schöne Baby-Zimmer gedacht. Wie lange glauben Sie, müssen wir noch hierbleiben?“

Dr. Reynolds blickte sie über den Rand ihrer Brille hinweg an. „Es ist immer schwer, eine Prognose abzugeben, aber Sie wissen ja, dass wir Sie erst entlassen können, wenn Sie das Trauma komplett überwunden haben und wieder ganz gesund sind. Je besser Sie mitarbeiten, desto schneller wird es soweit sein.“

Leah stieß einen leisen Seufzer aus. „Glauben Sie mir, Maik und ich wollen nichts überstürzen. Ich bin unendlich dankbar für alles, was Sie hier für uns getan haben, aber Maik geht es wieder gut, sowohl körperlich als auch geistig. Und was mich angeht, wie ich Ihnen immer wieder versichere … ich habe kein Trauma. Natürlich war das Ganze ein riesiger Schock und die Angst, Maik zu verlieren, war fast nicht zu ertragen, aber das ist doch vollkommen normal. Es gibt nichts, was ich in langen Therapiegesprächen aufarbeiten müsste.”

Dr. Reynolds unterbrach Leah nicht ein einziges Mal, sondern hörte ihr einfach nur zu. Währenddessen machte sie sich einige Notizen auf einem Block.

Leah gefiel diese altmodische Art der Aufzeichnung, wobei sie sich fragte, ob die Therapeutin wirklich bei jeder Sitzung so viel zum Schreiben hatte oder ob es einfach nur dem Image entsprach. Vielleicht hatten irgendwelche Studien mal ergeben, dass sich Patienten ernster genommen fühlten, wenn der Therapeut alles schriftlich festhielt.

Sie hätte sich diesen Block zu gern mal geschnappt und einen Blick daraufgeworfen. Vielleicht notierte Dr. Reynolds ja gerade nur ihren Einkaufszettel für den Feierabend.

Sie riss sich zusammen und konzentrierte sich wieder auf den Termin. „Es war vielleicht ein traumatisches Erlebnis, aber das ist jetzt schon zweieinhalb Monate her. Ich bin nur hierher mitgekommen, um Maik zu unterstützen. Schauen Sie ihn sich doch an, es geht ihm schon so viel besser. Eine ambulante Behandlung müsste doch langsam ausreichen, oder nicht? Ich werde auch dafür sorgen, dass er sich zu Hause ausruht und schont. Außerdem war ich so oft bei den Physio-Therapien mit dabei, dass ich die Übungen auch zu Hause mit Maik machen kann, oder ich kontaktiere eine Therapeutin, die uns regelmäßig besuchen kommt. Ich bin die Letzte, die möchte, dass es Maik wieder schlechter geht, aber ich glaube, dass ihm langsam die Decke auf den Kopf fällt.“

„Haben Sie mit ihm darüber gesprochen?“, fragte die Therapeutin, während sie sich weiter Notizen machte.

„Ja, natürlich, aber Sie wissen ja, wie er ist. Er spricht nicht so gern über seine Gefühle, aber wir sind lange genug verheiratet, dass ich weiß, was in ihm vorgeht.“

Dr. Reynolds blickte auf. „In meinen Therapiestunden soll es vor allem um Sie und Ihre Gefühle gehen. Damit wir Sie von hier entlassen können, ist es wichtig, dass Sie dieses Trauma komplett aufarbeiten, nur so können Sie es auch bewältigen. Ich weiß, es ist nicht leicht, aber schildern Sie mir doch bitte noch einmal alles, was an diesem Tag passiert ist. Egal wie wichtig oder unwichtig Ihnen die Dinge auch erscheinen.“

Leah verdrehte innerlich die Augen. Sie hatte zwar kein Trauma davongetragen, aber der Tag war trotzdem der schrecklichste in ihrem ganzen Leben gewesen, und sie wollte ihn nicht immer und immer wieder durchkauen. Denn dann kamen unweigerlich die grauenvollen Bilder zurück. Sie wollte Dr. Reynolds nichts Böses, aber manchmal hatte sie das Gefühl, dass diese Frau sie kränker machen wollte, als sie wirklich war.

