Traummänner und Traumziele: Einmal rund um die Welt 4 - Penny Jordan - E-Book

Traummänner und Traumziele: Einmal rund um die Welt 4 E-Book

Penny Jordan

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Beschreibung

HOCHZEITSGLOCKEN AUF MALLORCA von Penny Jordan
Lucy glaubt zu träumen: In einem Luxushotel auf Mallorca stellt der attraktive Bankier ihr die alles entscheidende Frage. Mit Schmetterlingen im Bauch, aber auch voller Zweifel, sagt Lucy Ja. Die Nächte der stürmischen Leidenschaft mit Marcus sind zwar wunderschön – doch das Wichtigste vermisst Lucy in ihrer jungen Ehe nach wie vor: Von Liebe spricht Marcus nicht …

STÜRMISCHE LIEBE IN DEN HIGHLANDS von MARGARET MCPHEE
Alles würde Phoebe tun, um ihren Vater aus dem Gefängnis zu retten! Sogar ihr Herz verraten, das nur für den geheimnisvollen schottischen Schlossherren Mr. Hunter schlägt. Er hat in ihr eine Sehnsucht geweckt, so wild wie die Highlands. Doch weil das Leben ihres Vaters in Gefahr ist, muss sie Mr. Hunter hintergehen …

NEAPEL SEHEN – UND SICH VERLIEBEN von LUCY GORDON
Wie in einem goldenen Käfig fühlt Celia sich an der Seite von Francesco Rinucci. Dabei möchte Celia doch nur ihr neues, aufregendes Leben am Golf von Neapel genießen. Und auch wenn sie den erfolgreichen Unternehmer begehrt wie noch keinen Mann zuvor, steht sie vor einer schweren Entscheidung …

MIT DIR AM STRAND DER LIEBE von ANNE MATHER
Joanna will nur noch eins von Millionär Matt: die Scheidung! Doch als sie ihren attraktiven Noch-Ehemann in seiner Luxusvilla am Atlantik trifft, verspürt sie gegen jede Vernunft immer noch heiße Lust – und eine letzte Nacht in seinen Armen hat ungeahnte Folgen …

SOMMERTRÄUME IN MARBELLA von Penny Jordan
Er ist einer der begehrtesten Junggesellen des Jetset: Die hübsche Julia hat sich nur auf den reichen Silas Cabot Carter eingelassen, um über eine schwere Enttäuschung hinwegzukommen. Wie hätte sie denn auch ahnen sollen, dass Silas, der kühle Geschäftsmann, unter der Sonne von Marbella so ein Feuer in ihr entfacht?

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Seitenzahl: 1104

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Penny Jordan, Margaret Mcphee, Lucy Gordon, Anne Mather

Traummänner und Traumziele: Einmal rund um die Welt 4

IMPRESSUM

Hochzeitsglocken auf Mallorca erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Christina SeegerGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© by Penny Jordan Originaltitel: „Blackmailing the Society Bride“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIABand 1728 - 2006 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Dr. Susanne Hartmann

Umschlagsmotive: GettyImages_Dragos Cojocari

Veröffentlicht im ePub Format in 09/2020 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733719401

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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1. KAPITEL

„Sie behaupten also, dass mein Unternehmen und ich so gut wie bankrott sind?“

Lucy blickte ihren Anwalt starr an. Entsetzen und Furcht packten sie, gleichzeitig hatte sie das Gefühl, dass ihre Lage zu schrecklich war, um real zu sein.

Aber sie war real: Ihr Exmann hatte dem guten Ruf und den Finanzen der von ihr vor ihrer Heirat mit viel Enthusiasmus und Freude gegründeten Event-Agentur so geschadet, dass die Firma nicht mehr lebensfähig war.

In ihrer kurzen Ehe hatte Nick sie permanent betrogen – sexuell wie finanziell, andererseits hatte sie selbst auch gemogelt. Ein schlechtes Gewissen hilft mir jetzt nicht, ermahnte Lucy sich.

„Ich habe Aufträge für den Rest des Jahres“, sagte sie zu ihrem Anwalt und hoffte, dass er sie nicht fragen würde, wie viele. Weil es so wenige waren. „Vielleicht würde die Bank in Anbetracht dessen …?“

Doch er schüttelte den Kopf. Mr. McVicar mochte seine junge Klientin, und sie tat ihm aufrichtig leid, aber seiner Meinung nach war sie für die harte Geschäftswelt zu sanftmütig. „Sie haben mir selbst erklärt, dass mehrere Kunden ihre Aufträge storniert und ihre Anzahlungen zurückverlangt haben, und ich fürchte … Nun ja, Vertrauen ist auch in der Geschäftswelt von unschätzbarem Wert.“

„Sie meinen, dass wegen Nicks Betrügereien niemand mehr Vertrauen zu ‚Prêt a Party‘ hat?“, fragte Lucy verbittert. „Obwohl Nick in der Agentur und in meinem Leben keine Rolle mehr spielt und ich diejenige bin, die das Unternehmen gegründet hat?“

Der mitfühlende Blick ihres Anwalts genügte als Antwort.

„Vermutlich darf ich es meinen Kunden nicht verübeln, dass sie aussteigen. Aus ihrer Sicht kann ich wohl nicht besonders vertrauenswürdig sein, wenn ich so dumm war, Nick zu heiraten“, meinte Lucy sarkastisch. Marcus glaubte das zweifellos.

Wenn es einen Menschen gab, den sie gern aus ihrem Leben und ihren Erinnerungen wegzaubern würde, dann war es Marcus.

„Kann ich denn gar nichts tun, um die Firma zu retten?“

„Falls Sie einen Teilhaber finden, der für seine Integrität und sein finanzielles Format bekannt ist, dem die Leute vertrauen und der bereit ist, genug Kapital einzubringen, um alle ausstehenden Verbindlichkeiten abzuwickeln und …“

„Aber ich will meine Schulden selbst bezahlen. Ich habe noch immer Geld auf meinem Treuhandkonto“, unterbrach ihn Lucy heftig.

„Ja, natürlich, das weiß ich. Ich fürchte nur, dass die Schuldentilgung das Vertrauen der Kunden nicht wiederherstellen wird, Lucy. Bedauerlicherweise hat Ihr Exmann den Ruf des Unternehmens fast irreparabel geschädigt. Und dass Ihre beiden leitenden Mitarbeiterinnen Prêt a Party verlassen haben …“

„Aber doch nur, weil sie inzwischen verheiratet sind und andere Verpflichtungen haben. Carly ist wieder schwanger und muss sich um ihren Sohn kümmern, außerdem engagiert sie sich für die Waisenhäuser, die Ricardo gegründet hat. Und Julia hat ihr Baby und arbeitet für die Stiftung …“

„Das weiß ich alles, Lucy“, besänftigte sie ihr Anwalt. „Aber unglücklicherweise sieht die Außenwelt – von der Sie sich neue Aufträge erhoffen – diese Dinge nicht. Es tut mir wirklich leid.“ Er machte eine Pause. „Haben Sie daran gedacht, sich an Marcus zu wenden? Er …“

„Nein! Niemals! Und ich verbiete Ihnen, ihm irgendetwas von dem zu erzählen, was wir hier besprechen, Mr. McVicar.“ Lucy stand so unvermittelt auf, dass sie fast ihren Stuhl umwarf. Panik und Kummer schnürten ihr die Kehle zu. Wie Marcus es lieben würde, sie darauf hinzuweisen, dass er sie die ganze Zeit über vor genau dieser Situation gewarnt hatte. Wie er die Nase über sie rümpfen und sie eiskalt ansehen würde, während er aufzählte, was sie alles falsch gemacht hatte.

Manchmal hatte Lucy das Gefühl, ihr ganzes Leben lang immer nur versagt zu haben. Zunächst einmal war sie nicht der ersehnte Sohn und Erbe, sondern eine Tochter, die unter die Haube gebracht werden musste. Und obwohl ihre Eltern nach ihr noch einen Sohn bekommen hatten, war Lucy niemals den Gedanken losgeworden, sie enttäuscht zu haben, weil sie die Erstgeborene war und das falsche Geschlecht hatte. Nicht, dass sie jemals etwas zu ihr gesagt hätten, doch Lucy, die sehr sensibel war, hatte die Enttäuschung ihrer Eltern gespürt. Ebenso, wie sie später Marcus’ Ungeduld und Verärgerung klar erkannt hatte.

Allerdings musste niemand lange raten, was Marcus dachte. Er brachte seine Meinung kompromisslos zum Ausdruck. Und hatte von Anfang an – schon beim ersten Treffen in seinem Londoner Büro – klipp und klar erklärt, wie sehr er es missbilligte, dass ihr verstorbener Großonkel ihr so viel Geld vererbt hatte.

„Deshalb hast du dich also bereit erklärt, mein Treuhänder zu sein. Weil du nicht damit einverstanden bist, dass ich das Geld bekomme, und mir das Leben so schwer wie möglich machen willst“, hatte Lucy ihn daraufhin beschuldigt.

„Eine derartige Bemerkung bestätigt nur, dass ich zu Recht um den Geisteszustand deines Großonkels besorgt war, als er sein Testament aufgesetzt hat“, hatte Marcus schneidend erwidert.

„Du hast wohl gehofft, er würde sein Geld dir hinterlassen?“

„Sei nicht so verdammt kindisch“, hatte Marcus kalt gesagt.

Natürlich war ihr damals noch nicht klar gewesen, dass Marcus selbst Millionen, wenn nicht Milliarden besaß, die in den Stahlkammern der Familienhandelsbank lagen, deren Vorstandsvorsitzender er war.

Voller Mitgefühl beobachtete Mr. McVicar Lucy. Er wusste von dem gespannten Verhältnis zwischen seiner Mandantin und dem reichen Bankier, den ihr verstorbener Großonkel als Treuhänder des Vermögens eingesetzt hatte, das er ihr vermacht hatte.

