Über den Wolken wohnen die Träume - Meike Werkmeister - E-Book

Über den Wolken wohnen die Träume E-Book

Meike Werkmeister

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Beschreibung

Morlen träumt von der großen weiten Welt. Heather von etwas mehr Leichtigkeit ...

Eine Reise ins sonnige Kalifornien! Voller Vorfreude fliegt die 17-jährige Morlen nach Cardiff-by-the-Sea, einen kleinen Küstenort südlich von Los Angeles. Hier wirkt alles irgendwie größer als zu Hause auf Norderney: die Häuser, die hoch gewachsenen Palmen, die riesigen Pazifikwellen. Heather, eine alte Freundin ihrer Mutter, empfängt sie mit offenen Armen, doch die Stimmung zwischen ihr und ihrem Ehemann Gary ist längst nicht so gut wie das kalifornische Wetter. Während Morlen versucht, ihre Gefühle für Surferboy Charlie und Gastbruder Tom zu sortieren, träumt Heather insgeheim davon, selbst noch mal ein Abenteuer zu erleben. Werden sie beide ihr Glück finden?

Der große neue Sommerroman der Nr. 1-SPIEGEL-Bestsellerautorin – mit liebevoll illustriertem farbigen Anhang.

Pressestimmen zu Meike Werkmeister und ihren Romanen:

»Meike Werkmeisters Geschichten machen einfach glücklich.« Karla Paul

»Sie ist wie ihre Bücher: witzig, sympathisch und klug.« NDR 90,3 Kulturjournal

»Familie, Liebe, Meergefühl und Strandkorb-Feeling – das erzählt keine schöner als Meike Werkmeister!« emotion

»Die perfekte Sommerlektüre, um abzuschalten und sich unterhalten zu lassen.« bellestristik-couch.de

»Ein Roman wie eine beste Freundin, den man fest in sein Herz schließt.« Feel Good Magazin

»Trifft mitten ins Herz und macht glücklich.« Grazia

»Ein Roman, der uns zeigt, dass wir uns trauen sollten, auf unser Herz zu hören.« JOY

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 666

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Buch

Eine Reise ins sonnige Kalifornien! Voller Vorfreude fliegt die 17-jährige Morlen nach Cardiff-by-the-Sea, einen kleinen Küstenort südlich von Los Angeles. Hier wirkt alles irgendwie größer als zu Hause auf Norderney: die Häuser, die hoch gewachsenen Palmen, die riesigen Pazifikwellen. Heather, eine alte Freundin ihrer Mutter, empfängt Morlen mit offenen Armen, doch die Stimmung zwischen ihr und ihrem Ehemann Gary ist längst nicht so gut wie das kalifornische Wetter. Während Morlen versucht, ihre Gefühle für Surferboy Charlie und Gastbruder Tom zu sortieren, träumt Heather insgeheim davon, selbst noch mal ein Abenteuer zu erleben. Werden sie beide ihr Glück finden?

Autorin

Meike Werkmeister ist gelernte Journalistin und schreibt seit 2019 hauptberuflich Romane, die regelmäßig auf der SPIEGEL-Bestsellerliste stehen. »Über den Wolken wohnen die Träume« ist bereits ihr achtes Buch im Goldmann Verlag. Sie ist in Münster aufgewachsen, lebt aber schon seit über zwanzig Jahren in Hamburg, mittlerweile mit Mann, Sohn und Hund. Um Ideen zu sammeln, reist sie am liebsten an schöne Orte am Meer. Für diesen Roman ging es besonders weit weg: ins sonnige Kalifornien.

Meike Werkmeister

Über den Wolken wohnen die Träume

Roman

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Originalausgabe April 2025

Copyright © 2025 by Meike Werkmeister

Copyright © dieser Ausgabe 2025 by Wilhelm Goldmann Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

[email protected]

(Vorstehende Angaben sind zugleich

Pflichtinformationen nach GPSR)

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Gaeb & Eggers.