Sie schloss die Augen und plötzlich wurde sie wieder zu dem entsprechenden Tag zurückkatapultiert.

Es war ein sehr kalter und ungemütlicher Tag, deshalb hatten Maik und sie beschlossen, zu Hause zu bleiben und sich einzuigeln. Eigentlich hätten sie ein Geschäftsessen mit jemandem aus Maiks Firma gehabt, aber er war so lieb gewesen, dort anzurufen und unter einem Vorwand abzusagen. Seit sie schwanger war, las Maik ihr jeden Wunsch von den Augen ab und behandelte sie ständig wie ein rohes Ei. Zwischendurch übertrieb er es zwar manchmal, aber im Großen und Ganzen genoss sie diese liebevolle Behandlung sehr. In dieser Phase der Schwangerschaft war sie verrückt nach heißer Schokolade mit kleinen Marshmallows drin, deshalb bereitete Maik ihnen eine ganze Kanne voll davon zu. Sie setzten sich mit einer Decke vor den Fernseher, sahen sich mehrere Filme an, knabberten etwas und tranken die heiße Schokolade.

Irgendwann schlief Leah wohl ein, denn als sie die Augen aufschlug, war der Fernseher aus und Maik nicht mehr im Zimmer. Er hatte sie anscheinend nicht wecken wollen, deshalb hatte er einfach eine Decke über ihr ausgebreitet und das Licht gelöscht. Nur der Mond schien noch ins Zimmer, was ihr klarmachte, dass sie schon einige Stunden geschlafen haben musste. Am anderen Ende des Raumes sah sie einen Schatten … sie wollte Maik gerade ansprechen, als ihr bewusst wurde, dass die Gestalt gar nicht wie Maik aussah … sie war viel kleiner und stämmiger als ihr Mann. In diesem Moment schlich plötzlich eine zweite Person in den Raum, die irgendetwas auf den Armen trug und damit behutsam zur Haustür lief. Es sah aus wie ihr Laptop.

Leahs Herz fing an zu rasen und sie bekam plötzlich keine Luft mehr. Was soll ich jetzt tun? Aufspringen und an dem Mann vorbei zur Tür rennen, um die Nachbarn zu alarmieren? Laut schreien, damit Maik zu mir kommt? Wo ist er gerade? Liegt er in unserem Bett im Schlafzimmer und hat von alldem nichts mitbekommen? Sie war wie paralysiert … Wo ist mein Handy? In Zeitlupe schob Leah die Hand unter der Decke hervor und tastete vorsichtig den Tisch ab, während sie die Männer nicht aus den Augen ließ. Wissen sie, dass ich hier liege, und glauben sie, dass ich tief und fest schlafe oder haben sie mich in der Dunkelheit unter der Decke gar nicht bemerkt?Sie schloss die Augen und stöhnte innerlich. Jetzt fiel es ihr wieder ein … sie hatte ihr Handy heute Nachmittag zum Aufladen an den Strom angeschlossen, und zwar neben ihrem Nachttisch, und zwischen ihr und dem Schlafzimmer befand sich jetzt genau dieser Kerl.