Inzwischen war von dem Geld nicht mehr viel übrig. Die Habgier und Unterschlagungen ihres Exmannes sowie der Zusammenbruch ihres früher einmal erfolgreichen kleinen Unternehmens hatten fast alles verschlungen. Moralisch war Lucy über jeden Tadel erhaben, aber leider war sie zu leichtgläubig gewesen, und jetzt zahlte sie den Preis dafür.

Dagegen war Marcus Cannings Geschäftssinn legendär und nach Ansicht des Anwalts am besten geeignet, um Lucy in ihrer gegenwärtigen schwierigen Situation zu helfen. Doch da sie diesen Rat nicht befolgen wollte, kam Mr. McVicar auf seine frühere Empfehlung zurück. „Wenn Sie einen reichen Geschäftspartner gewinnen könnten, der bereit wäre, viel Geld in die Agentur zu investieren …“

„Genau das habe ich schon getan.“ Was, in aller Welt, soll denn das, fragte sie sich entsetzt, sobald die Worte heraus waren. Nur weil Mr. McVicar Marcus erwähnt hatte, log sie ihn an und erfand einen Geldgeber. Allein sein Name genügte, um sie zu einer trotzigen Abwehrhaltung zu provozieren.

Mr. McVicar sah sowohl erleichtert als auch überrascht aus. „Nun, das ist eine hervorragende Neuigkeit, Lucy. Dadurch bekommt die Sache ein ganz anderes Gesicht. Tatsächlich ist es die allerbeste Lösung. Aber natürlich müssen wir das besprechen. Ich denke, wir sollten uns so bald wie möglich mit Ihrem zukünftigen Teilhaber und seinen Beratern zusammensetzen. Oh, und selbstverständlich müssen wir Ihre Bank darüber informieren. Ich bin sicher, dass sie sich viel flexibler zeigen wird, wenn sie erst einmal weiß, dass frisches Kapital in die Agentur investiert wird. Außerdem wäre es gut, sich an die Öffentlichkeit zu wenden, vielleicht sogar eine halbseitige Anzeige in eine prominente Glamourzeitschrift zu setzen. Darin könnten sie noch einmal erklären, dass Ihr Exmann nichts mehr mit Prêt a Party zu tun hat, und gleichzeitig geben Sie die neue Teilhaberschaft bekannt. Das sollte die destabilisierenden Auswirkungen von Nicks Betrügereien ausgleichen.“

Warum hatte sie sich bei dem Gedanken an Marcus zu so einer Dummheit hinreißen lassen? Lucy fühlte sich, als würde sie in einem tiefen, besonders klebrigen Morast feststecken. Was, in aller Welt, hatte sie getan? Wie sollte sie jetzt noch zugeben, dass sie gelogen hatte?

„Im Moment kann ich Ihnen noch nicht sagen, wer es ist, Mr. McVicar“, begann sie nervös. „Die Angelegenheit muss bis auf weiteres geheim bleiben. Geschäftsverhandlungen sind immer … tja, Sie wissen, wie das ist.“

„Natürlich. Aber vergessen Sie nicht, dass Zeit hier von entscheidender Bedeutung ist.“

Lucy nickte und verabschiedete sich so schnell wie möglich. Wie hatte sie so lügen können? Das widersprach all ihren Überzeugungen. Sie fühlte sich schuldig, schämte sich und blinzelte Tränen des Selbstmitleids weg, während sie vor der Kanzlei ihres Anwalts in der strahlenden Herbstsonne stand. Was sollte sie tun? Nur ein Wunder könnte sie jetzt noch retten. Wie ferngesteuert bog sie um die Ecke und eilte in die Bond Street, ohne einen Blick in die Schaufenster der teuren Läden zu werfen. Moderne Designermode war nicht ihr Fall. Lucy mochte Vintage-Kleider, die sie auf Straßenmärkten fand und von den Dachböden der Familie rettete. Die alten Stoffe waren so luxuriös, und sie liebte es, wie sich Seide, Kaschmir, Wolle, Baumwolle und Leinen auf der Haut anfühlten. Chemiefasern mochten für das Großstadtleben von heute praktisch sein, aber Lucy war in vielerlei Hinsicht eine altmodische Frau, die sich nach der ruhigeren feineren Lebensart vergangener Zeiten zurücksehnte.

Insgeheim hatte sie sich immer gewünscht, zu heiraten, Kinder zu bekommen und sie mit ihrem Ehemann in einem großen Landhaus großzuziehen. Sie beneidete ihre beiden besten Freundinnen um ihre glücklichen Ehen und ihre Kinder, aber das hatte sie noch nie jemandem anvertraut, nicht einmal Carly und Jules. Schließlich hatte sie ihren Stolz. Aus diesem Stolz heraus hatte sie Prêt a Party gegründet. Und gerade eine dumme Lüge erzählt.

An einem Kiosk blieb Lucy stehen und sah sich die Zeitungen und Zeitschriften an. Wie immer lag A-List Life in der vordersten Reihe. Lucy lächelte. Der exzentrische Eigentümer und Chefredakteur des Klatschmagazins war ihr ein guter Freund gewesen. Für Dorland Chesterfield hatte sie mehrere Events organisiert, und zu seinen Partys kam immer die High Society der Glamourwelt. Vielleicht hätte sie sogar darüber nachgedacht, ihn um Hilfe aus dem ganzen, von Nick verursachten Schlamassel zu bitten, wenn sie nicht gewusst hätte, dass Dorlands Liebe zum Klatsch garantiert seine Gutherzigkeit überwältigen würde. Und die Geschichte ihres Ruins in A-List Life zu lesen hatte ihr gerade noch gefehlt!

Natürlich hatten ihre beiden Freundinnen – und inzwischen Exmitarbeiterinnen – extrem reiche Ehemänner, und Carly und Julia hatten sie nacheinander besucht und ihr behutsam finanzielle Hilfe angeboten. Doch Lucy konnte sie nicht annehmen. Zum einen lag das an ihrem elenden Stolz, zum anderen brauchte sie nicht nur Geld, sondern jemanden, der mit ihr in der Agentur zusammenarbeitete. Ihr Geld zu geben, damit sie die Schulden der Firma bezahlen konnte, war eine großzügige Geste, aber sie wollte, sie musste beweisen, dass sie nicht das dumme Ding war, für das sie offenbar jedermann hielt, und mit ihrem Unternehmen Erfolg haben konnte.

Nick zu heiraten war ein Fehler gewesen. Außerdem hatte sie ihn viel zu überstürzt geheiratet, wie Marcus ihr unbarmherzig bewiesen hatte. Nur hatte sie ihre Gründe gehabt – Gründe, die Marcus niemals erfahren durfte.

Lucy kaufte ein Exemplar von A-List Life und überquerte die Straße. Funkelnd glitzerte das Sonnenlicht in ihrem schulterlangen naturblonden Haar, und der Fahrer eines großen Mercedes mit Diplomatenkennzeichen bremste ab und musterte sie bewundernd.

Wieder auf dem Bürgersteig, schlug sie die Zeitschrift auf und überflog den Inhalt. Nur aus Gewohnheit, denn inzwischen war es über drei Monate her, dass sie einen großen Event organisiert hatte, ganz zu schweigen von einem, der glamourös genug war, um einen Platz in Dorlands Zeitschrift zu finden. Zu ihrem Erstaunen sah sie jedoch plötzlich den Namen ihrer Agentur unter den Worten „A-List Life’s Lieblingsparty aller Zeiten“.

Verwirrt blätterte Lucy zu der angegebenen Seitenzahl. Ihre Augen wurden groß, als sie die Fotos erkannte, die den ganzen Mittelteil des Magazins einnahmen. Denn sie stammten von der riesigen Sommerabschlussparty, die Prêt a Party im vergangenen Jahr für A-List Life organisiert hatte.

Vor Rührung kamen ihr die Tränen. So eine Großzügigkeit war typisch für Dorland. Wie großherzig, diese Fotos noch einmal zu bringen – auch wenn es gleichzeitig eine Möglichkeit war, sich selbst zu schmeicheln.

Obwohl sie damals schon wusste, dass ihre Heirat ein Fehler gewesen war, wollte sie es zu dem Zeitpunkt noch niemandem gegenüber zugeben. Sie hatte auch gewusst, dass Nick ihr untreu war. Allerdings ahnte sie nicht, dass er nicht nur sie, sondern auch ihre Firma und ihre Kunden betrog. Carly und Jules dagegen hatten viel früher Verdacht geschöpft. Doch aus Sorge um sie behielten beide für sich, was vorging. Nicht so Marcus. Nie würde Lucy vergessen, wie demütigend es gewesen war, wie ein begossener Pudel vor seinem Schreibtisch zu stehen, während er ihr mit kalter Wut Nicks betrügerische Aktivitäten bei Prêt a Party aufzählte.

„Warum, zum Teufel, hast du ihn überhaupt geheiratet?“, hatte er grimmig gefragt, aber sofort hinzugefügt: „Nein, du brauchst es mir nicht zu erklären. Ich kenne die Antwort schon. Ist dir denn niemals eingefallen, dass du auch ohne eine Heirat Sex mit ihm hättest haben können?“

„Vielleicht wollte ich mehr als Sex“, erwiderte Lucy. Natürlich hatte sie mehr gewollt, es jedoch nicht bekommen. Aber andererseits hatte sie Nick auch nicht mehr gegeben. Und was den Sex betraf …

Vor ihrer Heirat hatte Nick so eindringlich und schmeichelhaft von seinem Verlangen nach ihr gesprochen, doch unmittelbar danach verspottete er sie wegen ihrer mangelnden sexuellen Erfahrung und höhnte, sie sei nicht begehrenswert. Und wer konnte ihm das verübeln? Schon sehr schnell nach der Heirat musste sie die Fantasievorstellung, dass sie verrückt nach ihm war, begraben. Immer wieder behauptete Nick, sie sei frigide und würde ihm jede Lust nehmen, und Lucy litt zu sehr unter ihren Schuldgefühlen und ihrem Selbstekel, um zu protestieren.

