True Crime Österreich - Adrian Langenscheid - E-Book

True Crime Österreich E-Book

Adrian Langenscheid

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Beschreibung

» Dass es auch im schönen Österreich ganz schön blutig zugeht, beweist das zehnte Buch von Adrian Langenscheid. Wie immer fesselnd bis zur letzten Seite! « Franziska Singer (Podcast Darf's ein bisserl Mord sein? ) Deutschlands erfolgsgekrönter True Crime-Autor Adrian Langenscheid entfacht mit seinen schockierenden Kurzgeschichten über wahre österreichische Verbrechen herzklopfendes Lesevergnügen. Es ist ein atemberaubendes, zutiefst erschütterndes Portrait menschlicher Abgründe, das gerade wegen seiner kühlen, sachlich-neutralen Schilderung gewaltige Emotionen weckt. Eiskalte Serienmörder, verhängnisvolle Familiendramen, tragische Entführungen, niederträchtige Folter und skrupelloser Missbrauch: vierzehn schockierende True Crime-Kurzgeschichten zu wahren Kriminalfällen aus Österreich erwarten sie auf 300 Seiten. . Gefesselt, fassungslos, verblüfft und zu Tränen gerührt werden Sie alles in Frage stellen, was Sie über die menschliche Natur zu wissen glauben. Das Leben schreibt entsetzliche Geschichten und dieses Buch fasst sie zusammen. Tauchen Sie ein in die schockierende Welt der wahren Kriminalfälle und der echten Verbrechen! » Morbide, Skurril, Traurig...Gänsehaut! « Leonie-Rachel Soyel ( Podcast Couchgeflüster )

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Adrian Langenscheid

TRUE

CRIME

ÖSTERREICH

Wahre Verbrechen – Echte Kriminalfälle

Impressum

Autoren: Adrian Langenscheid, Yvonne Widler, Silvana Guanziroli, Lisa Bielec, Marie van den Boom, Dave Grunewald, Maximilian Zemke, Benjamin Rickert, Stefanie Löschmann, Alexander Apeitos

Lektorat: Daniela Bertram

1. Auflage Oktober 2022

© 2022 True Crime International/ Stefan Waidelich,

Zeisigweg 6, 72212 Altensteig

Coverbild: © Canva (canva.com)

Covergestaltung: Pixa Heros, Stuttgart

Tolino ISBN 978-3-98661-054-8

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Rechteinhabers und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Einige Dialoge und Äußerungen, der in diesem Buch auftretenden Personen sind nicht wortgetreu zitiert, sondern dem Sinn und Inhalt nach wiedergegeben. Ebook

Adrian Langenscheid

TRUE CRIME ÖSTERREICH

Wahre Verbrechen – Echte Kriminalfälle

Über dieses Buch:

Eiskalte Serienmörder, verhängnisvolle Familiendramen, tragische Entführungen, niederträchtige Folter und skrupelloser Missbrauch: vierzehn schockierende True Crime-Kurzgeschichten zu wahren Kriminalfällen aus Österreich.

Gefesselt, fassungslos, verblüfft und zu Tränen gerührt werden Sie alles in Frage stellen, was Sie über die menschliche Natur zu wissen glauben. Das Leben schreibt entsetzliche Geschichten und dieses Buch fasst sie zusammen. Tauchen Sie ein in die schockierende Welt der wahren Kriminalfälle und der echten Verbrechen!

Über die Autoren:

Adrian Langenscheid ist Autor der erfolgreichen Buchserie True Crime International. Seine Bücher haben über die Grenzen Deutschlands hinaus Bestsellerstatus erlangt. Gemeinsam mit bekannten True Crime-Journalisten und Podcasts knüpfen die Experten mit dem zehnten Band der Reihe an die beachtlichen Erfolge der Vorgänger an.

Inhalt

Vorwort

Kapitel 1: 200 Meter bis nach Hause

Kapitel 2: 8516 Tage

Kapitel 3: Heimlich abgehört

Kapitel 4: Henkersknoten

Kapitel 5: Eiskalt

Kapitel 6: Tödliche Stille

Kapitel 7: Terror

Kapitel 8: Ich habe es tun müssen

Kapitel 9: Stärker als er

Kapitel 10: Der Handschuh

Kapitel 11: Gratisbett beim lieben Gott

Kapitel 12: Ein Job am Skilift

Kapitel 13: Austrias Most Wanted

Kapitel 14: Vernichte die Spinne

Schlusswort des Autors

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True Crime International:

» Du wirst wohl erleben, dass die von Menschen verursachten Schrecken dein Vorstellungsvermögen übersteigen. «

- Nikola Tesla (1856 - 1943) Erfinder und Physiker -

Vorwort

Da saß sie und schrie, so laut, dass sich uns alle Blicke im Raum zuwandten. Hätten ihre faltigen Hände nicht die meinen mit energischem Griff umklammert, so wäre ich weggegangen. Die Situation war mir mehr als unangenehm. Ihre Augen sahen mich eindringlich an und in gebrochenem Deutsch geriet sie wütend außer sich: „So was tut man doch nicht?! So was tut man doch nicht?!“ Dabei wurde sie jedes Mal lauter und nachdrücklicher. Ihre Stimme hallte in dem etwas steril wirkenden Gruppenraum nach. Eine Träne lief langsam über Devoras Wange. Dann die nächsten. Es war ein Dammbruch an Gefühlen, der mich in diesem Moment zu überrollen drohte. Dabei war knapp ein halbes Jahrhundert vergangen, aber sie schrie als wäre es gestern gewesen.