Leah hatte ihr Leben lang vor dieser Situation Angst gehabt. Nach Hause zu kommen und Einbrecher zu überraschen oder nachts aufzuwachen und festzustellen, dass man nicht mehr allein in der Wohnung war. Als sie vor sechs Monaten erfahren hatte, dass sie schwanger war, war diese Angst noch schlimmer und zu einem Wahn geworden. Ständig glaubte sie, nachts Geräusche zu hören und sah zwielichtige Gestalten in der Nähe ihres Wohnhauses, von denen sie annahm, dass es Einbrecher waren, die tagsüber die Gegend ausspionieren wollten. Maik bemühte sich, Verständnis für ihre Ängste zu haben und sie zu beruhigen, doch sie steigerte sich immer mehr hinein. Eines Tages kam er nach Hause und sagte Leah, er hätte ein Geschenk für sie. Er meinte, es wäre nichts, worüber eine Frau sich normalerweise freue, aber er denke, dass es ihr sehr gefallen würde. Strahlend erzählte er ihr, dass er ein sündhaft teures Sicherheitssystem für die Wohnung gekauft hätte. Alles war hochmodern und funktionierte nach den neuesten technischen Standards. Alle Türen und Fenster würden mit Sensoren versehen werden, die mit einer Sicherheitsanlage an der Tür gekoppelt wären. Sobald die Alarmanlage eingeschaltet war, wären diese aktiviert, und sobald jemand versuchen würde, die Tür oder eines der Fenster zu öffnen, geschahen mehrere Dinge zugleich. Ein durchdringender Alarm-Ton erklang, der so laut war, dass er auch noch von den Nachbarn gehört werden würde. Ein kleiner Schlüsselanhänger, den sie fortan stets in ihrer Nähe haben sollten, würde außerdem ein optisches Signal abgeben. Dieses rote Blinklicht sollte sie alarmieren, falls sie gerade nicht in der Wohnung sein sollten oder den Alarm aus irgendeinem Grunde nicht hörten. Zum Beispiel wenn sie beide im Bett lagen und Ohropax in den Ohren hatten. Außerdem würde bei einem Alarm sofort die Sicherheitsfirma benachrichtigt. Einer der Mitarbeiter rief dann in der entsprechenden Wohnung an und fragte, ob das Auslösen des Alarms nur ein Fehler gewesen war. Leah wandte skeptisch ein, dass ja auch der Einbrecher an den Apparat gehen könnte, aber auch für diesen Fall war vorgesorgt. Um den Alarm und die damit verbundenen Sicherheitsmaßnahmen zu stoppen, musste der Anrufer ein Passwort nennen, das er bei der Anmeldung eigens für diesen Fall hinterlegt hatte. Ihres wäre Eliza und Aidan, verriet ihr Maik. Sie lächelte daraufhin, denn dies waren die Namen, die sie für ihr Kind ausgesucht hatten. Sie wollten sich überraschen lassen, ob es ein Junge oder ein Mädchen wurde, deshalb hatten sie sowohl einen Jungen- als auch einen Mädchennamen ausgewählt.

Falls der Angerufene das entsprechende Passwort nicht nennen konnte oder niemand auf den Anruf reagierte, würde sofort ein Wagen der Sicherheitsfirma vorbeigeschickt werden. Diese Männer waren bewaffnet und bestens ausgebildet. Alle hatten Erfahrung im Sicherheitsdienst und die meisten von ihnen waren sogar ehemalige Polizisten, die nun im Ruhestand waren oder eine neue Laufbahn eingeschlagen hatten.

Leah umarmte Maik und gab ihm einen langen innigen Kuss. Genau das waren die Dinge, die ihr zeigten, dass er ihre große Liebe war. Statt über ihre irrationalen Ängste genervt zu sein und sie einfach abzutun, gab er sündhaft viel Geld aus (das sie momentan gar nicht für so etwas übrighatten), nur damit sie beruhigt war und um ihr eine Freude zu machen. Leah war sich sicher, wäre sie nicht gewesen, hätte sich Maik noch nicht einmal einen zusätzlichen Riegel für die Wohnungstür gekauft. Er hatte wahrscheinlich stundenlang im Internet recherchiert und unzählige Male herumtelefoniert, um all das zu finden und in Auftrag zu geben.

