TRUE CRIME DEUTSCHLAND 3 - Adrian Langenscheid - E-Book
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TRUE CRIME DEUTSCHLAND 3 E-Book

Adrian Langenscheid

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Beschreibung

Deutschlands erfolgsgekrönter True Crime–Bestsellerautor Adrian Langenscheid entfesselt mit seinen Kurzgeschichten über die spektakulärsten deutschen Kriminalfälle herzklopfendes Suchtlesen. Schonungslos und sachlich wirft der Experte für wahre Verbrechen in Zusammenarbeit mit Thrillerautor Benjamin Rickert einen Blick auf die Schattenseiten Deutschlands. Es ist ein atemberaubendes und zutiefst erschütterndes Portrait menschlicher Abgründe. Gefesselt, fassungslos, verblüfft und zu Tränen gerührt werden Sie alles in Frage stellen, was Sie über die menschliche Natur zu wissen glauben; denn nichts ist grausamer als das Leben selbst. » Ein Muss für jeden True Crime-Fan « – True Crime Podcast – Wahre Verbrechen

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Adrian Langenscheid

Benjamin Rickert

TRUE

CRIME

DEUTSCHLAND 3

Wahre Verbrechen

Echte Kriminalfälle

Impressum

Autoren: Adrian Langenscheid, Benjamin Rickert, Stefanie Löschmann

Lektorat: Hannah Thier, BA, MSc.

1. Auflage Juli 2021

© 2021 Stefan Waidelich, Zeisigweg 6, 72212 Altensteig

Druckerei: Amazon Media EU S.á r.l., 5 Rue Plaetis, L-2338, Luxembourg

Coverbild: © Canva (canva.com)

Covergestaltung: Pixa Heros, Stuttgart

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Rechteinhabers und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Einige Dialoge und Äußerungen, der in diesem Buch auftretenden Personen sind nicht wortgetreu zitiert, sondern dem Sinn und Inhalt nach wiedergegeben.

Adrian Langenscheid

Benjamin Rickert

TRUE CRIME DEUTSCHLAND 3

Wahre Verbrechen – Echte Kriminalfälle

Über dieses Buch:

Eiskalte Serienmörder, verhängnisvolle Familiendramen, tragische Entführungen, niederträchtige Folter und skrupelloser Missbrauch: zehn schockierende True Crime-Kurzgeschichten zu wahren Kriminalfällen aus Deutschland.

Gefesselt, fassungslos, verblüfft und zu Tränen gerührt werden Sie alles in Frage stellen, was Sie über die menschliche Natur zu wissen glauben. Das Leben schreibt entsetzliche Geschichten und dieses Buch fasst sie zusammen. Tauchen Sie ein in die schockierende Welt der wahren Kriminalfälle und der echten Verbrechen!

Über die Autoren:

Adrian Langenscheid ist Autor der erfolgreichen Buchserie True Crime International. Seine Bücher „True Crime Deutschland“, „True Crime USA“, „True Crime England“, „True Crime Schweden“, „True Crime Frankreich“ und „Finnland True Crime“ haben über die Grenzen Deutschlands hinaus Bestsellerstatus erlangt. Gemeinsam mit dem Thriller-Autor Benjamin Rickert knüpfen die beiden True Crime-Experten mit dem achten Band der Reihe an die beachtlichen Erfolge der Vorgänger an.

Inhalt

Vorwort

Kapitel 1: Blütenreiner Zaster

Kapitel 2: Besessen

Kapitel 3: Ein Bunker im Wald

Kapitel 4: Zerfressen

Kapitel 5: Endstation

Kapitel 6: Die herrenlose Hand

Kapitel 7: Linie 53 - Teil 1

Kapitel 8: Linie 53 - Teil 2

Kapitel 9: Der Zopfmann

Kapitel 10: Löwin

Kapitel 11: Menschenwürde

Schlusswort der Autoren

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True Crime International:

Quellen

„Die Geschichte ist nur ein Gemälde von Verbrechern und Drangsalen. Die Menge unschuldiger und friedlicher Menschen tritt auf diesem ungeheuren Schauplatz fast immer in den Hintergrund. Die Hauptpersonen sind nur ehrgeizige Schurken“.

- Voltaire (1694–1779), französischer Philosoph und Schriftsteller -

Vorwort

„Jetzt bekommst du mal so richtig eine auf die Fresse“, dachte ich mir, als er mich an die Wand drückte. Robert* war im Gegensatz zu mir ein Hüne, knapp zwei Köpfe größer und einigermaßen muskulös. Zumindest hatte er so viel Kraft, dass ich nun, mit dem Rücken zur Wand hochgehoben und nur durch seine Hände in der Luft gehalten, respektvoll in sein wutverzerrtes Gesicht schaute. Wäre dort am Mauerwerk eine Garderobe gewesen, er hätte mich wie eine Jacke aufgehängt. Die Wahl zwischen Flucht oder Kampf blieb mir in dieser ausweglosen Misere erspart. So fand ich mich mit der Situation ab und tat, was ich in Anbetracht meiner beschränkten Möglichkeiten als geringstes Übel ansah: ich holte aus und versetze Robert das Veilchen seines Lebens. Der Schlag saß, und mein persönlicher Goliath wich kurz von mir ab. Danach nahmen die Dinge ihren Lauf und ich „bekam ordentlich auf die Fresse“.

Wie es dazu kam? Das ist wohl eine lange und durchaus komplizierte Geschichte.

Sicher war es eine Jugendsünde und die Dummheit zweier Teenager. Direkt im Anschluss und mit schmerzenden Gliedern haben wir uns wieder versöhnt. Dem Veilchen sei Dank, verbreitete sich danach das Gerücht, der kleine Adrian habe den großen Robert mal so richtig vermöbelt.

Später war mein „Gegner“ der erste, der nach dem Schulabschluss einen Porsche durch die Straßen unserer Kleinstadt fuhr. Eines Tages hielt ihn die Polizei an und siehe da: eine Ladung Drogen im Kofferraum. Im darauffolgenden Verhör verpfiff Robert seine Kontaktmänner. Heute, nach einer verkürzten Haft, fristet der ehemalige Sträfling ein Dasein in Angst und Schrecken vor der Rache seiner damaligen „Freunde“.

Warum wurde Robert kriminell? Warum begehen Menschen überhaupt Verbrechen? Bewegen uns Machthunger, Geldgier, Sex oder das Streben nach Anerkennung und Adrenalinkicks zu Dummheiten – oder sogar abscheulichen Taten? Und wenn, wen trifft dann die Schuld? Die Erziehung? Das soziale Umfeld? Ist der Hang zum Bösen vielleicht sogar tief in unseren Genen verankert?

Das ist wohl eine lange und durchaus komplizierte Geschichte.

Adrian Langenscheid.

*Name geändert

» Der Verbrecher von gestern ist der Held von heute. «

- Fritz Bauer (1903–1968) Jurist, Remigrant, jüdischer Intellektueller, Sozialdemokrat -

Kapitel 1

Blütenreiner Zaster

Während Deutschland im September 2006 die letzten Tage des Spätsommers genießt, herrscht auf der Mülldeponie in Ossendorf, einem Stadtteil von Köln, helle Aufregung. Ein Mitarbeiter war beim Sortieren versehentlich mit der Gabel seines Gabelstaplers in einen blauen Plastiksack geraten. Eigentlich kein besonders außergewöhnlicher Vorfall, doch als sich der Deponiemitarbeiter den herausgequollenen Inhalt des Sacks genauer ansieht, staunt er nicht schlecht: Zwischen Papierfetzen kommen mehrere geschredderte Dollarnoten zum Vorschein. Da wohl kaum jemand echtes Geld zerkleinern würde und auf einer Mülldeponie loswerden will, verständigt der Mann die Polizei und schildert den Beamten den Vorfall.

Wenige Stunden später landet der Sack im Falschgelddezernat des Bundeskriminalamts (BKA) in Wiesbaden. Dort wird er von Kriminalhauptkommissar Leo Kleinhans genauer unter die Lupe genommen. Er stellt fest, dass es sich bei den Scheinen um qualitativ hochwertige „Andruckbögen“ handelt, also Probedrucke zur Überprüfung der Druckqualität. Die Polizei lässt weitere blaue Säcke sicherstellen, die ebenfalls voll mit geschredderten Dollarnoten sind. Bei Kleinhans schrillen alle Alarmglocken: Gibt es in Deutschland etwa eine Falschgelddruckerei? Stammen diese Blüten möglicherweise aus der Hand eines Mafiarings?