„Mehr als Sex? Wirklich? Hast du tatsächlich geglaubt, du würdest von einem Mann wie ihm mehr bekommen?“, fragte Marcus zynisch.

„Dass du mich kritisierst, ist ja gut und schön, aber du selbst hast ja auch nicht gerade Erfolg mit Langzeitbeziehungen!“

„Vielleicht liegt das daran, dass ich mich nicht festlege. Sollte ich es irgendwann tun, wird die Bindung gründlich durchdacht und dauerhaft sein. Ich werde mich nicht zu einer Heirat entschließen, nur weil ich im Urlaub Sex im Freien hatte und mir danach einbilde, verliebt zu sein.“

Bei diesen verächtlichen Worten und dem widerlich arroganten Marcus-Blick ballte Lucy in ohnmächtiger Wut die Hände zu Fäusten. „Das war kein … ich habe nicht …“, versuchte sie, sich zu verteidigen.

„Oh, hör schon auf damit“, unterbrach er sie scharf. „Wir alle wissen, was passiert ist. Schließlich waren sämtliche Klatschblätter mit den Fotos gepflastert. Du, wie du oben ohne an Nick Blayne klebst und sagst, du wollest dich amüsieren und seiest auf der Suche nach allem, was dazugehöre.“

„Du meine Güte, du hast dir die Bildunterschrift Wort für Wort gemerkt. Wie lange hast du gebraucht, um sie auswendig zu lernen, Marcus?“, schlug Lucy zurück.

Natürlich hatte sie ihre idiotische Äußerung bereut. Aber wenn man am Jetlag litt und in solcher Hetze gepackt hatte, dass nicht zueinander passende Bikinioberteile und – hosen im Koffer gelandet waren, und wenn man dann von einem Paparazzo ertappt wurde, überspielte man die missliche Lage eben mit einem Scherz. Besonders, da Paparazzi für den geschäftlichen Erfolg so wichtig sein konnten. Sie hatte gemeint, es sich nicht leisten zu können, den Mann zu kränken, der sie geknipst hatte.

Wenn er sie erst vierundzwanzig Stunden später erwischt hätte, wäre es ein ganz anderes Foto geworden. Und nachdem sie sich richtig ausgeschlafen und einen Bikini von Jules geliehen hatte, wäre sie vielleicht cool genug gewesen, ihm wahrheitsgemäß zu sagen, dass sie einfach Urlaub machte.

Aber leider setzte sich der Fotograf in den Kopf, dass ihr Leben viel interessanter als in Wirklichkeit war, und hielt sich von da an mit seiner Kamera ständig in ihrer Nähe auf.

Nick genoss die Aufmerksamkeit. Was Lucy damals als Zeichen dafür sah, dass er mit ihrem Job und seinen Auswirkungen auf das gemeinsame Privatleben fertig werden würde. Zu dem Zeitpunkt wusste sie noch nicht, dass für Nick alles seinen Preis hatte – auch möglichst gewagte Fotos von ihnen beiden an verschiedenen exotischen Plätzen. Dass Nick sie in eine Falle gelockt und Geld für die Fotos kassiert hatte, fand Lucy erst heraus, als es zu spät war und sie groß in allen Zeitungen prangten. Aber da waren Nick und sie längst verheiratet …

In der Öffentlichkeit sah sie natürlich mit einem Schulterzucken darüber hinweg und gab vor, dass sie ihr neues Image als williges sexsüchtiges Partygirl begrüßte und mit dem größten Vergnügen der ganzen Welt zeigte, wie sehr sie ihren frisch gebackenen Ehemann begehrte. Obwohl dieser Ehemann sie zu dem Zeitpunkt schon frigide genannt und mehr Nächte außer Haus als mit ihr im Ehebett verbracht hatte.

Etwas besorgt sah Lucy auf ihre Armbanduhr. Sie war länger als geplant bei ihrem Anwalt gewesen und musste sich an diesem Nachmittag noch auf der Geburtstagsfeier ihrer Großtante Alice sehen lassen, die neunzig wurde.

Ihre Großtante lebte in einer riesigen altmodischen Wohnung in Knightsbridge, die immer eisig kalt war, weil sich Alice trotz ihres Reichtums weigerte, die Heizung einzuschalten. Niemand aus der Familie besuchte sie gern im Winter, und sogar im Sommer schützten sich die Klugen mit zusätzlichen Strickjacken, Paschminaschals und Pullovern gegen die Kälte, die nach Alice’ Meinung gut für die Gesundheit und der Grund dafür war, dass es ihr mit neunzig noch so gut ging.

„Quatsch“, hatte Lucys jüngerer Cousin Johnny dazu gemeint. „Die Alte ist noch am Leben, weil sie zu geizig zum Sterben ist. Ich könnte meinen Anteil an ihren Millionen wirklich gut gebrauchen.“

„Wie kommst du denn darauf, dass sie dir etwas vererben wird?“, fragte Lucys Bruder Piers daraufhin trocken.

„Ich bin ihr Liebling.“

„Ach ja? Nun, du arbeitest zweifellos schwer daran“, spottete Piers.

Mit seinem leicht anrüchigen Lebensstil, dem ständigen Geldmangel und seiner gewinnenden Art genoss der neunzehnjährige Johnny in der Familie einen höchst zweifelhaften Ruf. Lucy vermutete, dass Marcus ihren Cousin ebenso ablehnte, wie er sie ablehnte.

Marcus! Sie hingegen lehnte ihn absolut nicht ab. Und das war die Ursache nicht aller, aber sicherlich der meisten ihrer Probleme. Schließlich hatte sie sich in Nicks Arme gestürzt, um sich vor ihrer Liebe zu Marcus zu retten – und vor dem Wissen, dass er diese Liebe niemals erwidern würde. Trotz aller Versuche, ihn sich aus dem Kopf zu schlagen, liebte sie ihn jedoch noch immer und behandelte ihn deshalb mit Feindseligkeit und Groll. Das war ihr einziger Schutz gegen die Demütigung, die sie erwartete, wenn Marcus – oder jemand anders – jemals herausfinden würde, was sie für ihn empfand.

2. KAPITEL

„Du meine Güte. Es ist tatsächlich einmal warm hier drin!“ Sobald sie die Wohnung ihrer Großtante betrat, zog Lucy die Kaschmirjacke aus, die sie über ihrem zarten Seidenchiffonkleid trug.

„Ja, ich habe Johnson bestochen, damit er die Heizung einschaltet.“ Ihr Bruder Piers lächelte breit.

„Du hättest mich ruhig vorwarnen können“, beschwerte sich Lucy liebevoll, während sie sich mit der Hand Luft zufächelte. „Auf welche Raumtemperatur sollte er den Thermostat denn stellen? Hier drin ist es ja wie in einer Sauna. Die Blumen, die ich gekauft habe, werden verwelkt sein, bevor ich sie Tante Alice gebe.“

„Deine Blumen? Und was ist mit meinen Pralinen?“, erwiderte Piers.

„Piers hat geglaubt, dass Johnson noch in Fahrenheit rechnet“, warf Lucys Vater ein. „Deshalb hat er ihn gebeten, den Thermostat auf achtundsechzig zu stellen. Keiner von uns hat begriffen, was passiert war, bis Johnson gesagt hat, der Regler gehe nur bis dreißig Grad.“

Auch Lucy fiel in das gutmütige Gelächter ein, doch dann erstarrte sie: Marcus trat ein. Bildete sie sich das nur ein, oder folgte wirklich ein kurzes Schweigen, als wären sich die anderen ebenfalls bewusst, wie eindrucksvoll und dominierend dieser Mann war?

Sicher lag es nicht nur daran, dass er über einen Meter achtzig groß, breitschultrig und muskulös war, dichtes dunkles Haar und eisgraue Augen hatte.

Also was veranlasste Frauen wie Männer dann, sich nach ihm umzudrehen? Sich nach ihm umzudrehen und zu ihm aufzublicken. Hatte es damit zu tun, dass er die Handelsbank leitete, die seit so vielen Generationen im Besitz seiner Familie war? Damit, dass er nicht nur für die Gegenwart und Zukunft seiner Kunden verantwortlich war, sondern in vielen Fällen auch die Geheimnisse ihrer Vorfahren kannte?

Aber selbst ohne all das, selbst wenn er als Fremder von der Straße hereinkäme, würden die Frauen ihn ansehen. Und immer weiter ansehen. Weil Marcus sexy war. Sehr sexy. Hastig trank Lucy einen Schluck aus dem Glas Champagner, das Piers ihr gegeben hatte. Damit sie etwas zu tun hatte – und einen Grund, Marcus nicht anzustarren, und um sich Mut anzutrinken.

Marcus trug einen seiner typischen, maßgeschneiderten dunklen Anzüge, ein weißes Hemd und eine dunkelgraue Krawatte.

Sie trank noch einen großen Schluck.

„Möchtest du noch ein Glas?“, fragte Piers.

„Nein, danke.“ Sie machte sich nicht viel aus Alkohol, und in ihrem Job, bei den Events, musste sie immer einen klaren Kopf behalten. Deshalb hatte sie schnell gelernt, nur an ihrem Drink zu nippen und ihn dann diskret irgendwo stehen zu lassen. Der Nachteil war, dass sie nicht mehr als ein kleines Glas vertrug. Aber heute brauchte sie wahrscheinlich einige Gläser, um mit Marcus’ Gegenwart fertig zu werden. Einschüchternd nahe stand er neben ihr, wenn auch nicht so dicht, wie es sich ihr törichtes Herz ersehnte.

