Trusting You - Sven Krüdenscheidt - E-Book

Trusting You E-Book

Sven Krüdenscheidt

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Beschreibung

Er liebt ihn. Doch wird er dazu stehen?    Nachdem sein Exfreund Nick ihn betrogen hat, will Mike ihn einfach nur vergessen. Da kommt das Angebot seiner besten Freundin Kathey, für einen spontanen Urlaub in die Karibik zu fliegen, gerade recht. Kurzerhand machen sich die beiden auf den Weg. Was ein entspannter Urlaub werden sollte, bringt Mikes Gefühlswelt jedoch endgültig durcheinander. Der Grund dafür: Die Urlaubsbekanntschaft Jeffrey. Der mysteriöse Sonnyboy sucht auffällig oft die Nähe der Freunde – doch wem gelten seine Annäherungsversuche? Kathey oder vielleicht doch Mike? Und welches Geheimnis verbirgt Jeff vor den beiden?

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EPUB

Seitenzahl: 407

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Der Autor

Sven Krüdenscheidt wurde 1987 in Velbert geboren, wo er auch heute noch mit seinem Mann lebt. Beruflich ist er als Qualitätsbeauftragter in der Pflegebranche tätig. Mit dem Schreiben hat er eher zufällig begonnen, nachdem er morgens aufgewacht war und eine Idee für eine Story hatte. Daraus folgte sein erstes Buch mit dem Titel „Nicht ohne dich“. Wenn er schreibt, taucht er in eine andere Welt ein und erlebt gemeinsam mit seinen Protagonisten Höhen und Tiefen. Sein Zuhause fand er im Gay Romance Bereich, denn für ihn spielt es keine Rolle, wen man liebt. Hauptsache man ist glücklich mit sich selbst.

Das Buch

Er liebt ihn. Doch wird er dazu stehen?   Nachdem sein Exfreund Nick ihn betrogen hat, will Mike ihn einfach nur vergessen. Da kommt das Angebot seiner besten Freundin Kathey, für einen spontanen Urlaub in die Karibik zu fliegen, gerade recht. Kurzerhand machen sich die beiden auf den Weg. Was ein entspannter Urlaub werden sollte, bringt Mikes Gefühlswelt jedoch endgültig durcheinander. Der Grund dafür: Die Urlaubsbekanntschaft Jeffrey. Der mysteriöse Sonnyboy sucht auffällig oft die Nähe der Freunde – doch wem gelten seine Annäherungsversuche? Kathey oder vielleicht doch Mike? Und welches Geheimnis verbirgt Jeff vor den beiden?

Sven Krüdenscheidt

Trusting You

Forever by Ullsteinforever.ullstein.de

Originalausgabe bei ForeverForever ist ein Digitalverlag der Ullstein Buchverlage GmbH, BerlinApril 2018 (1)

© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2018Umschlaggestaltung:zero-media.net, MünchenTitelabbildung: © FinePic®Autorenfoto: © privat

ISBN 978-3-95818-263-9

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Inhalt

Der Autor / Das Buch

Titelseite

Impressum

Mein täglicher Kampf

Billigflug und Luxushotel

Der Jetlag und ich

Freude und Absturz

Gefühlschaos vorprogrammiert

Aufbruch in eine bessere Zeit?

Alles auf Neuanfang

Alles auf Anfang

Eine unvergessliche Zeit

Wolke sieben und zurück in die Wirklichkeit

Hoffnung, Angst und Verzweiflung

Nichts ist mehr, wie es war

Unvergessen

Ein getrübtes Weihnachtsfest

Eine Woche voller Glück

Endlich wieder zu Hause

Ein schicksalhaftes Geschenk

Ein Schlag ins Gesicht

Die Konfrontation

Ablenkung ist die beste Therapie

Am Rande der Verzweiflung

Gedankenflut

Die Zeit heilt keine Wunden

Vertrauen bedeutet Zukunft

Worauf habe ich mich da eingelassen?

Bleib stark und selbstbewusst

Ein eiskaltes Wesen

Sterne funkeln

Zu Unrecht verdächtigt?

Bitte nicht!

Glück und Trauer liegen nah beieinander

Verzweiflung

Kein Lebenszeichen

Traue niemandem!

Eine bröckelnde Fassade

Zukunft, wir kommen

Epilog

Danksagung

Leseprobe: Closer

Empfehlungen

Social Media

Vorablesen.de

Cover

Titelseite

Inhalt

Mein täglicher Kampf

Liebe, Vertrauen und Hoffnung liegen so nah beieinander, dass man sie teils nicht trennen kann.

Dieses Buch widme ich meiner Schwester Maren, mit der ich lachen, weinen und auch streiten kann. Wir kennen uns bereits unser gesamtes Leben. Sind uns teils uneinig, aber trotzdem immer füreinander da. Ich bin stolz darauf, so eine Schwester zu haben. Bleib, wie du bist, denn so bist du perfekt.

Dein Bruder.

Mein täglicher Kampf

Der Morgen war noch jung. Fast zu jung für mich! Die Sonne streifte sanft die umliegenden Dächer. Während ich das Fenster zum Lüften öffnete, tauchte ich für einen ganz kurzen Moment in eine Welt voller Zufriedenheit und Ausgeglichenheit ab. Aber wie gesagt nur kurz. Der Wecker an meinem Bett zeigte sieben Uhr und drei Minuten an. Bevor ich unter die Dusche springen konnte, brauchte ich einen Wachmacher. Mmh …? Was nehme ich heute? Espresso, doppelten Espresso, Cappuccino oder doch nur einen normalen Café Crema?

Ich entschied mich für den Dark Roasted Coffee. Glück gehabt! Es waren noch genug Kaffeebohnen im Behälter. Einen Moment musste ich warten, bis der Powerknopf grün aufleuchtete und der Vollautomat die Energie hatte, um die Bohnen zu zermahlen. Noch schnell ein paar Tropfen Milch, einen Löffel Zucker; schon hatte ich meinen Kick am frühen Morgen. Jetzt aber duschen, sonst komme ich wirklich noch zu spät!

Mein Badezimmer hüllte sich in dichten Nebel und ich genoss das heiße Wasser, das mir auf den Körper prasselte. Doch dann passierte es. Nick erschien vor meinem inneren Auge. Nicht wieder diese Erinnerungen, bitte nicht! Zu spät! Meine Gedanken drifteten ab. Ganz anders als geplant. Eigentlich hatte ich mir für heute vorgenommen, mich über alles zu freuen. Das Leben positiv zu sehen. Aber es ging einfach nicht. Es war zu früh. Die negativen Gefühle gaben mir eine Befriedigung, die ich noch brauchte. Vielleicht war es eine Art Selbstbestrafung.

Warum hat er mir das angetan? Diese Frage beschäftigte mich seit Wochen. Doch ich hatte keine Antwort darauf. Die Zeit heilt alle Wunden, so heißt es. Meine Wunden verschwanden aber nicht. Sie wogen noch genauso schwer wie auf den Tag genau vor fünf Monaten.

Bevor mich weitere Gedanken aus dem Gleichgewicht bringen konnten, stellte ich den Wasserhahn auf rechts. Innerhalb weniger Sekunden erstarrte mein Körper von dem kalten Strahl, der mich überschwemmte.

Das reicht! Abtrocknen, anziehen, los geht’s! Der Arbeitstag wartete bereits auf mich.

Auf der Straße herrschte reges Treiben. Die Hauptstraße zu überqueren ohne die Ampel zu benutzen, schien unrealistisch. Es gab keine Abkürzung. Notgedrungen schlängelte ich mich durch die Masse an Leuten, die meinen Weg kreuzten. Als ich an der Ampel stand, fiel mir ein, dass ich den Kaffee nur zur Hälfte getrunken hatte. Kein Wunder, dass ich nicht in die Gänge kam. Ich brauchte unbedingt noch einen starken Coffee to go. Daher entschloss ich mich zu einem kurzen Abstecher zur Bäckerei um die Ecke.