Die Polizei beginnt nun damit, den riesigen Haufen Falschgeldschnipsel zu durchsuchen; vielleicht findet sich unter den zahlreichen falschen Dollarnoten ein Hinweis auf den oder die Täter. Und tatsächlich: den Ermittlern fällt ein etwa zwei Millimeter dicker Papierstreifen in die Hände, der Teil eines Briefkopfs zu sein scheint. Es ist ein Erfolg, doch leider sind auf dem Stück bloß die Postleitzahl und der Wohnort zu erkennen.

Nach mehreren Wochen mühevoller Kleinarbeit entdecken die Ermittler schließlich das letzte, entscheidende Puzzlestück. Sie stellen fest, dass das Papier zu einem zerrissenen Briefkuvert der AXA-Versicherung gehört, adressiert an einen gewissen Hans-Jürgen Kuhl.

Die Anschrift führt die Ermittler zu einem Kunstatelier im Industriegebiet von Brauweiler, in der Nähe von Köln. Hier widmet sich der 65-jährige Hans-Jürgen Kuhl der Malerei. Gerade fertigt er Gemälde von Oldtimern an. Ein Rentner, der als Marionette eines nationalen, möglicherweise internationalen, Falschgeldvertriebs der Mafia agiert? Die Beamten wittern eine Sensation.

Um Kuhl und seinen vermeintlichen Hintermännern das Handwerk zu legen, beginnt das BKA mit drastischen Überwachungsmaßnahmen. Sie hören Kuhls Telefon ab, prüfen seine Kunden und beobachten jeden seiner Schritte durch das Teleobjektiv einer Kamera. Doch als die Observierung auch nach fünf Monaten ergebnislos bleibt, kommen bei den Beamten erste Zweifel auf. Könnte es sein, dass Kuhl gar nicht im Auftrag irgendwelcher Hintermänner handelt? Hat der Künstler überhaupt etwas mit der Sache zu tun oder wurde die Spur absichtlich zu ihm gelegt, um von den eigentlichen Tätern abzulenken? Aufgrund der hohen Qualität der Blüten ist sich das BKA sicher, dass die falschen Dollarnoten nur aus der Hand eines Profis stammen können. Doch wer steckt dahinter?

So einfach will sich das BKA allerdings nicht geschlagen geben. Da die gefundene Adresse die bisher einzige verwertbare Spur in diesem Fall ist, bleiben die Polizisten an Kuhl dran – und setzen zwei verdeckte Ermittlerinnen auf den Künstler an. Die Beamtinnen sollen sein Vertrauen gewinnen und ihn durch ein geschicktes Täuschungsmanöver in eine Falle tappen lassen.

Im Frühjahr 2007 kommt ein dunkles Cabrio der Marke BMW vor dem Kunstatelier in Brauweiler zum Stehen. Dem Auto entsteigt eine attraktive, exotisch aussehende junge Dame; gefolgt vom süßlichen Duft ihres Parfums. Nachdem sie von Kuhl, einem mittelgroßen, hageren Herrn mit grauen Haaren und Brille, hereingebeten wurde, stellt sich die Dame als Naomi Jefferson vor. Sie sei die Tochter einer Inderin und eines Briten, aufgewachsen in Mumbai und war dort von einem deutschen Kindermädchen betreut worden; ein Glücksfall wie sie berichtet, denn so lernte sie, neben ihren Muttersprachen Hindi und Englisch, auch noch Deutsch. Als sie zwölf Jahre alt war, seien ihre Eltern im Auftrag einer IT-Company mit ihr nach Düsseldorf gezogen. Nach ihrem Schulabschluss habe sie sowohl in London als auch in San Francisco studiert und sei nun seit mittlerweile acht Jahren als freiberufliche Beraterin für die indische Außenhandelskommission tätig. Auf einer Veranstaltung hatte die Dame eines der Werke Kuhls erworben und ihrem Schwager ein Bild davon geschickt. Dieser sei von dem Motiv – das Gesicht John F. Kennedys auf einem vergrößerten 100-DM-Schein – so begeistert gewesen, dass er sie fragte, ob Kuhl nicht so etwas ähnliches für sein Chefbüro anfertigen könne. Statt eines Gesichts soll jedoch ein pompöser Bau in Mumbai abgebildet sein und statt der Deutschen Mark möchte der Auftraggeber einen 10-Rupien-Schein verwendet wissen. Kuhl versichert ihr, den Auftrag auszuführen und bietet der jungen Dame an, auch noch Blumenmotive sowie Elefanten oder Rinder in das Bild miteinzuarbeiten. Jefferson zeigt sich begeistert und möchte wissen, ob das Bild genauso viel kostet wie das von ihr erworbene Kennedy-Motiv. „Ja“, bestätigt Kuhl mit ruhiger Stimme.

„Und wann denken Sie, ist das Werk fertig?“

„In zwei Wochen.“

Strahlend ergreift Jefferson seine Hand und bekräftigt überschwänglich, wie schön es doch sei, dass sie sich kennengelernt haben. Als sie Kuhls Hand wieder loslässt, bemerkt der Künstler verblüfft, dass sich darin nun fünfzehn 100-Euro-Scheine, verborgen unter einer 10-Rupien-Note, befinden.

„Ist eine Anzahlung bei Künstlern nicht üblich?“, möchte Jefferson verunsichert wissen.

Kuhl lächelt. „Nicht unbedingt“, sagt er, „aber durchaus gern gesehen.“

Zwei Wochen später klingelt im Kunstatelier Kuhl das Telefon; am Apparat meldet sich Naomi Jefferson. Sie möchte wissen, ob das von ihr bestellte Bild fertig sei. „Natürlich“, antwortet Kuhl, der seine Versprechen immer einzuhalten pflegt. Begeistert schlägt Jefferson vor, am übernächsten Tag gegen 16 Uhr vorbeizukommen. Kuhl ist einverstanden.

Zwei Tage später, eine dreiviertel Stunde vor dem vereinbarten Termin, klingelt im Atelier des Künstlers erneut das Telefon. Wieder ist es Frau Jefferson, die Kuhl den Tränen nahe berichtet, dass sie vom indischen Botschafter in die Hauptstadt zitiert wurde und den Termin daher nicht wahrnehmen könne. Stattdessen würde eine Bekannte um 16 Uhr vorbeikommen und das Bild abholen. Kuhl gibt sich am Telefon zwar verständnisvoll, ist innerlich allerdings ein klein wenig enttäuscht; hatte er sich auf das Treffen mit der charmanten Dame von der Handelskommission doch eingehend vorbereitet. Mit elegantem Hemd, glatt rasiertem Gesicht und einem verführerischen Duft auf den Wangen wollte Kuhl bei Jefferson Eindruck schinden. Er hatte sogar extra einen kleinen Käsekuchen besorgt, um bei einer dampfenden Tasse Kaffee mit der Frau ins Gespräch zu kommen.

Um kurz nach 16 Uhr steigt eine etwa dreißig Jahre alte, schlanke Frau mit kurzen, blonden Haaren und blauen Augen aus einem silbernen VW-Golf. Sie trägt eine Jeans und Bowlingschuhe, dazu ein rund ausgeschnittenes, weißes T-Shirt unter einem hellbraunen Lederblouson.

„Bin ich hier richtig bei Hans-Jürgen Kuhl?“, fragt sie, als sie die Wagentüre hinter sich schließt.

„Goldrichtig“, antwortet Kuhl, der erwartungsvoll in der geöffneten Ateliertür steht.

„Mein Name ist Marie Falkenthal, Frau Jefferson hat mich gebeten …“

„Ich weiß Bescheid“, unterbricht Kuhl sie. „Sie können das Bild mitnehmen, es ist fertig. Kommen Sie herein.“ Die beiden reichen sich die Hand und Frau Falkenthal folgt dem Künstler ins Innere seiner Werkstatt, wo sie zunächst mit bescheidenem Blick die Vielzahl an Kunstwerken an den Wänden mustert.

„Das sind also die Sachen, die Sie so anfertigen“, stellt sie fest.