„Oh, wie schön. Marcus hat es noch geschafft“, hörte Lucy ihre Mutter sagen. „Charles, bitte ihn doch herüber.“

„Du lieber Himmel, es ist wirklich heiß hier. Ich sollte besser zusehen, dass die armen Blumen ins Wasser kommen.“ Lucy stellte ihr Glas ab und flüchtete in das Labyrinth aus Fluren und kleinen Räumen an der Rückseite der Wohnung, die ihre Großtante noch immer die „Dienstbotenunterkunft“ nannte. Wie, in aller Welt, schaffen es Johnson und Mrs. Johnson bloß, sich nur mithilfe einer Putzfrau um eine so große Wohnung zu kümmern, dachte Lucy mitfühlend, während sie einen der Flure entlang ins „Blumenzimmer“ eilte. Auf der großen Arbeitsfläche standen schon mehrere mit Wasser gefüllte Vasen bereit, und Lucy wickelte ihren Strauß aus und suchte sich eine passende aus.

Hatte sie tatsächlich solche Angst davor, mit Marcus zu sprechen? Sie war neunundzwanzig. Und wie lange war es her, dass sie von der Universität gekommen war, Marcus über seinen Schreibtisch hinweg angesehen und gewusst hatte …?

Tränen stiegen ihr in die Augen.

Damals hatte sie sofort gewusst, dass sie in Marcus verliebt war. Und ebenso schnell hatte sie erkannt, dass er ihre Gefühle nicht erwiderte und sie ihm sogar lästig war.

Damals war sie jung genug gewesen, um trotzdem davon zu träumen, dass sich das ändern würde. Sie hatte sich vorgestellt, dass sie irgendwann Marcus’ Büro betreten und er sie anblicken würde, als wollte er ihr die Kleider vom Leib reißen und sie auf der Stelle lieben. Und einige Male hatte sie während seiner Standpauken davon fantasiert, wie er seinen Schreibtisch oder seinen Chefsessel mit ihr für erotische Spiele nutzte, für die sie eindeutig nicht entworfen worden waren.

In Wirklichkeit war natürlich sie diejenige gewesen, die ihm die Kleider vom Leib reißen wollte. Als er sie dann eines Tages wieder einmal gereizt ansah, spürte sie schlagartig, dass ihre erotischen und romantischen Fantasien einfach nur dumm waren. Weder begehrte noch liebte er sie, und er würde es auch niemals tun. An dem Tag beschloss sie, sich einen anderen zu suchen. Weil ihre Gefühle ihr sonst irgendwann über den Kopf wachsen und sie sich vollkommen demütigen würde, indem sie Marcus ihre Liebe erklärte.

Ein Ehemann und Kinder würden sie davon abhalten, das zu tun, dachte Lucy. Aber nicht einmal das hatte sie richtig machen können. Ihre Ehe war eine Katastrophe gewesen.

Sie war nicht der Typ, der allein sein wollte, und sie wünschte sich Kinder. Obwohl sie beide von Herzen gernhatte, beneidete sie ihre beiden besten Freundinnen darum, wie glücklich sie mit ihren Ehemännern waren. Und sie wusste, dass Marcus eines Tages heiraten würde, und wenn er es tat – ihr schauderte vor Qual.

Wenn er es tat, würde sie hoffentlich längst Zufriedenheit und Liebe bei einem anderen Mann gefunden haben und so vor dem Schmerz geschützt sein, den sie sonst empfinden würde. Bei Nick jedoch hatte sie sich törichten und gefährlichen Illusionen hingegeben.

Aber sie konnte nicht ewig hier im Blumenzimmer bleiben. Vielleicht hatte sie Glück, und Marcus war schon wieder gegangen.

Ihr Cousin Johnny hakte sich bei ihr unter, sobald Lucy zurück in den Salon kam. „Toll, ich habe schon nach dir gesucht. Noch etwas Champagner?“ Ohne auf ihre Antwort zu warten, nahm er ein Glas vom Tablett eines vorbeigehenden Kellners und reichte es ihr. „Ich muss sagen, die Alte knausert nicht mit dem Zeug. Es kostet sie sicher eine hübsche Stange Geld, diese Fete zu veranstalten. Champagner, Kellner … Hast du sie organisiert?“

„Ja.“ Trübselig dachte Lucy daran, wie hart ihre Großtante und sie um die Kosten gefeilscht hatten und wie sie schließlich nachgegeben und vorgeschlagen hatte, dass sie ihr die Arbeitskosten zum Geburtstag schenkte, wenn Alice den Champagner, die Kanapees und die Löhne der Kellner zahlte. Was wahrscheinlich erklärte, warum es nichts zu essen gab.

Marcus stand auf der anderen Seite des Zimmers und beobachtete sie mit grimmigem Gesichtsausdruck, wie Lucy bemerkte. Nervös stärkte sie sich mit einem Schluck Champagner. Sie mochte gar nicht daran denken, was passieren würde, wenn Marcus von der idiotischen Lüge erfuhr, die sie Mr. McVicar aufgetischt hatte. Wenn nicht ein Wunder geschah, musste sie ihren Investor ebenso schnell wieder loswerden, wie sie ihn erfunden hatte. Ein zweiter Schluck Champagner folgte dem ersten.

„Ich muss etwas mit dir besprechen, Lucy.“

„Wie bitte?“ Endlich gelang es ihr, den Blick von Marcus zu lösen.

„Ich muss mit dir reden“, wiederholte Johnny geduldig.

„So? Ich habe nicht vergessen, dass du mir noch fünfzig Pfund vom letzten Mal schuldest. Wenn du dir also Geld leihen willst …“

„Darum geht es nicht“, versicherte er ihr. „Ein Geschäftsfreund von mir hat mich gefragt, ob ich ihn mit dir bekannt machen kann. Trink noch ein Glas Champagner.“ Johnny nahm ihr das halb leere Glas weg, bevor sie ablehnen oder protestieren konnte, winkte einen Kellner herbei und gab ihr ein neues.

Nach wie vor musterte Marcus sie immer noch unverwandt, und sein Blick war so hart und kalt geworden, dass sie vor Nervosität fast ihren Champagner verschüttete. „Wenn er einen Event möchte …“, begann sie und drehte sich halb herum, damit sie Marcus nicht mehr sah. Leider ohne Erfolg, da auch er sich bewegte.

„Nein, er denkt daran, sich an Prêt a Party zu beteiligen.“

„Was?“ Jetzt verschüttete sie wirklich einige Tropfen, bevor sie es schaffte, einen Schluck zur Beruhigung zu trinken.

„Ja. Er hat mit seinem Dienstleistungsunternehmen ein Vermögen verdient. Er beschäftigt Reinigungskräfte, Köche und Leute, die auf den Mann von den Stadtwerken warten und deine Sachen von der Reinigung abholen. Reichen City-Typen, die keine Zeit haben, nimmt er den ganzen Haushaltskram ab. Jedenfalls hat er den Artikel in A-List Life gesehen und gehört, dass du meine Cousine bist. Und mir hat er gesagt, Prêt a Party sei genau die Kapitalanlage, nach der er suche. Also habe ich ihm versprochen, mal bei dir vorzufühlen.“

„Johnny …“ Ihr war schwindlig, aber das hing sicher nicht mit dem ungewohnten Champagnergenuss zusammen.

„Sprich doch mit ihm, damit er dir selbst erklären kann, was er im Sinn hat. Ich könnte ihm deine Bürotelefonnummer geben …“

Niemals hätte sie geglaubt, dass wirklich ein Wunder geschehen würde. Schon gar nicht eins dieser Größenordnung. Vor Erleichterung schwebte Lucy wie auf Wolken. „Ja, okay“, willigte sie dankbar ein.

„Toll.“ Johnny sah auf seine Armbanduhr. „Himmel, ich muss los. Übrigens, er heißt Andrew Walker.“

Obwohl Lucy ihren Champagner nicht ausgetrunken hatte, stellte sie das Glas auf das Tablett eines vorbeigehenden Kellners und nahm sich geistesabwesend ein neues. Dabei rutschte sie fast aus. Sie hätte diese High Heels nicht anziehen sollen. Schuhe waren Julias Ding, nicht ihres. Gekauft hatte sie die kornblumenblauen Riemchensandaletten mit den viel zu hohen Stilettoabsätzen nur, weil der Farbton perfekt zu ihrem Kleid passte.

Dummerweise waren die Dinger nicht für Parkettfußböden geeignet, besonders, da Tante Alice’ Boden auf altmodische Art geputzt und so glatt wie eine Eisbahn war.

Hilfesuchend sah sie sich im Zimmer um, entdeckte aber weder ihre Eltern noch ihren Bruder. Gerade als sie überlegte, ob sie sich wohl auch unauffällig aus dem Staub machen konnte, tauchte plötzlich Marcus vor ihr auf.

„Meinst du nicht, du hast genug?“, fragte er kühl.

Von was? Genug davon, dich zu lieben? Genug davon, von dir zu träumen? Genug davon, zu wissen, dass du mich niemals lieben wirst? Oh ja, davon habe ich genug.

„Nein, habe ich nicht“, erwiderte Lucy jedoch. Sofort war der vertraute Kummer wieder da und wurde mit jeder Sekunde stärker, die sie in Marcus’ Gesellschaft verbrachte. Ein Kummer, der sie verzehrte, sie mit seinem quälenden Schmerz wahnsinnig machte, sodass sie kaum wusste, was sie sagte.

Jemand hinter ihr trat zurück und stieß dabei versehentlich gegen sie. Erschrocken rang Lucy nach Atem. Stilettos zusammen mit Liebeskummer sind nicht gut fürs Gleichgewicht, dachte sie deprimiert, als Marcus sie fest am Arm packte, damit sie nicht fiel.

„Wie viel Champagner hast du eigentlich getrunken?“

„Nicht genug“, erwiderte sie flapsig.

„Du kannst kaum noch stehen“, kritisierte er sie.

