Über den Körper die Seele heilen -  - E-Book

Über den Körper die Seele heilen E-Book

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Beschreibung

Verschriftlichung über Workshops und Vorträge der 23. GBP-Fachtagung zum 100. Geburtstag von Gerda Boyesen. Namhafte Referent*innen berichten über ihre Arbeit mit der Biodynamischen Körperpsychotherapie, die von Gerda Boyesen begründet wurde. Workshops zu den Themen Die drei Räume des Seins, Biodynamischer Geburtstraumatherapie®, Der Körper und darüber hinaus, Transit und Transformation, Bewusstseinskultur der Liebe im Puls von Autonomie, Wenn die Seele singt und der Arbeit mit "dem Zentralen" sowie Vorträge über Begegnungen mit Gerda Boyesen und Weiterentwirklung der Biodynamischen Arbeiten sind im Buch anschaulich und leicht verständlich dargestellt.

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Seitenzahl: 144

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhalt

Vorwort

Peter Freudl: From Norway to "My Way"

Ebba und Mona Lisa Boyesen: Roots und Wild Wings

Thomas Haudel: Eine nachhaltige Begegnung

Heidrun Claußen: Faszination Da-Sein & Berührung

Jaya Herbst: Die drei Räume des Lebens

Renate Abel und Ilona Göttges: Über den Körper die Seele heilen - die Umsetzung dieser essentiellen Haltung in der Biodynamischen Geburtstraumatherapie®

Dorothea Mathews: Transit und Transformation

Gabrielle St. Clair und Frithjof Paulig: Bewusstseinskultur der Liebe

Rainer Pervöltz: Das Zentrale

Nico Steiner: Wenn die Seele singt - Atem - Stimme - Oberton

Autor*innen

Vorwort

Liebe Leserinnen und Leser,

eine Vielfalt von Referent*innen, die einst von Gerda Boyesen in Biodynamischer Körperpsychotherapie ausgebildet wurden, darunter die Töchter Ebba und Mona Lisa Boyesen, als Gast der Enkel, Dorian Boyesen und insgesamt mehr als 100 Teilnehmende trafen sich im Mai 2022 zur Tagung auf Schloss Buchenau in Eiterfeld. Es entstand eine bunte Mischung von Menschen, die aus unterschiedlichen Beweggründen zur Fortbildung und zum Feiern kamen.

Die Anwesenden berichteten von herzlichen, tiefgehenden Begegnungen mit Menschen, die sie zuvor noch nie getroffen hatten, bis zu eindrücklichen Erlebnissen und Erkenntnissen in den jeweiligen Workshops. Rundherum hat die Biodynamische Gesellschaft eine überwältigende Tagung zu Ehren von Gerda Boyesen, die am 18. Mai 2022 ihren 100. Geburtstag gefeiert hätte, erleben dürfen.

Lassen Sie sich hier entführen in die vielseitige biodynamische Welt mit ihren Eröffnungsvorträgen und Tagungsworkshops, auch wenn verschriftlicht nur teilweise wiedergegeben werden kann, was am eigenen Körper erlebt wurde und auch die Seele zutiefst berührt hat.

Peter Freudl, der aus persönlichen Gründen den zuvor zugesagten Eröffnungsvortrag nicht halten konnte, hat uns Gerdas Leben „From Norway to ,My Way“ kurz skizziert. Thomas Haudel und Heidrun Claußen haben den Vortrag zusammen mit Ebba Boyesen und Mona Lisa Boyesen übernommen und gewährten Einblicke in ihre ganz persönlichen Erlebnisse mit Gerda Boyesen und den daraus entstandenen Arbeitsweisen. Ebba und Mona Lisa Boyesen hielten spontan entstandene Workshops zu denen es leider bisher keine ausführlichen Verschriftlichungen gibt.

Bei Jaya Herbst konnten die Teilnehmer*innen in den Workshops die „Drei Räume des Lebens“ erkunden. Die Hintergründe ihrer Arbeit, in der es um die Verbindung zwischen Kopf, Herz und Bauch geht, stellt Jaya Herbst hier im Text ausführlich und gut nachvollziehbar dar.