„Ein kleiner Teil“, erwidert Kuhl. „Es würde Tage dauern, Ihnen alles zu zeigen.“

„Mir gefallen Ihre Bilder sehr gut“, sagt Frau Falkenthal. „Ich kann nicht viel mit moderner Kunst anfangen. Aber Ihre Werke sehen gut aus. Die kann man sich an die Wand hängen oder auch verschenken.“ Geschmeichelt bedankt sich Kuhl bei der Frau und bittet sie, ihm zu folgen.

„Hier ist das Prachtstück“, sagt Kuhl, als er auf ein Bild deutet, das auf einer Staffelei neben der Eingangstür steht. „Fabelhaft!“, schwärmt Frau Falkenthal und nimmt das Kunstwerk genauer unter die Lupe. Rote, gelbe und orangene Farben bilden den Hintergrund des Himmels, der mit Lotusblüten vollgehangen ist. Der 10-Rupien-Schein ist auf dem Vorplatz des glanzvollen Gebäudes platziert, ein Elefant schaut von der rechten Seite ins Bild.

„Sie sind ein wahrer Meister Ihres Fachs!“, fügt Frau Falkenthal hinzu und zieht ein Kuvert aus ihrer Handtasche, welches sie dem Künstler reicht. „Das soll ich Ihnen von Frau Jefferson überreichen.“ Kuhl nimmt den Briefumschlag dankend entgegen. „Zählen Sie ruhig nach“, sagt Frau Falkenthal. „Nicht nötig“, erwidert Kuhl und steckt das zusammengefaltete Kuvert in die Brusttasche seines Hemds. Nach einigen Sekunden betretenen Schweigens bietet Kuhl der jungen Frau an, ihm bei einer Tasse Kaffee und einem Stück Käsekuchen noch ein wenig Gesellschaft zu leisten. „Mit Vergnügen!“

Die beiden lassen sich in einer Ecke des Ateliers auf zwei Barhockern an einem Stehtisch nieder. Während Kuhl Kaffee aufbrüht und den Kuchen anschneidet, kommen er und Frau Falkenthal ins Plaudern.

„Woher kennen Sie Frau Jefferson eigentlich?“, möchte Kuhl wissen. „Ich bin Eventmanagerin bei einer Firma in Essen namens Niagara“, erklärt Frau Falkenthal, „und die indische Kommission, in welcher Frau Jefferson tätig ist, veranstaltet oft Präsentationen oder Empfänge. Meine Aufgabe ist es, diese zu organisieren.“

„Interessant“, sagt Kuhl und beichtet, dass er früher auch immer gern Partys gefeiert habe, sich dies heute jedoch nicht mehr leisten könne. „Das verstehe ich“, sagt Frau Falkenthal nickend. Es sei sicherlich nicht einfach, mit Kunst seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Ob er denn auch graphische Arbeiten wie Logos, Layouts oder dergleichen anfertige?

„Theoretisch könnte ich es“, sagt Kuhl. „Doch leider gehen die Leute mit solchen Aufträgen eher zu Werbeagenturen.“

„Die Resultate sind aber meist grauenvoll“, sagt Frau Falkenthal. „Sie glauben gar nicht, wie oft wir uns mit irgendwelchen Agenturen herumärgern müssen!“

„Also, wenn Sie mal wieder etwas brauchen, ich helfe Ihnen gerne“, sagt Kuhl.

Zu seiner Überraschung steigt Frau Falkenthal sofort auf das Angebot ein und zieht einen Zettel aus ihrer Handtasche: „Da gäbe es tatsächlich etwas – haben Sie schon einmal Eintrittskarten erstellt?“ Zwar verneint Kuhl dies, erklärt aber, er habe alle nötigen Programme auf seinem Computer und würde sich dieser, seiner Ansicht nach, nicht allzu schweren Aufgabe gerne annehmen.

Als der Künstler wissen möchte, wofür die Eintrittskarten denn bestimmt sind, erzählt Frau Falkenthal von einem First-Class-Event im besten Hotel von Riga, der Hauptstadt von Lettland, das sie gerade organisiere. Sie habe zwar schon Eintrittskarten in Auftrag gegeben, diese hätten ihr jedoch nicht gefallen. Kuhl schlägt angesichts der gerade erfolgreich verarbeiteten 10-Rupien-Note vor, die Einladungskarte in ähnlicher Manier in Form eines golden verzierten, aufklappbaren 100-Dollar-Scheins zu gestalten. Falkenthal ist einverstanden, möchte aber, dass der Schein möglichst echt aussieht – kein Problem, wie Kuhl sie wissen lässt. „Wunderbar“, sagt Frau Falkenthal und fügt lachend hinzu: „Dann können Sie mir ja gleich eine Million mitdrucken!“

Drei Wochen später holt die Eventmanagerin die fertigen Eintrittskarten ab und zeigt sich begeistert von Qualität und Look des Druckes. Bei einer weiteren Runde Hefegebäck und Milchkaffee – diesmal zur Feier des erfolgreich ausgeführten Auftrages – plaudert Frau Falkenthal munter über die „trinkfesten und partygeilen“ Russen, die auch zu diesem Event kämen; da würden am Abend schon einmal einige Dollars über die Theke gehen.

„Neulich hat mich doch tatsächlich einer von denen gefragt, ob ich ihm nicht gefälschte Dollarnoten besorgen könne“, berichtet Frau Falkenthal. „Er meinte, er würde sofort fünf Millionen davon kaufen.“

„Soso“, erwidert Kuhl und richtet den Blick auf seine Kaffeetasse.

„Aber Sie sind ja Künstler und kein Krimineller, Herr Kuhl“, stellt Frau Falkenthal ironisch frustriert fest. „Sie wissen sicherlich nicht, wo ich so etwas bekommen könnte.“

„Nun … ich könnte mich mal in Druckerkreisen umhören“, sagt Kuhl. „Versprechen kann ich natürlich nichts.“

Es ist ein verregneter Dienstag im Oktober 1998. Kuhl zieht nachdenklich an seiner Zigarette, kurbelt das Fenster seines Porsches herunter und stößt den Rauch aus. Nachdem der Künstler einen ereignislosen Arbeitstag in seinem Atelier hinter sich gebracht hatte, war er mit dem Auto zunächst nach Aachen ins Casino gefahren. Als ihm dort jedoch das Glück nicht hold war, hatte ihn seine Intuition nach Köln getrieben, wo er das italienische Lokal „Bei Bepi“ in der Breite Straße aufsuchte.

Eigentlich erlaubt Kuhls finanzielle Situation solche kleinen Spielereien, wie etwa einen Besuch im Casino, nicht. Vorbei sind die Zeiten, in denen sich der Künstler regelmäßig auf Partys rumtrieb und er monatlich mehrere zehntausend Euro einnahm. Das Geld verdiente der gebürtige Nordrhein-Westfale jedoch keineswegs allein mit seinen Bildern.

Den Grundstein seiner Karriere legt Kuhl bereits in seiner Kindheit: mit acht Jahren malt er leidenschaftlich gerne Comic-Figuren und findet dafür sogar Abnehmer: die Bilder verscherbelt seine Mutter für vierzig Pfennig an die Nachbarn. Allerdings vernachlässigt der kleine Junge dafür seine Schulaufgaben. Nach nur drei Wochen auf dem Gymnasium verlieren die Lehrer die Geduld mit Hans-Jürgen Kuhl, er muss auf die Realschule wechseln, verfehlt allerdings auch dort die mittlere Reife.

Mit fünfzehn Jahren hat Kuhl keine Lust mehr, die Schulbank zu drücken und trampt ohne Schulabschluss durch Italien. Zurück in Deutschland kann er durch einen Glücksfall eine Ausbildung zum Fotokaufmann beginnen. Doch auch hier fehlt ihm die nötige Motivation, denn die Verlockungen des Nachtlebens ziehen ihn in seinen Bann.

In den Kölner Ringen, die zu jener Zeit aufgrund ihrer Unterweltgrößen sowie Nachtclubs einen schillernden Ruf genießen, ist Kuhl unter dem Spitznamen „De Duv“ – die Taube – bekannt. Woher dieses Pseudonym rührt, weiß der Künstler selbst nicht mehr so genau. Obwohl er meist mit „Stammkunden bei der Polizei“, also Wiederholungstätern, verkehrt, hält Kuhl selbst sich von krummen Geschäften weitestgehend fern.