Zwei Wochen später kamen drei Männer der Firma vorbei, und schon ihr Anblick allein vermittelte Leah Sicherheit. Es waren große muskulöse Männer in schwarzen Overalls, auf deren Rücken groß das Logo der Sicherheitsfirma prangte: Black Panther Security. Auch der Name klang stark und beschützend. Trotz ihres harten Aussehens waren die Männer ausgesucht höflich, und während sie in allen Zimmern die Sicherheitsvorkehrungen anbrachten, beantworteten sie geduldig all ihre Fragen, und es waren nicht gerade wenige. Aber sie wollte ganz genau wissen, was die Männer taten, und ob sie danach auch wirklich hundertprozentig geschützt wären. Sie versicherten Leah, dass die Firma auf dem allerneuesten Stand der Sicherheitstechnik war und sogar Dinge in ihrem Angebot hatte, die so innovativ waren, dass sie eine der wenigen Firmen waren, die damit schon arbeiteten. Sie verbrachten dreieinhalb Stunden bei ihnen, um alles einzubauen und ihr die Funktionsweise zu erklären. Sie blieben dabei, als Leah die Anlage mehrmals an- und ausschaltete und bis sie sich wirklich sicher war, alle Handgriffe zu beherrschen. Maik hatte mit Black Panther Security die perfekte Firma gefunden. Sie waren unglaublich kompetent, aber nichtsdestotrotz absolut verständnisvoll und hatten ein offenes Ohr für all ihre Sorgen.

Wenn es möglich gewesen wäre, hätte sie Maik daraufhin noch ein Stück mehr geliebt.

Nachdem die Firma sich verabschiedet hatte, ging Leah durch die ganze Wohnung, betrachtete die Sensoren an den Fenstern, die Sicherheitsvorrichtungen und die Alarmanlage direkt neben der Tür. Neben dem Tastenfeld, in dem die Zahlenkombination zum Aktivieren und Deaktivieren eingegeben werden musste, befand sich auch ein sogenannter Panikknopf unter einer durchsichtigen Plastikabdeckung. Sollte es einen Notfall geben, konnte sie die Abdeckung hochheben und den roten Knopf drücken. Dieser löste einen Alarm aus, woraufhin die Firma ebenfalls sofort einen Wagen schicken würde. Man könnte denken, der Knopf würde albern und übertrieben wirken, wie aus einem schlechten Spionagefilm, aber wenn Leah ehrlich war, beruhigte sie schon allein der Anblick und gab ihr ein Gefühl der Sicherheit.

Nur wegen dieser Anlage fühlte sie sich fortan wesentlich besser. Sie zeigte ihr, dass sie nicht allein war. Zum einen, weil sie nun das beste Sicherheitssystem hatten, das es momentan auf dem Markt gab, und zum anderen, dass, sollte es doch jemand schaffen, all diese Hürden zu überwinden, ein ganzes Team aus fähigen Kämpfern zu ihrem Schutz herbeieilen würde. Endlich konnte Leah sich wieder entspannen und sich voll und ganz auf die Schwangerschaft und ihr Baby freuen. Ihrer kleinen Familie würde nichts passieren, endlich waren sie sicher. Das hatte Leah zumindest bis zu diesem grauenhaften Abend, an dem sich ihr ganzes Leben verändert hatte, geglaubt.

Ein schrilles Klingeln riss sie unsanft aus ihren Erinnerungen. Dr. Reynolds hob einen Finger und bedeutete ihr, kurz zu warten.

„Dr. Reynolds. Nein, im Moment ist es schlecht. Ich habe gerade eine Patientin hier. Ja, ich weiß. Kann das nicht Dr. Mulswyk übernehmen? Ach, mal wieder? Wie oft ist er denn diesen Monat schon krank gewesen?“

Sie lauschte einen Moment der Stimme am anderen Ende und sagte dann: „Wenn es sein muss. Aber Sie wissen, dass ich nur sehr ungern meine Sitzungen unterbreche. Kann das Ganze nicht noch zwanzig Minuten warten … Ich verstehe. In Ordnung.“