Umschlaggestaltung: UNO Werbeagentur, München

Umschlagmotive: FinePic®, München

Karte, Anhang und Illustrationen: © Mi Ha | Guter Punkt, München

Autorinnenfoto: Ulrike Schacht

Redaktion: Kristina Lake-Zapp

LS · Herstellung: ik

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN 978-3-641-31398-2V001

www.goldmann-verlag.de

Morlen

Da unten wohnen sie also, die Träume. So sagt man doch, oder? Dass in dem Tal hinter der Bergkuppe, in diesen zahllosen Häusern und Straßenschluchten, zwischen denen hohe Palmen in den Nachmittagshimmel ragen, so viel geträumt wird wie nirgends sonst. Dass jede Zweite in dieser Stadt hofft, sie möge die Eine aus Millionen sein, deren Traum wahr wird. Ich lehne mich noch ein Stückchen weiter vor, presse die Nase an das ovale Flugzeugfenster, das sich kalt anfühlt. Betrachte die Ansammlung von Wolkenkratzern, die sich vor dem grün gesprenkelten Gebirgszug abheben.

Ein Gefühl macht sich in mir breit, das ich nur schwer deuten kann. Es zieht in meinem Magen, und eigentlich weiß ich längst, dass es nicht das Flugzeugessen ist, von dem ich nur wenige Bissen heruntergewürgt habe. Es ist auch kein Hunger. Es ist eine diffuse Angst, dass ich mich selbst in eine Situation gebracht habe, der ich nicht gewachsen bin. Ich bin noch nicht mal gelandet und fühle mich bereits verloren. Ich habe nichts gemeinsam mit den Menschen in der riesigen Stadt unter mir. Den Träumerinnen in den symmetrisch angeordneten Wohnvierteln, über die wir gerade fliegen. Ihre Träume sind nicht meine. Ich will vor keine Kamera, ich will nicht reich und erst recht nicht berühmt werden. Ich will einfach nur frei sein. Meine eigenen Entscheidungen treffen. So leben, wie ich es will. Ich dachte, dafür muss ich so weit wie möglich weg von dem Ort, an dem ich aufgewachsen bin. Aber jetzt fühle ich mich plötzlich unendlich klein.

Ich spüre noch etwas in mir, es krabbelt in meinem Magen herum, zwischen dem durchaus vorhandenen Hunger und der Angst. Ich glaube, es ist Vorfreude. Was wird mich dort unten erwarten? Vielleicht das größte Abenteuer meines bisherigen Lebens? Schon bevor ich den Gedanken zu Ende gedacht habe, wird mir übel. Vom Flug kann es nicht kommen, die Maschine gleitet geschmeidig über die unendliche Stadt. Im Ernst, Los Angeles ist unendlich, ich sehe keinen Anfang und kein Ende, nur Häuser, Häuser, Häuser. Angestrahlt vom Sonnenlicht wie von tausend Scheinwerfern. Wieder schwappt Übelkeit in mir hoch. Das kommt bestimmt von der Aufregung. Seit ich weiß, dass ich hierherfliege, habe ich behauptet, das alles wäre eine Kleinigkeit. Der weite Flug, die große Entfernung von allem, was mir vertraut ist, die vielen Menschen da unten, die ich nicht kenne. Kein Thema für mich. Erst jetzt merke ich, dass ich mich überschätzt habe. Ich war noch nie länger als ein paar Tage von zu Hause weg. Und in wenigen Minuten werde ich ganz allein am anderen Ende der Welt landen.

Das Flugzeug sinkt tiefer und tiefer. Außen an der Scheibe läuft ein Wassertropfen herunter, ich fahre ihn mit dem Zeigefinger nach. Mein Magen rumort so laut, dass ich fürchte, es könnte die ältere Dame neben mir stören. Was ein komischer Gedanke ist, die Motoren sind viel lauter, außerdem schläft sie tief und fest. Sie hat fast den gesamten Flug über auf mich eingeredet: »Kannst du auch nicht schlafen? Ich freue mich so auf meine Tochter. Willst du Nüsschen? Könntest du mir die Tasche aus dem Fach heben? Schau mal, mein Gurt klemmt …« Erst vor etwa zehn Minuten ist ihr Kopf nach vorn auf die Brust gekippt. Ausgerechnet jetzt, wo wir im Grunde da sind. Soll ich sie wecken, bevor die Räder den Boden berühren?

Am Horizont zwischen den Bergen taucht ein Schriftzug auf. Ein kleines Lachen entfährt mir. Hollywood steht da in Großbuchstaben, die aus dieser Entfernung klein wirken. Den Schriftzug gibt es also wirklich. Er steht da einfach so auf einem Berg herum und guckt runter auf die Stadt. Während der Pilot zur Landung ansetzt und die Dame neben mir schnarcht und ich die Palmen in den Vorgärten zählen kann, so nah sind sie jetzt, dämmert mir: Das hier ist tatsächlich das größte Abenteuer meines Lebens.