Das Nachtleben wird dem Lebemann allerdings schon bald zum Verhängnis: da er erst nach Sonnenaufgang ins Bett fällt, kommt der Lehrling in der Berufsschule ständig zu spät, schwänzt später sogar den Unterricht. Um seine Gesellenprüfung trotzdem irgendwie zu bestehen, wagt er es im Alter von achtzehn Jahren, die Unterschrift seines Klassenlehrers selbst unter die Anwesenheitsliste im Lehrlingsheft zu setzen.

Das Ganze fliegt auf, als Kuhls Chef aus dem Fotoladen den Lehrer fragt, ob der Junge die Prüfung bestehen würde. Der Lehrer schätzt Kuhl als durchaus geeignet ein, kann aber nicht sagen, mit welcher Note, da sein Schüler bloß dreimal zum Unterricht erschienen sei. Kuhl besteht, wenn auch nur mit der Note „ausreichend“. Nach diesem – mehr oder weniger – erfolgreichen Abschluss seiner Ausbildung verkauft Kuhl noch eine Weile lang Kameras, kehrt der Fotobranche Mitte der Sechziger allerdings den Rücken zu und widmet sich einem neuen Geschäft.

Ausschlaggebend dafür sind die sogenannten „Hotpants“ – ein aus England stammender Trend, der allmählich nach Deutschland überschwappt. Da noch kaum ein deutsches Modehaus die kurzen Shorts im Sortiment hat, beschließt Kuhl, die Idee der Hotpants zu übernehmen und fertigt eigene Entwürfe aus Leder an.

Das Geschäft läuft so gut, dass Kuhl sein eigenes Modelabel gründet, welches er „Paloma“, Spanisch für „Taube“, tauft – eine Hommage an seinen Spitznamen in der Kölner Szene. Seine originellen Kollektionen schaffen es sogar auf die Titelseite der „VOGUE“ und Kuhl damit zu seiner ersten Million. Was folgt ist ein Leben voller Partys, teuren Autos, Drogen und ständig wechselnden Geschlechtspartnern.

Nach fast zwanzig Jahren in der High Society verliert der gelernte Fotokaufmann jedoch die Lust an der Mode und wendet sich Mitte der Achtziger der Kunst zu. Als Fan des amerikanischen Künstlers Andy Warhol ahmt Kuhl dessen Stil nach und bringt Motive vom Kölner Dom, Beethoven oder Marylin Monroe als Siebdruck-Bilder zu Papier; die Werke unterzeichnet er aber stets mit seinem eigenen Namen. Der Meister selbst kennt Kuhls Adaptionen und scheint sie zu tolerieren – zumindest wird der Kölner nie ernsthaft von Warhol dafür verklagt. Dies ermöglicht es ihm, täglich bis zu dreihundert Stück der Bilder für je einhundert Euro zu verkaufen.

Mit den Jahren ebbt der Hype um Kuhls Warhol-Kopien jedoch immer mehr ab, bis er schließlich ganz verschwindet.Seine Kunden wollen etwas Neues, denn Warhols Meisterwerke sind mittlerweile in jedem Baumarkt zu erstehen. Dies wirft den Kölner Künstler unerwartet in eine tiefe Krise. Da ihm allmählich das Geld auszugehen droht, spielt Kuhl mit dem Gedanken, einen Neuanfang auf Mallorca zu wagen – seit Ende der Achtziger neu erobertes Terrain der Deutschen.

Zusammen mit seinem Steuerberater geht er daraufhin seine Lagerbestände durch und kommt auf einen Verkaufswert von insgesamt 1,6 Millionen Mark. Doch keiner der von Kuhl kontaktierten Poster- und Kunstdruckunternehmen will diese horrende Summe für sein Repertoire aufbringen. Das Höchstgebot, 400.000 Mark von einer Hamburger Firma, ist Kuhl zu wenig; er will mindestens 600.000 Mark haben.

Resigniert widmet sich der Künstler wieder seinen wenigen Aufträgen und sucht verzweifelt nach einer Lösung für sein drohendes Geldproblem – bis zu jenem verregneten Dienstag im Oktober 1998.

Der einzige Gast, der an diesem Nachmittag an der Theke des italienischen Lokals „Bei Bepi“ sitzt, ist dem Kölner Künstler nur allzu gut bekannt: sein Freund Rickart*, der einen tadellosen Ruf in der Kölner Szene genießt. Diesen verdiente sich Rickart vor allem durch sein korrektes Verhalten, denn er ist alles andere als ein „profilierungssüchtiger Szene-Schwätzer“. Vermutlich war er auch deshalb immer wieder bei dem Versuch gescheitert, wohlhabend zu werden. Als sich die beiden Männer vor rund einem Jahr das letzte Mal gesehen hatten, war Rickart noch im innereuropäischen Schweinefleischhandel aktiv, der so manchem Grenzgänger, aufgrund der nicht gut durchdachten Subventionspolitik der EU, eine sprudelnde Geldquelle bot.

Als Kuhl sich der Theke nähert, wird auch Rickart auf ihn aufmerksam und rutscht von seinem Barhocker: „Hab‘ mir doch gedacht, dass ich dich hier treffe.“

„Wirklich?“, entgegnet Kuhl. „Also eigentlich war ich gerade auf dem Weg ins Klo, um mich mit der Kette vom Spülkasten aufzuhängen.“

Rickart lächelt. „Lass uns spazieren gehen“, sagt er und gibt Kuhl ein Zeichen, ihm zu folgen.

Zusammen laufen sie durch den strömenden Regen in Richtung Kölner Ringe, wo Kuhl seinen Porsche abgestellt hat; währenddessen führen die beiden ihre Plauderei fort. Kuhl möchte von Rickart wissen, ob er immer noch die „Sache mit dem Fleisch“ mache.

„Ach, hör mir auf“, schnaubt Rickart. „Da sahnen ein paar Große alles ab und die anderen hängen am Haken.“ Kuhl nickt.

„Und deine Bilder?“, fragt Rickart ihn.

„Könnte besser laufen.“

Die beiden steigen in Kuhls Porsche und der Künstler steuert den Wagen in Richtung Belgisches Viertel. Währenddessen gesteht er seinem Freund, dass er nach Mallorca auswandern wolle, ihm jedoch das Geld dazu fehle.

„Lass uns in ein paar Monaten doch gemeinsam rübergehen“, sagt Rickart. „Mir hat zwar jemand 400.000 Mark für meinen Lagerbestand angeboten“, erklärt Kuhl, „aber das reicht niemals aus, um damit abzuhauen.“ „Muss es auch nicht“, winkt Rickart ab. „Ich weiß, dass du ein guter Drucker bist und habe da etwas, das dich interessieren könnte.“

Rickart erklärt, dass ein internationaler Investor als Partner eines Schweizer Unternehmens ins Immobiliengeschäft einsteigen wolle. Das Startkapital betrage 50 Millionen Dollar, von denen der Investor 90 Prozent einbringen will. Das Problem: die restlichen fünf Millionen Dollar hätten die Schweizer zwar, allerdings nicht griffbereit. Rickart brauche demnach fünf Millionen Dollar in Blüten, dafür bekäme er zwei Millionen Mark. Macht Kuhl mit, schlägt Rickart vor, diese zwei Millionen Mark nach Abzug der Kosten zwei zu eins aufzuteilen. Eins für Rickart, zwei für Kuhl.

„Aha“, sagt Kuhl und zündet sich eine Zigarette an. „Und wer ist dieser Investor?“

„Er soll aus den Emiraten stammen.“

Kuhl schaut seinen Freund ausdruckslos an und fasst zusammen: „Du willst also einen Ölscheich mit fünf Millionen falschen Dollars über den Tisch ziehen.“

„Nicht direkt“, sagt Rickart. „Die Schweizer haben das Geld ja, nur eben nicht in gebündelten Scheinen zum Anfassen.“

Die Araber kämen mit 45 Millionen Dollar zum Treffpunkt, erklärt Rickart weiter, die Schweizer mit fünf Millionen in Blüten. Darauf folge dann das übliche Prozedere – das Geld würde gezählt, die Firma gegründet und dann hauen die Araber wieder ab.