„Na und?“ Trotzig warf sie den Kopf zurück. Sie provozierte Marcus! Was, in aller Welt, passierte gerade mit ihr? Sie brachte ihn auf die Palme und wurde übermütig dabei. Und sie konnte nichts dagegen tun. „Tatsächlich hätte ich gern noch etwas Champagner. Ich feiere nämlich, weißt du.“ Bevor Marcus es ihr wegnehmen konnte, leerte sie ihr Glas und sah sich nach einem Kellner um. Zwar fühlten sich ihre Lippen inzwischen ein bisschen taub an, aber ihre Zehen auch, und die waren schließlich überhaupt nicht mit Champagner in Kontakt gekommen.

„Was feierst du?“, fragte Marcus kurz angebunden.

„Mein Wunder“, erwiderte Lucy.

„Das einzige Wunder hier ist, dass du noch stehen kannst.“

Jetzt war der Kellner fast auf gleicher Höhe mit ihr. Sie wollte sich einen vollen Kelch von seinem Tablett nehmen, aber Marcus umfasste ihre Hand, bevor Lucy das Glas hochheben konnte.

„Lass es, wo es ist“, befahl er ruhig.

„Ich bin durstig“, protestierte sie. Es dürstete sie nach seinem Kuss, dürstete sie nach seinem Mund auf ihrer Haut, überall. Sie sah auf die langen kräftigen Finger, die ihre umschlossen, und wünschte sich, seine Hand mit Lippen und Zunge zu erforschen. Unbändige Sehnsucht durchflutete Lucy, bis sie ganz von ihr erfüllt war.

„Es wird Zeit, dass wir gehen.“

Marcus’ kühle harte Stimme beruhigte Lucys überhitzte Gedanken. „Wir?“, fragte sie argwöhnisch.

„Ja, wir. Ich wollte sowieso gerade gehen, und wenn du nicht willst, dass dich die anderen Gäste deiner Großtante ausgestreckt auf dem Parkett liegen sehen, solltest du besser mitkommen. Tatsächlich bestehe ich darauf.“

„Du bist mein Treuhänder, Marcus, nicht mein Vormund oder mein Wächter.“

„Im Moment bin ich ein Mann, der kurz davor ist, die Geduld zu verlieren. Außerdem muss ich mit dir über Prêt a Party reden.“

Lucy versteifte sich. „Wenn du mir wieder eine Standpauke wegen Nick halten willst …“, begann sie, aber Marcus ignorierte sie und sprach einfach weiter.

„Ich habe vor einer Weile mal erwähnt, dass Beatrice’ Mann fünfzig wird und sie eine Überraschungsparty für ihn geben möchte. Erinnerst du dich daran?“

„Ja.“ Beatrice war Marcus’ ältere Schwester und ihr Mann George ein großes Tier in den mysteriösen höchsten Ebenen des Staatsdienstes.

„Ich werde sie diese Woche besuchen, und Beatrice hat vorgeschlagen, dass ich dich mitbringe, damit sie ihre Pläne für die Party mit dir besprechen kann. Ich dachte, du möchtest vielleicht erst in deinem Terminkalender nachsehen, bevor wir den Tag festsetzen.“

Im Moment war Lucy für jeden Auftrag dankbar, selbst wenn sie Zeit mit Marcus verbringen musste, um ihn zu bekommen. „Ich bin diese Woche einigermaßen frei“, erwiderte sie so lässig wie möglich. Tatsächlich hatte sie eine völlig freie Woche vor sich. Eine Werbeparty für einen Sportmodehersteller war der einzige Event im ganzen nächsten Monat.

Irgendwie hatten sie die Tür zur Diele erreicht, wo ihre Großtante schon einige andere Gäste verabschiedete. Marcus zog sie rücksichtslos hinter sich her, und Lucy überlegte, ob er sie wohl buchstäblich übers Parkett schleifen würde, wenn sie sich weigern sollte.

„Du gehst zu schnell“, beschwerte sie sich atemlos und gab ein erschrockenes „Uff“ von sich, als Marcus auf einmal stehen blieb und sie gegen ihn prallte.

Körperkontakt mit Marcus. Sie roch den schwachen Zitronenduft seines Eau de Cologne, und plötzlich stiegen ihr Tränen in die Augen. Wie viele Stunden hatte sie schon in den Männerkosmetikabteilungen exklusiver Warenhäuser verbracht, nachdem sie den Duft zum ersten Mal an Marcus gerochen hatte? An zig Flaschen hatte sie geschnuppert, hatte getestet, gesucht und gehofft, den Duft wiederzuerkennen. Dann hätte sie sich eine Flasche kaufen und ihn tragen oder auf ihr Kopfkissen sprühen können, um sich Marcus näher zu fühlen. Aber sie hatte nie herausgefunden, welches Eau de Cologne er benutzte.

Wenn er sie doch jetzt nur an sich ziehen und küssen würde … Ihr brannte das Gesicht, als er von ihr abrückte, sie aber weiter am Arm festhielt.

„Marcus, lieber Junge, wie nett von dir, dass du gekommen bist. Und Lucy …“

Der fast flirtende herzliche Ton ihrer Großtante kühlte bei ihrem Namen deutlich ab, wie Lucy feststellte. Gab es überhaupt eine Frau auf der Welt, die immun gegen Marcus’ ganz eigene Art von männlichem Charme war?

„Eine wirklich wunderbare Feier, Alice. Danke, dass du mich eingeladen hast.“

„Mein lieber Junge, wie könnte ich dich nicht einladen? Schließlich kümmert sich deine Familie schon seit dem Krieg Napoleons gegen die Spanier um die finanziellen Angelegenheiten unserer Familie. Natürlich hätte ich etwas zu essen reichen sollen, nur hat Lucy mich dabei leider im Stich gelassen.“

Empört rang Lucy nach Luft. „Das ist … Autsch!“, protestierte sie, als Marcus ihr auf die Zehen trat. Anschließend zerrte er sie wie eine Gefangene in aller Eile aus der Wohnung. Johnson musste ihr die Kaschmirjacke so gut wie zuwerfen, und Lucy hielt sie fest mit einer Hand umklammert.

„Ist dir eigentlich klar, dass du auf meinen Zehen gestanden hast?“, schimpfte Lucy draußen auf der Straße.

„Besser mein Fuß auf deinen Zehen, als dass du ins Fettnäpfchen trittst.“

Es dauerte einen Moment, bis sie verstand, was Marcus meinte. „Großtante Alice hat sich gegen Essen entschieden. Damit hatte ich nichts zu tun.“

„Manchmal erstaunst du mich, Lucy“, erwiderte er. „Hat dir noch nie jemand erklärt, dass ein bisschen Taktgefühl gut fürs Geschäft ist?“

„Das musst du gerade sagen! Du bist nie taktvoll, wenn du mit mir sprichst.“

„Bestimmte Situationen erfordern stärkere Maßnahmen.“

„Wenn du auf meine Ehe anspielst …“, begann Lucy heftig und verstummte. Mit Marcus über ihre Ehe zu reden war zu gefährlich. Keinesfalls wollte sie, dass er das Warum und Weshalb ihrer Beziehung zu Nick ergründete. Sinnlos, sich auf eine Auseinandersetzung einzulassen, die sie nicht gewinnen konnte. „Lass mich jetzt endlich los!“, fauchte sie ihn stattdessen an. Doch Marcus hielt sie weiter fest, während er ein Taxi herbeiwinkte. Und dann stieß er sie fast ins Auto. Als er sich neben sie setzte, rutschte sie demonstrativ so weit weg von ihm, wie sie konnte.

„Wohin?“, fragte der Taxifahrer.

„Wendover Square einundzwanzig.“

„Arncott Street.“

Sie antworteten gleichzeitig.

„Entscheiden Sie sich, bitte“, bat der Fahrer.

„Wendover Square“, wiederholte Marcus.

Lucy starrte ihn finster an. „Mich zuerst abzusetzen wäre einfacher gewesen.“

„Ich will mit dir reden“, entgegnete er kühl.

„Dann tu’s doch.“

„Unter vier Augen“, erklärte er energisch.

Der Taxifahrer bog auf den Wendover Square ein, der mit seinen eleganten georgianischen Häusern einer der attraktivsten privaten Plätze Londons war.

Marcus’ Haus – in dem alle seine Vorfahren gelebt hatten, bis zurück zu dem Canning, der die Bank zur Zeit des Peninsularkrieges Napoleons gegen die Spanier gegründet hatte – besaß die beste Lage am Platz. Vier Stockwerke hoch, mit einem Säulenvorbau und einem großen Garten an der Rückseite, war es das typische Wohnhaus einer vornehmen Familie, und Lucy bemerkte, wie beeindruckt der Taxifahrer war, als er davor hielt.

„Ich hoffe wirklich, dass unser Gespräch nicht allzu lange dauern wird.“ Lucy versuchte, geschäftsmäßig zu klingen, was ihr jedoch schwerfiel, da ihr von der Autofahrt schwindlig war und sie aus irgendeinem Grund nicht deutlich sprechen konnte. „Keine Mrs. Crabtree?“, brachte sie gerade noch heraus, als Marcus die Tür öffnete und seine Haushälterin nicht umgehend auftauchte. Die Frau behandelte ihren Arbeitgeber wie einen Gott.

„Sie ist zu ihrer Tochter gefahren, um ihr mit dem Neugeborenen zu helfen.“

„Huch!“ Lucy stolperte in die Eingangshalle und ließ vor Schreck die Kaschmirjacke fallen.

„Ich habe dir doch gesagt, dass du zu viel getrunken hast. Und in deinem Zustand kannst du zweifellos nirgendwo allein hingehen.“

Marcus’ Beschuldigung tat weh, umso mehr, weil es einfach nicht stimmte. Sie trank nicht! Aber bevor sie ihm das erklären konnte, sprach er schon weiter.