Mit einem neuen Kaffeebecher in der Hand näherte ich mich wenig später dem Eingang von »Global Control«, der Firma, für die ich als IT-Experte tätig bin. Eigentlich liebe ich meinen Job, aber ich fühlte mich einfach nur leer und ausgebrannt. Jeder Tag war eine neue Herausforderung für mich. Am liebsten wollte ich nur noch im Bett liegen bleiben, mir die Decke über den Kopf ziehen und dabei alles um mich herum vergessen.

Ronald, der gut aussehende, charmante Empfangsmitarbeiter begrüßte mich wie jeden Morgen herzlich. Die Kollegen fragten sich, ob er schwul oder einfach nur ein Vorzeigeschwiegersohn sei. Keine Ahnung! Ganz ehrlich, es interessierte mich auch nicht wirklich.

Mein kleines Büro liegt auf der dritten Etage eines fünfzehn Stockwerke hohen Hauses, mit Blick auf den Frankfurter Finanzbezirk. Vom Schreibtisch aus kann ich durch die Spiegeltür das Geschehen im Großraumbüro betrachten. Es gibt einige Kollegen, die sich stets unbeobachtet fühlen. Statt ihrer Arbeit nachzugehen, überprüfen sie lieber ihren Facebook- oder Twitter-Account.

Zehn neue E-Mails erwarteten mich und leuchteten bereits kurz nach dem Einschalten des Rechners auf. Na klasse, dachte ich mir. Genauso stellte ich mir einen entspannten Arbeitstag vor. Mein Chef hatte ein Meeting für zehn Uhr angesetzt. Wahrscheinlich sollte es um das neue Projekt für eine große Hotelkette gehen. Des Weiteren waren diverse Fehlermeldungen von Kunden bei mir gelandet. Diese hatten absolute Priorität.

Das Handy vibrierte in meiner Hosentasche.

Hi Mikey, wie wäre es mit einem spontanen Urlaub? Ein Nein akzeptiere ich nicht.

Es war Kathey, meine beste Freundin, die seit fünf Monaten alles daransetzte, mich zum Lachen zu bringen. Jeden Tag ließ sie sich etwas Neues einfallen, was mich aus meinem tiefen schwarzen Loch herausholen sollte. Sie war das perfekte Beispiel für Ausgeglichenheit und Frohsinn.

Eigentlich heißt sie Katharina, aber der Name gefällt ihr nicht sonderlich. Sie findet Kathey schöner. Wie oft hatte ich ihr in der Vergangenheit gesagt, sie solle sich besser mit anderen Leuten amüsieren, sich nicht von mir herunterziehen lassen. Aber keine Chance! Kathey ließ einfach nicht locker. Sie hatte mir noch einen Anhang mitgeschickt. Sicherheitshalber schaute ich auf mein aktiviertes WLAN-Symbol, um nicht unnötiges Datenvolumen zu verbrauchen. Als sich die Grafik öffnete, stach mir ein traumhaft schöner Puderzuckerstrand am türkisfarbenen Meer entgegen. Für einen Moment ließ ich mich von dem Bild blenden und vergaß alles um mich herum.

Ich bemerkte zu spät, dass mein Teamleiter plötzlich vor mir stand. »Mike, sind Sie einsatzfähig oder soll ich später wiederkommen, wenn Sie Ihre Privatangelegenheiten erledigt haben?« Seine Stimme klang wie immer unfreundlich, monoton und leicht aufbrausend.

»Entschuldigen Sie, Tade«, gab ich kleinlaut zurück.

»Ich brauche dringend Ihre Entwürfe für das bevorstehende Meeting.«

»Ja klar, warten Sie kurz. Wo habe ich sie doch gleich? Ah hier, in der Schublade.«

»Sehr gut, danke Ihnen. Vergessen Sie nicht die Besprechung, Mike!«

Wie sollte ich das Meeting vergessen? Schließlich wurde ich automatisch von Outlook an den bevorstehenden Termin erinnert. Spinner! Meine Träumerei würde warten müssen, ich hatte Arbeit vor mir!

Die Konferenz ging länger als geplant. Mein Magen verkrampfte sich schon vor Hunger. Bereits während wir gemeinsam am Tisch saßen, knurrte er ununterbrochen. Nun war es ein Uhr und ich hatte mir eine kleine Mittagspause wirklich verdient. Nur noch ausloggen und es konnte losgehen.

Mein Smartphone vibrierte erneut. »Was ist nun schon wieder?«, raunte ich mir selbst zu. Da war aber jemand hartnäckig. Den Puderzuckerstrand hatte ich schon vergessen gehabt, aber in diesem Moment fiel er mir wieder ein. Ich hatte keine Lust mir das Bild erneut anzuschauen. Der Hunger war größer und ich würde nur dreißig Minuten Zeit haben, um ihn zu stillen. Burger, chinesisch oder doch nur einen Salat?

»Mike«, rief es hinter mir. Ich drehte mich um und sah Kathey lächelnd mit zwei Sandwiches und Heißgetränken ausgestattet auf mich zukommen.

»Was machst du denn hier?«, fragte ich leicht irritiert.

»Warum werde ich wohl meinen freien Tag opfern und dir deine Mittagspause versüßen?« Geduld ist keine von Katheys Stärken. Sie wollte diesen Urlaub unbedingt und war der Meinung, dass es für mich die einzige Möglichkeit wäre, mich effektiv abzulenken. Vielleicht hatte sie recht.

Kathey zeigte mir Aufnahmen einer Fünf-Sterne-Anlage in der Dominikanischen Republik. Das Resort sah traumhaft aus. Wieder schweiften meine Gedanken ab. Ich fühlte bereits das lauwarme Wasser an meinen Füßen plätschern, hörte das Rascheln der Kokospalmen und die Klänge der karibischen Musik in meinen Ohren.

»Mikey, was ist nun?«, fragte sie aufgeregt.

»Wann soll die Reise denn losgehen?«, erwiderte ich.

»Na gleich am Sonntag! Deshalb ist es ja so eilig. Ich habe bereits das letzte freie Zimmer im Hotel reserviert«, verriet sie mir voller Vorfreude.

Das war typisch Kathey! Sie packte jede Gelegenheit direkt beim Schopfe. Genau das faszinierte mich an ihr. Sie nahm alles, wie es kam, ohne sich den Kopf darüber zu zerbrechen. Ich wünschte mir, auch solch ein Selbstbewusstsein und diese enorme Willensstärke zu haben. »Dir ist schon klar, dass ich erst meinen Chef fragen muss? Ich glaube, er wird von der Idee, mich spontan in den Urlaub zu schicken, nicht sehr begeistert sein. Allein schon wegen des Projekts, das wir gerade bearbeiten«, sagte ich zweifelnd.

»Du kriegst das hin. Überleg mal, wie lange dein letzter Urlaub schon her ist. Wenn nicht, dann knöpfe ich mir deinen Boss persönlich vor.« Sie lachte auf.

Kathey hatte recht. Mein letzter Urlaub lag in der Tat schon zwei Jahre zurück. Damals hatte ich mit meinem Freund, nein Ex-Freund, Korsika bereist. Es war wunderschön gewesen.

Die Erinnerungen überrannten mich. Es schmerzte sehr, an die vergangene Zeit mit ihm zu denken. Alles hatte damals perfekt geschienen. Wir waren verliebt wie Teenager gewesen. Doch dann war alles plötzlich kaputtgegangen.