„Und das falsche Geld?“, fragt Kuhl. „Was passiert damit?“

„Es wird verbrannt.“

„Das bezweifle ich.“

„Doch, glaub mir. Und selbst wenn das nicht der Fall wäre, könnte uns das herzlich egal sein“

„Nein“, beharrt Kuhl. „Es ist vor Gericht ein gewaltiger Unterschied, ob man Falschgeld nur für den Ofen macht oder es tatsächlich in Umlauf gebracht wird. Außerdem ist es kompliziert, einen Dollar zu machen. Die Motive werden auf Kupferplatten gestochen und im Siebdruckverfahren hergestellt. Das bekommt so jemand wie ich niemals hin.“

„Wenn ich es jemandem zutraue, dann dir!“

Kuhl zieht nachdenklich an seiner Zigarette, kurbelt das Fenster seines Porsches runter und stößt den Rauch aus. Eine schöne Finca auf dem sonnigen Mallorca, dazu eine Motoryacht in der Marina von Cala d’Or? Nein, eine Harley würde besser zu ihm passen. Auf dem Wasser würde es ihm bloß schlecht werden. Doch soll er wirklich solch ein hohes Risiko für ein bisschen Sonne, Strand und Meer eingehen? Was, wenn die Sache schief geht?

„Tut mir leid, aber die Sache ist mir zu heiß“, sagt Kuhl. „Und ich bin zu alt für den Knast.“

„Du kommst nicht in den Knast, vertrau mir.“

„Und was, wenn das Ganze eine Falle ist? Wie kommen die überhaupt auf dich? Was haben Schweinefleischhälften mit Geldfälschung zu tun?“

Rickart erklärt, dass er vor dem Handel mit Fleisch im Kölner Hyatt Hotel für die Food-Disposition zuständig war und sich dort mit einem der Köche anfreundete. Bruno*, so der Name des Kochs, habe jetzt das Restaurant seiner Eltern auf der schwäbischen Alb übernommen. Dort würde sich der Geldadel aus der gesamten Region herumtreiben, unter anderem auch die Mitarbeiter des besagten Schweizer Unternehmens, die sich angesichts der Wichtigkeit des Deals nun in einer misslichen Lage befänden.

„Als Bruno mich vor drei Wochen anrief und mir von der Sache berichtete, hab‘ ich ihm gesagt, dass ich jemanden kenne, der die Blüten drucken könne. Da war er ganz begeistert und hat gemeint, dass eine Anzahlung in Höhe von 10.000 Mark für uns bestimmt drin wäre.“

Kuhl erklärt, dass er mit niemandem Geschäfte mache, den er nicht näher kenne. Darüber hinaus betont er noch einmal, dass seine Maschinen nicht dafür gemacht seien, falsche Geldscheine zu drucken und er eine gute Offset-Druckmaschine bräuchte. Diese lägen preislich allerdings bei 100.000 oder sogar 200.000 Mark.

„Wärst du dabei, wenn wir dir das Geld für die Maschine drauflegen?“, fragt Rickart.

„Nicht unbedingt.“

Rickart will es jetzt genau wissen: „Was sind deine Bedingungen?“

Kuhl schweigt ein paar Augenblicke lang. Dann fordert er, dass Bruno ein Treffen mit den Schweizern in seinem Lokal organisiert und diese Rickart das Geld zeigen. Zudem sollen sie die Offset-Druckmaschine finanzieren und eindrücklich versichern, dass die Blüten bloß ein einziges Mal vorgelegt und danach verbrannt werden würden.

Ab April 2007 wird der silberne VW-Golf der jungen Eventmanagerin aus Brauweiler fast schon zum alltäglichen Anblick vor Kuhls Atelier. Diesmal hat Frau Falkenthal eine Flasche Krimsekt im Gepäck, die sie dem Künstler als Zeichen ihres Dankes überreicht. Der Auftraggeber aus Lettland sei von den Eintrittskarten begeistert und das Fest mit fast eintausend Gästen ein voller Erfolg gewesen.

Nachdem Kuhl die Eventmanagerin beglückwünscht hat, lädt er sie zu einer kleinen Plauderei bei Kaffee und Kuchen ein. Doch schon nach kurzer Zeit wird Frau Falkenthal ernst und berichtet, dass „der Russe“ ebenfalls auf der Feier war und sie abermals auf die falschen Dollarnoten angesprochen habe. Würde sie ihm 6 Millionen Dollar in Blüten besorgen, bekäme sie 1,5 Millionen Euro.

Die Provision käme ihr sehr gelegen, da ihre Mutter eine aufwendige Spezialbehandlung benötige und die Krankenkasse für so etwas nicht aufkommen würde. Sie, Marie, sei die einzige Bezugsperson, die ihre Mutter noch habe; der Vater sei bereits vor acht Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen und Geschwister habe die Eventmanagerin nicht. Die angelastete Verantwortung mache ihr zwar nichts aus, jedoch verfüge sie bloß über geringe finanzielle Möglichkeiten.

Kuhl überlegt. Dann erzählt er Frau Falkenthal, dass er sich nach ihrem letzten Gespräch umgehört und tatsächlich jemanden gefunden hat. Es gibt da einen Kollegen von ihm, der Kontakt zu einem polnischen Falschgelddrucker hat. Der Mann könne die Blüten für zwanzig zu eins in Euro weitergeben.

Frau Falkenthal ist begeistert. Die Übergabe würde ratzfatz an einem Flughafen über die Bühne gehen, sagt sie, der Zoll und die Polizei seien geschmiert.

„Sie sind also wirklich interessiert?“, möchte Kuhl verwundert wissen.

„Unbedingt!“, erwidert Frau Falkenthal. „Sie bekommen natürlich etwas von dem Gewinn ab.“

Kuhl ist mit dem Deal einverstanden und versichert der Eventmanagerin, noch am selben Abend mit dem polnischen Drucker in Kontakt zu treten.

„Sie sind ein Engel!“, sagt Frau Falkenthal, umarmt den Künstler und küsst ihn auf beide Wangen.

Kuhl ist geschmeichelt, ermahnt sie allerdings zur Vorsicht. Schließlich wisse er nicht, ob der Drucker wirklich die Wahrheit sagt.

Die Eventmanagerin sieht das gelassen. Sie winkt ab und hat anstelle von Sorgen eine weitere Bitte an Kuhl: sie würde dem Russen gerne einen Probeschein mitbringen, wenn sie übermorgen wieder nach Riga fliegt.

Nachdem er ihr lange und tief in die Augen geschaut hat, steht Kuhl auf, geht zu seinem Schreibtisch und kommt mit einem Kuvert in der Hand zurück, das er Frau Falkenthal übergibt. Sie öffnet den Umschlag und zieht fünf Dollarnoten daraus hervor. Nachdenklich begutachtet sie die Scheine.

„Das sind jetzt aber schon echte, oder?“

„Nein“, sagt Kuhl. „Das sind Blüten aus Polen. Die hat mir dieser Drucker gegeben, von denen kann er angeblich beliebige Mengen besorgen.“

„Sie sind wunderbar!“

Wenige Wochen nach Rickarts und Kuhls Treffen in Köln werden Kuhls Bedingungen erfüllt und die beiden machen sich auf den Weg nach Baden-Württemberg. Mit gefälschtem Nummernschild auf einem geliehenen BMW parken sie eine Stunde vor dem geplanten Zeitpunkt in Sichtweite von Brunos Restaurant. Rickart steigt aus, klopft an die Scheibe des Lokals und verschwindet kurz darauf in dessen Inneren; Kuhl bleibt im Wagen.

Einige Minuten später rollt ein Audi A6 mit Züricher Nummernschild an. Dem Auto entsteigen zwei Männer – dezent gekleidet, schätzungsweise Mitte dreißig und eindeutig fürs Geschäft hier. Einer von ihnen geht zum Kofferraum und holt einen silbernen Alukoffer heraus. Anschließend verschwinden auch sie in dem Restaurant.

Kurz vor dem Treffen hatte Rickart eine Visitenkarte des Schweizer Unternehmens von Bruno bekommen. Um die Echtheit der Züricher Telefonnummer darauf zu überprüfen, hatte Kuhl aus einer Telefonzelle heraus das Unternehmen kontaktiert und behauptet, er sei ein Doktor aus Berlin und würde gerne den Geschäftsführer sprechen. Die freundliche Dame am anderen Ende der Leitung teilte ihm mit, dass dieser sich bedauerlicherweise auf einer Dienstreise befände. Aber wenn Kuhl ihr seine Telefonnummer hinterließe, könne sie ihrem Chef ausrichten, dass er angerufen habe. Kuhl bedankt sich, lehnt den Vorschlag aber ab. Er sei selbst für ein paar Tage in den Staaten und würde sich nach seiner Rückkehr wieder melden.