Rund um die Geburtstraumaarbeit ließen Renate Abel und Ilona Göttges Einblicke in diese ganz besondere Welt der Biodynamischen Körperpsychotherapie gewähren. Ihre Workshops beinhalteten sowohl Selbsterfahrung als auch theoretische Hintergründe der angewandten Methoden, die hier sehr ausführlich zusammen mit wissenschaftlichen Bezügen nachzulesen sind.

Dorothea Mathews beleuchtete mit den Teilnehmenden Übergangsphasen im Leben und stellte dar, wie Klient*innen in diesen Lebensabschnitten therapeutisch begleitet werden können und wie wichtig es ist, die gesamte Lebensgeschichte hier mit einzubeziehen.

Gabrielle St. Clair und Frithjof Paulig führten die Workshopteilnehmenden zum bedeutenden Thema „Liebe“ bis hin zu Beziehungsdynamiken in Partnerschaften. Praktische Übungen rundeten die Impulsvorträge ab und wurden hier im Text noch einmal zusammengefasst.

Rainer Pervöltz beeindruckte die Teilnehmer*innen seiner Workshops mit einem speziellen körperpsychotherapeutischen Ansatz des „Zentralen“. Das Alte, Gelernte loslassen und das Existentielle wieder spüren und hervorkommen lassen – dies konnte erkundet werden und als Schritte auf dem persönlichen Lebensweg mitgenommen werden.

Ihre Stimme und den eigenen Körper mit seinen Blockaden hat Nico Steiner in ihrem Obertongesangsworkshop den Teilnehmenden hörbar und deutlich fühlbar gemacht.

Rundum war es eine gelungene Tagung – Gerda Boyesen hätte ihre helle Freude daran gehabt, zu sehen, wie lebendig ihre „Biodynamische Methode“ umgesetzt, weitergeführt und gelehrt wird. Es wurde nicht nur „vergnügt gesessen“, sondern auf allen Ebenen des Seins gespürt, bewegt, gelehrt und gelernt; darüber hinaus wieder mehr in Verbindung gebracht, was zuvor getrennt war.

Christine Clouth

1. Vorsitzende GBP e.V.

Gruppenfoto der Teilnehmenden Bildrechte: GBP e.V.

Gerda Boyesen im Gespräch 2001

Bildrechte: Thomas Haudel

Dipl. Psych. Peter Freudl

From Norway to ,My Way‘

Gerda Boyesen und die Biodynamische Psychologie

Der erstaunliche berufliche Lebensweg der aus Norwegen stammenden Gerda Boyesen, geborene Momsen (1922-2005) begann mit einer Selbstdiagnose. Diese führte Gerda Boyesen zu Selbsterfahrungen in diversen erkenntnisreichen Therapien, einem Studium der Psychologie und einem Abschluss in Physiotherapie. Dieser Lebensweg führte zu persönlichen und wissenschaftlichen Fragestellungen, die Gerda Boyesen etwa ab den späten 40iger Jahren des letzten Jahrhunderts aufgeworfen hat.

Aus der Ehefrau und Mutter dreier Kinder, die dazu bestimmt war, ein bürgerlich-konservatives und kreuzbraves Dasein an der Seite ihres vermögenden Osloer Ehemannes zu fristen, wurde eine der originellsten und charismatischsten „Leitfiguren der Psychotherapie“.

Vor allem in der Hochphase ihrer Bekanntheit in den 70iger und 80iger Jahren des letzten Jahrhunderts imponierte sie als unermüdlich tätige Gallionsfigur international verzweigter körperpsychotherapeutischer Ausbildungsinstitutionen, zu denen vor allem ihre Kinder Ebba, Mona-Lisa und Paul mehr und mehr eigene Konzepte und Ideen beisteuerten.

Aufbauend auf ihren therapeutischen Selbsterfahrungen, ihrer Arbeit mit Patient*innen am Institut von Bülow-Hansen und als Klinische Psychologin in verschiedenen norwegischen Kliniken fand Gerda Boyesen ihre eigenen Antworten zu Themen wie: der Bodymind-Dynamik von Neurosen und Psychosen, der Rolle der ‚Kraft‘ (Bioenergie), der Bedeutung der Eingeweide für eine gute Selbstregulation, der Wichtigkeit der therapeutischen Haltung etc.