»Mike! Hör auf zu träumen!«

Erschrocken schaute ich Kathey an. Sie begriff wahrscheinlich sofort, woran ich dachte. »Die Pause ist gleich um. Ich muss zurück ins Büro. Ich werde gleich mit meinem Boss sprechen. Nur erwarte nicht zu viel!« Hastig trank ich einen letzten Schluck des mittlerweile erkalteten Milchkaffees. Sie gab mir einen Schmatzer auf die Wange und zeigte mir ihre beiden gedrückten Daumen, als Symbol dafür, dass sie mir Glück wünschte.

Wenig später klopfte ich an die Tür von Tade. Insgeheim hoffte ich, er würde gute Laune haben. Aber bereits das »Herein« klang wenig ermutigend. Mit dem Kopf in den Händen saß er vor seinem Rechner. Er ist relativ speziell und kann sehr launisch sein. Tade war vor zwei Jahren vom Headquarter in London zu uns gekommen, um die Qualität der IT-Abteilung auf den britischen Stand zu bringen. Vielleicht sollte ich das Ganze einfach abblasen! Wahrscheinlich genehmigte er mir den Antrag sowieso nicht. Bei der derzeitigen Auftragslage, dachte ich verunsichert. »Tade ich wollte Sie fra…«

»Ich weiß Bescheid, Mike. Es tut mir sehr leid, das mit Ihrer Tante. Natürlich kriegen Sie zehn Tage frei, um zum Begräbnis nach Italien zu fliegen. Sie haben ja mehr als genug Urlaub übrig.«

Begräbnis, Tante, Italien? Was sollte das? Ich habe keine Tante! Und warum Italien? Ich verstand nicht, was er meinte. »Woher …?«

Er unterbrach mich. »Ihre Cousine hat sich eben zu mir durchstellen lassen und mich über das Ableben Ihrer Tante in Kenntnis gesetzt, da sie befürchtet, Sie würden sich nicht freinehmen können.«

Auch eine Cousine habe ich nicht. Langsam dämmerte es mir. Dahinter konnte nur Kathey stecken. Wenn ich eines hasste, dann war es zu lügen oder belogen zu werden. Einerseits war ich sauer, richtig sauer sogar. Andererseits verspürte ich eine Art Erleichterung.

»Sie können jetzt Feierabend machen, Mike. Ich wünsche Ihnen viel Kraft.«

Ich musste Kathey sofort anrufen und sie zur Rede stellen. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, verließ ich Tades Büro. Zu groß war die Gefahr, dass ich mich verquatschen könnte.

Es schien, als wüssten bereits alle auf der Etage Bescheid. Ihre Blicke drückten ihr Beileid aus. Mein Gott, war mir das unangenehm! Was hatte Kathey sich nur dabei gedacht? Sie wusste genau, wie sehr ich gegen Lügen jeglicher Art bin. Vor allem nach der Sache mit Nick. Ich ertrug die heuchlerischen Blicke meiner Kollegen nicht länger, deshalb musste ich ganz schnell weg.

Als ich mich dem Eingangsbereich näherte, zog ich mein Handy aus der Hosentasche, um Kathey anzurufen.

»Da bist du ja endlich, das hat aber lange gedauert«, hörte ich eine vertraute Stimme hinter mir sagen.

Ich zog Kathey zur Seite und fauchte sie an: »Was sollte das? Wenn das rauskommt, kann ich mir einen neuen Job suchen!«

»Mach dich mal locker, das wird schon niemand erfahren. Jetzt gehen wir erst mal für den Urlaub shoppen.« Ihre Vorfreude stand ihr ins Gesicht geschrieben.

Ich konnte ihr wieder einmal nicht lange böse sein, zumal sie es ja nur gut gemeint hatte. Da ich seit jeher sehr organisiert bin und nichts dem Zufall überlasse, war diese spontane Reise eine Herausforderung für mich. Ich hatte kaum Zeit, alles zu planen und mich auf den Urlaub vorzubereiten. Vor meinem geistigen Auge schrieb ich bereits eine Checkliste: Schlüssel deiner Schwester geben, Blumen gießen, Duschgel, Sonnencreme, Körperlotion besorgen …

Bei dem Gedanken daran, dass ich etwas vergessen könnte, wurde mir ganz schlecht.

Billigflug und Luxushotel

Ich hatte die Nacht kaum geschlafen, da ich immer wieder überlegt hatte, ob ich etwas vergessen haben könnte. Mehrmals war ich aufgestanden, hatte den Koffer geöffnet und mich vergewissert, dass alles an seinem Platz lag.

Nun hatte ich große Mühe, den Hartschalenkoffer drei Etagen hinunterzutragen. Als ich unten ankam, war ich nass geschwitzt und hätte direkt wieder umdrehen können.

»Komm schon, das Taxi wartet«, sagte Kathey. Sie trug eine schwarze Leggings und ein viel zu großes weißes Top, worunter man ihren schwarzen Spitzen-BH erkennen konnte. Die Haare waren nur notdürftig mit einem Haargummi befestigt.

»Ich bin ja schon da.«

Im Wagen fragte ich, welche Sitzplätze sie reserviert hatte und bekam prompt die Antwort: »Wie, Sitzplätze reservieren? Die kriegen wir doch gleich beim Check-in.« Fragend schaute Kathey mich an.

»Das ist nicht dein Ernst? Du hast keine Sitzplätze geblockt?! Na klasse, jetzt bekommen wir irgendwelche Plätze in einer Viererreihe. Toll!« Ich schnaubte vor Wut.

»Sorry«, sagte sie reumütig.

Und schon tat sie mir wieder leid. Ich hätte mich ja auch selbst darum kümmern können. Das war nicht fair von mir. »Alles gut, wir machen das schon«, stammelte ich entschuldigend.

»Ihre Ausweise und Tickets bitte«, sagte die unfreundlich wirkende Check-in Dame in einem patzigen Tonfall.

»Geht das auch ein bisschen freundlicher?«, fragte meine Begleitung aufbrausend.

Das war es jetzt endgültig! Kathey hatte unsere letzte Hoffnung auf gute Plätze im Flieger verspielt. Ich versuchte verzweifelt, freundlich und charmant auf die Dame einzureden. Ohne Erfolg.

»Es tut mir sehr leid, aber wir haben nur noch zwei Mittelplätze in einer Viererreihe frei.« Dabei setzte die Airline-Mitarbeiterin ein dreistes Lächeln auf.

»Super! Knapp zehn Stunden neben mir völlig fremden Menschen zu sitzen ist genau mein Fall.« Frustriert griff ich nach den Bordkarten und wir begaben uns zum Abfluggate.

»Einen schönen guten Tag und herzlich willkommen an Bord der Sun Fly, auf Ihrem heutigen Flug nach Punta Cana«, hörten wir den Purser durch das Bordphone sagen.

Sun Fly? Den Namen hatte ich noch nie gehört. Ich hätte mich wohl besser selbst um den Flug kümmern sollen. Nun saßen wir eingeengt im hinteren Teil der Maschine einer mir nicht bekannten Airline. Der Urlaub ging ja gut los. Ich hoffte auf eine kleine zierliche Sitznachbarin, aber ich hatte Pech. Neben mich setzte sich ein recht stabil wirkender Mittvierziger, der Probleme hatte, seine Beine so zu stellen, dass er nicht mit den Kniescheiben den Vordersitz berührte.

»Guck mal, Mike, wie viele Filme hier laufen. Das ist doch der Wahnsinn.« Kathey tatschte auf dem Inseat Screen herum.

»Ja prima! Nur sind die Filme leider alle schon uralt«, antwortete ich und seufzte.

Es dauerte noch eine ganze Weile, bis wir auf der Startbahn standen. In Frankfurt herrschte die alltägliche Rushhour.