Es dauert etwas mehr als zwei Stunden, bis sich die Tür zu Brunos Restaurant wieder öffnet und die beiden Männer samt des Alukoffers in ihrem Audi verschwinden. Weitere zehn Minuten später öffnet sich die Tür erneut und Rickart erscheint auf der Schwelle.

Als sich der geliehene BMW wieder auf der Autobahn befindet, berichtet Rickart, dass die Schweizer das Geld vor seinen Augen gezählt und gesagt hätten, dass sie die Kosten für die Druckmaschine übernehmen würden. Auf Kuhls Frage hin, wann die Blüten fertig sein sollen, sagt Rickart, dass die Schweizer spätestens in sechs Monaten damit rechnen. Dann legt er zehn 1000-Mark-Scheine in die Mittelkonsole, als Anzahlung für Farbe und Papier.

Einige Wochen später schließen Mechaniker die schwere Druckmaschine in Kuhls Atelier an. Das Gerät hatte den Künstler etwa 130.000 Mark gekostet, von denen er sich – aufgrund seines relativ leeren Geschäftskontos – 70.000 Mark von der Bank leihen musste.

Mit einer Offset-Maschine alleine ist die Arbeit jedoch noch lange nicht getan – im Gegenteil. Kuhls Aufgabe besteht nun darin, die besonderen Sicherheitsmerkmale des Scheins zu erkennen und so gut es geht nachzuahmen.

Auf den ersten Blick scheint eine Dollarnote relativ simpel aufgebaut zu sein; man hat den typischen Silberstreifen, der unter anderem auch beim Euro zu finden ist, dann das gut sichtbare Wasserzeichen sowie ein wenig Text und einige Motive auf der Vorder- und Rückseite. Doch wer schon einmal einen Dollarschein in der Hand hatte, weiß, dass er nicht glatt, sondern griffig ist; man kann den Druck spüren. Dies ist auf die spezielle Herstellungsweise der Banknote zurückzuführen. Die Motive werden auf eine handgestochene Stahlplatte gedruckt und dann so fest auf das Papier gepresst, dass die feinen Stiche und Linien Erhebungen im Papier hinterlassen. Dieses Verfahren kann Kuhl mit seiner Maschine jedoch unmöglich leisten.

Einfacher ist hingegen die Herstellung des Wasserzeichens. Beim Dollar ist das Wasserzeichen positiv, was bedeutet, dass man es als leichte Erhöhung spüren kann. Kuhl experimentiert etwa sieben Tage lang, bis er das Gesicht von Benjamin Franklin, dem Gründervater der Vereinigten Staaten, erfolgreich sicht- und fühlbar auf den falschen Geldschein bekommt.

Als nächstes knöpft er sich den Silberstreifen vor. Beim echten Dollar wird dieser bereits bei der Herstellung des Papiers eingearbeitet. Doch um das hinzubekommen, hätte Kuhl Vorder- und Rückseite des Scheins herstellen, den Silberstreifen dazwischen legen und die beiden Hälften wieder zusammenkleben müssen. Stattdessen druckt Kuhl, mithilfe derselben Technik wie auch schon bei dem Wasserzeichen, den Streifen auf das von ihm verwendete Papier. So erlangt der Schein mehrere Schichten, die später fühlbar sein werden.

Während seiner Arbeit trifft sich Kuhl regelmäßig mit seinem Freund Rickart, um ihn über den Fortschritt des Auftrages auf dem Laufenden zu halten. Als die ersten Dollarblüten fertiggestellt sind, bringt der Künstler fünf davon in einem Kuvert zu einem dieser Treffen und übergibt sie seinem Freund, der sie dann über den Koch Bruno zwecks Qualitätskontrolle an die Schweizer weiterleiten soll. Diese wären auch soweit zufrieden, erklärt der Koch, jedoch sei das Papier noch etwas zu weiß und auch das Wasserzeichen sei noch nicht optimal.

Nach etlichen weiteren Probedrucken bekommt Kuhl im März 1999 endlich grünes Licht, mit der Produktion zu beginnen. Das bedeutet für ihn nun, dass er fünfzigtausend 100-Dollarscheine anfertigen muss. Da auf seine Papierbögen jedoch bloß insgesamt zwölf passen, muss er mehr als viertausend Bögen bedrucken; eine schweißtreibende Maloche für Geld, das in Kürze bloß noch als Brennstoff dienen soll. Doch für die knapp zwei Millionen Mark, die am Ende für ihn dabei herausspringen würden, nimmt Kuhl dieses Laster schon einmal auf sich. Zu den Bögen kommen noch insgesamt 100 Banderolen, die Kuhl ebenfalls selbst anfertigt. Um je 500 Scheine wickelt er eine Banderole; somit enthält jedes von diesen Päckchen 50.000 Dollar.

Die Übergabe ist für einen Donnerstag Anfang Mai 1999 um 14 Uhr auf einem Autobahnrastplatz nahe Heidelberg geplant. Gegen neun Uhr morgens laden Kuhl und Rickart fünf Umzugskartons, gefüllt mit den falschen Dollarnoten, in einen dunkelblauen Volvo-Kombi.

Nachdem sich Rickart in Richtung Baden-Württemberg aufgemacht hat, kehrt Kuhl wieder in sein Atelier zurück. Die beiden hatten vereinbart, dass sich Rickart nach der Übergabe bei Kuhl melden würde, als Zeichen, seinen Arbeitsplatz zu räumen und die übriggebliebenen Probedrucke zu vernichten. Gegen Abend wollten die beiden sich dann noch einmal treffen, um das Geld aufzuteilen und „Lebewohl“ zu sagen.

Doch statt des Telefons läutet es um kurz nach zwei an Kuhls Ateliertür. Nanu? Wer könnte das sein? Ein Kunde vielleicht? Oder war möglicherweise etwas bei der Übergabe schiefgelaufen und Rickart hatte die Sache vorzeitig abbrechen müssen? Als Kuhl die Tür öffnet, steht dort jedoch keineswegs ein Kunde oder sein Freund Rickart. Nein, der Künstler blickt geradewegs in drei Pistolenläufe, die ihm von unterschiedlich gekleideten Polizeibeamten ins Gesicht gehalten werden.

Kuhl wird vorläufig festgenommen und ins Gefängnis von Stuttgart-Stammheim gebracht. Es stellt sich heraus, dass es sich bei den angeblichen Schweizer Geschäftsleuten in Wahrheit um BKA-Beamte handelte, die Bruno gezielt erpresst hatten, um Kölner Unterweltgrößen hochzunehmen.

Dabei machten sich die Polizisten einen Haftbefehl gegen den Koch zunutze, der diesem aufgrund von bei ihm gefundenen Kokain drohte. Der Deal lautete ganz einfach: Um seine Freiheit zu erlangen, sollte Bruno den Beamten Kölner Unterweltgrößen liefern. Der Koch hatte keine andere Wahl, als der Sache Folge zu leisten und versprach eine einhundertprozentige Erfolgsquote. Schon bald musste er jedoch feststellen, dass dieses Versprechen nicht so leicht erfüllt wie gegeben war – die großen Fische präsentierten sich dem Koch schließlich nicht von selbst auf dem Silbertablett. Nach einer Weile kam Bruno der Gedanke, dass ihm die Geldfälscher-Szene vielleicht einen Weg aus dem Dilemma bieten würde. Zudem ergäbe sich viel Platz für Spekulationen und Strategien.

Als die BKA-Leute ihn erneut aufsuchten, behauptete Bruno, er habe einen Weg zu einer Geldfälscherbande aufgetan, die im großen Stil multinational agiere und mit ihren Blüten Bruttosozialprodukte mehrerer osteuropäischer Neurepubliken steuerten. Daraufhin bauten die Beamten die Fassade um das Schweizer Unternehmen auf. Das Problem war nur: Es gab in Wahrheit keine Geldfälscherbande. Bruno hatte sich die Geschichte ausgedacht, um seiner Strafe zu entgehen. Wie also sollte er an solche Leute herankommen? Nach einigem Überlegen erinnerte sich der Koch an seinen ehemaligen Kollegen Rickart, den er sogleich anrief und ihm die Mär des angeblichen, internationalen Investors auftischte.