Dr. Reynolds beendete das Gespräch und sah Leah entschuldigend an. „Es tut mir sehr leid, aber es geht um einen Notfall. Ich muss leider sofort in den anderen Flügel und mich dort um einen Patienten kümmern. Ich mache das wirklich nicht gern, aber es besteht akute Gefahr. Sie können morgen um die gleiche Zeit wiederkommen, dann machen wir dort weiter, wo wir aufgehört haben.“

Leah lächelte sie an. „Überhaupt kein Problem. Machen Sie sich keine Gedanken. Wenn Sie jemandem wirklich helfen können, ist das auf jeden Fall wichtiger als unsere Treffen.“ Sie erhob sich mühsam aus dem Maxisessel und drückte den Rücken durch. Umso weiter die Schwangerschaft voranschritt, desto mehr quälte sie ihr Rücken und desto schwieriger wurde es, sich irgendwo hochzuhieven. Sie kam sich wie ein gestrandeter Wal vor. Natürlich hatte man im achten Monat schon eine riesige Kugel, aber sie hatte das Gefühl auszusehen, als ob sie Drillinge bekäme.

Nachdem sie sich von Dr. Reynolds verabschiedet hatte, ging sie hinaus, damit diese das Büro hinter sich abschließen konnte.

Kapitel 2

Während die Psychologin in den benachbarten Flügel eilte, beschloss Leah, nach ihrem Mann zu sehen. Sie hoffte, dass alles in Ordnung war mit dem Patienten, zu dem Dr. Reynolds gerufen wurde. Sie hatte im Laufe der Zeit einige kennengelernt und viele hatten so entsetzliche Traumata erlitten, dass sie daran zerbrochen waren. Auch die Reha schlug bei manchen nicht wie erhofft an. Wie es wohl sein musste, nach einem Unfall nicht mehr laufen zu können, und nach viel Quälerei erfahren zu müssen, dass es sich nie mehr ändern würde? Sie konnte sich gut vorstellen, dass man den Verstand verlor und aus Verzweiflung etwas Schreckliches tun wollte.

Sie strich sich über den Bauch und war froh, dass sie und Maik so großes Glück gehabt hatten. Jemand Außenstehendes würde sie wahrscheinlich für verrückt erklären, weil sie einen Einbruch, einen Schuss auf ihren Mann und monatelange schmerzvolle Reha als Glück bezeichnete, aber wenn man darüber nachdachte, was alles hätte passieren können … ihr Mann hätte sterben und sie ihr Baby verlieren können oder es hätte sich herausstellen können, dass die Reha nicht half und ihr Mann für immer gelähmt bleiben würde … So hatten sie zwar etwas Grauenvolles durchlebt, und Maik würde bestimmt noch eine Weile daran zu knabbern haben, aber ihnen ging es gut und die Therapie zeigte immer mehr Erfolge. Maik konnte wieder gehen, zwar noch nicht lange, aber das war nach dem Schuss, der seine Wirbelsäule getroffen hatte, dennoch ein kleines Wunder. Auch, dass keine lebenswichtigen Organe verletzt worden waren.

Sie hatte jetzt den Therapie-Raum erreicht, in dem Maik meistens war, und öffnete die schwere Glastür. Es befanden sich mehrere Patienten darin, die an verschiedenen Geräten an ihrer Rehabilitation arbeiteten. Anfangs hatte Maik jeden Tag einzeln mit einem Physiotherapeuten trainieren müssen, und dort hatte sie ihn auch nicht besuchen dürfen, um seine Konzentration nicht zu stören. Sie vermutete allerdings, dass dies nur die halbe Wahrheit war. Sie glaubte, dass Maik den Physiotherapeuten gebeten hatte, sie nicht hineinzulassen, weil er nicht wollte, dass sie ihn so sah. Maik war der Inbegriff eines starken, beschützenden Mannes und sie vermutete, er wollte nicht, dass sie ihn so schwach sah. Verzweifelt, voller Schmerzen und vielleicht sogar weinend vor Qual. Aber sie fand das verrückt. Sie liebte ihn aus tiefstem Herzen und dass er sich diesen Einbrechern entgegengestellt hatte und sich nach dieser furchtbaren Verletzung ins Leben zurückkämpfte, war für sie ein unglaubliches Zeichen von Stärke. Außerdem: Wer, wenn nicht die Person, die einen am meisten liebte, sollte in den schwersten Stunden bei einem sein, mitleiden und mitkämpfen? Es hieß doch im Eheversprechen nicht umsonst „In Krankheit und Gesundheit, in guten wie in schlechten Zeiten“. Sie wollte so gern für ihn da sein und ihm zur Seite stehen, doch was das anging, kapselte er sich komplett ab. Nie gab er zu, dass er Schmerzen hatte, oder eine Pause brauchte. Er verstand nicht, dass dies kein Zeichen von Schwäche war und dass sie ihm so gerne helfen wollte.