Die Einreise ist ein Albtraum. Seit fast zwei Stunden stehe ich zwischen zwei Familien mit nörgelnden Kleinkindern in einer langen Schlange, die sich schmerzhaft langsam nach vorn schiebt. Ein Mädchen, das etwa im Alter meines Bruders ist, hört nicht mehr auf zu weinen. Sein Vater hat es auf den Arm genommen und wiegt es hin und her, mit den immer gleichen, ruhigen Bewegungen. Ich werde wütend auf meinen Vater, während ich die zwei beobachte. Kurz möchte ich wieder drei sein und auf seinen Arm, ich möchte, dass er hier ist und alles für mich regelt. Aber dann wird mir klar, wie gut es ist, dass er nicht dabei ist. Er, der sich mit meiner Mutter gegen mich verbündet hat. Er sei ganz ihrer Meinung, meinte er. Was für eine geschmeidige Wende die zwei hingelegt haben. Erst waren sie sich einig, dass ich unbedingt weiter zur Schule gehen sollte. Jetzt sind sie sicher, dass das hier eine gute Gelegenheit für mich ist, dass ich danach klarer sehen werde. Ich dachte, Papa würde kapieren, dass ich längst klarsehe. Dass ich nicht eingewilligt habe, weil sie recht haben. Sondern weil ich es selbst für eine gute Idee halte. Wer würde schon Nein sagen zu einem Gratisaufenthalt in Kalifornien?

Das kleine Mädchen hat aufgehört zu weinen und mustert mich mit tränenverklebten Augen. Ich nicke ihm leicht zu, während die Menschenschlange sich um weitere zehn Zentimeter voranschiebt.

»Was machst du in den USA?«, fragt mich der Officer, als ich endlich dran bin.

»Ich besuche Freunde«, antworte ich, wie Mama es mir geraten hat.

»Wie alt bist du?« Sein Nacken ist rasiert, die Haut an manchen Stellen gerötet.

»Siebzehn.«

»Reist du ohne Eltern?« Er blättert durch meinen brandneuen Reisepass, wobei mir auffällt, dass seine Nägel sehr kurz geschnitten sind.

»Eine Freundin der Familie holt mich ab, bei ihr werde ich wohnen.« Die englischen Worte kommen schleppend aus meinem Mund.

Er macht Aufnahmen von meinem Gesicht und scannt meine Fingerabdrücke. Alle zehn. Dabei mustert er mich mit emotionslosem Blick. Ich fühle mich wie eine Verbrecherin. So als würde der Typ direkt in meine Seele schauen, als sähe er die dunklen Geheimnisse darin, vielleicht sogar welche, die ich selbst noch nicht kenne oder verdrängt habe. Habe ich mich irgendwie verdächtig gemacht, frage ich mich. Könnte mich die Sache mit den geklauten Chips auf der Klassenfahrt nach Holland nun doch noch einholen? Sind in meinen frisch geschnittenen Haaren noch Spuren des einzigen Joints, den ich je geraucht habe? Stehen die Antiallergika in meinem Handgepäck hier auf einer roten Liste, werde ich deswegen in einen fensterlosen Hinterraum gesperrt, von wo aus ich wenige Minuten am Tag über ein altes Kabeltelefon mit meinen Eltern sprechen kann? Ich habe vermutlich zu viele amerikanische Serien geguckt.

Der Officer tippt auf seinem Computer rum. Schließlich zückt er einen Stempel und haut ihn mit Wucht in meinen Reisepass. Dann wendet er sich so schnell von mir ab, dass ich ein paar Momente brauche, um zu kapieren, dass es vorbei ist.

Ich bin drin.

Ich zerre den Koffer mit angestrengt unauffälliger Miene durch den Zoll. Die Erdnüsse und Minilaugenbrezeln, die Mama noch schnell in meinen Koffer geworfen hat – als Notfallsnacks –, zählen doch nicht als verbotene Lebensmittel, die nicht eingeführt werden dürfen, oder?