Sie entwickelte daraus Schritt für Schritt - und zunächst unabhängig von den Schriften Wilhelm Reichs - erste zentrale Grundbegriffe ihrer Therapieschule, die etwa ab Mitte der siebziger Jahre als ‚Biodynamik‘ firmierte.

Weitere Theorien aus den folgenden produktiven Jahrzehnten, zunächst als Reichianische Analytikerin, später unter dem eigenen Banner der Biodynamik wurden ergänzt.

Aus diesen biodynamischen Grundbegriffen entstanden die wesentlichen Alleinstellungsmerkmale der Biodynamik - später Biodynamische Psychologie und Körperpsychotherapie genannt - im Unterschied zu anderen Verfahren.“

Gerda Boyesen liebte den Song ‚My way‘, was angesichts ihres Lebensweges einer Pionierin auf ihrem Gebiet nicht verwundert.

Peter Freudl, der leider erkrankte und so nur diesen Ausschreibungstext verfasste, hätte in seinem Vortrag diverse Entwicklungsphasen von Gerda Boyesens Methoden mit Beispielen und Zitaten näher beleuchten wollen.

Ebba und Mona Lisa Boyesen

Roots und Wild Wings

Sowohl für mich als auch für Mona Lisa war es eine ganz wunderbare Erfahrung, ein Teil von Gerdas 100. Geburtstags-Kongress gewesen zu sein.

Es war eine Freude, so viele liebe ehemalige Student*innen zu treffen, die jetzt Kolleg*innen in diesem wunderbaren, kreativen Bereich der Biodynamischen Psychologie und Köperpsychotherapie sind.

Wir danken dem gesamten Vorstand für die herzliche und lockere Atmosphäre und die schöne Umgebung, die Gerda sehr gefallen hätte!

Mona Lisas und meine zwei Kurzworkshops Roots und Wild Wings die spontan entstanden sind, stellten eine kurze Einführung dar und zeigten auf, wie einzelne Übungen schnell Dynamik entwickeln können allein durch das kontaktvolle Zusammensitzen mit einer anderen Person in einem Raum des Zusammenseins, der nicht immer therapeutisch geprägt sein muss.

Diese Qualität habe ich an Gerda Boyesen als Mutter, Mensch und Lehrerin am meisten geschätzt.

Die Rooted-Talking-Methode (verwurzeltes Sprechen), die ich eingeführt habe, war das, was Gerda früh im therapeutischen Prozess hat einfließen lassen, und von der aus Mona Lisa den Kern ihrer Bio-Release-Methode entwickelte. Es geht vor allem darum, dem/der Klient*in die Zeit zu lassen, bis in die Wurzeln dessen zu spüren, was sie wirklich sagen will und muss. Die Dynamik entsteht nicht immer nur im Liegen, sondern auch im Sitzen. Der/die Therapeut*in arbeitet konkret mit dem Öffnen und Schließen der Augen des/der Klient*in: geschlossene Augen, um tiefer in sich selbst zu gehen, und offene Augen, um im Hier und Jetzt zu bleiben oder zurückzukommen.

Die Verwendung der Metapher „Flügel“ steht für den Kontakt mit der subtil fließenden, manchmal „federartigen“ Qualität sowohl innerhalb von Orgonomy als auch in Gerdas Konzept der Biofield-Beschreibung: „Spiralen in die Luft“ ziehend und der Aura-Wahrnehmung folgend, innere Anspannungen lösen, die wie mit dem Wind davonfliegt! Keine Angst davor, in diesem Werk auch mal poetisch zu sein!

Das Spüren der „Flügel“ in der Biofieldarbeit stärkt den inneren Kern und festigt die periphere Erdung.

So hätte es Gerda Boyesen gesagt und getan.

Und das machen Mona Lisa und ich so lange wie möglich.

Wir danken allen, die diese bahnbrechende Arbeit fortsetzen.

Ebba Boyesen

Mona Lisa und Ebba Boyesen Tagung 2022

Bildrechte: GBP e.V.