Es war das Jahr 2004, als ich fernab von Zuhause in Haifa war. Mit anderen jungen Erwachsenen hatte ich mich auf eine „Friedenstour“ eingelassen, die uns unter anderem hier in den Norden Israels in dieses Heim für Holocaust-Überlebende geführt hatte. Viele Menschen waren dort. Die eintätowierten Nummern auf ihren Armen zwar halb verblasst, aber immer noch da, genauso wie die Erinnerungen. Von einem Holocaust-Überlebenden wurden wir außerordentlich freundlich in gebrochenem Deutsch empfangen. Man hörte das Jiddisch heraus, als er uns mit seinem sorgfältig vorformulierten Text begrüßte.

Hier begegnete ich Devora. Während sie meine Hand weiterhin fest umschlossen hielt, erzählte sie mir ihre bewegende Geschichte. Vom Konzentrationslager. Davon, wie sie als 14-jähriges Mädchen ihre ganze Familie verlor und wie sie nach dem Krieg ganz allein dastand. Ihre Augen sprachen Bände der Trauer. Wie Nebelschwaden umgaben sie der alte Schmerz und die Verzweiflung über das Schicksal, das ihr widerfahren war. Sie erzählte mir auch von dem Hauptmann, der sie alle als Schweine bezeichnete. Mehr als Schweine wären sie alle nicht wert. Das war der Moment als sie schrie: „So was tut man doch nicht?! So was tut man doch nicht?!“

Es kam mir vor, als hielte ich nicht die Hand dieser alten, traurigen und verbitterten Frau, sondern die des 14-jährigen Mädchens von damals. Gefangen in der Vergangenheit, immer noch tief verbunden mit ihren längst verstorbenen Peinigern. Durchdrängt von Wut, Verbitterung und Verachtung, verflucht dazu, immer wieder die Demütigungen vergangener Tage Revue passieren zu lassen. Dieses Verbrechen hat sie für immer gezeichnet.

Als ich im Hintergrund einen Blick auf die anderen Holocaust-Überlebenden warf, die teilweise herzlich und scherzend mit meinen Freunden umgingen, kam mir voller Mitleid ein glasklarer Gedanke: „Wäre es Dir nur gelungen zu vergeben, Du hättest ein glückliches Leben haben können“. Ich sprach den Gedanken nicht aus; zu sehr schämte ich mich dafür.

Wer bin ich, um mir in Anbetracht dieses Leides so ein Urteil zu erlauben? Was, wenn mir solch ein grausames Los zuteil würde? Könnte ich nach solch einem schrecklichen Schicksalsschlag überhaupt wieder Hoffnung und Frieden finden? Vielleicht sogar vergeben und wieder auf die Beine kommen? Oder würde nach vielen qualvollen Jahren ein Grünschnabel vor mir sitzen und sich ein Urteil erlauben?

Als mein Blick in diesem Heim unter den Überlebenden umherwanderte – sie schienen glücklich zu sein – meinte ich zu wissen, dass wir uns sogar von den schrecklichsten Verbrechen der Menschheit erholen können. Dann schaute ich in die dunklen verweinten Augen von Devora – aber nicht alle.

Der Blick über den Tellerrand der heilen Welt, den ich 2004 erhaschte, bewegt mich bis heute und ist neben einigen anderen Erlebnissen ein Grund, weshalb ich viel Zeit in die Recherche von Verbrechen investiere. Dabei kann ich nur ungläubig den Kopf darüber schütteln, wie tief menschliche Abgründe sind, die sich oftmals hinter bürgerlichen Fassaden verbergen.

Das Leben schreibt Geschichten, welche Protagonisten und Zuschauer gleichermaßen fassungslos und schockiert zurücklassen. Die Schilderungen in diesem Buch entstammen nicht der Vorstellung eines Schriftstellers. Es ist die grausame Realität, die Ihnen in den kommenden vierzehn Kapiteln entgegenschlägt. Eine Realität, erschütternder als jede Fiktion, mit Menschen wie Devora, die fassungslos und gebrochen zurückbleiben. Opfer, die gezwungen sind, dem widerfahrenen Leid die Stirn zu bieten oder daran zugrunde zu gehen.

In diesem Buch stelle ich Ihnen weitere Kriminalfälle vor, dieses Mal aus Österreich. Es handelt sich wieder um Erzählungen in Form von Kurzgeschichten, authentisch und realitätsnah, über Verbrechen, die sich tatsächlich ereignet haben – und das vor gar nicht allzu langer Zeit. Man könnte über jeden Fall ein ganzes Buch mit tiefgehenden psychologischen Analysen schreiben, doch das ist nicht meine Absicht. Kurzgeschichten sind wie ein unerwarteter Sturm. Ehe man sich versieht, ist er vorüber. Zurück bleibt die Frage, mit der sich die Opfer unweigerlich oftmals für den Rest ihres Lebens konfrontiert sehen: Warum?