Ein süßer Beagle sitzt neben den schweren Stiefeln eines Zollbeamten und hält schnuppernd die Nase in die Luft. Riecht er, dass ich in meinen Sneakern mittlerweile Schweißfüße habe? Er und seine Kollegen sind jedenfalls der Grund dafür, dass ich Oles Abschiedsgeschenk nicht mitgenommen habe. Mama meinte, die Spürhunde könnten eventuell riechen, dass Ole kifft, und dann würde man mich filzen. Daher liegt die kleine Stoffrobbe jetzt zu Hause in meiner Kommode, hinter den Slips und Socken, die ich nicht eingepackt habe, neben den alten Postkarten und Fotos von Jonas. Hab ich Ole natürlich nicht gesagt. Ich sehe ihn vor mir, ihn und die anderen, in den Dünen am Nordstrand, an meinem letzten Abend auf Norderney, als alle so komisch feierlich drauf waren.

»Jetzt beginnt ein neuer Lebensabschnitt«, hat Emily gesagt.

»Alles wird anders«, meinte Paula, und Leni hat fast geheult.

»So viel ändert sich doch gar nicht«, habe ich geantwortet, die Musik auf der Boombox lauter gestellt und versucht, die anderen zum Tanzen zu animieren.

Aber sie haben nur aufs Meer geglotzt, als hätten sie nicht seit Jahren Hunderte von Sonnenuntergängen über der Nordsee gesehen. Nach den Sommerferien werden die meisten von ihnen aufs Gymnasium auf dem Festland gehen, weil man auf Norderney keine gymnasiale Oberstufe machen kann. Dann können sie zur Abwechslung mal den Sonnenaufgang live beobachten, von der ersten Fähre aus, die sie jeden Morgen nehmen werden. Nur Leni will nach England, alle anderen bleiben in Ostfriesland. Alle, außer mir.

Ich schüttele den Gedanken ab und trete durch die Schiebetüren in die unterirdische Ankunftshalle. Augenblicklich wird es laut um mich herum. Und voll. So viele Menschen, die auf jemanden warten. Ich halte nach Heather Ausschau, von der Mama mir Fotos gezeigt hat. Rundes, freundliches Gesicht, beachblonde Locken. Ob sie eins ihrer Kinder mitgebracht hat? Ein Schild gebastelt, auf dem steht: Welcome to California, Morlen? Hoffentlich nicht.

Ich sehe niemanden in der Menge der Wartenden, der Heather ähnelt. Dafür unzählige fremde Menschen. Männer in Anzügen halten Schilder mit Namen hoch, vermutlich weil sie irgendwelche Geschäftskunden abholen sollen. Es ist trotz der vielen Leute kühl hier drin, und es riecht nach Kaffee. Ich ziehe den Koffer durch die Menschenmenge. Neben einem Starbucks, vor dem sich eine Schlange gebildet hat, bleibe ich stehen und schaue mich um. Die Leute sind alle sommerlich gekleidet, viele haben Flipflops an den Füßen. Niemand außer mir trägt ein Sweatshirt und lange Hosen. Draußen muss es warm sein.

Könnte die Frau in dem Hemdblusenkleid an dem Bankautomaten Heather sein? Nein, auf dem Foto hatte sie hellere Haare. Oder die da bei den Kofferwagen mit dem kurzen Shirt und den Sportshorts? Nein, zu groß und schmal. Wie soll ich sie jemals finden? Es hieß, Heather wartet in der Ankunftshalle auf mich, mehr haben wir nicht ausgemacht. Mein Handy ist noch im Flugmodus, weil alle meinten, dass die Roaming-Gebühren zu hoch seien. Ich soll mir hier eine Prepaid-Karte besorgen. Ich versuche, mich ins Flughafen-WLAN einzuloggen, aber es klappt nicht. Wenn Heather wirklich nicht auftaucht, pfeife ich aufs Roaming, beschließe ich. Dann muss ich sie anrufen, ihre Nummer hab ich immerhin. Lieber noch würde ich zu Hause anrufen, aber das geht nicht wegen der neun Stunden Zeitunterschied. Hier ist es laut einer großen Digitaluhr an der Terminalwand gerade 15:03 Uhr. Also kurz nach Mitternacht zu Hause. Mir wird bewusst, dass ich nicht nur müde bin vom langen Flug, sondern auch, weil auf Norderney schon alle schlafen. Weil ich eigentlich auch längst schlafen würde.