Nach neun Stunden und fünfundvierzig Minuten setzte die Maschine in Punta Cana auf. Die Fahrt zum Hotel dauerte nur dreißig Minuten. Empfangen wurden wir mit einem Glas eisgekühltem Champagner – die perfekte Entschädigung für den anstrengenden Flug. Alles sah sehr nobel aus. Die Eingangshalle wirkte riesig und war ringsherum geöffnet. Das Dach bestand aus Palmenblättern. Ich spürte eine leichte Brise, eine willkommene Erfrischung. Während ich auf den Pool blickte, kam ich gar nicht mehr aus dem Staunen heraus. Das Becken war nicht besonders groß, dafür umgeben von unzähligen Palmen und mit einer kleinen Poolbar mittendrin. Wir wurden mit einem Golfcart zu unserem Zimmer gefahren.

Uns erwartete eine Suite. In der Mitte thronte ein Himmelbett.

Kathey riss die Gardinen am Fenster auf. »Guck dir das an, Mike, da steht ein Jacuzzi auf dem Balkon!«

Ich bekam ein leichtes Kribbeln in der Bauchgegend. Endlich freute auch ich mich auf die nächsten zehn Tage.

Der Jetlag und ich

Irgendwie wurde ich einfach nicht richtig munter. Obwohl ich eigentlich ausreichend geschlafen hatte. Ich hatte gewusst, der Jetlag würde mir zu schaffen machen. Aber langsam musste ich wirklich aufstehen, wenn ich das karibische Flair genießen wollte.

Kathey war schon lange vor mir wach gewesen und kam mit einem Handtuch um den Kopf gewickelt aus dem Bad. »Guten Morgen, du Schlafmütze, das Frühstück können wir uns jetzt wohl abschminken!« Ihr Blick verriet mir, dass ihr das nicht passte.

»Wie, schon so spät?« Ich griff nach meinem Smartphone, das auf der Nachtkonsole lag, und drückte den Button in der Mitte. »Oh Shit!« Die Uhr zeigte zehn Uhr dreiunddreißig. »Sorry, aber irgendwie bekommt mir die Zeitumstellung nicht.«

»Das glaube ich auch. Geh erst mal unter die kalte Dusche. Das wird dir guttun.«

Ihr Wort in Gottes Ohr. Mein Urlaubsfeeling vom vergangenen Abend schien bereits wieder verschwunden zu sein. Ich rappelte mich auf und ging ins Bad. Dort erblickte ich zwei Waschbecken, die von einer Marmorplatte eingefasst waren. Die Hähne waren vergoldet und wirkten eher antik als modern. Dazu die verglaste Dusche mit direktem Blick auf das Bett. Diese war auf jeden Fall gewöhnungsbedürftig, aber mit einem Knopfdruck wurde das Glas milchig, sodass man weder hinaus- noch hineinschauen konnte. Ich folgte dem Tipp von Kathey. Das kalte Wasser auf der Haut belebte mich und ich genoss jeden Tropfen.

»Na, geht es dir besser?«

»Ja, ich fühle mich schon lebendiger.« Ich seufzte zufrieden.

»Na dann los! Es wird Zeit, an den Strand zu gehen, sonst kriegen wir gar keine Liegen mehr«, sagte sie nervös.

»Jaja, ist ja gut, wir können los«, entgegnete ich leicht genervt, denn auf Stress hatte ich im Urlaub keine Lust.

Die Luftfeuchtigkeit traf mich unvorbereitet. Sofort bemerkte ich ein immer stärker werdendes Pochen an meinen Schläfen, das ich sonst nur als Folge eines Katers kannte.

Kathey wirkte unterdessen total fasziniert von unserer Umgebung, dabei betrachtete sie jede Palme wie eine Art Unikat. Ganz so, als ob sie noch nie zuvor eine gesehen hätte.

»Das ist unser Himmelbett.« Freudestrahlend ließ sie sich auf die Schaumstoffmatratze direkt vor dem Meer fallen und stöhnte dabei leise.

Eine junge Dame beobachtete uns schon beim Betreten des separaten Strandabschnittes und kam schließlich auf uns zu. Sie reichte uns Erfrischungstücher. Danach fragte sie, was wir zu trinken wünschten. Als sie unsere Bestellung gebracht hatte, blickten Kathey und ich uns verblüfft an.

»Findest du das hier nicht ein wenig zu hoch gegriffen?«, fragte ich leicht entsetzt.

»Na ja, es ist schon ein bisschen komisch, aber dafür haben wir bezahlt. Genieß es einfach, mal komplett umsorgt zu werden«, meinte sie gewohnt lässig und zog sich dabei ihr Trägertop über den Kopf, um stolz ihren neuen Bikini zu präsentieren. »Auf einen unvergesslichen Urlaub, Mike.« Dabei hob sie ihr Glas. Ich tat es ihr gleich. Kurz darauf schlief ich wieder ein.

Ich erwachte erst, als sie mich mehrmals rüttelte. »Das kann doch nicht wahr sein. Wir sind in der Karibik und du verschläfst den ganzen Tag. Jetzt steh endlich auf und komm mit mir ins Meer.« Schnaubend verdrehte sie ihre Augen.

»Entschuldigung. Ich sag ja, der Jetlag macht mich fertig«, redete ich mich raus.

Das Wasser schimmerte glasklar. Vielleicht sogar zu klar für mich, denn man konnte jeden Fisch genauestens erkennen. Das war nicht so mein Fall. Nicht dass ich Angst vor Fischen hätte, dennoch brauchte ich sie nicht unbedingt in meiner direkten Umgebung.

Ohne auf den Meeresgrund zu gucken, folgte ich Kathey ins Wasser. Jeder Schritt war ein Wagnis für mich.

»Das Wasser ist ja fast so warm wie das in meiner Badewanne«, rief sie fröhlich.

»Das stimmt. Es ist wirklich angenehm.«

Eine Zeit lang ließen wir uns auf dem Rücken treiben, ohne dabei zu merken, dass wir immer weiter abdrifteten. Irgendwann schreckte ich auf und sah mich um. Ich konnte nicht mehr stehen und das Wasser unter mir war dunkelblau. Ich war bereits ziemlich erschöpft und wollte einfach nur raus aus dem Wasser.

»Mike, kannst du mir mal sagen, was du da gerade machst?«, hörte ich Kathey aus nicht allzu weiter Entfernung rufen. Ich drehte mich um und sah ihren Kopf zwischen den seichten Wellen immer wieder auf- und abtauchen.

»Äh, ich habe dich gesucht«, log ich.

»Ah ja, na jetzt hast du mich ja gefunden.«

Als ich wieder Sand unter meinen Füßen spürte, war ich heilfroh. Nur noch ein paar Meter. Dann hast du es geschafft, Mike, beruhigte ich mich.

Völlig außer Atem ließ ich mich am Strand auf die weiche, mit einer Gummiauflage gepolsterte Matratze des Himmelbettes fallen. Ich hätte schon wieder schlafen können. Wenn sich nicht eine Gruppe Amis, bestehend aus sechs mehr oder weniger protzigen Typen im geschätzten Alter von fünfundzwanzig bis dreißig Jahren, neben uns einquartiert hätten.

Unsere neuen Nachbarn sprachen so laut, dass an Schlafen nicht ansatzweise zu denken war.

Etwas zwickte mich am linken Oberarm. Reflexartig schlug ich auf die Stelle.

»Aua! Spinnst du?«, fluchte Kathey lauthals.

»Ups, sorry! Es fühlte sich an, als hätte mich etwas gestochen«, erwiderte ich. Dabei biss ich mir auf die Unterlippe.

Die Aufmerksamkeit der Amerikaner hatten wir nach Katheys Aufschrei bereits. Verlegen lächelte Kathey den Jungs zu. »Das hast du ja toll hinbekommen! Jetzt stehe ich da wie eine Oberzicke«, flüsterte sie mir zu, während sie unbeholfen weitergrinste und sich durch ihr langes blondes Haar strich.