Es sind Verbrechen in Kurzform, die zum Mitfühlen und Nachdenken bewegen. Lassen Sie sich von völlig unterschiedlichen Mordfällen, Missbrauch, Verrat, Entführung, Lügen, Intrigen und Manipulation in die Tiefen der menschlichen Abgründe reißen. Sie werden schockiert sein, so wie ich es bin.

Devora lebt nicht mehr, aber manchmal meine ich noch immer zu spüren, wie ihre faltigen Hände die meinen mit energischem Griff umklammern.

» … und erlöse uns von dem Bösen. «

- Die Bibel Matthäus 6,13 -

Kapitel 1

200 Meter bis nach Hause

Poch. Poch. Poch. Dumpfe Schläge reißen ihn unsanft aus dem Schlaf. Zwei kurze, dann zwei endlos lang erscheinende, elektronisch erzeugte Geräusche. Wieder und wieder. Dazwischen Hundegebell und Stimmen. Aufgeregt, scharf, autoritär.

„Herr Angerer1, machen Sie die Tür auf!“

Wer mag das sein? Vielleicht ein überambitionierter Postbote? Einer seiner Nachbarn? Mühevoll dreht er sich auf die Seite und wirft einen Blick auf die in der Dunkelheit rot leuchtenden Ziffern seines Digitalweckers.

6:00 Uhr

Unter das erneute Hämmern von draußen sowie das laute Bellen mischt sich sein langgezogenes Stöhnen. Hatten die Menschen nichts Besseres zu tun als ihre Mitbürger in aller Herrgottsfrühe um ihren Schlaf zu bringen?

„Herr Angerer!?!“

Da der Störenfried wohl nicht von allein locker lassen wird, wirft Angerer die Bettdecke beiseite, richtet sich auf und schleppt sich den Korridor hinunter bis zu seiner Wohnungstür. Dort angekommen krault er über den Kopf seines zwei Jahre alten Schäferhund-Mischlings. Das nervös bellende Tier verstummt und beginnt unter der spontanen Streicheleinheit zufrieden zu hecheln.

Während Angerers Blick sich gen Tür richtet, beginnt es ihm allmählich zu dämmern, wer ihm da so früh am Morgen einen Besuch abstatten möchte. Instinktiv weicht er ein paar Schritte zurück und hebt dabei vorsichtig die Handflächen vor seine Brust. Im nächsten Moment zerreißt es die Luft vor seinen Augen.

Mühelos gleitet der Schlüssel ins Türschloss. Mit einer schwungvollen Drehung ihres Handgelenks, begleitet vom Klimpern des Schlüsselbunds sowie dem leisen Klicken des Riegels, schließt Brigitte die Tür ihrer Wohnung im Niederösterreichischen Pulkau auf. Als sie über die Schwelle in den angenehm kühlen Flur tritt, verkündet sie ihre Rückkehr mit den Worten:

„Bin wieder da!“

Ihr trautes Heim begrüßt sie mit dem Echo ihrer eigenen Stimme, das durch die leeren Räume hallt. Merkwürdig. Normalerweise sollte um diese Zeit längst jemand zu Hause sein. Dass ihr Mann Anton nicht da ist, weiß sie. Aber was ist mit ihrer Tochter?

„Julia?“

Stille. Brigitte schlendert durch die Wohnung und steckt den Kopf in jede Stube, muss jedoch bald anerkennen, dass sie tatsächlich allein ist. Sie kramt ihr Handy aus der Tasche und wählt Julias Nummer. Nach mehrmaligem Tuten meldet sich Julias Stimme, jedoch bloß über den Anrufbeantworter. Wo treibt sich die Teenagerin rum? Heute früh, kurz bevor sie beide zur Schule aufgebrochen waren, um ihren Pflichten nachzugehen – Brigitte als Lehrerin, Julia als Schülerin – hatte ihre Tochter mit keinem Wort erwähnt, dass sie den Plan hegte, nachmittags noch etwas zu unternehmen. Hatte sie sich aus einer spontanen Eingebung heraus mit einer ihrer Freundinnen oder ihrem Freund getroffen? Brigitte zupft nachdenklich an den Falten ihres Halses. Möglich. Und gleichzeitig auch nicht. Ihr Mutterinstinkt sagt ihr, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Denn einfach so zu verschwinden; das ist nun wirklich nicht Julias Art. Gut, sie war einmal von zu Hause weggelaufen, aber sofort am nächsten Tag wieder zurückgekommen.