Und dann endlich sehe ich sie. Eine Frau im Alter von Mama, kleiner und runder als sie, halblange blond gesträhnte Locken, rennt durch die Schiebetür in den Ankunftsbereich. Sie trägt ein weites T-Shirt-Kleid, die große Tasche über ihrer Schulter fliegt hinter ihr her, so schnell läuft sie. Sie sieht sich hektisch um, offensichtlich ist die Verspätung ihr unangenehm. Zu Recht. Da fliegst du dreizehn Stunden über den Atlantik, wartest 132 Minuten an der Passkontrolle, und die Person, die für dich verantwortlich ist, schafft es nicht mal, dich pünktlich abzuholen. Ich lasse sie noch ein bisschen zappeln und beobachte sie. Sie kramt in ihrer Tasche, zieht ihr Handy raus, steckt es wieder weg. Dann zieht sie noch etwas hervor, einen Zettel, schaut hoch zur Anzeigetafel und wendet sich in meine Richtung.

Als unsere Blicke sich treffen, erlöse ich sie und hebe die Hand. Sofort ärgere ich mich über mich selbst. Was für ein albernes, schüchternes Winken! Aber wie begrüßt man jemanden, den man gar nicht kennt? Heathers Gesicht jedenfalls verzieht sich zu einem breiten Grinsen. Sie rennt auf mich zu, das finde ich jetzt etwas übertrieben, wie sie da durch die halbe Halle hechtet. Sie wird doch nicht etwa …

Aber da ist sie schon bei mir und tut genau das: Sie schlingt ihre Arme um mich und drückt mich an sich. Heather ist ein hugger, ich hatte es befürchtet. Ich bin so perplex, dass ich mich ganz steif mache, aber Heather merkt es gar nicht, sie drückt mich an ihren weichen Körper und kreischt – ja ehrlich, kreischt –, ich verstehe erst gar nicht, was. Einzelne Worte dringen zu mir durch, sorry ist mehrfach dabei, etwas wie tried to call you und traffic. Alles klar, verstanden, sie stand im Stau. Das fängt ja gut an.

Endlich lässt sie mich los. Besser ist das auch nicht unbedingt, denn jetzt mustert sie mich strahlend. Ihr Lächeln zieht sich über das gesamte freundliche, runde Gesicht, ihr Haaransatz schiebt sich dabei ein Stück nach hinten.

»Ich bin so froh, dass du da bist!«, verstehe ich jetzt. Ich hoffe, ich werde nicht noch bereuen, dass ich in der Schule in Englisch immer nur das Nötigste gemacht habe. Vielleicht zahlt es sich zumindest aus, dass ich seit Wochen alle meine Lieblingsserien in der Originalversion geguckt habe.

Heather kommt wieder näher, etwas zu nah für meinen Geschmack. »Du bist genauso eine Schönheit wie deine Mutter.« Das nun ist total Banane, ich habe nichts von meiner Mutter, und vermutlich zeigt sich dieser Gedanke gerade auf meinem Gesicht, aber Heather redet einfach weiter. »Wie war dein Flug, love?«

»Gut.« Mehr kommt nicht aus meinem Mund. Ich fühle mich wie gelähmt angesichts ihrer geballten Energie. Ihre pure Anwesenheit hat den letzten Rest Saft aus meinem Akku gezogen, auf dem ohnehin nur noch drei Prozent waren.

Sie nickt, als hätte ich etwas Wunderbares gesagt, kreischt wieder, drückt mich noch mal an sich. »Wir freuen uns alle so, dass du da bist. Hast du zu Hause Bescheid gegeben, dass du gut gelandet bist?«

Es reicht nur noch für ein Nicken, auch wenn das nicht mal stimmt, aber ich schaffe es nicht, ihr jetzt die Sache mit dem Roaming und der Zeitverschiebung zu erklären.

Heather reißt plötzlich die Augen auf und schlägt sich an die Stirn. Sie kommt mir vor wie eine der Schauspielerinnen im Nachmittagsprogramm, die glauben, man müsse Emotionen deutlich zeigen, um sie richtig rüberzubringen. »Das hätte ich fast vergessen.« Sie entfaltet den Zettel in ihrer Hand, den sie vorhin aus der Tasche gezogen hat.

Ein Laut entfährt mir, irgendwas zwischen Wimmern und Stöhnen, und es ist mir sofort peinlich. Auf dem Papier sind große Buchstaben, unordentlich mit Filzstiften ausgemalt, hier und da über den Rand hinaus. Da steht:

Welcome to California, Morlen!

Heather strahlt übers ganze Gesicht. »Das hat Hazel für dich gemalt.«

Ich schaffe es nicht, Danke zu sagen.