Sie entdeckte Maik im hinteren Teil des Raumes, auf einem der Air-Walker. Jeden Tag trainierte er hier mehrere Stunden lang verbissen auf den verschiedenen Geräten. Wenn sie endlich entlassen wurden, könnte er zu einem Physiotherapeuten in ihrer Nähe gehen, und sie würden außerdem noch ein Fahrrad, Spinning-Bike oder einen Air-Walker für zu Hause kaufen, damit er weiter trainieren konnte. Und wenn er die Geräte irgendwann nicht mehr brauchte, konnte sie nach der Geburt darauf trainieren, um ihren Babyspeck loszuwerden.

Sie ging zu Maik hinüber und ließ sich ächzend auf einer der Bänke in der Nähe der Air-Walker nieder.

„Na, wie läuft es mit dem Training?“, fragte sie lächelnd.

„Bestens“, erwiderte er und wischte sich mit dem Handtuch, das um seinem Hals lag, das Gesicht ab.

Sie musterte besorgt seinen verschwitzten Körper. „Kannst du nicht langsam Feierabend machen? Du trainierst doch schon eine ganze Weile. Wir können zusammen was Leckeres im Café trinken.“

Wobei Café ein sehr hochtrabender Ausdruck hier im Reha-Zentrum war. Eigentlich handelte es sich nur um einen Raum mit ein paar Tischen und Stühlen und einer Kaffee-Pad-Maschine. Und das Leckere war koffeinfreier Kaffee, den eigentlich nur alte Leute tranken – und Schwangere.

Das Erste, was sie nach der Geburt und dem Stillen trinken würde, wären Dutzende Espressos. Ihr lief schon das Wasser im Mund zusammen, wenn sie nur daran dachte. Ohne ihre Dosis Espresso kam sie morgens kaum aus dem Bett.

„Eine halbe Stunde muss ich noch, aber danach gern“, antwortete er und riss sie damit aus ihren Koffein-Schmacht-Fantasien.

„Aber du hörst auf, wenn du Schmerzen bekommst, ja? Denk dran, was der Physiotherapeut gesagt hat: Training ist gut, aber Übertreiben wirft dich wieder zurück.“