Da Kuhl vom BKA – verbotenerweise – bewusst zu einer Straftat überredet wurde, verurteilt ihn das Gericht zu einer fünfzehnmonatigen Haftstrafe, die auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wird. Als er im Herbst des Jahres 1999 aus der Untersuchungshaft zurück nach Köln kommt, verkauft Kuhl seinen Porsche sowie seinen Lagerbestand und macht sich auf nach Mallorca, wo er sich erst einmal niederlässt.

Als Kuhl die Insel Ende Juli 2002 jedoch satt hat, kehrt er nach Deutschland zurück und mietet sich in Köln ein neues Atelier an, wo er sich fortan wieder seiner Kunst widmet.

Nach einigen ruhigen Jahren steht 2006 plötzlich ein Albaner namens Fero* vor Kuhls Atelier. Fero hatte Wind von Kuhls Erfahrungen im Geldfälschen bekommen und bietet ihm zwei Millionen echte Dollar für zehn Millionen Blüten. Nach einigem Zögern beißt der Künstler an. Einerseits ist es ihm recht, etwas von dem verlorenen Geld wieder zu bekommen, andererseits reizt es ihn, den Dollarschein noch präziser nachzuahmen. Der Schreck über die Verurteilung nach der Sache mit Bruno und den „Schweizern“ scheint Kuhl nicht mehr länger in den Knochen zu sitzen.

Kuhl besorgt sich eine neue Offset-Druckmaschine und findet in Prag ein geeignetes Papier. Das „US-Bureau of Engraving and Printing“, das für die Herstellung des Dollars zuständig ist, verwendet für den Geldschein eine Mischung aus Baumwolle und Leinen. Doch da es praktisch unmöglich ist, dieses spezielle Papier zu bekommen, behilft sich Kuhl mit einer unbehandelten und auch leichteren Alternative. Das Entscheidende: es darf unter keinen Umständen unter UV-Licht leuchten.

Damit die Blüten auch wirklich erstklassig werden und nach Möglichkeit nicht ohne weiteres vom Original zu unterscheiden sind, scannt Kuhl einen echten Geldschein ein und verpasst ihm mittels des Grafikprogramms Photoshop ein Facelifting; er radiert die Unfeinheiten und Knicke raus und ändert die Seriennummer.

Am Ende stehen die Vorlagen bereit und Kuhl produziert einige Probescheine. Doch etwas scheint noch zu fehlen. Zunächst einmal ist der Schein zu blass, es fehlt Farbe. Und dann ist da noch die Fühlbarkeit des Drucks, die sich bei Kuhls Blüten einfach nicht richtig aufbringen lassen will.

Kuhl braucht also eine neue Idee. Diese findet er, nachdem er den Dollarschein nächtelang unter der Leselampe am Schreibtisch durch seine Finger gleiten ließ.

Der Künstler kombiniert das Offsetdruckverfahren mit dem Siebdruckverfahren; er druckt die Scheine im Offset vor und trägt anschließend, mittels der Siebdruckanlage, einen speziellen Lack auf die Blüten auf, der unter UV-Licht innerhalb von Sekundenbruchteilen aushärtet. Diesen Vorgang wiederholt Kuhl nun so oft, bis der Schein die gewünschte Erhabenheit erlangt hat. Es dauert fast ein Jahr, bis der Künstler seine Blüte so perfektioniert hat, dass er sie auch haptisch nicht mehr vom echten Dollar unterscheiden kann. Auch Fero ist zufrieden und Kuhl beginnt mit der Massenproduktion.

Kurz vor der geplanten Übergabe platzt der Deal jedoch und Kuhl bleibt nach jahrelanger Arbeit auf dutzenden Millionen falscher Dollarnoten sitzen. Er packt das Geld in Umzugskartons und deponiert es in einem angemieteten Container. Falls nochmal jemand falsche Dollars von ihm benötigen sollte, hätte er nun einen „kleinen“ Vorrat zur Verfügung.

Nun gibt es nur noch ein Problem zu bewältigen: Wohin mit den unzähligen Probedrucken und Fehlversuchen? Kuhl versucht es zunächst mit einem 300-Liter-Blechfass und Benzin. Die daraus resultierende dicke, schwarze Rauchwolke hätte man bis zum Kölner Dom sehen können – keine gute Idee. Dann müssen die Bögen eben geschreddert und in blaue Müllsäcke gestopft werden. Diese entsorgt er auf der Mülldeponie in Köln-Ossendorf – wo sie schon bald in kleinen Fetzen wieder das Tageslicht erblicken werden.

Am 23. Mai 2007 gegen 10 Uhr schließt Hans-Jürgen Kuhl die Tür seines Ateliers hinter sich und spaziert auf einem Feldweg in Richtung Widdersdorf. In den blühenden Bäumen zwitschern Vögel und am tiefblauen Himmel ist nicht eine einzige Wolke zu erkennen.

Heute ist ein besonderer Tag, das spürt der Künstler. Um 12 Uhr würde Eventmanagerin Marie Falkenthal vorbeikommen, ihre bestellten Dollarblüten abholen und Kuhl, nach Abzug entsprechender Kosten, um mindestens 400.000 Euro reicher machen.

Nach einigem Hin und Her hatten Frau Falkenthals Kunden die falschen Dollarscheine des angeblichen polnischen Druckers, hinter dessen Fassade Kuhl als wahrer Produzent sich versteckt, akzeptiert und die 6 Millionen in Auftrag gegeben. Vor wenigen Wochen war die Eventmanagerin schon einmal vorbeigekommen, um ihm 250.000 Dollarblüten für 21.600 Euro abzukaufen – kein Problem für Kuhl und seinen Container voller Dollar. Heute sollte der Rest folgen; dotiert mit 550.000 Euro.

Der Künstler blickt seiner Zukunft zuversichtlich entgegen. Es fühlt sich nicht so an wie das letzte Mal, als ihn das BKA mit Brunos Hilfe gehörig in die Pfanne gehauen hatte. Trotzdem war Kuhl nach einer der letzten Treffen mit Frau Falkenthal nach Essen zur angeblichen Agentur Niagara gefahren, um sich doppelt und dreifach von der Echtheit des Ganzen zu überzeugen. Die Firma befindet sich auf einer großbemessenen und teuer eingerichteten Büroetage in guter Lage. Als sich der Künstler bei einer jungen Dame am Empfang nach der Eventmanagerin erkundigte, sagte man ihm, dass diese momentan nicht im Haus sei; sie verkehre geschäftlich in Lettland.

Um eine Minute nach 12 Uhr klopft es an Kuhls Ateliertür.

„Pünktlich wie die Maurer“, sagt Kuhl lächelnd, nachdem er Frau Falkenthal hereingebeten hat.

Die beiden scherzen und plaudern wieder einmal ein wenig herum, ehe Kuhl die Eventmanagerin zu seinem Schreibtisch führt. Dort stehen fünf gelbe Postkartons, in denen die sechs Millionen Dollar zu je 24 Bündeln à 50.000 Dollar fein säuberlich verpackt sind.

Begeistert lässt Frau Falkenthal verlauten, dass die vereinbarten 550.000 Euro in einer Einkaufstüte in ihrem Firmengolf seien. Kuhl nickt, greift sich einen der Kartons und folgt der Eventmanagerin nach draußen. Die Sonne steht hoch am Horizont und brennt dem Künstler auf die Haut.

Dann geht plötzlich alles ganz schnell. In dem Moment, als Frau Falkenthal die Heckklappe ihres VW-Golf öffnet, biegt ein LKW in die Einfahrt und kommt neben dem Firmenwagen der Eventmanagerin zum Stehen. Kurz darauf fliegen die Ladetüren auf und fünfzehn mit Maschinenpistolen bewaffnete Männer stürmen mit lautem Gebrüll auf Kuhl zu. Zwei von ihnen zerren Marie Falkenthal vom Auto weg, weitere zwei stoßen Kuhl zu Boden und fixieren seine Hände auf dem Rücken mit Kabelbindern.