Draußen ist es tatsächlich warm. Ich schätze, etwa zwanzig Grad wärmer als drinnen. Als die Schiebetüren sich öffnen, fühlt es sich an, als ob jemand einen Föhn auf mich richtet. Außerdem ist es so hell, dass ich kaum etwas sehen kann. Ich ziehe mein Sweatshirt aus und binde es mir um die Hüfte. Die schwarzen Leggings kleben innerhalb von Minuten an meiner Haut. Wir laufen über mehrere Zebrastreifen auf ein Parkhaus zu. Heather redet dabei ununterbrochen auf mich ein. Ich verstehe nicht mal die Hälfte und hoffe, es liegt an meinem Zustand. Sie sagt etwas von den Kindern, die beschäftigt waren, als sie aufgebrochen ist, und die ich später kennenlernen werde. Und dass sie jetzt weiß, wie Gary sich fühlt. Gary ist ihr Mann, erinnere ich mich, aber ich kapiere nicht, was sie meint. Wie soll er sich denn fühlen?

Im Parkhaus stehen so viele Autos herum, dass mir ganz schwindelig wird. Heather sagt, sie hat Snacks und Wasser und Cola dabei, wir könnten aber auch unterwegs anhalten. »Hast du Hunger?«

Bevor ich antworten kann, sind wir an einem überdimensionalen SUV in Silber angelangt. Ich zucke heftig zusammen, als der Wagen laut hupt. Dann kapiere ich, dass er das macht, weil Heather ihn mit der kleinen Fernbedienung am Schlüssel geöffnet hat.

»Sweety, you’re alright?« Lachend hievt sie mein Gepäck in den Kofferraum und öffnet mir die Beifahrertür.

Ich steige ein, mein Herz stolpert noch immer ein wenig vor Schreck. Heather setzt sich neben mich, schmeißt geräuschvoll ihre Tasche auf den Rücksitz, knallt die Tür zu. Alles an ihr ist laut. Sie greift an mir vorbei nach hinten, zieht eine Flasche Wasser hervor und reicht sie mir zusammen mit einem Karton. »Donuts.« Sie nickt mir aufmunternd zu.

Ich habe noch nie eine so breite Autobahn gesehen. Über uns kreuzen andere Autobahnen, alle mit sechs oder sogar sieben Spuren. Unzählige Pkws schieben sich Stoßstange an Stoßstange voran. Goldenes Spätnachmittagslicht lässt die Lackierungen schimmern. Ich komme mir vor wie in einem der Computerspiele, die Ole manchmal spielt. Wie in einer Parallelwelt.

Heather hat aufgehört zu sprechen, vermutlich war es doch ermüdend für sie, dass ich nicht antworte. Ich will nicht unhöflich sein, aber ich kann einfach nicht. Nichts geht mehr. Sie hat stattdessen das Radio angestellt. Anfangs lief Countrymusik, aber sie hat schnell den Sender gewechselt, und jetzt gibt es aktuelle Hits. Sie denkt wahrscheinlich, dass das eher meinen Geschmack trifft. Aus der Lüftung des Autos bläst eiskalte Klimaanlagenluft. Eigentlich bräuchte ich jetzt wieder das Sweatshirt, aber das liegt hinten bei meinem Rucksack, und ich schaffe es nicht, mich umzudrehen und danach zu suchen. Auf meinem Schoß warten noch immer die Wasserflasche und der Karton mit den Donuts, aus dem es nach Zucker und Fett riecht. Beide ruckeln jedes Mal hin und her, wenn Heather ruppig anfährt. Ich hab aber keine Kraft, sie wegzustellen. Ich gucke nur nach draußen, auf diese Science-Fiction-Szenerie, und denke an meine Familie. Denke an Mama und Simon, die vermutlich gerade eng aneinandergekuschelt in ihrem Bett auf Norderney liegen und schlafen. Sehe Fritz vor mir, blonde verschwitzte Locken, irgendwo verdreht an ihrem Fußende, weil er wieder Albträume hatte und dann in ihrem Bett den Propeller gemacht hat, den Daumen im Mund. Sehe Hannah nebenan in ihrem Zimmer, umgeben von so vielen Kuscheltieren, dass sie selbst kaum Platz hat. Zwischen den Kuscheltieren liegt eingerollt unser Kater Billy, als wäre auch er aus Plüsch. In meinem Magen zieht es so heftig, dass ich tief dagegen anatmen muss.