„Du bist nicht mehr auf dem Laufenden, Lucy. Der beschwipste Bridget-Jones-Typ in den Dreißigern ist passé. In ist jetzt die engagierte berufstätige Mutter mit zwei Kindern und Ehemann. Und wenn du mir nicht glaubst, sieh dir deine Freundinnen an. Carly und Julia sind inzwischen beide Ehefrau und Mutter.“

Als müsste ich daran erinnert werden, dachte Lucy traurig. „Ich bin nicht in den Dreißigern. Und falls du es vergessen hast, ich war verheiratet.“

„Wie, zum Teufel, sollte irgendjemand das vergessen?“

„Und ich habe nicht zu viel getrunken“, fügte Lucy energisch hinzu.

Marcus warf ihr einen Blick zu, bei dem sie tiefrot wurde.

„Nicht? Tja, wenn du in dem Zustand warst, als Nick Blayne dich aufgerissen hat, ist es kein Wunder …“

„Dass ich mit ihm ins Bett gegangen bin?“, unterbrach ihn Lucy. „Nur zu deiner Information, ich bin mit ihm ins Bett gegangen, weil …“

„Verschon mich damit, wie sehr du ihn geliebt hast. Nick hat dich ausgenutzt – finanziell, emotional und nach meinem Eindruck von ihm auch sexuell. Du hast dich von ihm ausbeuten lassen, Lucy. Ich hätte gedacht, dass selbst eine sechzehnjährige Jungfrau sofort wüsste, was für ein mieser Typ er ist.“

„Sechzehnjährige Jungfrauen haben wahrscheinlich bessere Augen als ledige Frauen über zwanzig“, erwiderte Lucy flapsig. Wie oft hatte sie sich schon mit Flapsigkeit zu wehren versucht, wenn Marcus seine Breitseiten gegen sie abfeuerte? Oft genug, um zu wissen, dass sie ihn damit nur noch wütender machte. Aber was konnte sie sonst tun? Ohne ihren Schutzschild aus gespielter Lässigkeit würde sie sich vermutlich in ein schluchzendes schwaches Nervenbündel verwandeln, und das würde ihm noch weniger gefallen!

„Ich habe Nick geliebt“, log sie verzweifelt.

„Wirklich? Oder wolltest du nur mit ihm ins Bett?“

„Heutzutage muss eine Frau nicht heiraten, um mit einem Mann zu schlafen. Sie muss ihn nicht einmal lieben. Sie kann es einfach tun.“

Verächtlich sah Marcus sie an. „Weißt du, wie provozierend das klingt? Und wie verwundbar du bist?“

„Was meinst du damit?“

„Ich meine, dass dich im Moment jeder Mann ins Bett bekommen könnte.“

„Das ist nicht wahr!“

„Soll ich es dir beweisen?“

„Kannst du nicht“, behauptete Lucy leichtsinnig.

„Nein?“

Er griff so plötzlich nach ihr, dass sie nicht einmal Zeit hatte, daran zu denken, ihm auszuweichen. Im nächsten Moment hielt er sie in seinen Armen und küsste sie aus Wut und männlichem Stolz hart auf den Mund. Und Lucy hatte überhaupt nichts dagegen. Zumal die Wirkung viel stärker war als das Sprudeln von tausend Flaschen Champagner. Er küsste sie.

Marcus küsste sie!

3. KAPITEL

„Oh. Hmm …“ Glücklich schlang Lucy ihm die Arme um den Nacken und gab ihrem Verlangen nach. Sie hatte Marcus zu sehr und zu lange begehrt, als dass sie jetzt diesem … diesem Wunder widerstehen könnte. Berauscht von den Empfindungen, die er in ihr weckte, schmiegte sie sich noch enger an ihn. „Oh Marcus …“, seufzte sie, als sie spürte, dass er erregt wurde.

„Lucy … nein!“ Abrupt stieß er sie weg. „Ich habe dich hierhergebracht, um genau so eine Situation zu vermeiden“, sagte er schroff. „Wenn ich dich allein nach Hause hätte gehen lassen …“

„Und wenn ich sie nicht vermeiden will?“, fragte Lucy herausfordernd. „Wenn ich mir wünsche …“ Was, in aller Welt, redete sie denn da? Noch eine Minute, und sie würde Marcus verraten, dass sie davon träumte, seit sie ihm zum ersten Mal in seinem Büro gegenübergestanden hatte.

„Was du willst, spielt keine Rolle“, erwiderte er scharf. „Du musst deinen Champagnerrausch ausschlafen.“

Gedemütigt ging Lucy zur Tür. „Dann sollte ich besser nach Hause“, meinte sie bockig. Betrunken war sie zwar nicht, aber die eineinhalb Glas Champagner, die sie insgesamt getrunken hatte, waren ein ganzes Glas mehr, als sie normalerweise trank – und auf leeren Magen. Dazu kam, dass sie mit Marcus allein in seinem Haus war und so starke Gefühle für ihn hatte. Zweifellos wirkte all das zusammen und führte zu dem brennenden Wunsch, die so lange geheim gehaltenen Wünsche in die Tat umzusetzen. Obwohl ihr schwindlig vor Lust und Sehnsucht war, hatte sie sich noch unter Kontrolle und erkannte, dass sie im Moment am besten in einem bequemen Bett und ohne Marcus aufgehoben war.

„Kommt nicht infrage.“ Marcus hielt sie am Arm zurück. „Du kannst deinen Rausch hier ausschlafen. Los, ab nach oben.“

Er führte sie im Polizeigriff die Treppe hoch! Wütend versuchte Lucy, sich loszureißen. Zu ihrem Ärger verlor sie auf den Stilettoabsätzen auch noch das Gleichgewicht.

„So, das war’s.“ Marcus hob sie hoch und trug Lucy die letzten Stufen hinauf.

Das Gesicht an seine Schulter gedrückt, eine Hand auf seiner Brust, fühlte sich Lucy, als wäre sie plötzlich eine erotische Lucy im Wunderland geworden, die in eine zauberhafte Fantasiewelt gestürzt war.

Am Ende des Flurs stieß Marcus wie ein echter Hollywoodheld eine Tür mit dem Fuß auf. Offensichtlich standen sie in einem Gästezimmer, tadellos sauber und mit einem ziemlich altmodischen und sehr konventionellen Mix aus Chintz und schweren geerbten Möbeln eingerichtet.

Nicht, dass Lucy große Lust hatte, sich die Möbel genau anzusehen. Nicht, wenn Marcus sie gerade so herrlich langsam an seinem Körper hinuntergleiten ließ. Und dann zurücktreten wollte, wie ihr klar wurde. Aber das würde sie ihm nicht erlauben.

Wie ein Adrenalinstoß verwandelte dieser Gedanke sie in eine Frau, die sie kaum wiedererkannte. Eine Frau, die wissen wollte, warum sie nicht bekommen sollte, was sie sich wünschte. Warum sie sich nicht wie andere verhalten und sich einfach nehmen sollte, was sie sich wünschte. Warum sie nicht einmal in ihrem Leben ihren eigenen Bedürfnissen den Vorrang einräumen sollte.

Noch nie hatte sie etwas so Faszinierendes und überwältigend Verlockendes erlebt, und sie würde die Gelegenheit nutzen und Marcus dazu verleiten, mit ihr zu schlafen! Anstatt sich zu versagen, was sie sich so verzweifelt wünschte, würde sie einfach tun, was andere Frauen ständig taten. Warum sollte sie immer diejenige sein, die verzichtete? Diese eine Nacht wollte sie sich gönnen.

Und morgen? Wenn sie sich Marcus’ Zorn und Zurückweisung stellen musste?

Seit Jahren ertrug sie seine Zurückweisung. Die Erinnerungen an eine leidenschaftliche Nacht mit ihm würden sie ihr in Zukunft versüßen.

„Marcus“, flüsterte Lucy an seinen Lippen. Sie rieb sich an ihm und bemerkte zunächst nicht, dass durch ihre Bewegungen die Druckknöpfe an ihrem zarten Seidenchiffonkleid aufsprangen. Als die heruntergerutschten Ärmel sie störten, ließ sie einfach die Arme sinken, sodass das Kleid zu Boden fiel. Nur in ihren High Heels, einem dünnen Seidenmieder und dazu passenden Shorts schmiegte sie sich wieder an Marcus. Lächerlich vielleicht, aber nach der Scheidung von Nick war sie als Erstes in den Laden „Agent Provocateur“ gegangen, an dem sie jeden Tag auf dem Weg ins Büro vorbeikam, und hatte sich die Art von Dessous gekauft, auf die jede sinnliche Frau ein Recht hatte – selbst wenn ihr Mann sie frigide nannte.

Sie bemerkte, dass Marcus sie fest an den Oberarmen packte und etwas sagte, während sie mit dem Mund genussvoll seinen Hals liebkoste und den Duft seiner Haut einatmete. Versunken in den wunderbaren Moment, in das, was gerade passierte, achtete Lucy nicht auf seine Worte. Warum reden, wenn wir doch viel Schöneres tun können, dachte sie, als sie die vertraute Fantasievorstellung heraufbeschwor, die sie so lange getröstet hatte. Die Fantasievorstellung, in der Marcus ihr einfach nicht widerstehen konnte und es auch nicht wollte. Der arme Marcus. In all diesen Sachen fühlte er sich wahrscheinlich schrecklich unbehaglich. Das zugeknöpfte Hemd, die Krawatte – sicher konnte sie ihm helfen, sich auszuziehen.

Zuerst versuchte sie es mit der Krawatte und zog ungeduldig an dem Knoten.

„Lucy!“

„Hm?“ So schwer konnte es doch wohl nicht sein, eine Krawatte zu lösen?

„Lucy“, Marcus legte die Hände auf ihre.

