Träume bewußt steuern - Celia Green - E-Book

Träume bewußt steuern E-Book

Celia Green

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Beschreibung

Luzide Träume unterscheiden sich von »normalen« Träumen dadurch, daß man selbst in ihnen aktiv werden kann. Die Autoren wenden sich drei Schwerpunkten zu: der Phänomenologie des luziden Träumens (Wie ist es, wenn man schläft und träumt und genau weiß, daß es nicht Realität ist?); der Beziehung von luziden Träumen zu anderen halluzinatorischen Phänomenen wie außerkörperlichen Erlebnissen; und schließlich untersuchen sie, ob und wie luzide Träume aktiv hervorgerufen und gesteuert werden können. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

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Celia Green | Charles McCreery

Träume bewußt steuern

Über das Paradox vom Wachsein im Schlaf

Aus dem Englischen von Rolf Lahusen

FISCHER Digital

Inhalt

Einführung1 Was sind luzide Träume?Definition und erläuternde BeispieleHistorische EntwicklungDie Kommunikation zwischen dem luziden Träumer und der Außenwelt2 Luizde und nicht-luzide Träume3 Das prä-luzide Stadium4 Die Eigenart der Wahrnehmung in luziden TräumenEinleitende BemerkungenRealistisches und Unrealistisches in luziden TräumenDie Vorstellungswelt in luziden Träumen und im Wachen5 Gedächtnis, Intellekt und EmotionenBewußtes Erinnern während luzider TräumeIntellektuelle Funktionen im allgemeinenDie emotionale Qualität luzider Träume6 Luzide Träume und andere halluzinatorische ErfahrungenDas Konzept der »metachorischen« ErfahrungenDie Frage der EinsichtSchlußfolgerung7 Falsches Erwachen und außerkörperliche ErlebnisseWiederholtes falsches ErwachenRealistisches und Unrealistisches bei falschem ErwachenFalsches Erwachen Typ 2Außerkörperliche Erlebnisse»Dazwischenliegende« ErlebnisseSchlußfolgerung8 Lähmungen in halluzinatorischen ZuständenLuzide Träume, falsches Erwachen und SchlaflähmungLähmungen und außerkörperliche ErlebnisseLähmungen und ErscheinungserlebnisseSchlußfolgerung9 Die Kontrolle luzider TräumeDas erotische Element in luziden TräumenHemmungen in luziden TräumenSchlußfolgerung10 Zwei Problemfelder: Lesen und LichtanschaltenLesen in luziden TräumenDas Lichtanschalten11 Methoden zum Herbeiführen luzider Träume12 Luzide Träume und die Behandlung von AlpträumenLuzides Träumen bei KindernLuzides Träumen und Psychopathologie13 Andere therapeutische Anwendungsmöglichkeiten luziden TräumensLuzide Träume in der PsychotherapieLuzide Träume und physische HeilungSchlußfolgerung14 Zwei mögliche Auswirkungen luziden TräumensMögliche nachteilige AuswirkungenLuzide Träume und philosophische Einstellungen15 Luzide Träume, Aktivation und die rechte HirnhemisphäreAktivationFunktion der HirnhemisphärenSchlußfolgerungBibliographieRegister

Einführung

Die Absicht dieses Buches ist eine zweifache: Zunächst möchte es eine allgemeine Hinführung zu dem Thema des luziden Träumens bieten (also der Träume, bei denen der/die Träumende sich dessen bewußt ist, daß er/sie träumt), darüber hinaus legt es neue theoretische Erklärungsmuster für dieses Phänomen vor. Das Buch wendet sich sowohl an Fachleute wie Psychologen und Philosophen, für deren Interessengebiete dieses Thema von besonderer Bedeutung ist, als auch an eine breite interessierte Leserschaft. Im Blick auf diese haben wir uns um größtmögliche Klarheit bemüht und insbesondere versucht, alle auftauchenden Fachbegriffe allgemeinverständlich zu erklären. Im Blick auf die erstgenannte Gruppe war es uns wichtig, alle Aussagen und Grundthesen zu belegen und den Leser insbesondere auf andere Veröffentlichungen zu verweisen, in denen das jeweilige Thema ausführlicher behandelt wird.

Wir sind der Überzeugung, daß das Phänomen des luziden Träumens vor allem aus drei Gründen von Interesse und Bedeutung ist: zum ersten wegen des Interesses an diesem einzigartigen Zustand selbst, einer scheinbar widersinnigen Bewußtheitsebene, offensichtlich einem Zwischenstadium zwischen nicht-luzidem Schlaf und Wachheit. Zum zweiten wegen der Beziehungen zu anderen halluzinatorischen Zuständen, von denen oft berichtet wird, wie etwa »außerkörperlichen« Erfahrungen und Erscheinungen. Und zum dritten wegen der praktischen Anwendungsmöglichkeiten, insbesondere für die Behandlung von Alpträumen, beispielsweise bei Kindern und bei Menschen, die unter den Folgen traumatischer Streßsituationen leiden.

Der Aufbau des Buches folgt bis zu einem gewissen Grade dieser dreifachen Absicht. Einige der Anfangskapitel (so die Kapitel drei, vier und fünf) beschäftigen sich hauptsächlich mit der Phänomenologie des luziden Träumens (also damit, daß jemand schläft und sich dabei bewußt ist, zu schlafen und zu träumen); die Kapitel sechs, sieben und acht behandeln dann die Beziehungen der luziden Träume mit anderen halluzinatorischen Erfahrungen und legen ein theoretisches Deutungsmuster für halluzinatorische Erfahrungen im allgemeinen vor; und die Kapitel neun bis vierzehn widmen sich insbesondere den praktischen Anwendungsmöglichkeiten und Auswirkungen luziden Träumens, einschließlich der Fragen ihrer Herbeiführung und ihrer Kontrolle. Das abschließende Kapitel enthält einige neurophysiologische Hypothesen, sowohl über die Begleiterscheinungen dieses Zustandes als auch über die individuellen Voraussetzungen, die die Bereitschaft zum luziden Träumen unterschiedlich bestimmen.