Da ihr Kopf weiterhin nach einer rationalen Erklärung sucht, schweifen Brigittes Gedanken zur Diskussion an diesem Morgen. Dort hatte ihre Tochter während des Frühstücks die Absicht geäußert, einen Psychotherapeuten aufzusuchen. Brigitte kann jedoch beim besten Willen nicht nachvollziehen, weshalb das Mädchen diesen Schritt gehen möchte. Julia ist vom Wesen her zwar ruhig, introvertiert, lethargisch und ihr Verhalten zuweilen von Stimmungsschwankungen geprägt, aber ist so etwas nicht normal für eine 16-Jährige? Braucht es da gleich einen Therapeuten? Nur, weil man durch den Hormoncocktail in seinem Körper mal ein paar schlechte Tage hat?

Brigitte kratzt sich am Kinn und ist mit einem Mal gar nicht mehr so sicher, ob das Verhalten ihrer Tochter tatsächlich bloß auf die Pubertät zurückzuführen ist. Was, wenn das Mädchen an einer schweren Krankheit leidet? Mag dies der Grund für ihre Abwesenheit sein? Fühlt Julia sich von ihrer Mutter etwa nicht verstanden und hat daher keine Lust, ihr unter die Augen zu treten, wohlwissend, dass erneute Belehrungen auf sie warten würden?

Alles bloß Spekulationen. Spekulationen, die Brigitte bei der Beantwortung der Frage – wo steckt Julia – aber nicht weiterhelfen. Im Gegenteil. Diese ganzen Vermutungen lassen sie sich immer tiefer in abstrakt konstruierten Erklärungen verlieren. So schwer es ihr fällt: Die Volksschullehrerin kommt zu dem Schluss, dass ihr nichts anderes übrigbleibt, als abzuwarten und darauf zu hoffen, dass ihre Tochter schnellstens zurückkehren wird.

Als sich später am Abend die Dunkelheit schwer auf den Dächern der Stadt niederlässt, ihr Mann Anton längst nach Hause zurückgekehrt ist und Julia noch immer nichts von sich hat hören lassen, beginnt Brigitte, sich langsam ernsthafte Sorgen zu machen. Es sieht ihr doch so gar nicht ähnlich, einfach so von zu Hause fernzubleiben, ohne auch nur ein Wort darüber zu verlieren. Die Lehrerin spürt Nervosität in ihrem Inneren aufsteigen. Nervosität, die allmählich immer mehr die Gestalt blanker Angst annimmt.

Kurz bevor dieses Gefühl endgültig Besitz von ihrem Geist zu ergreifen droht, flammt in Brigitte ein winziger Hoffnungsschimmer auf. Obgleich sie tief in ihrem Inneren die ernüchternde Antwort bereits zu kennen glaubt, klammert sie sich an diesen letzten, verbliebenen Lichtblick.

Unter den Blicken ihres Mannes greift die Volksschullehrerin zum Telefon und wählt die Nummer des wohl einzigen Menschen, der ihr noch die Antwort auf die entscheidende Frage liefern könnte: Julias Freund.

Plötzlich sieht Angerer die Welt vor seinen noch müden Augen wie in Zeitlupe in tausend Einzelteile zerbrechen. Die Schreie, das Bellen sowie das Trampeln der schweren Stiefel scheinen dumpf aus einer weit entfernten Galaxie an sein Trommelfell zu hämmern.

Grobe, von schwarzen Handschuhen umschlossene Hände packen ihn unsanft an den Schultern und reißen ihn zu Boden. Die eine Gesichtshälfte auf den kalten Flur gepresst, die andere unter der rauen, dreckigen Schuhsohle eines Beamten der Sondereinheit Cobra eingeklemmt, werden Angerer die Arme auf den Rücken gedreht, um ihm Handschellen anzulegen. Die Polizisten gehen dabei so grob vor, dass der Mann glaubt zu spüren, wie seine Schultergelenke mit einem lauten Knacken auskugeln.

Alles geht so rasend schnell, dass sein Kopf gar nicht richtig begreift, was hier eigentlich genau vor sich geht. Immer mehr schwerbewaffnete Polizeibeamte stürmen in die Wohnung, aus allen Räumen erklingen nach und nach vereinzelte Rufe:

„Sauber!“

Die Funkgeräte der Männer spucken seltsam verzerrte Worte aus, doch Angerer versteht kein einziges davon. Unter all dem Geschrei ist da immer noch das aggressive Bellen seines geliebten Hundes, der verzweifelt versucht, sein Herrchen vor der Bedrohung zu schützen.

Dann peitschen ohrenbetäubende Schüsse durch die Luft, durch die geöffnete Wohnungstür im Treppenhaus widerhallend. Er kann nicht ausmachen, wie oft abgedrückt wird, doch das typische Rattern der Maschinengewehre zu allen Seiten lassen ihn Schlimmes befürchten.

Wem gilt der Kugelhagel? Handelt es sich lediglich um eine Warnung, eine Machtdemonstration? Oder hat es die Einheit auf ihn abgesehen? Haben sie die Absicht, ihn in die Ewigkeit zu befördern? Noch ehe er genauer über sein drohendes Schicksal nachdenken kann, sagt ihm ein schmerzerfülltes Jaulen, welches Ziel die Kugeln anvisierten – und auch fanden.