Thomas Haudel

Eine nachhaltige Begegnung

Wie mich Gerda Boyesen als Psychotherapeutin und Mensch geprägt hat

1. Persönliche Erfahrungen in den Ausbildungsgruppen

Ich bin stolz und dankbar, hier heute zu Euch sprechen zu können. Stolz, weil es uns als GBP in Zusammenarbeit mit der ESBPE und allen anderen Biodynamischen Instituten gelungen ist, die Biodynamische Psychologie nach Gerda Boyesens Tod am Leben zu erhalten. Dankbar bin ich dafür, Gerda Boyesen selbst als Mensch und Psychotherapeutin noch kennengelernt zu haben. Als ich 1993 Gerda Boyesen das erste Mal im Rahmen eines Professional Training in Hassenroth bei Frankfurt traf, stand ich kurz vor dem Abschluss meiner Ausbildung in tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie und kurz vor meiner Praxiseröffnung. Eigentlich hätte ich keine Weiterbildung mehr gebraucht, aber eine befreundete Kollegin erzählte mir so begeistert von einer Fortbildung mit Gerda, dass ich neugierig wurde.

Was ich dann in Hassenroth erlebte, sprengte den Rahmen von allem, was ich bis dahin in Fortbildungen erlebt hatte. Statt im Stuhlkreis zu sitzen, wie ich es von bisherigen Fortbildungen gewöhnt war, saßen wir locker im Raum verteilt auf Matten. Statt zu reden, massierten wir uns gegenseitig oder gaben auf Gerdas Anweisung hin humorvolle, animalische Laute von uns, bis alle in einem großen Gelächter miteinander verbunden waren. Schon nach kurzer Zeit entstand so eine große Nähe zu Menschen, die ich vorher nie gesehen hatte. Wenn Ausbildungsteilnehmer*innen in Regression gingen und starke Gefühle im Raum waren, entstand sofort eine sehr ernste und mitfühlende Atmosphäre, die Gerda von uns allen einforderte und selbst auch vorlebte. Die Einzelarbeit von Gerda mit den Gruppenteilnehmer*innen erzeugte bei uns allen eine andächtige Stille und Aufmerksamkeit.

Jeder war hochgespannt, wie der therapeutische Prozess weitergehen und was Gerda Boyesen als nächstes tun würde. Beeindruckend war dabei der Wechsel von der sprachlichen auf die körperliche Ebene und die Änderung des Tonfalls ihrer Stimme, wenn es darum ging, durch entschlossenes Nachfragen inhaltlich die szenische Erinnerung und damit die Tiefe der Regression der Klienten zu erfassen. Dann hörten wir von Gerda Boyesen Sätze wie: „Wie alt bist Du jetzt und wo bist du?“ und Aufforderungen wie: „Lauter“ oder „stärker“ oder „Mach weiter“ und schließlich der wichtige Satz „Lass es kommen, ja lass es kommen.“ Was dann geschah, waren meist intensive vegetative, emotionale Entladungen bei den Ausbildungsteilnehmer*innen, ausgelöst durch Griffe und Massagen von Gerda Boyesen an ganz bestimmten Körperregionen.

Die Tiefe dieser psychotherapeutischen Arbeit beeindruckte mich sehr. So etwas hatte ich weder im Studium noch in meiner Ausbildung je erlebt. Kein*e einzige*r meiner bisherigen Ausbilder*innen arbeitete live im Kontext einer Gruppe auf solche Weise mit dem Körper und niemand konnte solch intensive und starke emotionale Prozesse bei den Klient*innen auslösen. Ähnlich wirkungsvolle Interventionen erlebte ich später nur im Rahmen körperpsychotherapeutischer Workshops auf dgk-Tagungen oder während meiner Traumatherapieausbildung bei Ralf und Irina Vogt in Leipzig.