Mit diesem Buch soll Celia Greens 1968 veröffentlichte Arbeit Lucid Dreams ergänzt, aber nicht ersetzt werden. Wir haben es absichtlich vermieden, Fallstudien aus diesem früheren Werk wiederzuverwenden, mit Ausnahme der wenigen Fälle, in denen dies unvermeidlich erschien, vielmehr haben wir uns auf die beachtliche Fülle der seit 1968 in unserer eigenen Sammlung wie auch in inzwischen veröffentlichten Quellen zusammengekommenen Fallstudien gestützt. Wir hatten in der Tat den Eindruck, ein umfassender Überblick der jetzt hier vorliegenden Art sei im Blick auf die seit dem Erscheinen des früheren Buches erzielten Forschungsergebnisse und im Lichte der verschiedenen theoretischen Überlegungen, die wir darstellen wollen, angebracht.

Wir möchten all unseren Kollegen danken, die uns beim Schreiben dieses Buches zur Hand gegangen sind: Christine Fuller für ihre Hilfe bei der Textbearbeitung; William Leslie für seine Untersuchungen zu den Fallstudien; und Fabian Tassano für sein zweimaliges Lesen des Manuskripts und seine zahlreichen kleinen und großen Verbesserungsvorschläge.

Ebenso möchten wir den folgenden Personen für die Bereitstellung aller möglichen Informationen danken: Dr. Jayne Gackenbach, Dr. George Gillespie, Dr. Keith Hearne, Dr. Harry Hunt, Dr. Stephen LaBerge, Prof. Paul Tholey und Alan Worsley.

Die folgenden Personen und Institutionen haben uns freundlicherweise gestattet, aus urheberrechtlich geschützten Materialien zu zitieren: Dr. John Cutting, Dr. Ann Faraday, Dr. Patricia Garfield, Dr. Kenneth Kelzer, Dr. Stephen LaBerge, Dr. Alfred Lischka, B.G. Marcot, die Oxford University Press, Prof. Elaine Pagels, Prof. Oliver Sacks, die American Society for Psychical Research, Prof. Paul Tholey und Prof. J.H.M. Whiteman. Die vollständigen Quellenangaben geben wir zur jeweiligen Textstelle sowie in der Bibliographie.

Dr. Gordon Claridge danken wir dafür, daß er mehrere Kapitel gegengelesen und eine ganze Anzahl äußerst hilfreicher Vorschläge eingebracht hat.

Und schließlich möchten wir uns bei all unseren Versuchspersonen bedanken, die sich uns über Jahre hin ohne jede finanzielle Vergütung zur Verfügung gestellt haben.

Kapitel 1 Was sind luzide Träume?

Definition und erläuternde Beispiele

Luzide Träume sind solche, bei denen der Träumende sich bewußt wird, daß er träumt. Indem er das erkennt, verändert sich der Charakter des Traumes und hält solange an, wie der Träumende sich seines Zustandes bewußt bleibt. Ein luzider Traum unterscheidet sich in mehrfacher Hinsicht von einem gewöhnlichen: Er kann außerordentlich realistisch sein und dem Träumenden eine äußerst überzeugende Nachbildung seines wachen Daseins bieten; seine emotionale Tonlage ist oftmals positiv, manchmal bis hinauf zu einer ausgesprochenen Hochstimmung.

Der folgende luzide Traum, wiedergegeben von Oliver Fox, dem Autor eines Buches über seine eigenen luziden Träume und außerkörperlichen Erlebnisse[1], illustriert einige der charakteristischen Merkmale luzider Träume. Dabei werden wir sehen, daß Fox von einer offensichtlich relativ hohen Erkenntnisfähigkeit berichtet, mit Einsichten in seinen Zustand, mit der Erinnerung an seine wichtigsten Lebensdaten und mit einer Wahrnehmung seiner tatsächlichen physischen Situation.

Ich träumte, daß ich bei Tag durch eine mir unbekannte Straße mit sehr stattlichen Gebäuden und vielen alltäglich gekleideten Menschen ging. Irgendein Ereignis oder ein ausgefallenes Detail, an das ich mich nicht erinnern kann, machte mir deutlich, daß ich träumte, und ich beschloß zu versuchen, den Traum fortzusetzen. Ich wanderte einfach weiter, wie ein Besucher einer fremden Stadt. Ich bemerkte, daß ich die Uniform eines Heeresoffiziers trug; und als ich an einem prächtigen Kriegerdenkmal vorbeikam, machte ich meiner Rolle entsprechend ›die Augen links‹ und die erforderliche Ehrenbezeigung. Auch erwiderte ich den Gruß eines vorbeigehenden Soldaten. Meine Uniform war braun, aber ich war mir nicht sicher, ob ich zum britischen Militär gehörte. Trotzdem war ich mir meiner tatsächlichen physischen Situation vollkommen bewußt. Ich wußte sehr wohl, daß ich Verwaltungsbeamter im Ministerium und in der Worple Road zu Hause war. Ebenso wußte ich, daß ich während meiner Militärzeit nicht über einen einfachen Soldaten hinausgekommen war.

Nach und nach verließ ich die Straße und befand mich nun auf einem hübschen Landweg. Die Hecken und Bäume waren voller Laub, der Himmel war blau und die Sonne schien. Mich überkam das (durch derartige Erfahrungen) bereits bekannte Gefühl einer wunderbaren Gesundheit und Vitalität, die Atmosphäre war geradezu geladen mit Schönheit und der Vorahnung kommender Abenteuer.

Luzide Träume haben erst seit neuerem Anerkennung gefunden als Phänomene, die von gewöhnlichen Träumen gesondert zu betrachten sind, und es sind noch keine fünfzehn Jahre her, daß Psychologen und Physiologen begonnen haben, sie in ihre Forschungen einzubeziehen. Es ist schon recht eigenartig, daß sie so lange nahezu unbeachtet geblieben sind, zumal es offensichtlich erstaunlich leicht ist, diese Erlebensmöglichkeit zu erlernen, und sie von denen, die ein solches Erlebnis gehabt haben, zumeist als eine interessante Erfahrung eingeschätzt wird.

Luzide Träume scheinen einer großen Zahl von Menschen zugänglich zu sein, und sehr viele erleben sie in irgendeiner Lebensphase ganz spontan. Daneben gibt es eine kleinere Anzahl von Personen, die regelmäßig luzide Träume erleben. Dennoch dürfte es recht ungewöhnlich sein, daß jemand ohne ein gewisses planmäßiges Vorhaben ein gewohnheitsmäßiger luzider Träumer wird. Andererseits kann es jedoch durchaus sein, daß Menschen, die nie zuvor (jedenfalls soweit sie sich erinnern) luzide Träume hatten, eines Tages feststellen, daß die Lektüre eines Buches zu dieser Thematik und ein wenig analytisches Nachdenken über ihre Realisationsmöglichkeiten ihnen als Startbedingungen genügen, um ein derartiges Träumen zu beginnen.