Kurz darauf schlägt der leblose Körper des zwei Jahre alten Schäferhund-Mischlings auf dem Boden auf, gefolgt von einer dröhnenden Stille, in welcher nur das leise Plätschern des vielen Blutes zu hören ist, das aus den Einschusslöchern sickert.

Nachdem die Telefonleitung mehrere Sekunden von einem langgezogenen Tuten beherrscht wurde, knackt es plötzlich und es meldet sich die schlaftrunkene Stimme eines jungen Mannes. Brigitte, die schon nicht mehr mit einer Entgegennahme des Anrufs gerechnet hatte, entlädt all ihre Anspannung in einen erleichterten Seufzer.

„Thomas! Gott sei Dank. Hier ist Brigitte. Sag mal, hast du Julia gesehen? Oder ist sie vielleicht sogar bei dir? Anton und ich machen uns Sorgen.“

„Nein, tut mir leid“, antwortet Thomas. „Was ist denn passiert?“

„Das wissen wir nicht“, sagt Brigitte. „Sie ist heute nicht heimgekommen und ich kann sie auch nicht erreichen. Wenn Julia nicht bei dir ist: hat sie vielleicht gesagt, was sie nach der Schule noch vorhatte?“

Statt einer Antwort spuckt die Leitung bloß ein leises, mit Rauschen unterlegtes, Knistern aus; es hört sich an, als würde sich jemand im Bett hin und her wälzen, was in Thomas‘ Fall gar nicht so unwahrscheinlich wäre, schließlich war der junge Mann erst kürzlich von einer Schulreise aus Prag zurückgekehrt.

Als sie immer noch nichts von Thomas gehört hat, bohrt die Volksschullehrerin nach.

„Thomas? Bist du noch dran?“

„Wie?“ schallt es aus dem Hörer, „Oh, ja, bin noch dran. Hör zu Brigitte, es tut mir wirklich leid, aber ich weiß nicht, wo Julia steckt.“

So verzweifelt sie auch ist, desto resignierter muss sich die Mutter des verschwundenen Mädchens eingestehen, dass auch diese Möglichkeit just in diesem Moment wie eine Seifenblase vor ihren Augen zerplatzt ist. Ganz geschlagen geben will Brigitte sich jedoch nicht.

„Nun gut. Trotzdem danke. Aber versprich mir, dass du uns sofort zurückrufst, wenn sie sich bei dir meldet, ja?“

Wieder diese unangenehme Stille in der Leitung. Dieses Mal hält sie jedoch nicht so lange.

„Ich denke nicht, dass Julia einen Grund haben wird, sich ausgerechnet bei mir zu melden“, erwidert Thomas.

„Was soll das heißen?“, fragt Brigitte und spürt, wie eine unangenehme Wärme in ihrem Inneren aufsteigt.

„Hat sie es euch noch nicht erzählt? Wir sind nicht mehr zusammen.“

Thomas erklärt, dass er während seiner Reise nach Tschechien ein anderes Mädchen kennenlernte und mit ihr eine Affäre begann. Als Julia Wind von dem Techtelmechtel ihres Freundes bekam, reagierte sie ausgesprochen eifersüchtig, woraufhin er, Thomas, aufgrund mehrerer entstandener Streitigkeiten, per Telefon Schluss gemacht habe.

Brigitte erwidert, dass Julia die Trennung von ihrem Freund, wie so vieles, was in ihrem Leben geschieht, mit keinem Sterbenswörtchen erwähnt hatte. Allerdings erinnert sich die Volksschullehrerin, dass ihre Tochter eines Nachmittags mit verheulten Augen nach Hause kam. War die Trennung der Grund für ihren Gefühlsausbruch gewesen? Oder steckt doch etwas ganz anderes dahinter? Je mehr verborgene Details sich ihr über das Leben ihrer Tochter offenbaren, desto mehr ernsthafte Zweifel bekommt Brigitte, ob sie ihre Tochter überhaupt richtig kennt.

Als es von Julia auch am nächsten Tag noch immer keine Spur gibt, entscheiden Brigitte und Anton sich dazu, ihre Tochter bei der Polizei als vermisst zu melden. Dazu hängen die beiden überall in der Stadt verteilt Suchzettel aus.

In der Mitte des Blatts formen weiße, spationierte Versalbuchstaben auf rotem Untergrund ein einziges Wort: VERMISST

Darüber ist auf der oberen, linken Seite das Foto eines schwarzhaarigen, rundgesichtigen Mädchens mit Stubsnase, schmalen Lippen und dünnen Augenbrauen eingefügt. Das Bild trägt die Unterschrift: Julia KÜHRER.

Daneben geben einige Zusatzinformationen Aufschluss über weitere Details der Gesuchten:

· vermisst seit Di, 27.06.06,

Personenbeschreibung:

· 16 Jahre alt

· 1,65 m groß

· 48 kg schwer

· schwarzes, schulterlanges Haar mit kupferfarbenem Ansatz

· kleine Narbe am Kinn

· zierliche Statur

Zuletzt gesehen mit:

· grau-melierter Jeans

· rosafarbenem Trägertop

· schwarzem Rucksack

· trägt wahrscheinlich gelbe Turnschuhe

Bei sachdienlichen Hinweisen solle man sich bei der Mutter der Vermissten, Brigitte Kührer, melden, deren Kontaktdaten in der Fußzeile des Suchzettels vermerkt sind. Parallel schaltet Julias Familie eine Website, auf der Zeugen ebenfalls Hinweise einsenden können.