Das waren Interventionen, die den Namen tiefenpsychologisch wirklich verdienten, weil sie intensive körperlich-seelische Prozesse auslösten und eine starke kathartische Wirkung hatten. Es ist demnach möglich, ohne den Körper mechanisch zu öffnen und dabei Gewebe zu beschädigen, wie in der Chirurgie, allein mit Sprache und Berührung durch die Hände in tiefe körperlichseelische Schichten bei Klienten vorzudringen und dort heilsame Veränderungen zu bewirken. Eine solche Heilungstiefe erreichen die rein sprachlichen Interventionen der sogenannten Richtlinienverfahren Psychoanalyse, Tiefenpsychologisch-fundierte Psychotherapie und Verhaltenstherapie nicht. Jedenfalls habe ich während meiner vorherigen einjährigen Ausbildung in Verhaltenstherapie und der anschließenden dreijährigen tiefenpsychologischen Ausbildung so etwas nie erlebt und meine Mentor*innen haben auch nicht von solchen Therapiesequenzen berichtet. Die tiefe Wirkung der Interventionen von Gerda Boyesen war hingegen nicht nur als Zuschauer spürbar, sondern wurde auch von den Teilnehmer*innen, die es erfahren haben, bestätigt. Ich selbst wurde auch einmal von Gerda in einer Einzelsitzung innerhalb der Gruppe behandelt und erlebte das Auftauchen lang unterdrückter Trauergefühle, ausgelöst durch die Massage an einer bestimmten Körperregion, die Gerda erspürte, ohne dass ich ein Wort dazu gesagt hätte. Danach ging es mir deutlich besser.

Auf welche Weise hat Gerda Boyesen nun meine psychotherapeutische Arbeit beeinflusst? Entscheidend ist, dabei erlebt zu haben, wie sie selber therapeutisch arbeitete und welche Haltung sie zu den Klienten hatte. Ein Satz ist mir dabei besonders in Erinnerung und der lautete: „Was der Klient in der Therapie tut, ist immer richtig.“ Damit brachte sie zum Ausdruck, dass sie die Menschen, die ihr begegneten vollständig akzeptierte. Man könnte auch sagen, sie liebte ihre Klienten und hatte ein großes Vertrauen in die ihnen innewohnenden Selbstheilungskräfte. Ich bin mir bewusst, dass mir die Verwendung des Verbes „lieben“ unter Psychologen als unwissenschaftlich ausgelegt wird und dabei der Verdacht einer esoterischen Haltung aufflammt. Das gilt auch für das Wort „spirituell“ und dennoch möchte ich es in Zusammenhang mit Gerda Boyesen nennen. Niemand vor und nach ihr, hat jemals einen solch großen geistigen und emotionalen Horizont in mir aufgebaut, ein solches Gefühl der Verbundenheit mit mir und allen Menschen auf dieser Welt.

Mir fielen Szenen aus dem neuen Testament ein, wo beschrieben wurde, wie Jesus Menschen geheilt hat, wozu er ja, ebenso wie Gerda Boyesen, fast immer seine Hände und die Kraft seines Glaubens nutzte. Ich bekam eine Ahnung von der Art und Weise, wie dieser Mensch andere geheilt hat, und von den die Psyche betreffenden Heilmöglichkeiten, die es jenseits der sprachbasierten Psychotherapie noch gibt. Es gibt auch in der Gegenwart noch viele große Persönlichkeiten, denen man eine seelisch heilsame Wirkung auf andere zuschreibt wie z.B. Amma, dem Dalai Lama oder dem erst Anfang des Jahres verstorbenen buddhistischen Mönch Thich Nhat Hanh. Aus meiner Sicht war Gerda Boyesen ihnen ebenbürtig, denn sie hatte eine ähnlich heilsame Wirkung auf andere Menschen. Die heilsame Wirkung, die von ihr ausging entsprang ihrer vorurteilsfreien Liebesfähigkeit, ihren Selbsterfahrungen, ihren Massagekenntnissen, ihrer Gabe der Intuition und dem tiefen Glauben an den gesunden Kern in jedem Menschen.

Die Begegnung mit Gerda Boyesen erzeugte auch bei mir ein Gefühl großer innerer Ruhe und der Kongruenz mit mir selbst. Die erfahrenen Berührungen hatten dabei eine starke Wirkung, denn auch wir als Teilnehmer*innen gaben uns ja, angeleitet von Gerda, untereinander Massagen und erlebten, dass die Wirkung nicht allein von ihr abhängt, wohl aber von der Art und Weise, wie sie durchgeführt werden. Die in der Gruppenarbeit aufgedeckten Gefühle waren oft sehr stark und wurden dann von Gerda in Einzelarbeiten zu einem guten Ende gebracht. Ich habe dabei von Gerda Boyesen gelernt, vor keiner der bei Klienten auftauchenden Emotionen Angst zu haben. Sie hat vorgelebt, Gefühlsausbrüche größter Intensität bei ihren Klienten aufzufangen und liebevoll zu begleiten, bis der damit verbundene emotionale Zyklus vollendet war. Das Prinzip, jede Therapiesitzung zu einem guten Ende zu bringen, nannte sie „Happy Ending“ und das hat sie bei allen Prozessen, die ich gesehen und erlebt habe, auch verwirklichen können. Die Botschaft von Gerda war, dass alles gezeigt werden darf, vor allem die vielen Schmerzen und seelischen Verletzungen, mit denen Menschen oft jahrelang leben, ohne sie jemandem zu offenbaren.