Der folgende Traum stammt von einer unserer Versuchspersonen, die zu luziden Träumen gekommen war, nachdem sie etwas darüber gelesen hatte. Der Bericht verdeutlicht die positiven Emotionen, die in luziden Träumen erfahrbar werden können, wobei gesagt werden muß, daß nicht alle luziden Träumer von einer derart ausgeprägten Hochstimmung berichten.

Ich befinde mich in einer seltsamen ländlichen Küche, sitze dort am Tisch und betrachte das Briefpapier, das ich Tags zuvor im wirklichen Leben gekauft hatte. Als ich den Karton öffne, stelle ich fest, daß darin keine Blankokuverts, sondern fertig adressierte und gestempelte Briefumschläge liegen (der erste war an einen Freund in den USA gerichtet). Ich denke: ›Aber das ist doch nicht möglich! Ich habe sie doch erst heute gekauft und weiß, daß sie unbeschriftet waren!‹ Dann beginnt es plötzlich, hell zu werden – und ich denke mir: ›ABER DANN MUSS DIES EIN TRAUM SEIN!‹ Ich gerate in eine Hochstimmung, als ich endlich begreife, warum alles so lächerlich ist, und ich empfinde nichts außer einem ungeheuren Glück darüber, mich von der Besorgnis über all das Unsinnige um mich her zu befreien. Nach dieser Wahrnehmung erhebe ich mich, und ich fliege auf das Fenster zu. Ich komme nach draußen und ›schwimme‹ durch die Luft, mit dem Vorsatz, herauszufinden, ob Brustschwimmen in dünner Luft möglich ist. Während meines Fluges gehen mir all meine Ideen über Versuche mit luziden Träumen durch den Sinn. Ich muß über meine Skepsis darüber lachen, wie beglückend doch das Fliegen im Traum sein kann. Aber das Wichtigste dabei ist, daß ich bei allem die volle Kontrolle behalten habe.

In ihrer früheren Arbeit zu dieser Thematik griff Celia Green auf den Begriff »luzider Traum« zurück. Diesen hatte van Eeden eingeführt, um Träume zu benennen, bei denen er sich bewußt war zu träumen, womit er die Bezeichnungen durch einige andere, unter ihnen Oliver Fox, der von »Bewußtheits-Träumen« sprach, ablehnte. Dieser Terminus ist inzwischen allgemein akzeptiert worden. Wir halten es für entscheidend, die Definition eines luziden Traumes gänzlich auf die An- oder Abwesenheit dieses einen Merkmals zu begrenzen, daß sich nämlich der Träumer seines Zustandes bewußt ist.

Da aber nun Träume, bei denen der bzw. die Betreffende weiß, daß er oder sie träumt, insgesamt noch andere charakteristische Züge haben, die sie von gewöhnlichen Träumen unterscheiden, und da sie zudem in dem wörtlichen Sinne »luzid« sind, daß der Träumer offensichtlich bei klarer Vernunft und klarem Kopf ist, ist manchmal der Vorschlag gemacht worden, die Definition eines luziden Traumes sollte von einem gewissen Zusammentreffen solcher zusätzlichen Merkmale abhängig gemacht werden, so z.B., ein Traum sollte nur dann als luzid betrachtet werden, wenn der Träumende zusätzlich zu dem Bewußtsein seines Traumzustandes eine komplette Erinnerung an seinen Wachzustand sowie eine weitreichende Kontrolle über die Ereignisse in seinem Traum bewahrt.

Ein solcher Vorschlag erscheint uns jedoch in mehrfacher Beziehung als unbefriedigend. Zunächst würde damit die Bestimmungsgrundlage von einem einfachen Entweder-Oder zu etwas hin verlagert, was einer rein subjektiven Bemessung auf einer gleitenden Werteskala unterläge. Zum zweiten ist es doch wohl kein realistisches Vorhaben, einem luziden Träumer die Bemessung darüber zu überlassen, ob, beziehungsweise bis zu welchem Grade er tatsächlich Zugang zur vollen Bandbreite seiner Erinnerungen im Wachzustand hat, oder bis zu welchem Grade er imstande ist, die Traumerlebnisse zu beeinflussen. Er mag durchaus das deutliche Empfinden haben, in einem bestimmten Traum »ganz da« gewesen zu sein und daher versucht sein, diesen als »mehr luzid« einzustufen als einen, bei dem er dies weniger deutlich empfunden hatte. Aber tatsächlich lassen sich mögliche Einschränkungen seiner Fähigkeit, sich an sein tägliches Leben zu erinnern oder den Traum zu kontrollieren, nur während des Traumes selbst experimentell feststellen, und ein Traum läßt lediglich eine recht begrenzte Anzahl von Experimenten zu, die dies klären könnten.

So erscheint es uns sinnvoller, die ursprüngliche Definition eines luziden Traumes beizubehalten, nach der dieser lediglich durch ein Merkmal bestimmt wird. Dies läßt selbstverständlich den Weg für weitere Untersuchungen darüber offen, in welchem Ausmaß dieses Merkmal in Zusammenhang mit unterschiedlichen Graden der Erinnerungsfähigkeit und der intellektuellen Funktionen steht.

Historische Entwicklung

Lassen Sie uns den Stand der Berichterstattung über luzide Träume zur Erscheinungszeit des ersten Buches von Celia Green betrachten. Einige Personen hatten damals berichtet, sie hätten ab und zu Träume, bei denen sie sich ihres Zustandes bewußt und imstande seien, ihr Erinnerungs- und Denkvermögen durchaus normal einzusetzen. Aber war dem wirklich so, oder träumten sie nur, all das zu tun? Die Vorstellung eines luziden Träumens rief in verschiedenen Kreisen Widerstand hervor, in denen Träume ohnehin als im wesentlichen irrationale Zustände angesehen wurden. Einige Wissenschaftler versuchten, sich mit der Vermutung aus der Affäre zu ziehen, luzide Träume seien nichts weiter als eine Variante einer allbekannten Eigenart von Träumen, nämlich »zu träumen, daß man« wobei in diesem Falle einzusetzen wäre »daß man träumt« statt beispielsweise »daß man fliegt«. Luzide Träumer seien sich also – so versuchte man uns mehrfach nahezulegen – nicht dessen bewußt, daß sie träumen, vielmehr träumten sie, bewußt zu sein.