Er nickte, sagte aber nichts. Sie wusste, dass sie ihn mit diesem Thema nervte, aber sie wollte auf keinen Fall, dass er sich verletzte. Sie verstand, dass er ungeduldig war und wieder ganz der Alte sein wollte, aber auf das, was er hier in den letzten Monaten erreicht hatte, konnte er mehr als nur stolz sein. In der Anfangszeit war er so schwach gewesen, dass er das Bett gar nicht verlassen konnte, er hatte nicht allein aufs Klo gehen können und war aufgrund der ganzen Schmerzmittel so benebelt gewesen, dass er ständig schlief. Als er dann aufstehen konnte, hatte er seine Arme und Beine nicht richtig benutzen können und jeder Schritt war eine Qual gewesen. Er war so wütend und frustriert, wenn er bei der Physio nach wenigen Metern Lauftraining zusammensackte, wenn seine Beine einfach unter ihm nachgaben. Doch er hatte sich zurück ins Leben gekämpft und konnte wieder laufen. Sie wusste noch, wie er direkt nach dem Überfall ausgesehen hatte … alles war voller Blut gewesen … sein Gesicht blass und wächsern. Sie hatte ihn angesehen und ganz genau gewusst, dass er dem Tode nah war. Seine Augen, die sonst immer so strahlten, hatten jeden Ganz verloren und sein Blick konnte sie nicht mehr fokussieren. Sie hatte solche Angst um ihn gehabt. Mehr Angst, als sie je im Leben verspürt hatte … mehr Angst, als sie je geglaubt hatte, empfinden zu können. Er war die Liebe ihres Lebens, er durfte sie nicht verlassen. Nächtelang hatte sie auf der Intensivstation um ihn gebangt. Wenn sein Leben endete, würde auch ihres enden. Vielleicht nicht körperlich, aber wie sollte sie weiterleben, wenn er nicht mehr da war? Sie war von einer Flut von Gefühlen überwältigt worden … sie hatte an seinem Bett geweint, sie hatte Gott angefleht, ihn nicht zu sich zu nehmen, sie hatte vor Wut übergeschäumt, dass die Einbrecher ihnen das angetan hatten, doch Angst war das Gefühl gewesen, das sie am meisten beherrscht hatte. Maik musste überleben, er wurde doch bald Vater.

Sie war unfassbar glücklich, dass sich alles so entwickelt hatte. Endlich konnte sie wieder an die Zukunft denken und sich vorstellen, wie schön es sein würde, wenn sie wieder zu Hause waren. Das erste Mal als richtige kleine Familie. Sie stellte sich den Alltag wunderschön vor, auch wenn sie natürlich wusste, dass es stressig werden würde. Aber jetzt, wo sie die beiden Lieben ihres Lebens fast verloren hätte, würde sie nachts mit einem Lächeln aus dem Bett steigen, um ihr Baby zu stillen.

Und worauf sie sich am meisten freute, war Maiks Nähe … sich abends an ihn zu kuscheln, neben ihm im Bett aufzuwachen, ja selbst Kleinigkeiten wie das gemeinsame Zähneputzen vermisste sie.

Jetzt war endlich alles gut. Na ja, fast. Denn eine Sache gab es noch, die ihr Sorgen bereitete und ihr die Aussicht auf die baldige Entlassung ein wenig verdüsterte. Die Männer, die sie überfallen hatten, waren niemals geschnappt worden. Die Polizei hatte intensiv nach ihnen gefahndet und Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt; ihre Nachbarn waren befragt worden, die Sicherheitsfirma, um etwaige Mängel aufzudecken, aber alles, wirklich alles, war erfolglos geblieben. Es schien so, als wären die Männer einfach so vom Erdboden verschluckt worden. Und da sie unförmige schwarze Kleidung und Skimasken getragen hatten, konnten Maik und sie der Polizei keine hilfreichen Tipps geben. Sie hatten von keinem das Gesicht gesehen und auch keine besonderen körperlichen Merkmale entdeckt. Sie waren groß und muskulös gewesen, wahrscheinlich der Prototyp eines Einbrechers. Sie hatten kaum gesprochen, aber wenn, hatten Maik und sie keine besonderen Auffälligkeiten an den Stimmen wahrnehmen können. Keiner hatte einen Akzent oder etwas anderes Markantes besessen. Und solange die Männer dort draußen frei herumliefen, konnten sie sich nie ganz sicher fühlen. Maik hatte ihr versichert, dass Einbrecher niemals zwei Mal am gleichen Ort einbrachen, und damit hatte er ja auch recht. Aber sie hatte bereits vor dem Einbruch panische Angst vor genau so einem Ereignis gehabt. Und selbst der neueste Stand der Technik und ein überragendes Sicherheitssystem hatten das Ganze nicht verhindern können. Wer kann also sicher sein, dass so etwas nicht noch einmal passiert? Oder was geschieht, wenn die Einbrecher nur darauf warten, dass wir aus der Reha entlassen werden, damit sie die lästigen Zeugen umbringen können? Maik war derjenige, der körperlich verletzt worden war, und dennoch war er es, der sie fortwährend beruhigte. Er kam ihr mit Weisheiten, wie „Der Blitz schlägt niemals zwei Mal an derselben Stelle ein“, und war sich sicher, dass die Täter längst die Stadt, wenn nicht sogar das Land verlassen hatten. Er glaubte, dass sie ein professionelles Team waren und schon vorher eine ganze Reihe von Einbrüchen verübt hatten. Nachdem der Überfall bei ihnen so schief ging, hatten sie garantiert das Weite gesucht.