Ich verstand die ganze Aufregung nicht. So schlimm war ihr Aufschrei nun wirklich nicht gewesen. Na ja, mit der Oberzicke hatte sie nicht ganz unrecht. Doch das wollte ich ihr natürlich nicht sagen. Denn egal wie sie sich benimmt, Kathey ist und bleibt meine beste Freundin, die in den letzten Monaten alles für mich getan hat.

Manchmal ist sie dabei über das Ziel hinausgeschossen. Wie zum Beispiel als sie der Meinung war, wir müssten mal wieder richtig feiern gehen und mich dann in einen einschlägigen Club gezerrt hatte. Ohne zu wissen, dass dieser für seine Darkrooms bekannt war. Schon am Eingang wurde sie mehrmals gefragt, ob sie wirklich eintreten wolle. Sichtlich beleidigt antwortete Kathey ungehalten: »Ich dachte, hier wird Gleichberechtigung großgeschrieben. Nun diskriminiert ihr eine Frau, die ihrem besten Freund einen schönen Abend ermöglichen möchte. Was geht denn bei euch ab?«

Dem Türsteher war die Situation sehr unangenehm und er ließ uns passieren. »Siehst du! So macht man das, Mike«, hatte sie mir erklärt. Dabei hatte sie vor Selbstbewusstsein nur so gestrotzt.

Erst nach dem Eintreten kam der große Schock. Im Club war es dunkel gewesen, nur an wenigen Stellen hatten gedimmte Lampen ihn mit Licht versorgt. Gerade so viel, dass wir so einiges zu Gesicht bekamen, was wir nicht hatten sehen wollen. Kathey krallte sich an meinem Arm fest und schimpfte angewidert. Egal wo wir hinschauten, sahen wir paarungswillige Männer in den verschiedensten Stellungen. Mal amüsierten sie sich zu zweit, mal gleich in größeren Gruppen. Scham war bei keinem erkennbar; außer bei uns beiden.

»Hey Sweetheart, Lust mich ein wenig zu verwöhnen?«, hauchte mir ein schätzungsweise Fünfzigjähriger ins Ohr und fasste mir dabei in den Schritt. Erschrocken wich ich zurück und schlug seine Hand weg. Der Typ maulte noch etwas hinter mir her, doch das interessierte uns nicht. Ich packte Kathey am Arm und zerrte sie aus dem Schuppen. Vor der Tür angekommen sagte sie reumütig zum erstaunt blickenden Türsteher: »Ich habe mich wohl doch geirrt, die Musik ist nicht unser Fall.« Damit war der Abend gelaufen. Statt eines besinnungslosen Besäufnisses hatten wir den verrücktesten Abend unseres Lebens hinter uns.

Den restlichen Tag verbrachten wir total relaxed am Strand und gönnten uns ein intensives Sonnenbad. Was wir am Abend bereuten. Die Haut auf meinen Schultern war krebsrot. Katheys Nase glühte wie die von Rudolf dem Rentier. Um sie ein bisschen zu ärgern, sang ich in Dauerschleife das Lied.

Sie gab sich alle Mühe, ihren glühenden Zinken zu kaschieren. »Besser kann ich es nicht abdecken. Das heißt, wir müssen heute so sitzen, dass mein Gesicht in Schatten gehüllt ist, einverstanden?« Sie lachte über sich selbst.

Wir entschieden uns für das Restaurant »Del Mar« und genossen es, verwöhnt zu werden. Auf der Karte standen Speisen, von denen ich noch nie zuvor gehört hatte. Die Languste wurde vor unseren Augen mit einer frischen Zitrone beträufelt. Beim Auseinandernehmen des Schalentiers schlichen sich Anfängerschwierigkeiten ein. Man hätte denken können, das Ding würde noch leben. Ich fühlte mich, als würde ich es massakrieren, als ich die Schale brach. Ständig flutschte die Languste über meinen Teller auf den Tisch. Als ich es endlich geschafft hatte, an das Fleisch zu kommen, verwunderte mich die blasse Farbe. Dazu dieser fremde Eigengeschmack. Eins stand fest: Diesen Meeresbewohner brauchte ich nicht noch einmal auf meinem Teller.

»Wie wäre es mit einem Drink an der Strandbar?«, fragte ich Kathey schließlich.

»Sehr gute Idee. Da ist es wahrscheinlich auch dunkel genug, damit niemand meinen Sonnenbrand erkennt.« Sie hatte ein Talent dafür, sich selbst nicht so ernst zu nehmen. Genau deshalb liebte ich sie; auf freundschaftliche Weise, versteht sich.

Die Bar sah bei Nacht noch gemütlicher aus als am Tage. Ringsherum waren Fackeln aufgestellt und eine Liveband unterhielt die Urlauber mit karibischen Klängen. Wir ließen uns auf die Sitzkissen fallen, die auf dem Sand ausgebreitet waren, und schlürften die servierten Tropical Dream Cocktails.

In diesem Moment fühlte ich mich zum ersten Mal seit Langem wieder unbeschwert. Ich freute mich auf den Abend und die Nacht. Selbst der Jetlag hatte sich verabschiedet.

Allmählich füllte sich die Strandbar. Es kamen überwiegend Pärchen, die sich einen romantischen Platz suchten, an dem sie eng umschlungen jedem ihre Liebe präsentieren konnten. Wir wirkten wahrscheinlich auch wie ein Paar, obwohl wir einen freundschaftlichen Abstand zwischen uns wahrten. Kathey legte viel Wert darauf, dass wir als Freunde erkennbar waren. Das hatte sie mir schon vor dem Urlaub gesagt. Denn sonst würde sich kein Mann für sie interessieren. Und das nagte sehr an ihrem Selbstbewusstsein.

Kathey braucht die Blicke der Männer wie die Luft zum Atmen. Ich hingegen war froh, wenn alle dachten, wir wären ein sich liebendes Paar. Mein Ziel war es nicht, einen Urlaubsflirt an Land zu ziehen oder mich gar zu verlieben.

Cocktail Nummer drei nannte sich Peach Explosion und enthielt Pfirsichsaft mit einem Schuss Zitrone und viel Rum. Wir wurden dank des sich schnell in unseren Adern ausbreitenden Alkohols ausgelassen und machten uns über so manch ein liebeshungriges Traumpaar lustig.

Wie uns bereits bei der Buchung gesagt wurde, war dieses Hotel bisher ausschließlich den Amerikanern vorbehalten gewesen. Wir hatten es nur durch einen Zufall buchen können, da wir ein Einführungsangebot für den deutschen Markt entdeckt hatten. Der Veranstalter wollte sehen, ob dieses Hotel überhaupt bei den anspruchsvollen Mitteleuropäern ankam. Gewissermaßen waren wir also selbst zahlende Hoteltester.

Es war herrlich, in normaler Lautstärke über jemanden sprechen zu können, der uns fast gegenübersaß.

»Bitte nicht! Guck mal, wer da kommt«, sagte Kathey mit einem leicht beschämten Gesichtsausdruck.

Ich drehte mich um und sah die Amigruppe von heute Nachmittag in unsere Richtung laufen. »Das liegt an dir, deine Nase strahlt so sehr, dass sie damit die Leute in unsere Nähe zieht«, brachte ich lachend hervor.

»Du Arsch! Ist es wirklich so schlimm?«, fragte sie verunsichert.

»Nein, das war ein Scherz. Du hast dich so überschminkt, dass du nun eher blass erscheinst«, besänftigte ich sie. Eigentlich waren genug Sitzkissen frei, doch aus uns unerfindlichen Gründen fragte einer der Typen auf Englisch, ob die Kissen an unserem Tisch belegt wären. Ich verneinte und schon saßen sie uns direkt gegenüber.

»Na toll, warum müssen die sich gerade heute, wo ich so furchtbar aussehe, zu uns gesellen?!«, murmelte Kathey vor sich hin.