Der Widerstand gegen die Vorstellung eines luziden Träumens ging also bei einigen Hand in Hand mit einer umfassenden Geringschätzung des Traumzustandes überhaupt. Der Verstand sei ihrer Meinung nach nicht zu trennen von der Realität, in der er funktioniert, insbesondere von dem Wachzustand, in dem die Kommunikation mit anderen geschieht. Einige Philosophen, wie etwa Malcolm, gingen sogar soweit zu bezweifeln, daß ein Traum je wirklich stattgefunden habe (das ist jedenfalls die Botschaft, die er zu vermitteln scheint, auch wenn er selbst nie ausdrücklich zugeben mochte, daß dies sich aus seiner Argumentation konsequenterweise ergibt). Laut Malcolm ist es nämlich allein die »wirkliche« Welt, in der die Menschen miteinander kommunizieren und ihre jeweiligen Beobachtungen austauschen. In dieser Welt ist allenfalls noch nachweisbar, daß manche Leute gelegentlich nach dem Aufwachen eine Reihe von Erlebnissen erzählen, die sie ihrer Meinung nach gerade gehabt hätten.

Im Unterschied dazu äußern einige Psychologen (unter ihnen Hartmann) die Vermutung, Berichte über luzide Träume seien in Wirklichkeit Berichte über kurze Perioden von Schlaflosigkeit oder »kurze partielle Erregungszustände« und von daher Wachträumen näher als eigentlichen Träumen. Ein derartiger Vorschlag kann allerdings nur dem einleuchten, der noch nie eine wahre Luzidität im Traumzustand erfahren hat. Jeder, der einmal in einem Traum ein solches Erlebnis hatte, muß eine solche Argumentation für unangemessen halten, und sei es auch nur deswegen, weil er ja erfahren hat, daß man vollkommen in der Wahrnehmungswelt des Traumes befangen bleibt und sich nicht statt dessen – oder daneben – plötzlich der realen Welt oder eines ihrer Teile bewußt wird, wie etwa das Bett spürt, in dem man liegt. Dieser Punkt wird in unserem Buch anhand mehrerer Beispiele noch weiter veranschaulicht werden. Deutlich ist auf alle Fälle, daß luzide Träumer auch in ihrem luziden Zustand durchaus über die Lage ihres Körpers in Ungewißheit sein können. So werden wir von einem Fall berichten, in dem ein luzider Träumer, der an seinem Schreibtisch zu sitzen träumt, sich fragt, ob sein Körper wirklich dort ist (tatsächlich liegt er im Bett). So fällt es einigen luziden Träumern anscheinend ganz besonders schwer, sich an die unmittelbaren Umstände ihres Wachseins zu erinnern, etwa daran, wo sie am Abend eingeschlafen sind.

Die Feststellung, daß die Skepsis gegenüber einer Luzidität im Traum daher rührt, daß der Skeptiker selbst nie einen luziden Traum erlebt hat, läßt sich auch durch die folgende Passage aus der zu Beginn dieses Jahrhunderts von Havelock Ellis durchgeführten Untersuchung über Träume belegen. Dort ist deutlich abzulesen, wie seine skeptischen Äußerungen unmittelbar auf sein Eingeständnis folgen, daß er selbst noch nie eine Luzidität im Traum erlebt hat. Bemerkenswert ist dabei auch, wie er damals schon die Hypothese aufgestellt hat, die dann später von Hartmann vertreten wurde, um die Aussagen zu erklären, die er von anderen Autoren kannte, daß sie nämlich hin und wieder tatsächlich luzide Träume erlebt hätten.

In meinen eigenen Träumen habe ich niemals irgendeine Erkenntnis darüber gewonnen, daß es sich um Träume handelte. Ich möchte in der Tat feststellen, daß ich nicht der Meinung bin, so etwas sei wirklich möglich, auch wenn viele Philosophen und andere seit Aristoteles, Synesius und Gassendi dies bezeugt haben. Das Phänomen kommt vor; derjenige, der sich sagt, er träume, mag meinen, noch zu träumen, aber man sollte doch wohl bezweifeln dürfen, ob er das wirklich noch tut. Viel wahrscheinlicher scheint es hingegen zu sein, daß er für einen Augenblick, ohne es zu bemerken, auf der wachen Oberfläche des Bewußtseins aufgetaucht ist.

Der Grund für die Verspätung, mit der luzides Träumen nun endlich Anerkennung als ein wirkliches Phänomen und die Beachtung durch Philosophen und Psychologen gefunden hat, liegt zum Teil in der Schwierigkeit, die wir anscheinend alle mehr oder weniger ausgeprägt erleben, nämlich uns klar zu machen, daß die subjektiven Erfahrungen anderer Menschen von den unseren wesentlich und auf Dauer verschieden sein können. Mit anderen Worten: Die Tatsache, daß zwischen den Personen sowohl auf der Erscheinungs- als auch auf der Verhaltensebene beachtliche Unterschiede existieren, dürfte allgemein unterschätzt werden. Dieser Ansicht hat Galton bereits gegen Ende des vorigen Jahrhunderts überzeugenden Ausdruck verliehen, als er in seinem Buch Inquiries into Human Faculty schrieb:

In den späteren Kapiteln werde ich von Personen mit ungewöhnlichen mentalen Eigenschaften in bezug auf Vorstellungen, Visualisierungen von Zahlen, Farben in Verbindung mit Klängen und speziellen Gedankenassoziationen berichten, die sich ihrer besonderen Fähigkeiten gar nicht bewußt sind … Dabei wird sich herausstellen, wie sehr Metaphysiker und Psychologen irren können, wenn sie von der Annahme ausgehen, ihre eigenen mentalen Funktionsweisen, Instinkte und Grundsätze seien mit denen der übrigen Menschheit identisch, statt sie als ihre eigenen Besonderheiten zu betrachten. Die Unterschiede zwischen uns Menschen sind tiefgreifend, und wir können uns nur vor einem Leben in blinder Unkenntnis unserer eigenen mentalen Eigenarten bewahren, indem wir es uns zur Gewohnheit machen, uns über diese ebensogut zu informieren, wie über die der anderen.