Heather

Jetzt ist sie doch eingeschlafen. Ich atme erleichtert auf. Der Hinweg war schon ein Albtraum, immer dieser Wettlauf gegen die Zeit, er macht mich fertig. Manchmal kommt mir mein ganzes Leben so vor, als hätte jemand einen Timer gestellt, gegen den ich nicht gewinnen kann. Egal, ob ich mit Hazel Skip-Bo spiele und nebenbei E-Mails beantworte oder endlich mal mit einer Freundin zusammensitze und dabei immer wieder auf die Uhr gucke, weil ich weiß, wann am nächsten Morgen der Wecker klingelt. Für nichts und niemanden ist je genug Zeit. Vor allem nicht, wenn man das Auto nimmt. Jede Fahrt dauert länger, als man es erwartet. Ich glaube, in L. A. kann man nicht pünktlich sein, niemand kann das. Ich hatte einen für meine Verhältnisse extragroßen Puffer eingeplant, und trotzdem war ich am Ende zu spät. Mein Glück, dass die arme Morlen so lange für die Einreise gebraucht hat. Ich hoffe, sie denkt nicht, ihre Ankunft wäre mir nicht wichtig. Sie ist zum ersten Mal so weit weg von zu Hause, Maria hat mich gewarnt, wie aufgeregt sie sein würde und wie sensibel sie gerade ist. Und was mache ich? Verliere mal wieder einen Wettlauf gegen die Zeit, weil ich stundenlang im Stau stehe.

Ich weiß nicht, ob unser Start deswegen so holprig war oder weil sie ein Teenager ist. Meine Ellie ist kaum jünger, aber ein völlig anderer Typ. Sie quatscht sofort drauflos, geht auf alle zu – nicht dass das immer einfach wäre, es bringt andere Probleme mit sich. Aber ich bin mir sicher, dass Ellie mit einer fremden Mutter direkt ins Gespräch gekommen wäre. Vermutlich hätte sie ihr von ihrem letzten Fußballspiel erzählt, von ihrem aktuellen Schulprojekt über die Auswirkungen des Klimawandels in Südkalifornien oder vom Stand der Baustelle auf der Interstate, was auch immer.

Morlen hat genau drei Worte gesagt, seit sie gelandet ist. Vielleicht ist es die Müdigkeit, vielleicht die Sprachbarriere. Jedenfalls musste ich daran denken, was meine Freundin Joana mir neulich geraten hat: Man kann dem Gras nicht dabei helfen zu wachsen, indem man daran zieht. Sie meinte damit unsere Teenager. Wir sollten darauf vertrauen, dass wir sie in der Vergangenheit genug gegossen und gedüngt haben. Und sie jetzt in Ruhe wachsen lassen, so schwer es auch fällt, nicht an ihnen herumzuzerren. Ich nehme mir vor, das auch in Bezug auf Morlen zu verinnerlichen, obwohl es überhaupt nicht meiner Art entspricht.

Die Straßen sind auch in Richtung Süden voll, aber jetzt stört es mich weniger. Ich habe unseren Gast heil eingesammelt, und sie schläft. Draußen zieht ein Stadtviertel von Los Angeles nach dem anderen vorbei. Die Sonne steht so hoch am Himmel, dass ich meine Sonnenbrille aus dem Mittelfach nehmen muss, weil es mich blendet. Als ich ganz sicher bin, dass Morlen weggenickt ist, drehe ich am Radio. Ich hatte KIISFM angemacht, weil meine Kinder sich immer über meinen Lieblingssender Go Country 105 beschweren. Jetzt kann ich ihn wieder in Ruhe hören, wenn auch nur leise, weil ich sie nicht wecken will. Je länger sie schläft, desto entspannter wird die Fahrt für mich. Ich muss lachen, Morlen ist ja kein Baby. Mir ist klar, wie schlecht es für ihren Jetlag ist, so findet sie nicht in den Rhythmus, aber ich bin erschöpft und genieße die seltene Ruhe.

Schließlich passiert das, was immer passiert, wenn niemand aus meiner Familie etwas von mir will: Ich denke an meine Familie. Frage mich, was sie alle gerade machen, während wir an Huntington Beach vorbeifahren.