»Tja, das kann ich dir auch nicht sagen.«

»Die sehen aber auch wirklich alle gut aus. Besonders der eine, der dich gefragt hat, ob die Plätze frei sind«, stellte sie fest.

Sie hatte nicht ganz unrecht. Der Typ sah mehr als nur gut aus. Er hatte mittelblondes Haar, das er im Beach Look trug, also leicht zerwühlt, ein markantes Gesicht mit einem etwas dunkleren Dreitagebartansatz, extrem lange Wimpern und, soweit ich es im Dunkeln erkennen konnte, grün schimmernde Augen. Seine Statur wirkte sportlich, aber nicht protzig. So wie die seiner Kumpels. Die sommerliche Bräune ließ ihn erholt aussehen. Dazu trug er eine kurze beige Stoffhose gepaart mit einem hellblauen Leinenhemd. Eben ein richtiger Sunnyboy.

Aber all das interessierte mich reichlich wenig. Kathey dafür umso mehr. Sie wirkte ganz nervös und zappelte auf ihrem Kissen herum. »Sag mal, was hast du auf einmal?«, fragte ich sie.

»Nichts, was soll ich schon haben? Die sind nur allesamt so süß.« Diese Worte kamen ihr fast schon schwärmerisch über die Lippen.

»Jetzt hör auf und schalte deinen Kopf wieder ein. Du benimmst dich ja schon fast wie ein Kerl auf Sexentzug.«

»Ja, du hast recht. Wird nicht wieder vorkommen. Oder vielleicht doch? Nein! Keine Sorge, dieser Urlaub gehört nur uns. Da ist kein Platz für Liebeleien. Aber ein kurzes Sexdate geht doch klar, oder?« Sie lachte laut auf, nachdem sie es ausgesprochen hatte.

»Du kannst machen, was du willst. Aber bitte verschone mich mit Einzelheiten.«

Kathey begann, über den größten Kerl in der Runde zu lästern. Dabei schaute sie ihn ungehemmt an. »Na, du Riesenbaby. Außer Muckis hast du sowieso nichts im Hirn, also scheidest du schon mal aus. Oder hast du eine andere Meinung dazu, Mike?«

»Kathey, was du da machst, ist fies. Zumal sie es als eine Art Einladung verstehen könnten.«

Ich versuchte, ihr Schuldgefühle einzureden, aber ohne Erfolg. Sie ging alle sechs Männer einzeln durch, bis sie zu dem gut aussenden kam, der uns kurz zuvor gefragt hatte, ob an unserem Tisch noch ein Platz frei sei. Bei ihm begann sie zu seufzen und sagte: »Du bist fast schon zu perfekt. Dich würde ich auf der Stelle vernaschen.« Dabei leckte sie sich genüsslich mit ihrer Zunge über die Lippen.

»Es reicht doch jetzt. Auch wenn sie dich nicht verstehen, ist es unangebracht.«

Der Sunnyboy lächelte uns an und nippte an seinem Glas Gin Tonic.

Als die Kellnerin erneut an unseren Tisch kam, überlegten wir noch, welcher Drink unsere Kehle als nächstes befeuchten sollte. Die junge Dame überspielte ihren Zeitdruck mit einem aufgesetzten Lächeln und nahm dann als Erstes die Bestellung der Amerikaner neben uns entgegen.

»Ich möchte jetzt einen alkoholfreien Cocktail, sonst verbringe ich den morgigen Tag im Bett.« Mein Verstand hatte eingesetzt.

»Jetzt komm schon. Einen verträgst du doch noch«, erwiderte Kathey und nahm den letzten Schluck ihres Drinks.

»Also, wenn du ein alkoholfreies Getränk probieren möchtest, dann kann ich dir den Banana-Mama empfehlen«, sagte der gut aussehende Typ. Dabei klang sein Deutsch fließend, ohne Dialekt.

Wir starrten uns verblüfft an. Man sah, wie Katheys Wangen an Farbe gewannen. »Na siehst du, das hast du jetzt davon«, brachte ich halb ernst, halb scherzend hervor.

»Nein, das darf nicht wahr sein. Da buchen wir ein Hotel ohne Deutsche und ausgerechnet ein deutsch sprechender Amerikaner sitzt uns gegenüber.« Sie schaute auf den Boden.

Der Amerikaner bemerkte, dass ihr die Situation unangenehm war, und war im Begriff, sie zu beruhigen. »Hey, es ist alles gut. Ich habe zwar jedes Wort verstanden, aber ich fand deine Einschätzung von uns sehr unterhaltsam. Keine Sorge, ich werde den übrigen Jungs nichts von deinem ersten Eindruck berichten. Die fünf sprechen wirklich nur Englisch.« Lächelnd zwinkerte er uns zu. Mittlerweile waren auch die anderen aufmerksam geworden und stoppten ihre Gespräche, um sich an der Unterhaltung zu beteiligen.

»Siehst du, Kathey, es ist halb so wild. Nun stell dich nicht so an«, sagte ich feixend.

»Mike, würdest du bitte aufhören, dich über mich lustig zu machen? Danke!« Dabei warf sie mir einen strengen Blick zu.

»Ich bin Jeffrey, aber ihr könnt mich Jeff nennen.« Die Jungs guckten ihn fragend an, als ob sie etwas verstanden hätten. Jeff machte nur eine saloppe Handbewegung.

»Ich bin Mike.«

»Katharina, aber du kannst mich Kathey nennen.« Ein zärtliches Lächeln schlich sich auf ihr Gesicht.

Danach verliefen die Gespräche teils auf Englisch, teils auf Deutsch. Die Boys waren lustig drauf. Sie wirkten auch nicht so dumm, wie Kathey sie zuerst dargestellt hatte.

Für Kathey war es wie im Schlaraffenland. Sie war umzingelt von Heteros; ganz so, wie sie es sich gewünscht hatte. Nach einer Weile bemerkte ich, dass Kathey zu lallen begann und hielt es für angebracht, den Abend zu beenden, um ihr weitere Peinlichkeiten zu ersparen. Erst war sie nicht wirklich begeistert, willigte aber dann doch ein. Wir verabschiedeten uns von den Amerikanern, die auch den Heimweg antraten.

Ich führte Kathey aufs Zimmer. Dort fiel sie, ohne auch nur ein Kleidungsstück auszuziehen, aufs Bett und schlief sofort ein. Ich weigerte mich, ihr die aufreizende Kleidung vom Körper zu streifen. Allein bei der Vorstellung wurde mir komisch. Ihre zarten Oberschenkel, den durch Sport flach gehaltenen Bauch, oder auch ihren bei Männern begehrten Hintern zu berühren, erschien mir falsch.

Freude und Absturz

Am nächsten Morgen war ich derjenige, der ab acht Uhr ausgeschlafen und frisch geduscht auf dem Balkon saß. Die drückende Wärme trieb mir unzählige Schweißperlen auf die Haut. Die Dusche hätte ich mir auch sparen können, sagte ich zu mir selbst, nachdem ich bemerkt hatte, dass mein Shirt sich feucht an die Haut schmiegte.

Die Balkontür öffnete sich einen Spalt und eine verschlafene Kathey trat heraus. Da wusste ich, sie hatte einen Kater. Kein Wunder, bei dem, was sie getrunken hatte.

»Morgen, ich hab vielleicht einen Schädel, ich glaub ich kann nicht mit an den Strand.« Sie umfasste wehleidig ihren Kopf.

»Das habe ich mir schon fast gedacht. Dusch erst mal und schluck die Tablette, die ich dir mit einem Glas Wasser auf den Nachtschrank gelegt habe. Dann sehen wir weiter. Einverstanden?«

»Du bist einfach zu gut zu mir«, antwortete sie und drückte mir einen nach Fusel riechenden Kuss auf die Wange.