Lächelnd sah sie auf. Wollte er ihr helfen, weil er es nicht erwarten konnte, seine Sachen loszuwerden? Gerade als sie ihn fragen wollte, ruhte ihr Blick auf seinem Mund, und ihre Augen wurden dunkler vor Verlangen nach ihm. „Marcus“, flüsterte sie und drückte zärtlich ihre Lippen auf seine, bedeckte sie mit lauter kleinen Küssen, die immer kühner wurden. Marcus ließ ihre Hände los und packte sie an der Taille. So fest gehalten zu werden war nett, noch netter wäre es allerdings, wenn er ihre Brust berührte. Ohne lange zu überlegen, nahm Lucy einfach seine Hand und legte sie auf ihre Brust, während sie mit der Zunge seinen Mund liebkoste.

„Lucy!“

Was machte Marcus denn da? Er konnte sie doch nicht wegstoßen! Verzweifelt streckte sie die Arme aus, verlor die Balance und kippte nach hinten. Sofort griff er nach ihr, aber es war zu spät, und sie fielen beide aufs Bett. Marcus lag auf ihr und drückte sie mit seinem ganzen Gewicht auf die Matratze. Das fühlte sich so gut an. Er fühlte sich himmlisch an. Glücklich seufzend umarmte Lucy ihn und presste den Mund auf seinen.

Sie hörte Marcus aufstöhnen, und dann fuhren seine Finger durch ihr Haar, hielten ihren Kopf fest, und er küsste sie leidenschaftlich. Hatte sie tatsächlich zu wissen geglaubt, was ein Kuss war? Nichts hatte sie gewusst. Weniger als nichts, gab Lucy zu, als Lust und ungezügeltes Verlangen durch jede Pore ihres Körpers rasten. So fühlte es sich also an, wirklich von einem Mann erregt zu werden und auf ihn zu reagieren. Sofort wollte und brauchte sie mehr.

Benommen dachte Lucy, dass sie um ein Wunder gebeten und gleich zwei bekommen hatte. Funktionierte das etwa so? Wenn man sich sozusagen erst einmal auf Wunder eingestellt hatte, kamen sie tatsächlich, und zwar gleich mehrere von ihnen?

„Ich hoffe doch, es wird noch mehr geben“, flüsterte sie ekstatisch, als Marcus den Kuss beendete.

„Wie bitte?“ Marcus sah auf sie hinunter, ganz Ungeduld, Ärger und männliche Begierde.

„Ich möchte mehr. Viel mehr.“ Lucy lächelte ihn selig an.

„Du willst mehr?“

Warum sah er sie so an? Als könnte er nicht glauben, was er da hörte. Als wäre er nicht erregt.

Sie würde sich ihre Fantasievorstellung nicht zerstören lassen. Jetzt, da er sie geküsst hatte, konnte er ihr nicht länger verweigert werden. Sie wollte ihn, und sie würde ihn bekommen!

„Oh ja“, erwiderte sie. „Es ist so lange her, weißt du.“ So lange, seit sie ihn zum ersten Mal angesehen und sofort begehrt hatte. Ein Wunder ermöglichte es ihr plötzlich, ihn zu besitzen. Natürlich wollte sie mehr. Sie sah ihm in die Augen und gab der Versuchung nach, mit dem Mund seinen Hals zu liebkosen.

Marcus erbebte, und dann berührte er Lucy, wie sie es sich immer gewünscht hatte. Er streichelte ihre Brüste und schob die feine Seide des Mieders über ihre hart gewordenen Spitzen, bis Lucy vor Wonne hilflos stöhnte. Aber sie zahlte es ihm heim, indem sie seine Krawatte löste, ihm das Hemd aufknöpfte und seine Brust mit lauter kleinen Küssen bedeckte.

Sanft reizte sein Biss ihr Ohrläppchen, und dann küsste er sie auf die empfindliche Stelle gleich darunter. Intensive Lustgefühle durchfluteten Lucy, und sie bäumte sich ihm entgegen und öffnete unwillkürlich die Beine. Fest und verlockend spürte sie seine Erregung an ihrem Körper, während Marcus ihre Hüfte streichelte und dann die Hand tiefer gleiten ließ. Manche Frauen fanden Stringtangas sexy, aber im Moment waren ihre weiten Seidenshorts viel verlockender. Ohne sie ihr ausziehen zu müssen, konnte Marcus sie an ihrer intimsten Stelle berühren.

Als er sie dort streichelte und gleichzeitig eine harte Brustspitze in den Mund nahm, rang Lucy nach Atem. Sie spürte, wie sich ihr ganzer Körper anspannte. „Marcus, ich komme gleich“, protestierte sie heiser.

Er sah auf, sah sie unverwandt an, während er weitermachte, sie ausgiebiger streichelte und reizte, bis sie so erregt war, dass … „Ich will erst kommen, wenn du in mir bist“, brachte sie mühsam hervor. Sehnsüchtig umfasste sie ihn durch den Stoff seiner Hose und erbebte heftig, als ihr bewusst wurde, wie groß und stark er wirklich war.

So schnell, wie Marcus sich auszog und auf sie schob, gab er ihr kaum Gelegenheit, den Anblick seines nackten Körpers zu genießen. Er küsste ihre Brüste, und seine Erregung pochte und rieb sich aufreizend gegen die Stelle, wo sie ihn voller Ungeduld erwartete, bis sie aufschrie und ihn anflehte, sie zu befriedigen.

In dem Moment, in dem sie die Augen aufschlug, wusste Lucy, dass sie nicht in ihrem eigenen Bett lag. Aber es dauerte einige Sekunden, bis ihr bewusst wurde, dass sie in Marcus’ Gästezimmer in seinem Haus am Wendover Square war.

Als ihr die Ereignisse des gestrigen Nachmittags und Abends wieder einfielen, stöhnte sie entsetzt auf. Was war nur in sie gefahren? Zugegeben, sie liebte Marcus und würde ihn immer lieben, aber sie hatte … Bei den schockierenden Erinnerungen brannte ihr Gesicht vor Scham.

Ein Blick auf ihre Armbanduhr sagte ihr, dass es zehn Uhr morgens war.

Ruckartig setzte Lucy sich auf. Das konnte nicht sein! Sie war immer spätestens um sieben aufgewacht, selbst in den Flitterwochen.

Andererseits hatte sie in der vergangenen Nacht mit Marcus Sex gehabt, wie sie ihn mit Nick nie erlebt hatte – weder in den Flitterwochen noch zu einem anderen Zeitpunkt.

Marcus? Wo war er? Scheu zog Lucy die Bettdecke hoch, um ihre nackten Brüste zu bedecken, obwohl sie instinktiv wusste, dass er nicht im Haus war. Er hatte ihre Sachen aufgehoben und ordentlich zusammengelegt, nur ihren Slip konnte sie nicht entdecken. Und am Spiegel der Kommode lehnte ein Briefumschlag mit ihrem Namen. Lucy stand auf und tappte zur Kommode. In dem Umschlag war ein Blatt Papier, darauf standen nur ein paar Zeilen:

Dein Slip ist im Trockner. Geh nicht, ohne zu frühstücken. Kaffee, Obst, Cornflakes etc. sind in den Schränken und im Kühlschrank. Melde mich heute Nachmittag wegen Besuch bei Beatrice.

Ihr Slip war im Trockner! Wie häuslich, wie autoritär – wie Marcus. Und gleichzeitig, wie schön zu wissen, dass er sauber war. Lucy gab ohne Weiteres zu, dass sie fast zu reinlich und ordentlich war.

Mochte die Einrichtung des Hauses auch ein bisschen altmodisch sein, das Gästebad war mit allem ausgestattet, was ein weiblicher Übernachtungsgast ohne Kulturtasche brauchte. Lucy lächelte anerkennend, als sie Duschlotion, Shampoo, Zahnbürste, Zahnpasta, einen Kamm, einen kleinen, ungeöffneten Tiegel Gesichtscreme und ein Deodorant entdeckte.

Zum Glück war ihr Haar von Natur aus glatt, sodass sie es nur unter der Dusche waschen und in Form kämmen musste. Bis sie im Büro ankam, wäre es trocken. Noch besser war, dass sie von hier aus direkt hingehen und sich dort umziehen konnte. Denn für alle Fälle hatte sie in der Agentur mehrere Sachen zum Wechseln.

Ihr Kopf schmerzte. Angst vor dem, was Marcus ihr wegen der vergangenen Nacht sagen würde, und Koffeinmangel, dachte Lucy, als sie in ihrem Seidenchiffonkleid nach unten ging.

Nachdem sie ihren Slip aus dem Wäscheraum geholt und schnell angezogen hatte – ganz gleich, wie schick es angeblich war, sie fühlte sich ohne einfach nicht wohl –, ging sie in die Küche, die natürlich tadellos sauber und aufgeräumt war.

Zehn Minuten später hatte sie alle Schränke durchsucht und nur koffeinfreien Kaffee gefunden. Offensichtlich stellte Marcus sich unter einem anständigen Frühstück etwas völlig anderes vor als sie. Koffeinfreier Kaffee. Naserümpfend machte sich Lucy eine Tasse und aß lustlos eine Banane.

Nicht nur der fehlende Koffeinschuss verursachte ihr ein flaues Gefühl in der Magengegend, sondern auch die Tatsache, dass sie in der vergangenen Nacht Marcus verführt hatte. Schließlich hatte sie sich ihm an den Hals geworfen. Doch ihr Gesicht brannte nicht allein aus Verlegenheit. Sie hatte zwar Schuldgefühle, schämte und fürchtete sich davor, Marcus gegenüberzutreten, aber gleichzeitig durchlebte sie noch einmal voller Wonne jede einzelne intime Liebkosung und jeden Kuss. So guten Sex wie mit Marcus hatte sie noch nie gehabt, außer in ihren wollüstigen Fantasievorstellungen.