Leah wollte ihm glauben, aber innerlich nagte weiterhin die Angst an ihr, dass ihnen so etwas noch einmal geschehen könnte. Von dieser Warte aus war das Reha-Zentrum der perfekte Ort für sie. Er war wie eine Insel, die Außenstehende nicht so einfach betreten konnten; wo jeder Fremde sofort auffiel und wo man immer Menschen in seiner Nähe hatte, sollte man einmal Hilfe brauchen. Trotzdem wollte sie gern wieder nach Hause. Es war ein ewiger Kampf in ihrem Inneren.

Vielleicht hatte die Therapeutin doch recht, und sie hatte durch das Ereignis Schäden davongetragen, deren sie sich gar nicht bewusst war. Vielleicht war sie die ganzen Monate über so mit Maiks Genesung und mit der Angst um ihn beschäftigt gewesen, dass sie ihr eigenes Trauma gar nicht bemerkt hatte.

Sie musste unwillkürlich grinsen, denn diese Gedankengänge würden Dr. Reynolds bestimmt gefallen. Leah hielt nämlich nicht besonders viel von Psychologen und Psychiatern.

Das war schon früher so gewesen, aber nachdem eine gute Freundin von ihr Selbstmord beging, obwohl sie ein Jahr lang jede Woche zu einem Therapeuten gegangen war, der nichts an ihren Depressionen und Angstzuständen hatte ändern können, war sie mehr denn je von der Nutzlosigkeit solcher Sitzungen überzeugt. Das war alles nur Geldmacherei.

Aber dieses Rehabilitations- und Trauma-Center machte es leider zur Bedingung, dass man regelmäßig Sitzungen und Gruppen-Treffen besuchte. Sie tat es gern für Maik, denn in einer normalen Einrichtung wäre er nicht so gut und so schnell wieder auf die Beine gekommen; sowohl körperlich, als auch geistig.

„Okay, dann komme ich gleich noch einmal her und hole dich ab“, sagte sie. Am liebsten hätte sie ihn sofort mitgenommen, denn er sah schon reichlich erschöpft aus. Aber sie verstand, dass er das Training brauchte, dass er sich selbst bestätigen musste, dass er es schaffte, sein selbstauferlegtes Pensum abzuarbeiten.

Als sie den Raum verließ, traf sie Thomas, der aussah, als hätte er vor der Tür herumgelungert. Er war kurz nach ihnen hier aufgenommen worden, deshalb hatten sie sich als „die Neuen“ schnell kennengelernt. Viel gab es hier ja nicht zu tun. Aufgrund ihrer Schwangerschaft kam Sport nicht infrage. Sie besuchte zwar regelmäßig die kleine Bücherei hier und hatte wahrscheinlich in der letzten Zeit schon mehr gelesen als im ganzen letzten Jahr, und es gab auch Fernseher, aber Gespräche mit Patienten waren immer noch am besten, um sich die Zeit zu vertreiben. Es gab im Aufenthaltsraum ein paar Regale mit Gesellschaftsspielen und sie hatte sich mit Thomas oder anderen schon viel ausgetauscht, während sie Mensch-ärgere-dich-nicht oder Mau-Mau gespielt hatten.