Die Kommunikation zwischen dem luziden Träumer und der Außenwelt

Celia Green hatte in ihrem ersten Buch bereits die Vermutung geäußert, daß, wenn luzide Träumer so klaren Verstandes wären, wie sie glauben, es möglich sein müßte, mit ihnen zu kommunizieren, während sie sich noch in ihrem luziden Traum befinden. Vielleicht könnte es ihnen ja gelingen, eine derart weitgehende motorische Kontrolle zu erlangen, um dem Versuchsleiter ein Signal zu geben. Celia Green hat damals ebenfalls vorhergesagt, man werde bald herausfinden, daß luzide Träumer mit der »paradoxen« Schlafphase in Verbindung zu bringen sind, die gekennzeichnet ist durch niedrige Spannung, starke Schwingungen im Elektroenzephalogramm (EEG), muskuläre Entspannung und die schnellen Augenbewegungen – Rapid Eye Movements, abgekürzt REMs –, die dieser Phase den Namen »REM-Schlaf« gegeben haben. Einer der Gründe für ihre Vermutung war die Tatsache, daß luzide Träumer oftmals berichteten, wie die Luzidität aus einem vorhergegangenen nicht-luziden Traum heraus entstand, sowie die Tatsache, daß diese letztgenannte Traumart bereits mit der REM-Schlafphase in Verbindung gebracht worden war.

Diese beiden Vorschläge Celia Greens stellen uns nun allerdings vor eine Schwierigkeit. Sie besteht darin, daß der Schlafende in der REM-Phase keine merkliche Kontrolle über seinen Körper besitzt. Diese Verbindung eines Zustandes physischer Lähmung mit einem EEG, das dem einer wachen Person ähnlich ist, hat dazu geführt, daß man von einem »paradoxen« Schlafzustand spricht. (Darüber hinaus ist der Schlafende im REM-Zustand, trotz des offensichtlichen Erregungszustands seines Hirns, paradoxerweise noch unzugänglicher für äußere Reize und noch schwerer anzuregen als in anderen Schlafzuständen.)

Die Lösung dieses Problems wurde unabhängig voneinander von zwei Forschern erreicht: Keith Hearne von der Universität Liverpool und Stephen LaBerge vom Institut für Schlafforschung der Stanford Universität. Die Schlüsselmethode beider Forscher beruht auf der Tatsache, daß die Augenmuskeln während der REM-Phase, wie ja schon der Name andeutet, anders als alle übrigen Muskeln zu einer außerordentlichen Aktivität neigen. Es zeigte sich, daß, wenn der luzide Träumer während seines Traumes nach rechts oder links »blickte«, dies tatsächlich entsprechende Bewegungen seiner Augen hervorrief, die von an den Augenmuskeln angebrachten Elektroden aufgezeichnet und gemessen werden konnten. Damit wird die Übermittlung einfacher Botschaften ermöglicht. Der Träumende kann durch Augenbewegungen anzeigen, wann er luzid geworden ist, oder wann er eine Aufgabe, die er im Traum auszuführen gebeten wurde, aufgenommen oder beendet hat, und er kann »Ja« oder »Nein« auf eine Frage hin signalisieren, die der Versuchsleiter ihm in Form eines längeren Signals gestellt hatte.

Als die Experimente dieser Art zunahmen, verloren die Positionen der Skeptiker immer mehr an Halt. Denn wenn es möglich ist, mit einem Träumenden eine – wenn auch nur im begrenzten Maße – vernünftige Kommunikation zu unterhalten, dann wird es schwierig zu bestreiten, daß er bzw. sie das ist, was wir üblicherweise als bewußt bezeichnen.

Experimente, die dieser Methode der Signalübermittlung durch Augenbewegungen aus einem Traum heraus folgen, ließen vermuten, daß luzide Träume tatsächlich wie vorhergesagt hauptsächlich während eines REM-Schlafes stattfinden, daß sie von einer bis zu sechs Minuten dauern und daß sie sich meist am frühen Morgen einstellen, gegen Ende der Schlafenszeit, wenn ein REM-Schlaf relativ häufig ist.

Da ein luzider Träumer imstande ist, sich im luziden Stadium an Instruktionen zu erinnern, die ihm im Wachen erteilt worden waren, ist er auch in der Lage, vorher festgelegte Aufgaben auszuführen. Auf diese Weise wurde es möglich, experimentell zu überprüfen, bis zu welchem Grad der Bericht des luziden Träumers nach seinem Erwachen über die Geschehnisse in seinem Traum mit den Signalen übereinstimmt, die er zu dem Zeitpunkt abgegeben hatte, als sie sich ereigneten. Aus diesen Experimenten ergab sich, daß die Abfolge der Traumereignisse, wie sie beim Erwachen berichtet wurden, tatsächlich in der beschriebenen Reihenfolge stattgefunden hatte. Am Londoner St. Thomas-Hospital wurde eine ausgedehnte Versuchsreihe dieser Art durchgeführt, mit Alan Worsley als Testperson, der schon Keith Hearne in Liverpool für seine erfolgreichen Augen-Signal-Experimente zur Verfügung gestanden hatte. Dabei war Worsley zum Beispiel imstande, in seinen Träumen Dreiecke auf die Wand zu zeichnen, die er mit seinen Augen verfolgte. Und es ergab sich, daß wirklich Bewegungen seiner Augen gemessen wurden, die denen entsprachen, die er im Wachzustand bei solchen Dreiecksbewegungen ausgeführt hätte.

Ein weiteres Ergebnis war, daß die tatsächliche Länge der verschiedenen Traumteile ziemlich genau dem subjektiven Empfinden des luziden Träumers von ihrer Dauer entsprach. So bat LaBerge zum Beispiel seine Testpersonen, alle zehn Sekunden durch Augenbewegungen Signale zu geben, und obwohl sie dabei nicht vollkommen fehlerfrei blieben, erzielte er doch in etwa den gleichen Genauigkeitsgrad wie bei wachen Personen.