Die linke Gesichtshälfte im Staub, die rechte unter dem Stiefel eines SEK-Mannes eingeklemmt beobachtet der Künstler, wie die Polizisten sein Atelier durchsuchen. Nach ein paar Minuten gibt der Einsatzleiter Entwarnung; Kuhl ist offenbar allein. Man zerrt ihn zurück auf die Beine und fordert ihn auf, Name, Geburtsdatum sowie Geburtsort zu nennen.

„Hans-Jürgen Kuhl, 9. Dezember 1941, Köln“

Der Einsatzleiter nickt. Offenbar scheinen die Angaben mit denen der Polizei übereinzustimmen. Kuhl wird auf einen Stuhl gesetzt. Dann fahren dutzende Fahrzeuge der Polizei vor. Einige in Zivil, andere offizielle Streifenwagen; sogar Männer der amerikanischen CIA sind darunter. Kuhls Atelier wird bis in die letzte Ecke durchsucht. Währenddessen überschlagen sich die Gedanken des Künstlers.

Sie war eine von ihnen. Er hatte sich tatsächlich erneut linken lassen. Das bedeutet, dass die Ermittler alles wissen, was er „Marie Falkenthal“ gesagt hat. Und das war eine ganze Menge. Darüber hinaus wusste das BKA, dass er schon einmal mit falschen Dollars zu tun hatte. Andererseits hatte er immer behauptet, das Geld stamme aus Polen. Ob er damit durchkäme?

Ein Gefangenentransporter bringt den Künstler ins Polizeipräsidium im Kölner Stadtteil Kalk, wo Kuhl sich einigen Befragungen unterziehen muss. Immer wieder wird er dazu aufgefordert, die Namen seiner Hintermänner zu nennen; das BKA geht schließlich davon aus, dass Kuhl Teil eines Mafiarings ist. Schon bald müssen sich die Ermittler aber dann doch geschlagen geben und erkennen, dass Kuhl tatsächlich bloß eine „Ein-Mann-Produktion“ ist.

Das Urteil gegen den Kölner Künstler steht am 8. November 2007 nach nur einem Verhandlungstag fest. Während seines Plädoyers wendet sich der Oberstaatsanwalt an Hans-Jürgen Kuhl und blickt ihn verständnislos an: „Warum haben Sie denn Ihr, zugeben eindrucksvolles, Talent nicht für etwas Ordentliches genutzt? Sie sind doch ein intelligenter Mann!“

Kuhl schaut zu Boden. „Säße ich dann hier?“, fragt er.

Hans-Jürgen Kuhl wird zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt, von denen er drei im offenen Vollzug verbringt. Nach vier Jahren wird er vorzeitig aus der Haft entlassen und hat sich inzwischen wieder seinen Bildern gewidmet.

Der mittlerweile 80-jährige Kuhl wird heute vor allem als Experte zu Rate gezogen, wenn es in den Medien wieder mal eine Diskussion um die neuen Euroscheine gibt. Auf die Frage, ob er seine Taten bereue oder nicht vielleicht doch irgendwann wieder in alte Muster verfallen könnte, sagt Kuhl, dass er das Thema „abgehakt“ habe. Ein Lächeln kann er sich dabei allerdings nur schwer verkneifen.

*Einige Namen wurden geändert

» Kriminelle Energie ist noch nie knapp geworden. «

- Siegfried Wache (*1951), technischer Zeichner, Luftfahrzeugtechniker und Buchautor -

Kapitel 2

Besessen

Monatelang hat er sich auf diesen ganz besonderen Tag vorbereitet. Ein 260 Seiten langer Katalog mit über 6500 Fragen. Sämtliche Kameras an verschiedenen Autobahnabfahrten. Ein Kampfmesser mit einer Klingenlänge von siebzehn Zentimetern, Kabelbinder und Chemikalien. Alles, was jetzt noch fehlt ist sie. Aber das sollte kein Problem sein, schließlich müsste ihr Auto jeden Moment in die Straße einbiegen. Es war kinderleicht gewesen, herauszufinden wo sie wohnt. Und es hatte sich gut angefühlt, sie durch das Gebüsch auf der gegenüberliegenden Seite ihrer Wohnung zu beobachten. Wie sie morgens am Küchenfenster stand. Oder nachmittags das Haus verließ, um in den Supermarkt zu fahren.

Ein letzter, prüfender Blick auf sein Handy. Der Peilsender unter ihrem Auto schickt ihm in regelmäßigen Abständen die Koordinaten ihres Standpunkts. Sie wird ihm nicht entwischen. Ab heute gehört sie ihm. Ihm ganz allein. Hätte sie seine Liebe doch nur erwidert. Ein Fehler. Ein ganz böser Fehler. Dafür wird sie bezahlen. Er wird sie in einen Gegenstand verwandeln. Seinen Gegenstand.

Heike Block steuert ihren silbernen Mini Cooper sehnsüchtig in Richtung Straße Tannenhof im Bremer Stadtteil Sankt Magnus, wo sich ihre kleine Wohnung befindet. Nach einer ereignisreichen Woche freut sich die 35-Jährige auf ihren wohlverdienten Feierabend und auf das bevorstehende Wochenende. Dieses hat sie auch redlich verdient, denn als Lehrerin für Chemie und Biologie an einem Gymnasium im rund vierzehn Kilometer entfernten Osterholz-Scharmbeck wird sie von ihren Schülern ganz schön auf Trab gehalten. Vor allem aber freut Heike Block sich auf die bevorstehenden Weihnachtsferien. Zwei Wochen lang Ruhe und Gelassenheit, ehe der Schulstress im neuen Jahr erneut beginnt.

Die junge Frau kann ihren Wagen an diesem 18. Dezember 2009 nur mit Mühe auf den verschneiten Straßen halten. Doch mit festen Griff um das Lenkrad kommt sie dem Feierabend Stück für Stück näher. Sie ahnt nicht, dass sie in wenigen Minuten ihre ewige Ruhe finden wird.

Um 14:30 Uhr stellt Heike Block ihren Mini Cooper auf dem Parkplatz vor ihrem Wohnhaus ab und tritt ins Freie. Die Luft ist eisig und dicke Schneeflocken rieseln auf die Straße. Als sie gerade ihre Einkäufe aus dem Kofferraum holen will, nähert sich ihr eine in Schwarz gekleidete, dünne, blasse Gestalt mit Segelohren, geschwungener Nase und kleinen, dunklen Augen.

Es ist ein etwa 20 Jahre alter Junge, der eine Pistole zückt und sie Heike drohend ins Gesicht hält. Immer wieder fordert er sie dazu auf, ihn mit in ihre Wohnung zu nehmen, was die 35-Jährige allerdings zu unterbinden versucht. Offenbar hat sie gemerkt, dass es sich bei der Pistole lediglich um eine Attrappe handelt, denn sie schlägt sie dem Angreifer aus der Hand und beginnt, lauthals um Hilfe zu rufen. Der junge Mann umklammert die Lehrerin von hinten mit seinem linken Arm und will sie zum Schweigen bringen. Für einen kurzen Moment blitzt eine silberne Klinge auf, dann rammt er seinem Opfer mehrmals ein Messer in den Hals.

Ein Briefträger, der Heikes Hilfeschreie gehört hat, eilt herbei; die Frau fleht ihn röchelnd an, ihr zu helfen. Der mutige Postbote schafft es tatsächlich, den Angreifer von seinem Opfer zu reißen. Doch als sich der Helfer hektisch nach einer Waffe umsieht, stürzt sich Gero S. bereits wieder auf Heike Block und sticht ihr das Messer mitten in die Brust. Dann steht er mechanisch auf, mustert sein Opfer und greift mit blutüberströmten Händen nach seinem Handy.

Müll. Zerbrochene Fensterscheiben. Heruntergekommene Mietshäuser und verwahrloste Vorgärten. In solch eine Umgebung, im Problemviertel von Osterholz-Scharmbeck, wird Gero S. im Jahr 1988 hineingeboren. Seine Mutter ist in der Mediathek des örtlichen Gymnasiums beschäftigt und zieht ihren Sohn allein auf. Das Verhältnis Geros zu seiner Mutter ist eher kalt. Von ihr erfährt er bloß wenig Liebe und Zuneigung; sie habe ihm sogar öfters gesagt, dass er eigentlich gar nicht gewollt war.

---ENDE DER LESEPROBE---