Nach dem Frühstück, das ich alleine genossen hatte, schaute ich noch einmal nach Kathey. Unser Zimmer stank ekelhaft nach Restalkohol. Mittendrin lag meine grunzende beste Freundin. Da war wohl nichts zu machen. Ich schnappte mir das Handtuch, meinen Reader und das Smartphone und schlich leise aus dem Zimmer, um sie ihren Rausch ausschlafen zu lassen.

Ich brauchte keine Sonne mehr, denn ich konnte schließlich nicht braun gebrannt zur Arbeit zurückkommen. Offiziell war ich ja in Trauer. Also entschied ich mich für eine Liege unter einer der zahlreichen Palmen und bestellte mir einen Banana-Mama. Dieser schmeckte, wie Jeff gesagt hatte, extrem gut. Ich genoss die Ruhe und lauschte nur dem Meeresrauschen.

Plötzlich und unerwartet stand Jeff neben mir. »Guten Morgen. Na, schon ausgeschlafen?«

»Morgen, Jeffrey. Ja, ich bin hellwach. Du anscheinend auch.«

»Klar, ich kann doch bei dieser Aussicht nicht den Tag verschlafen. Ganz im Gegensatz zu meinen Kumpels und anscheinend auch deiner Freundin.« Ein heiterer Ausdruck erschien auf seinem Gesicht. Ich hatte eigentlich keine Lust auf ein Gespräch am Morgen, aber wollte auch nicht unhöflich sein. Jeffrey erzählte mir, dass er in Miami geboren und aufgewachsen war. Seine Mutter war gebürtige Deutsche. Sie hatte darauf bestanden, dass er ihre Sprache beherrschte. Nun lebte er selbst schon zwei Jahre in Köln. Über seinen Job sagte er nichts. Ich habe aber auch nicht weiter nachgehakt.

»Du siehst so aus, als würdest du regelmäßig Sport treiben«, sagte er lobend.

»Äh, nein wie kommst du denn darauf?« Verblüfft schaute ich ihn an.

»Du bist schlank und siehst gut trainiert aus. Nicht wie so ein typischer Fitnessstudiofreak, eher in Richtung Leichtathletik«, rechtfertigte er seine Aussage.

»Leichtathletik? Dein Ernst? Ich betreibe keine Art von Sport und hatte auch nicht vor, daran etwas zu ändern. Aber danke für das Kompliment.« Ich fühlte mich geschmeichelt. Trotzdem fragte ich mich, wie lange das Gespräch noch dauern würde. Denn ich wollte eigentlich die Ruhe genießen.

»Hättest du was dagegen, wenn ich dir Gesellschaft leiste?«, fragte er und blickte auf das noch freie Polster neben mir.

»Nein, es wird wahrscheinlich noch ein paar Stunden dauern, bis Kathey sich aufrappeln kann.«

Jeff nahm neben mir Platz und blickte starr aufs Meer, wobei er seine Finger im Uhrzeigersinn auf der Matratze kreisen ließ. Ich nutzte die Stille, stöpselte meine Kopfhörer an das Smartphone und lud meine Playlist. Danach versank ich in meiner ganz eigenen Welt.

Immer wieder fiel mein Blick unbemerkt auf den Körper von Jeffrey. Nicht dass er mich anmachte; vielmehr war ich ein wenig neidisch auf diesen Körperbau. Seine Ober- und Unterschenkel wiesen zahlreiche Muskeln auf. Die Ray-Ban Sonnenbrille im Pilotenstyle ließ ihn noch attraktiver erscheinen. Er musste um die eins neunzig sein, denn ich bin circa fünfzehn Zentimeter kleiner. Jeff hatte bestimmt zahlreiche Verehrerinnen. Bei diesem Aussehen!

»Da bist du ja endlich!«

»Ja, und mir geht es wieder ausgezeichnet.« Freudig blickte Kathey auf den mittlerweile schlafenden Jeff neben mir. Sie machte mit ihrer Hand eine fragende Bewegung in seine Richtung.

Genau in diesem Moment öffnete er die Augen und sprang sofort von der Liege auf. »Sorry, Kathey, ich bin schon weg«, sagte er und zog sein Handtuch von der Auflage.

»Nein, nein. Bleib ruhig liegen. Es gibt ja noch ein paar andere freie Plätze.« Sie zwinkerte ihm zu. Jeff wich ihrem Blick aus. Was sie mit einem an mich gerichteten verständnislosen Augenroller bedachte.

»Da meine Jungs wohl so schnell nicht aufstehen werden, wollte ich fragen, ob du Lust auf eine Runde Jet-Ski hast?«

Kathey hatte sich auf mein Polster gesetzt, demnach wusste ich nicht, mit wem von uns er sprach. Ohne auch nur den geringsten Zweifel schoss es aus Kathey heraus: »Klaro, das wollte ich schon immer mal machen.«

Jeff guckte ein wenig verunsichert. »Äh, ja gut. Dann besorg ich uns mal die Schlüssel. Wir treffen uns vorne am Strand. Mike, möchtest du nicht auch mitkommen?«, fragte er.

Kathey blickte mich böse an. Ihre Augen wurden zu Schlitzen. »Das ist nett, aber ich bleibe lieber an Land.«

Mit einem Seufzer drehte Jeff sich um und ging zur benachbarten Wassersportbasis.

»Geht das wirklich in Ordnung für dich?«, fragte mich Kathey schuldbewusst mit einem entschuldigenden Blick.

»Ja, passt schon. Ich steh da wirklich nicht drauf. Aber mal was anderes, kann es sein, dass du heiß auf Jeff bist?«

»Ich denke schon. Er ist echt süß und wirkt vernünftig.« Man sah ihr die Vorfreude auf das Date an.

»Kathey, kommst du?«, hörten wir ihn vom Jet-Ski aus rufen. Es fehlten nur noch die knallroten Badeshorts, dann wäre er die ideale Baywatch-Besetzung gewesen.

»Ich muss los. Einen Mann wie ihn lässt man nicht warten.« Schon sprang sie auf und rannte ihm entgegen.

Oh Mann, die hat es ja richtig erwischt. Hoffentlich geht das gut!, ging es mir durch den Kopf.

Nachdem sie sich die Schwimmweste übergezogen hatte, stieg Kathey hinter Jeff auf. Aus der Entfernung sah es so aus, als würde sie sich an seinen Rücken kuscheln. Einen Moment lang schaute ich ihnen nach. Es freute mich, meine Freundin glücklich zu sehen.

Kurz darauf vibrierte mein Smartphone; ich entsicherte es. Eine Nachricht blinkte mir entgegen.

Hi Bruderherz, wolltest du dich nicht melden, wenn du angekommen bist? Ich hoffe, es geht dir beziehungsweise euch gut? Bestell Kathey ganz liebe Grüße.

Ich hatte glatt vergessen meiner kleinen Schwester zu schreiben. Lara ist dreiundzwanzig und damit drei Jahre jünger als ich. Sie ist drollig, wenn auch teils ein bisschen naiv. Durch ihr natürliches Auftreten wirkt sie auf die Männerwelt wie ein Magnet. Doch leider pickt auch sie sich immer die Bad Boys heraus. Das muss wohl in der Familie liegen.

Schnell schrieb ich ihr ein paar Zeilen und machte ein Selfie mit dem alkoholfreien Cocktail in der Hand. Dann nahm ich meinen Reader aus der Tasche und strich über das Display. Ich hatte mir vor dem Urlaub fünf E-Books heruntergeladen. Auch wenn ich wusste, dass ich wahrscheinlich keins bis zum Ende lesen konnte, da Kathey mir nur selten Ruhe gönnen würde. Ich entschied mich für einen Psychothriller.

Als ich gerade in die Story vertieft war, summte mein Handy erneut. Bestimmt ist es wieder Lara, dachte ich.