So groß das Feuer der Hoffnung einer erfolgreichen Suchaktion zu Beginn in Brigitte und Anton aufgeflammt war, so schnell erlischt es auch wieder. Denn sowohl sie als auch die Polizei müssen feststellen, dass sich die Ermittlungen in diesem Fall zu einem regelrechten Fragenkarussell entwickeln und es, wenn überhaupt, nur sehr schleppend vorangeht.

Das Einzige, was die Beamten bis dato in Erfahrung bringen konnten ist, dass Julia am 27. Juni 2006 um 13:33 Uhr, kurz nach Schulschluss, am Pulkauer Hauptplatz aus einem Linienbus ausstieg und sich unmittelbar danach einem silbernem Toyota Picnic näherte, der vor einer Postfiliale parkte.

Laut Zeugenaussagen habe sich die 16-Jährige dann für eine Weile mit den Insassen des Wagens, drei Jugendlichen, unterhalten. Das Gespräch dauerte etwa eine Viertelstunde – seither fehlt von Julia jede Spur.

Ihr Vater wird später in einem Interview berichten, dass er bei seinen Suchmärschen jeden Weg, der vom Hauptplatz aus wegführt, mehrmals abgegangen sei und sich nicht erklären könne, wie seine Tochter ungesehen verschwinden konnte.

Vieles deutet zu diesem Zeitpunkt darauf hin, dass die 16-Jährige in irgendein Auto gestiegen war. Doch zu wem? Vielleicht in den silbernen Wagen der drei Jugendlichen? Handelt es sich bei ihnen möglicherweise um Freunde von Julia, die ihrer Kumpanin aus Höflichkeit eine Mitfahrgelegenheit anboten? Doch wohin sind sie gefahren? Da es vom Hauptplatz aus nur etwa 200 Meter bis zum Wohnhaus von Familie Kührer sind, ist es unwahrscheinlich, dass sie Julia dort abgesetzt haben.

Eigenartigerweise will niemand der Pulkauer die Insassen des PKWs weder allein noch in Begleitung von Julia jemals zuvor gesehen haben. Ein ungewöhnlicher Umstand für die rund 1.500 Seelen-Gemeinde, in welcher man sich für gewöhnlich untereinander kennt. Sollte es sich also tatsächlich um Freunde der Vermissten handeln, so müssten diese, allem Anschein nach, von außerhalb stammen.

Eine mögliche Antwort auf diese Frage bietet der Polizei Julias Handy, denn es kann im rund 20 Kilometer entfernten Horn, Hauptstadt des gleichnamigen Bezirks sowie Standort von Julias Schule, geortet werden. Ist es möglich, dass die 16-Jährige ihr Mobilgerät in Horn vergessen und die drei Jugendlichen gebeten hatte, sie nochmals dorthin zu fahren, um es zu holen? Vermutlich nicht, denn das Handy wird später in einem Waldstück gefunden, was erneut einen seitenlangen Fragenkatalog zur Folge hat.

Nach weiteren Recherchen bringen die Ermittler in Erfahrung, dass die Tage vor Julias Verschwinden relativ unauffällig und normal verlaufen sind. Am Sonntag war sie zu Hause; am Montag besuchte sie die Schule. Was jedoch am Samstag, dem 24. Juni 2006, geschah, lässt die Polizei hellhörig werden: An diesem Tag besuchte die Vermisste mit zwei Freundinnen das Donauinselfest, ein gratis OpenAir-Musikfestival auf der Donauinsel in Wien. Die Kleingruppe reiste gegen 13:15 Uhr von der Stadtgemeinde Retz aus über den Handelskai in Richtung Wien, wo sie etwa eine viertel Stunde später eintrafen. Äußerst lang verweilten die Freundinnen dort nicht – bereits um 17:00 Uhr holte ein Vater der Mädchen sie mit dem Auto am Hauptbahnhof ab.

Noch am selben Abend ging Julia im rund fünf Kilometer von Pulkau entfernten Schrattenthal auf eine Motocross-Veranstaltung. Familie und Freunde beäugen diesen Umstand äußerst erstaunt, da das Mädchen weder eine Vorliebe für Motorräder hat sowie, ihres Wissens nach, niemanden kennt, der in dieser Szene aktiv ist. Die Polizei geht davon aus, dass Julia auf dem Donauinselfest irgendwen kennengelernt haben muss, mit dem sie sich für die Veranstaltung am Abend verabredete. Ebenfalls bleibt es für die Ermittler rätselhaft, wie die Schülerin, ohne Auto oder einen Führerschein, überhaupt dorthin gelangt, geschweige denn wieder nach Hause, gekommen ist. Könnte ihr mutmaßlicher Begleiter sie womöglich mitgenommen haben?