Nach der Rückkehr in den Alltag hatte ich immer ein Problem damit, das Erlebte meinen Kolleg*innen, Freunden und später auch meiner Partnerin so zu erzählen, dass sie es verstehen konnten, was mir selten gelang. Es fehlte all meinen Zuhörer*innen der Selbsterfahrungshintergrund. Um wirklich glauben und verstehen zu können, wie die von Gerda Boyesen und ihren Töchtern Ebba und Mona Lisa entwickelte Biodynamische Körperpsychotherapie und viele anderen körperpsychotherapeutische Methoden wirken, muss man sie selbst erlebt haben, was mir in Form einer Ausbildung bei Gerda Boyesen glücklicherweise vergönnt war und zwar von 1993 bis 1997 sowie 2001 bis 2003 (Deep Draining).

Die meisten von Euch hier im Saal Anwesenden wissen natürlich wovon ich rede. Es tut gut, nicht umfangreich erklären zu müssen, was ich meine, wenn ich von den besonderen Qualitäten von Gerda Boyesen als Mensch und Psychotherapeutin spreche. Sie war eine außergewöhnliche, charismatische Persönlichkeit mit einer warmherzigen, vertrauenerweckenden Ausstrahlung. Was sie sagte und tat, war für mich überzeugend und nachvollziehbar, auch wenn es viele meiner Erwartungen an eine Psychologin durcheinander brachte.

Es ist eine große Herausforderung, ihre therapeutische Haltung und Arbeitsweise Menschen erklären zu wollen, die Gerda Boyesen dabei nie erlebt haben. Es ist daher bis heute ein starker Impuls in mir, das, was ich an Gerda Boyesen und der Biodynamik kennen und schätzen gelernt habe, weiter zu vermitteln und für die Anerkennung dieser Psychotherapiemethode zu kämpfen. Das tue ich in Gestalt von Vorträgen wie diesem, durch die Veröffentlichung von Fachartikeln aber auch, indem ich in meiner Praxis oft darüber spreche, einige Klienten biodynamisch behandele und die Methode auf meine Weise weiterentwickele und erforsche.

2. Gründe der Vermeidung einer Auseinandersetzung mit der Biodynamischen Psychologie in der Berufsgruppe der Psychotherapeut*innen und Ärzt*innen

Warum hat sich diese in der Praxis so erfolgreiche Psychotherapiemethode nicht an den deutschen und europäischen Universitäten und Fortbildungsinstituten verbreitet? Warum wird sie weder an den hiesigen medizinischen noch an psychologischen Fakultäten erforscht? Warum tauchen Begriffe wie Psychoperistaltik und Biodynamik noch immer nicht in größeren psychologischen Lexika auf, wie z.B. dem Wörterbuch für Psychologie von Dorsch, was letztes Jahr in 20. Auflage erschienen ist und über 2000 Seiten hat?

Diese Missachtung der Entdeckungen von Gerda Boyesen ärgert mich seit Mitte der 90 er Jahre bis heute immer wieder aufs Neue. Da ich vor meiner biodynamischen Ausbildung sowohl ein Studium für Klinische Psychologie als auch eine tiefenpsychologische Ausbildung absolviert habe, sind mir die etablierten sprachbasierten Therapiemethoden ebenso vertraut wie der biodynamische Behandlungsansatz. Bei meinen Versuchen diese beiden Ansätze und die handelnden Akteure zusammenzuführen, komme ich mir oft vor wie ein Kind von geschiedenen Eltern. Sie können einfach nicht mehr normal miteinander kommunizieren und meine Vermittlungsversuche waren oft zum Scheitern verurteilt.