Weil die Augenmuskeln im REM-Traumzustand faktisch nicht gelähmt sind, ist es verhältnismäßig einfach, sie zur Bestätigung dessen zu verwenden, daß die Bewegungen der »Traum«-Augen eines luziden Träumers wenigstens bis zu einem beachtlichen Grade den Bewegungen seiner wirklichen Augen entsprechen. Schwieriger ist es dann schon, ähnliche Entsprechungen bei anderen Körpermuskeln zu überprüfen. Dennoch sind solche Entsprechungen zwischen den Traumbewegungen eines luziden Träumers und den Bewegungen seines Körpers festgestellt worden. Ein mit nur teilweisem Erfolg vorgenommenes Experiment bestand darin, Alan Worsley anzuweisen, eine Art Morsecode zu senden, indem er im Traum mit seinem rechten oder linken Fuß vorwärts ging. Auch wenn dies nicht zu entsprechenden Bewegungen von Worsleys Körper führte, brachte es doch Nervenimpulse hervor, die von an seinen Füßen angebrachten Elektroden aufgenommen und verstärkt wurden. So konnte festgestellt werden, daß die an seinen Beinen gemessenen elektrischen Signale der Anzahl von Schritten entsprach, die er im Traum machte, auch wenn seine Beine selbst sich nicht bewegten.

Ebenso wurde berichtet, daß der Atemrhythmus eines luziden Träumers von ihm absichtlich verändert werden kann. In einem entsprechenden Experiment änderte sich der tatsächliche Atemrhythmus eines luziden Träumers im Gleichklang mit dem Rhythmus, in dem er seinen Traumkörper atmen ließ.

Wir werden auf die Phänomenologie des Zustandes, die sich durch die beschriebenen Experimente eröffnet hat, weiter eingehen. Vor allem werden wir uns einige Punkte anschauen, an denen luzide Träume sich von den nichtluziden unterscheiden, in die sie eingebettet sind.

Kapitel 2 Luzide und nicht-luzide Träume

Auch wenn luziden Träumen als von gewöhnlichen Träumen getrennt zu betrachtenden Phänomenen bis vor kurzem wenig Aufmerksamkeit gewidmet worden ist, findet doch die Möglichkeit, daß ein Träumender sich seiner Situation bewußt ist, immer wieder einmal Erwähnung, und sei es auch nur am Rande. Das ist nicht überraschend, ist doch luzides Träumen ein Bereich menschlicher Erfahrung, der den meisten offensteht. Überraschend ist hingegen, daß, wenn diese Fähigkeit einmal erwähnt wird, dies zumeist als Teil der allgemeinen Diskussion über Träume geschieht, ohne die Unterschiede zwischen luziden und nicht-luziden Träumen anzuerkennen. Freud, der große Pionier der Traum-Analyse, war sich der Möglichkeit einer Luzidität im Traum wohl bewußt, konnte aber offensichtlich nicht erkennen, daß dies aus psychiatrischer Sicht ein ganz eigenes Phänomen darstellt:

Dagegen gibt es Personen, bei denen die nächtliche Festhaltung des Wissens, daß sie schlafen und träumen, ganz offenkundig wird und denen also eine bewußte Fähigkeit, das Traumleben zu lenken, eigen scheint. Ein solcher Träumer ist z.B. mit der Wendung, die ein Traum nimmt, unzufrieden, er bricht ihn, ohne aufzuwachen, ab und beginnt ihn von neuem, um ihn anders fortzusetzen, ganz wie ein populärer Schriftsteller auf Verlangen seinem Schauspiel einen glücklicheren Ausgang gibt.

Wie noch deutlich werden wird, unterscheiden sich luzide Träume in mehrfacher und bedeutender Hinsicht von gewöhnlichen Träumen, und was auch immer von den Prinzipien zu halten ist, die den Aufbau gewöhnlicher Träume bestimmen, so sind auf jeden Fall diejenigen, die den Gehalt luzider Träume bestimmen, gesondert davon zu betrachten. So enthalten zum Beispiel gewöhnliche Träume häufig groteske oder unangenehme Elemente, obwohl Freud offenbar der Meinung war, sie seien von einem Trieb zur Wunscherfüllung charakterisiert. Ein luzider Traum hingegen kann eine derart angenehme und befreiende emotionale Atmosphäre haben, die gewöhnliche Träume nur selten – wenn überhaupt – mit sich bringen. So schreibt beispielsweise eine unserer Versuchspersonen:

Während ich eine hübsche baumbestandene Allee entlangging, bemerkte ich, daß ich träumte, und ein Gefühl des Friedens erfüllte mich. Es war eine herbstliche Stimmung, der Boden war mit frischgefallenem braunem und goldenem Laub bedeckt. Nach einer Weile führte die Allee auf eine sonnenbeschienene Lichtung; ein Sperling setzte sich auf meine Hand, und ich konnte genau seine Beschaffenheit und die feine Farbschattierung seiner Federn beobachten. Ich ließ dies alles auf mich wirken und war sehr verwundert darüber, daß es überhaupt möglich sein kann, allein in der Vorstellung so lebendig jedes Detail und solch eine Schönheit zu sehen.

Tatsächlich scheint es, daß luzide Träume im allgemeinen der Erfüllung des Wunsches nach einer besonderen Erfahrung weit näher sind als gewöhnliche Träume. In vielen Fällen kann man sich gut vorstellen, daß das Traumerlebnis dem gleichkommt, was der oder die Betreffende sich wünschen würde, wenn man vorher danach fragte, was er oder sie in dieser Nacht träumen möchte. Mit anderen Worten scheint keine Notwendigkeit zu bestehen, zwischen manifesten und latenten Inhalten zu unterscheiden, wie die Traumanalytiker der Freudschen Schule in ihren Interpretationen, noch sich auf Mechanismen wie Verschiebung, Verdichtung und Symbolisation zu berufen, wie sie es tun, um die Wunschvorstellungen zu erklären, die gewöhnlichen Träumen angeblich zugrunde liegen.[2]

Die Unterschiede zwischen den Inhalten luzider und gewöhnlicher Träume dürften auch weiterhin ein interessantes Arbeitsfeld für Psychiater und Psychoanalytiker darstellen. Ein Überblick über quantitative Vergleiche zwischen den manifesten Inhalten luzider und nicht-luzider Träume ist von Gackenbach vorgelegt worden, wobei sich weniger Unterschiede ergaben, als man hätte erwarten können. Vielleicht müßte eine eigene Methode für die Untersuchung der verschiedenen symbolischen Funktionen der luziden gegenüber den nicht-luziden Träumen entwickelt werden. Bisher ist noch wenig zu dieser Thematik gearbeitet worden. Aber einmal angenommen, solch eine Untersuchungsmethode würde ausgearbeitet werden, dann wird sich dadurch sicherlich bestätigen lassen, daß sich Wunscherfüllung in luziden Träumen auf einer Persönlichkeitsebene darstellt, die der des wachen Bewußtseins näher kommt als der gewöhnlicher Träume.