Nach über 120 vernommenen Zeugen sowie rund 250 eingegangenen Hinweisen hat die Polizei noch immer keine hinreichenden Erkenntnisse zum Verbleib Julias erhalten. Auch der Einsatz von speziell ausgebildeten Spürhunden, sogenannten „Mantrailern“ bleibt ohne Erfolg.

Erst im Jahr 2010, nach vier endlos langen Jahren des Wartens, Hoffens und Bangens, kommt der Fall allmählich ins Rollen. Nachdem die zuständigen Behörden gemeinsam mit der Stadt Pulkau mittels einer Aktion die Jugendlichen in die Ermittlungen mit einbezogen haben, wird publik, dass die Stadt womöglich zum Zeitpunkt von Julias Verschwinden ein Drogenproblem hatte.

So stellte sich die Frage, ob die Stimmungsschwankungen sowie die Antriebslosigkeit, unter welchen Julia litt, möglicherweise das Resultat einer Drogensucht gewesen sind? Immerhin sind dies typische Symptome für einen Rauschmittelkonsum. Führte womöglich eine Überdosis zu ihrem spurlosen Verschwinden? Ist das der langersehnte Schlüssel zum Erfolg für die Ermittler?

Am 10. Mai 2010 überschlagen sich die Ereignisse erneut im Fall Kührer, als es im Bezirk Horn zur Festnahme einer 27-jährigen Frau namens Tamara Leitner2, ihres 21-jährigen Bruders Jürgen Leitner sowie ihres 26-jährigen Ex-Freundes Martin Angerer kommt. Grundlage für die Verhaftung der drei ist ein, am 01. Mai 2010 geführtes, Telefonat der beiden Ex-Partner, das auf Basis einer gerichtlich bewilligten Rufdatenüberwachung von der Sonderermittlergruppe „Zielfahndung Vermisste“ abgehört wurde.

In dem Gespräch äußerte sich der 26-Jährige besorgt darüber, dass ein Ex-Freund Julias bei der Befragung durch die Polizei „alle verpfiffen“ habe – ein Grund für die Polizei anzunehmen, dass die drei möglicherweise etwas über das Verschwinden Julia Kührers wissen.

Da die Festgenommenen allesamt im Drogenmilieu verkehren, nehmen die Ermittler an, dass Julia mit ihnen gemeinsam Rauschmittel konsumierte und dabei eine versehentlich tödliche Überdosis verabreicht bekam. Anschließend müssen die Drei die Leiche der Vermissten irgendwo entsorgt haben. Doch hat sich die Geschichte tatsächlich so zugetragen? Haben die jungen Erwachsenen etwas mit Julias Verschwinden zu tun? Für die Polizei jedenfalls ist die Sache klar – und sieht in ihren Vermutungen einen Grund, den Verdächtigen um sechs Uhr morgens die Sondereinheit „Cobra“ vorbeizuschicken.

Allumfassende Leere breitet sich in Martins Innerem aus, während er mit gefesselten Händen auf dem kalten Fußboden seiner Wohnung liegt und die Hülle seines toten Schäferhund-Mischlings anstarrt. Immer wieder spielt sich vor seinem geistigen Auge der gleiche Film ab: Wie der vor Schmerz jaulende Hund unter dem Kugelhagel der Polizisten, einer großen Stoffpuppe gleich, zu Boden fiel.

Während der 26-Jährige noch zu begreifen versucht, was genau hier eigentlich geschehen war, beginnt die Cobra um ihn herum bereits damit, seine Wohnung auf den Kopf zu stellen. Zur selben Zeit finden auch bei seiner Ex-Freundin Tamara sowie ihrem Bruder Jürgen Wohnungsdurchsuchungen statt, bei welchen die Polizei synthetische Drogen, darunter auch K.-o. Tropfen und eine Gaspistole sicherstellen kann.

Weitere Ermittlungen gegen die Verdächtigen ergeben, dass Julia mit ihrem Mobiltelefon, rund 45 Minuten nachdem sie zum letzten Mal am Pulkauer Hauptplatz gesehen wurde, in einem Funkmast in unmittelbarer Nähe des Wohnhauses der Großeltern Martin Angerers eingeloggt war. Die Staatsanwaltschaft nimmt daher an, dass es sich bei Tamara und Jürgen Leitner sowie Martin Angerer um jene Unbekannten handelt, mit denen sich die Vermisste kurz vor ihrem Verschwinden unterhalten hatte.

Die drei Verdächtigen werden jedoch schnell wieder freigelassen, denn trotz diverser Zeugenaussagen können anstatt handfester Beweise nur Indizien, die keinen direkte Verbindung zum Fall Kührer haben, beigelegt werden. Darüber hinaus erklärt das Oberlandesgericht Wien die Festnahme am frühen Morgen des 10. Mai 2010 als rechtswidrig – die Beweislast sei nicht tragfähig genug, um eine derart gewaltsame Stürmung zu rechtfertigen. Rechtsanwalt Johannes Ö., der Martin Angerer vertritt, spricht von „unangemessener Gewaltanwendung“ und ordnet daher ein Ermittlungsverfahren gegen die drei Polizisten an, die den Schäferhund-Mischling seines Mandanten mit dutzenden Schüssen niederstreckten. Ob die Beamten letztlich für ihr Handeln belangt wurden, bleibt offen.