Und meine Liebe zu ihm?, fragte sich Lucy traurig, als sie das Haus verließ und sich auf den kurzen Weg zu ihrem Büro in der Sloane Street machte. Sie liebte Marcus und wünschte sich so sehr, dass er ihre Liebe erwiderte. Doch ihr Verstand sagte ihr, dass das schlicht unmöglich war, und warnte sie vor dem Kummer und der Demütigung, die sie herausforderte.

Hin und her gerissen zwischen all diesen Emotionen, war es kein Wunder, dass sie hämmernde Kopfschmerzen hatte. Schnell ging Lucy in den Coffee-Shop, um sich ihren Koffeinschuss zu holen. Zu ihrer Erleichterung war sie die einzige Kundin.

„Wie immer?“, fragte die junge Frau hinter dem Tresen fröhlich.

„Bitte, Sarah – nein, machen Sie zwei draus. Und zwei Brownies.“

Sarah grinste sie an. „Koffein und Kohlenhydrate? Das muss ja eine tolle Nacht gewesen sein.“

„Die beste, zumindest das, woran ich mich erinnern kann.“ Lucy lachte und verdrehte die Augen. Aber nur der erste Teil ihrer gespielt unbeschwerten Antwort war die Wahrheit. Es war tatsächlich die beste Nacht ihres Lebens gewesen. Und sie wird es wahrscheinlich bleiben, dachte sie bekümmert, als sie mit ihren beiden Espressos und den Brownies zurück in den Vormittagssonnenschein ging.

Unter Garantie wollte Marcus keine Wiederholung, und jetzt, da ihre Fantasievorstellungen wahr geworden waren, würde sie niemals einen anderen Mann lieben können und niemals mit einem anderen Sex haben wollen.

Wie traurig, sich das eingestehen zu müssen. Lucy betrat das Gebäude, in dem ihre Büros lagen, und lächelte dem Portier Harry zu.

Früher hatte in den Räumen reges Leben geherrscht: ständig klingelnde Telefone, Kunden, die einen Besuch machten, das Gelächter ihrer beiden besten Freundinnen und Mitarbeiterinnen. Jetzt war es in der Agentur leer und still. Mit ihrem Kaffee und den Schokoladenkuchen balancierend, schloss Lucy mit dem Fuß die Tür und versuchte, nicht daran zu denken, wie Marcus am Vorabend die Tür des Gästezimmers mit dem Fuß aufgestoßen hatte … und was danach passiert war.

Fünf Minuten später hatte sie das Kleid gegen Jeans und ein T-Shirt ausgetauscht und den Slip sorgfältig eingepackt. Sie würde ihn noch einmal waschen und dann als sehr privates Andenken aufbewahren. Während sie den ersten Espresso trank, las sie ihre E-Mails. Keine Anfrage eines potenziellen Kunden. Einzig und allein die Werbeparty des Sportmodeherstellers für einen neuen Fußballschuh stand an, die in einem Schickimickinachtclub stattfinden würde, der bei TV-Promis, Models und Fußballern der Ersten Liga beliebt war.

Alles war schon organisiert, aber während Lucy ihren zweiten Espresso trank, prüfte sie noch einmal die Arbeitszettel. Als Grundlage für den ganzen Event hatte sie das Logo und die Farben des Herstellers genommen und spielte mit dem Thema „Mannschaftswettbewerb“. Cheerleader in einer hocherotischen Version eines Fußballdress würden die Hauptattraktion sein, dazu sollten ein neuer Cocktail und Miniportionen Curry mit Pommes in Plastikbehältern serviert werden.

Als das Telefon klingelte, sah Lucy besorgt hoch. Marcus. Das musste Marcus sein! Nervös befeuchtete sie sich die Lippen, bevor sie den Hörer abnahm.

„Dürfte ich bitte mit der Honourable Lucy Blayne sprechen?“

Wie konnte man gleichzeitig enttäuscht und erleichtert sein? „Hier ist Lucy Cardew“, verbesserte sie den Anrufer taktvoll.

„Oh, hallo. Andrew Walker. Ihr Cousin Johnny hat …“

Andrew Walker. Der Mann, der vielleicht Prêt a Party retten würde und das, was von ihrem Treuhandvermögen noch übrig war.

„Ja, natürlich!“, antwortete sie schnell.

„Hören Sie, ich weiß, es kommt ein bisschen plötzlich, aber ich bin ab morgen außer Landes. Hätten Sie vielleicht Zeit, sich heute mit mir zum Mittagessen zu treffen, damit wir die Sache besprechen und den Stein sozusagen ins Rollen bringen können?“

Lucy sah auf ihre Armbanduhr. Es war kurz nach zwölf. „Ich könnte ein spätes Essen um halb zwei schaffen.“

„Großartig. Ist Ihnen die Brasserie in der Pont Street recht?“

„Perfekt.“ Die Pont Street war gleich um die Ecke, und die Brasserie gehörte zu ihren Lieblingsrestaurants.

„Dann treffen wir uns dort um halb zwei.“

Nachdem sie aufgelegt hatte, blickte Lucy an sich herunter auf ihre Jeans. Für ein Geschäftsessen musste sie sich umziehen. Das Armani-Kostüm, natürlich – von ihren Freundinnen „die Rüstung“ genannt, weil Lucy es jedes Mal trug, wenn sie eine geschäftliche Besprechung hatte. Und immer, wenn sie zu Marcus ging, um Geld aus ihrem Treuhandvermögen zu erbitten.

4. KAPITEL

Um Punkt halb zwei, gestärkt mit zwei weiteren Tassen Espresso, kämpfte sich Lucy an den Paparazzi vorbei, die sich frech vor der Brasserie drängten und auf Prominente warteten. Die Empfangsdame erkannte Lucy und begrüßte sie mit einem herzlichen Lächeln, sobald sie die Tür aufstieß.

„Ich bin mit Mr. Walker verabredet, Andrew Walker.“

Der Maître d’hôtel kam auf sie zu. „Mr. Walker ist bereits hier und wartet an seinem Tisch.“

„Oh, Angelo, Sie sind zurück! War es schön bei Ihrem Sohn und Ihren Enkelkindern in Sydney?“, fragte Lucy freundlich.

„Der Junge macht sich so gut. Er hat inzwischen sein eigenes Restaurant“, erzählte ihr Angelo stolz, während er sie zu einem Tisch führte, der außer Hörweite der anderen stand.

Der Mann, der dort saß, stand auf und streckte ihr die Hand entgegen. „Andrew Walker“, stellte er sich vor.

Mit einem freundlichen Lächeln schüttelte Lucy ihm die Hand und setzte sich. „Hallo, Andrew. Lucy Cardew.“

Mittleren Alters, mittelgroß und mit einem nichtssagenden freundlichen Gesicht saß Andrew Walker ihr gegenüber. Sein eleganter Anzug war offensichtlich maßgeschneidert. Dasselbe galt für die Schuhe, und das Hemd stammte unverkennbar aus der Jermyn Street. Im Grunde trug er die gleichen Sachen wie Marcus, aber während Marcus sich in seinen förmlichen dunklen Anzügen und maßgeschneiderten Hemden völlig wohlfühlte, wirkte Andrew Walker in seiner Garderobe weitaus weniger souverän.

Während er den Ober heranwinkte, sagte er zu Lucy: „Ihr Cousin hat sicher erwähnt, dass ich daran interessiert bin, Geld in Ihr Unternehmen zu investieren?“

„Ja“, gab Lucy zu. Sie dankte dem Ober für die Speisekarte und schüttelte den Kopf, als Andrew Walker fragte, welchen Wein sie gern hätte. „Danke, nur Wasser für mich.“

Erst nachdem das Essen serviert worden war, sprach Andrew wieder über seine Pläne, und selbst dann beugte er sich über den Tisch und dämpfte verschwörerisch die Stimme. „Ich muss darauf bestehen, dass Sie in diesem Stadium der Verhandlungen mit niemandem sonst darüber reden.“

„Mein Anwalt wird es ja wohl erfahren müssen“, protestierte Lucy.

„Letztlich, vielleicht. Ich würde es allerdings vorziehen, wenn mein Anwalt zuerst alle notwendigen Verträge aufsetzt. Der Erfolg meines Unternehmens hat leider dazu geführt, dass viele Leute unbedingt meine zukünftigen Investitionspläne herausfinden wollen. Wie viele Aufträge haben Sie zurzeit in Arbeit?“

„Sehr wenige“, gab Lucy ehrlich zu. „Ich nehme an, Sie kennen die finanziellen Probleme, denen ich mich im Anschluss an meine Scheidung stellen musste?“

„Natürlich.“

„Im nächsten Monat habe ich einen großen Event, die Werbeparty für einen neuen Fußballschuh.“

„Lohnen sich solche Aufträge?“

„Im Vergleich zu denen von Privatleuten bringen Firmenaufträge viel mehr Gewinn“, erklärte Lucy. „Wenn ich Kunden mein Adressbuch zugänglich mache, damit genug Promis zu dem Event kommen, die eine maximale Presseberichterstattung sichern, kann ich mehr in Rechnung stellen als für die Organisation eines privaten Events, wo der Kunde die Gästeliste liefert. Bei einer Lancierungsparty sind Prominente ein Muss. Für diesen Event, zum Beispiel, gewährleistet der Kunde die Anwesenheit des Fußballstars, der das Werbegesicht für die Marke ist, und ich habe Einladungen an alle Prominenten in meinem Adressbuch geschickt, die garantiert die Presse zu der Party locken.“

„Wer ist ‚alle‘?“

Lucy zuckte die Schultern. „Topmodels und Seifenopernstars – die erste Garde, nicht die B- oder C-Liste –, ein paar It-Girls, Kinder von Rockstars und einige der kontaktfreudigeren Dotcom-Millionäre. Leute, die glamourös und für die Medien interessant sind. Sie werden dem Event Glanz verleihen.“