Empson wies noch auf zwei weitere Aspekte hin, durch die luzide Träume sich von gewöhnlichen Träumen unterscheiden. Der erste betrifft das Gefühl, die Kontrolle zu haben: »Wenn wir träumen (nicht-luzid), dann sind wir wie Zuschauer bei der Aufführung eines Schauspiels, und nur selten gewinnen wir den Eindruck, eine Kontrolle darüber zu haben.« Der luzide Träumer hingegen wird kaum noch das Empfinden haben, lediglich passives Objekt der Ereignisse zu sein, wie es in gewöhnlichen Träumen, besonders in Alpträumen, häufig vorkommt. Er wird womöglich sogar gezielte Versuche unternehmen, um Verlauf oder Inhalt des Traums zu verändern und damit mehr oder weniger die Kontrolle darüber zu gewinnen. Wir werden die bei solchen Experimenten erzielten unterschiedlichen Erfolgsgrade noch eingehender behandeln.

Der zweite Gegensatz zwischen luziden und nicht-luziden Träumen, auf die Empson hinweist, betrifft das Ausmaß an Reflektionsfähigkeit des Träumers. Allen Rechtschaffen hat die von ihm so genannte »Eingleisigkeit« gewöhnlicher Träume hervorgehoben und darauf verwiesen, daß wir in normalen Träumen üblicherweise nicht über unseren eigenen »Bewußtseinsstrom« reflektieren. Im wachen Dasein spaltet sich, so könnte man sagen, dieser Strom in zwei Bestandteile auf, so daß man sowohl etwas erlebt als auch über dies Erlebnis reflektiert, während es noch stattfindet. Diese Aufspaltung bewußten Erlebens scheint in einem nicht-luziden Traum nur selten einzutreten. Im Gegensatz dazu ist es für den luziden Träumer gerade bezeichnend, daß er tatsächlich über die Erfahrung reflektiert, während sie sich ereignet. Derartige Reflektionen gehören zu den charakteristischsten Eigenarten luzider Träume.

Ein weiteres Defizit gewöhnlicher Träume, auf das Rechtschaffen hinweist, und das ein Licht werfen könnte auf die Beziehung zwischen dem Träumen und den geistigen Vorstellungen im Wachzustand, ist die Tatsache, daß man sich in einem Traum anscheinend keine anderen Dinge »einzubilden« vermag. Er schreibt: »Ich kann mich an keinen Traumbericht erinnern, in dem es geheißen hätte: ›Nun ja, ich träumte von diesem und jenem, aber als ich das so träumte, bildete ich mir eine andere Szenerie ein, die damit gar keinen Zusammenhang hatte.‹« Empson drückt das so aus: »Paradoxerweise sind wir im (nicht-luziden) Traum ohne jede Einbildungskraft.« Luzide Träumer hingegen erleben die Möglichkeit, damit zu experimentieren, sich andere Dinge »einzubilden«, wenn auch mit unterschiedlichem Erfolg. In einem dieser Fälle (wir werden später noch genauer darauf eingehen) hatte ein solcher Versuch zur Folge, daß die vorhandenen Traumvorstellungen abbrachen.

Eine letzte Unterscheidung zwischen luziden und nicht-luziden Träumen bezieht sich auf die verschiedenen Grade der Erinnerungsfähigkeit. Wie jeder weiß, werden gewöhnliche Träume leicht vergessen, so daß man, wenn man sie im Gedächtnis behalten möchte, nach dem Erwachen den Traum so bald wie nur möglich schriftlich festhalten muß, bevor irgend etwas anderes uns beschäftigen kann. Im Gegensatz dazu scheint hinreichend deutlich zu sein, daß luzide Träumer nicht unter einem solchen tendenziellen Gedächtnisverlust leiden wie gewöhnliche Träumer, auch wenn diese Beobachtung sicherlich durch weitere experimentelle Bestätigung zu verfestigen ist. In diesem Sinne ist immerhin bereits nachgewiesen worden, daß jemand, der aus einem gewöhnlichen Traum erwacht und noch vor einer Aufzeichnung des Traumes gebeten wird, die telephonische Wetteransage abzurufen, eine deutliche Beeinträchtigung seines Erinnerungsvermögens erleben wird. Es wäre interessant, ein ähnliches Experiment mit luziden Träumern durchzuführen, um herauszufinden, ob ein solches Verfahren unmittelbar nach dem Erwachen aus dem luziden Traum die Erinnerungsfähigkeit des Träumenden in vergleichbarer Weise behindern würde.

Es ist viel darüber diskutiert worden, wie es kommt, daß in einem gewöhnlichen Traum erhaltene Eindrücke nicht leicht zu erinnern sind. Empson folgt Rechtschaffen in der Vermutung, daß die Schwierigkeit wenigstens zu einem Teil der fehlenden Reflektionsfähigkeit in gewöhnlichen Träumen zu verdanken ist. Er schreibt:

Unsere bewußte Kontrolle der Aufmerksamkeit, die wir sowohl dem reflektierenden, bewertenden Gedankenfluß als auch dem auf die uns jeweils vorliegende Aufgabe gerichteten Denken widmen, ist für den normalen Prozeß der Sammlung von Erinnerungen entscheidend wichtig … Das umfassende Vergessen (gewöhnlicher) Träume läßt sich wohl damit erklären, daß ein einziger Gedankenstrom uns wie eine Zwangsjacke daran hindert, eine Absicht … (uns zu erinnern) zu fassen.

Empson zitiert eine Bemerkung, die Erasmus Darwin 1794 gemacht hat: »In Träumen benutzen wir weder unsere Vernunft noch unser Gedächtnis.« Sollte dieser Mangel an kritischer Selbstbeobachtung tatsächlich der Grund für die Neigung eines gewöhnlichen Traumes zur Gedächtnisstörung sein, dann würde hier sicherlich die Erklärung für die Tatsache liegen, daß luzide Träume so viel weniger dazu neigen. In einem luziden Traum ist man sich seines eigenen Erlebnisses bewußt und ihm gegenüber kritikfähig, beinahe so wie im Wachzustand, wenn es auch Einschränkungen dieser offenkundigen Rationalität geben mag, wie wir in späteren Kapiteln noch sehen werden.