Mike, ich musste gerade an dich denken. Ich weiß, dass es falsch ist. Dennoch sollst du wissen, dass ich dich vermisse. xxx

Was sollte der Scheiß? Was wollte Nick damit erreichen? Hatte er mich nicht schon genug verletzt? Auf einmal kam alles wieder hoch. Der Tag, an dem der Betrug aufgeflogen war und er kein bisschen Reue oder Scham gezeigt hatte. Er hatte nur gesagt: »Sorry, Mike, aber du bist mir einfach zu lieb. Der Sex mit dir ist klasse, doch es reicht mir einfach nicht, nur dich zu haben.« Dann hatte sich mein damaliger Freund umgedreht und war verschwunden.

Während ich mich gedemütigt und benutzt fühlte, baute Nick sich ein neues Leben auf. Selbst unsere gemeinsame Wohnung hatte er binnen eines Vormittags ausgeräumt, während ich in der Arbeit gewesen war. Am Abend hatte mich dann der Schlag getroffen: Fast alles war weg gewesen! Nur unsere gemeinsamen Bilder aus einer für mich besseren Zeit hatte er mir hinterlassen, mit einem Post-it, auf dem stand:

Die kannst du behalten. Du wirst sie eher gebrauchen können als ich.

Wegen dir waren meine letzten Monate die Hölle auf Erden. Nun, wo ich mich langsam wieder fange, schreibst du mir so etwas und stößt mich erneut ins Chaos!, dachte ich wütend.

Was sollte ich tun? Ihm zurückschreiben? Ich wusste es nicht. Mein Kopf füllte sich mit Erinnerungen, die ich zuvor versucht hatte tief in mir zu verbergen.

Ich bemerkte es nicht, als Kathey geradewegs auf mich zugelaufen kam. »Mike, das war der Hammer! Wir müssen unbedingt auch mal zusammen fahren. Und Jeffrey ist wirklich ein Traum von Mann!« Überwältigt stand sie vor mir. »Mike, was ist los?« Ihre Freude wich der Ungewissheit.

Mit gläsernen Augen und zittriger Stimme sagte ich: »Nichts, es ist alles bestens. Schön, dass es dir gefallen hat.«

»Du sagst mir sofort, was in der letzten halben Stunde passiert ist.« Katheys Stimme klang streng, beinahe bestimmend. Sie setzte sich und blickte mich erwartungsvoll an.

»Ich habe eine Nachricht erhalten, die mich aus der Bahn geworfen hat.«

»Oh Gott, wer ist gestorben?«, fragte sie erschrocken.

»Keiner ist gestorben! Hier, lies selbst.« Ich schob ihr mein Smartphone zu.

Beim Lesen verkrampfte sie sich und ballte die freie Hand zu einer Faust. »Dieser Arsch! Der soll dich in Ruhe lassen. Verdammt noch mal!« Kathey schnaubte vor Wut. Zugleich umarmte sie mich. »Lass dich durch so einen Dreckskerl nicht wieder runterziehen. Lösch die SMS. Warum hast du seine Nummer überhaupt noch unter ›Schatz‹ eingespeichert?«, fragte sie mit ungläubigem Blick.

»Ich habe es noch nicht übers Herz gebracht, komplett mit ihm und meiner Vergangenheit abzuschließen.« Beschämt betrachtete ich meine Füße, mit denen ich mich immer tiefer in den Puderzuckerstrand grub.

»Was ist denn los, Mike?« Jeffreys besorgt klingende Stimme erreichte mich. Er nahm gerade auf einer Liege neben uns Platz und strich sich das nasse Haar aus dem Gesicht.

Noch ehe ich etwas sagen konnte, antwortete Kathey für mich: »Gerade hat …«

Ich schnitt ihr das Wort ab: »Es ist alles in Ordnung. Möchte jemand einen Drink? Es ist schließlich schon kurz nach drei.« Ich lenkte das Gespräch gerade rechtzeitig in eine andere Richtung. Es musste schließlich kein Fremder etwas über meine Probleme erfahren.

Kathey schaute mich verwundert an, reagierte aber nicht weiter und bestellte bei mir einen Prosecco.

Jeff merkte, dass er ein heikles Thema angeschnitten hatte und sagte freudig: »Wenn du sowieso losgehst, würde ich ein Wasser nehmen.«

»Wasser, ganz sicher?«, hakte ich nach.

»Ja, fürs Erste reicht ein Wasser.« Er zwinkerte mir zu.

Am Abend hatte ich keinen Hunger, aber meine weibliche Begleitung bestand darauf, dass ich wenigstens eine Kleinigkeit zu mir nahm. Sie war rücksichtsvoll und sagte kein Wort über ihr Verlangen nach Jeff. Doch genau das wollte ich nicht. Sie sollte keine Rücksicht auf mich nehmen müssen. Ich gab mir alle Mühe mich zusammenzureißen, um ihr einen schönen Urlaub zu ermöglichen. Ohne sich mit meinem Liebeskummer auseinandersetzen zu müssen.

»Los sag schon, ist da vorhin was zwischen euch beiden gelaufen?«

»Mike, wir müssen wirklich nicht …«

»Doch das müssen wir!«, warf ich ein.

»Aber …«

»Kein Aber. Jetzt lass dir nicht alles aus der Nase ziehen. Ach übrigens, deine Nase sieht wieder ganz normal aus.« Ich lächelte sie herzlich an.

»Findest du wirklich? Das freut mich. Es ist nichts gelaufen, rein gar nichts. Jeff ist anscheinend ein richtiger Gentleman. Er lässt sich Zeit.« Sie strahlte über beide Wangen.

»So habe ich dich ja noch nie erlebt. Hast du dich etwa richtig verliebt?«

»Äh, nein. Ach keine Ahnung, kann schon sein.« Sie streichelte ihr Rotweinglas. Da war der nächste Liebeskummer wohl bereits vorprogrammiert.

Kathey wollte unbedingt wieder an die Strandbar, weil sie insgeheim hoffte, dort ihren Traummann anzutreffen. Ich gab ihrem Flehen nach. Obwohl es in der Anlage eine so große Auswahl an Bars gab, gingen wir wieder zur selben. Wenn es sie glücklich machte, so sollte es mir recht sein. Wir liefen schweigend nebeneinander her. Sie war viel zu sehr damit beschäftigt, nach den Jungs Ausschau zu halten, als sich auf ein Gespräch mit mir zu konzentrieren. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis die Boys tatsächlich auftauchten. Jeffrey ging voran. Er schien ebenfalls Ausschau zu halten. Als er uns sah, beschleunigte er seinen Schritt.

Wir hatten uns gerade gesetzt. Jeffrey ließ sich bei uns nieder und schob sein Sitzkissen neben meines. Kathey guckte verstört. Ich zuckte nur mit den Schultern. Kain nahm neben Kathey Platz. Das war der Typ mit den meisten Muskeln, der eher aufgeblasen als natürlich wirkte. An Katheys Gesicht konnte ich ihren Unmut erkennen. Frustriert ließ sie sich in das Kissen sinken und sog hastig an dem Strohhalm in ihrem Drink.

»Geht’s dir besser, Mike?«, fragte Jeff.

»Ja klar, danke der Nachfrage.«

Jeff wollte gerade noch etwas sagen, als seine Kumpels auf Englisch ein Gespräch mit uns begannen. Nun lachte auch Kathey wieder. Von Glas zu Glas wurde sie gesprächiger.

Sie gab sich alle Mühe, mit Jeffrey ins Gespräch zu kommen. Dieser antwortete aber nur knapp und wandte sich dann schnell wieder ab. Als der Abend immer weiter voranschritt, fragte Phil, ein etwas klein geratener Muskelprotz, ob wir nicht gemeinsam in die Diskothek gehen wollten. Diese würde um zwölf Uhr öffnen.