Offen bleibt nach dieser, zunächst vielversprechend erscheinenden Spur, auch weiterhin der Verbleib Julia Kührers. Zwar konnte die Verhaftung der drei Freunde und die einhergehende Ermittlung zur Zerschlagung eines Drogennetzwerks führen, welches Rauschgift aus Tschechien nach Österreich schmuggelte. Doch der eigentlich gewünschte Erfolg bleibt vorerst aus.

Nach über 60 gefüllten Aktenordnern, unzähligen, ausgewerteten Telefondaten, hunderten vernommenen Zeugen sowie mehrmaligen, ausführlichen Analysen von Julias Tagebuch findet der Fall Kührer am Abend des 30. Juni 2011, fünf Jahre und drei Tage nach ihrem spurlosen Verschwinden, schließlich sein Ende.

Zwei Männer gehen im goldenen Schein der langsam untergehenden Sonne in Dietmannsdorf, eine Kastralgemeinde die rund 40 Kilometer von Pulkau entfernt gelegen ist, mit ihrem Hund spazieren. Als sie gerade das Privatgrundstück eines Bekannten passieren, fliegt der Spielball über den Zaun und bleibt im dichten Gras liegen. Statt zu klingeln, klettern die Männer unbekümmert über den Zaun, um eigenhändig nach dem verlorenen Ball zu suchen.

Kaum auf dem Grundstück, ändern sie jedoch urplötzlich ihre Pläne. Da ihnen der Besitzer, ein gewisser Michael Strasser3, schon immer dubios und rätselhaft erschien, packt sie die Neugier. Sie weiten die Suche nach dem Ball in eine Erkundung des eingezäunten Anwesens aus. Dabei stoßen sie zwischen mannshohen Gräsern und Sträuchern auf eine am Boden liegende und mit Spinnweben, Dreck und einzelnen Insekten bedeckte Holzplanke. Nachdem sie diese ein Stück beiseitegeschoben haben, offenbart der Untergrund ein dunkles Geheimnis: den Eingang zu einem Erdkeller, worin sie menschliche Knochen vorfinden.

Umgehend alarmieren die schockierten Eindringlinge die Polizei, welche das gesamte Gelände umgehend mit weiß-rotem Flatterband absperrt und mit einer Durchsuchung des auf dem Grundstück errichteten Wohnhauses beginnt. Den Ermittlern drängt sich dabei sogleich eine Frage auf: ist es möglich, dass der Fund der beiden Männer die sterblichen Überreste der verschollenen Julia Kührer sind? Um dies herauszufinden, werden die Knochen zur DNA-Analyse ins Labor geschickt.

Überdies kann die Spurensicherung auch Kleidungsreste, ein teilweise verbranntes Englisch-Lexikon sowie eine ebenfalls teilweise verbrannte, blaue Decke sicherstellen. Wurde das Opfer möglicherweise entführt und im Erdkeller gefangen gehalten?

Einen Tag später, am 01. Juli 2011, bekommen die Ermittler das Ergebnis der forensischen Untersuchung. Aus ihrer anfänglichen Theorie ist grausame Realität geworden: bei den sterblichen Überresten aus dem Erdkeller handelt es sich tatsächlich um die vor 5 Jahren verschwundene Julia Kührer.

Warum die Identifizierung so schnell vonstatten ging, ist leicht erklärt: Da von der Toten zunächst nur der Unterkiefer samt Zähnen gefunden wurde, ließ sich problemlos ein Abdruck der Zähne anfertigen und mit den Befunden früherer Zahnarztbesuche abgleichen; ein Verfahren, das in der Rechtsmedizin häufig zum Einsatz kommt, wenn die Identität eines Leichnams nicht ohne weiteres geklärt werden kann.

Weitere Untersuchungen ihres übrigen Skeletts, das am 02. Juli 2011 geborgen werden kann, ergeben, dass die damals 16-Jährige bereits zum Zeitpunkt ihres Verschwindens im Jahr 2006 zu Tode kam. Der Fundort ihrer Leiche war jedoch nicht der Tatort. Wo also starb Julia Kührer? Und vor allem: wie?

Zwar kann ein Tod durch Fremdeinwirkung, aufgrund des fehlenden Weichgewebes, bei der Obduktion der sterblichen Überreste nicht zweifelsfrei festgestellt werden, der zuständige Rechtsmediziner geht jedoch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon aus.

Parallel zu den forensischen Untersuchungen des Leichnams nimmt die Polizei den Besitzer des Grundstücks, Michael Strasser, vorläufig in Gewahrsam. Es muss geklärt werden, ob er derjenige ist, der Julia Kührer entführte und tötete oder, falls nicht, wie ihre sterblichen Überreste in seinen Erdkeller gelangten. Ist es möglich, dass jemand anderes Julia umbrachte und ihre Leiche absichtlich im Garten von Michael Strasser deponierte, um die Spur auf ihn zu lenken?

---ENDE DER LESEPROBE---