Kapitel 3 Das prä-luzide Stadium

Ein Traumtypus, der nicht im eigentlichen Sinne luzid, aber einem luziden Traum nahe verwandt ist, ist der, in dem der bzw. die Träumende zu träumen meint, darüber nachdenkt oder verschiedene »Tests« anstellt, um sich über die wirkliche Situation Gewißheit zu verschaffen. Celia Green hat für diesen Erlebnistypus die Bezeichnung »prä-luzider Traum« vorgeschlagen. Auch wenn es durchaus möglich ist, direkt beim Einschlafen oder auch unwillkürlich aus einem nichtluziden Traum heraus in einen luziden Traumzustand einzutreten, geht der Luzidität doch häufig eine prä-luzide Phase der beschriebenen Art voraus. Ein prä-luzider Traum kann eine recht große Ähnlichkeit mit einem luziden Traum haben, was den Grad des realistischen Wahrnehmungsvermögens und das Ausmaß angeht, in dem der Träumer seine intellektuellen Fähigkeiten auszuüben imstande ist.

Der folgende, von dem Psychologen Moers-Meßmer aufgezeichnete Bericht ist ein Beispiel für einen prä-luziden Traum. Er besitzt viele Merkmale eines luziden Traumes, vor allem da, wo er detailliert und realistisch ist, wobei die gelegentlich auftretenden Abweichungen von einem strikten Realismus ähnlich auch in vielen luziden Träumen anzutreffen sind. Auch wenn der Träumer anfänglich das Wesen seines Erlebnisses noch nicht erfaßt, erregen diese Abweichungen dann doch seinen intellektuellen Argwohn. Er reflektiert seine Situation einige Zeit, bis ihm schließlich, trotz seines Widerstrebens gegen eine solche Schlußfolgerung, klar wird, daß er tatsächlich träumt.

An einem kleinen Fluß gehe ich einen schmalen Weg entlang. Die Gegend ist mir fremd. Eine Frau kommt mir entgegen, ein großer Gegenstand, ähnlich wie eine Hutschachtel, entfällt ihr ins Wasser und schwimmt darauf. Die Frau steigt die Uferböschung hinunter, tritt auf die Wasseroberfläche, macht einige Schritte und holt sich den Gegenstand. Dies setzt mich in höchstes Erstaunen, ich gehe vom Weg ab zum Fluß hinunter und betrachte das Wasser. Ob es bewegt war, habe ich vergessen. Die Farbe ist grau und etwas stumpf, die obersten Schichten sind durchsichtig. Ich trete darauf und gehe zum anderen Ufer hinüber. Bei jedem Schritt sinke ich leicht ein, ich habe das Gefühl, wie auf Sand zu gehen. Wie ich mich umsehe, finde ich auf einmal den ganzen Fluß von Menschen bevölkert, die von den Ufern her hinübergehen. Das erste Erstaunen ist bald verschwunden, ich finde mich mit den gegebenen Tatsachen ab. Doch wie ich in einiger Entfernung eine Brücke sehe, regt sich wieder mein unvertilgbarer Intellektualismus. Ich fange an zu grübeln: Eis kann es nicht sein; dazu ist es zu weich, außerdem ist die Luft zu warm. Vielleicht handelt es sich um eine neue Erfindung. Wozu baut man dann aber Brücken, wenn es auch so geht? Auf einmal kommt mir blitzartig der Gedanke: Könnte es sich nicht wieder einmal um einen Traum handeln? Zunächst empfinde ich eine Abneigung gegen diese Vorstellung, aber langsam überzeuge ich mich, daß es die einzige Möglichkeit ist, die mir übrig bleibt.

Nicht alle prä-luziden Träume enden wie dieser damit, daß der Träumende sich dessen bewußt wird und in einen luziden Traum eintritt. Selbst nach einer noch so sorgfältigen Überprüfung des Zustandes, in dem er sich befindet, kann der prä-luzide Träumer dennoch zu der Schlußfolgerung gelangen, er sei in Wirklichkeit wach. Daher gibt es einige Überschneidungen zwischen den als falsches Erwachen einzuordnenden Erfahrungen und dem, was wir als prä-luzide Träume bezeichnen (s. Kapitel sieben).

Prä-luzide Träumer können plötzlich aufgrund der Glaubwürdigkeit ihrer Umgebung zu der Überzeugung gelangen, sie seien wach, oder sie können zu verschiedenen »Tests« greifen, deren Ergebnisse sie möglicherweise dazu bringen können, die richtige Schlußfolgerung zu ziehen. Es ist interessant, sich einige dieser verwendeten Tests, mit denen Träumende herauszufinden versuchen, ob sie nun wach sind oder nicht, einmal anzuschauen.

Der klassische Test, sich zu kneifen, ist völlig unzuverlässig, da ein prä-luzider Traum durchaus imstande ist, ein Empfinden hervorzurufen, als ob man gekniffen worden sei, überzeugend genug, um den Träumer zu täuschen. Ähnliches gilt im Prinzip von allen vergleichbaren Empfindungen; später werden wir sehen, daß der Realismus von Empfindungen bei luziden (und prä-luziden) Träumen sehr weit entwickelt sein kann.

Zu den erfolgreichsten, von luziden Träumern angewandten Tests zählen: der Versuch zu fliegen oder zu lesen, das Licht anzuschalten sowie Gedächtnistests, in denen der Träumer versucht, die Ereignisse zurückzuverfolgen, die zu seiner jetzigen Situation geführt haben. Jeder dieser Tests ist durchaus geeignet, Ergebnisse zu erzielen, die sich von denen unterscheiden, zu denen man im Wachen gekommen wäre, so daß – vorausgesetzt, man kann diese Diskrepanz erkennen – die richtige Schlußfolgerung gezogen werden kann.

Andererseits kann es dem Träumenden durchaus passieren, daß er den »Fehler« in seinem Traum nicht findet, wie das folgende Beispiel von Paul Tholey illustriert. Darin erinnert sich der Träumende, wie er seinen Zustand durch eine Drehung um die eigene Achse testen wollte. Wenn man sich im Wachen einmal um sich selbst dreht und dann stehen bleibt, hört auch die Umgebung auf, sich zu drehen. Im Traum jedoch läßt sich Tholey zu der Überzeugung verleiten, das unaufhörliche Um-einen-herum-Drehen sei charakteristisch für das Wachen.