Hazel erklärt Gary vermutlich gerade den perfekten Abschlag an der Driving Range. Ich hoffe, er macht richtig mit, sie hat sich so gefreut, dass er sie endlich mal wieder auf den Golfplatz begleitet und sie ihm zeigen kann, was sie draufhat. Hat Gary Traubenzucker eingepackt? Natürlich hat er das. Ellie ist bei einer Freundin, sie wollten etwas für die Schule vorbereiten und sich danach vielleicht noch mit anderen treffen. Tom ist vermutlich in seinem Zimmer und macht Dinge, von denen nur Tom weiß. Sofort bilden sich Sorgenklümpchen in meinem Magen, ich muss nur seinen Namen denken, und schon geht es los.

Ich lenke mich schnell ab, indem ich im Kopf meine Shoppingliste durchgehe, wir müssen auf jeden Fall gleich noch anhalten und einkaufen. Wäre vermutlich spannend für Morlen, hoffentlich ist sie bis dahin wach. Ich weiß noch, wie ihre Mutter Maria früher immer mit mir durch unsere Supermärkte gelaufen ist, als wären es Chanel-Stores. Sie sagte immer, in Deutschland seien die Supermärkte viel kleiner. Vor allem auf Norderney. Ich muss lächeln beim Gedanken an meine Freundin. Ich habe Maria viel zu lange nicht gesehen. Ich wollte sie immer mal besuchen, auf ihrer kleinen Insel in der Nordsee, aber das Leben kam dazwischen. Wir kennen uns, seit wir beide zwanzig waren, von einem Urlaub in Costa Rica, wo sie Garys Surflehrerin war und schnell meine Freundin wurde. Meine Weltenbummlerfreundin, die in ihren Zwanzigern die halbe Welt bereiste, nie lange an einem Ort blieb und manchmal auch bei uns vorbeischneite. Einmal kam sie mit Morlen, die damals zehn Monate alt war. Tom war zwei, ich war schwanger mit Ellie. Maria und Morlen haben bei uns im halb fertigen Haus gewohnt, so ein Chaos. Damals hatte Gary noch seinen Job in San Diego und war viel mehr da. Maria kämpfte damit, ungeplant Mutter geworden zu sein, ihre Freiheit verloren zu haben. Außerdem schrie Morlen viel. Ich weiß noch, wie Maria mich beneidete, weil ich die frühe Entscheidung für Kinder bewusst getroffen hatte. Und weil Tom ein unkomplizierter Sonnenschein war. Damals meinte ich, dass jedes Kind seine Phasen habe. Vielleicht hätte ich das lieber nicht gesagt.

Zweimal war sie danach noch hier, immer nur auf der Durchreise, ohne Morlen, die bei ihrer Oma auf Norderney blieb. Das letzte Mal war vor etwa neun Jahren, kurz bevor Maria endlich eine Heimat fand. »Eines Tages will ich auch so ein Zuhause wie du haben«, hatte sie damals verkündet. Heute hat sie genau das, auf Norderney. Sie schickt mir manchmal Bilder von ihrem wirklich sympathischen Freund Simon und den beiden kleineren Kindern. Als sie zuletzt auf unserer Terrasse saß und damit kämpfte, Morlen kein tolles Leben bieten zu können, hatten wir beide keine Ahnung, wie alles mal kommen würde. Wie bewusst sie sich für eine Familie entscheiden würde. Dass sie eines Tages so glücklich sein würde. Und dass mein Glück zerbrechlich war.

Neben mir seufzt Morlen im Schlaf. Sie erinnert mich mit ihrem feinen dunkelblonden Haar und der gebräunten Haut bisher gar nicht an ihre blasshäutige Mutter mit der wilden hellen Mähne. Ich habe das zwar vorhin gesagt, aber es war nur eine Floskel. Sie sieht eher aus wie ihr Vater, von dem ich nur Fotos kenne und unzählige Geschichten, denn er hat Maria einst das Herz gebrochen. Alles an Morlen ist lang und zart, während Maria zwar größer ist als ich, aber ähnlich kurvig. Vor allem aber versprüht Morlen nicht dieselbe Energie wie ihre Mutter. Maria, die andere mit ihrem großen Lächeln ansteckt, die alle Blicke auf sich zieht, in jedem Raum, den sie betritt. Die mit jeder und jedem sofort ins Gespräch kommt, genau wie Ellie. Morlen erinnert mich eher an meine introvertierte kleine Hazel. Mal schauen, wie die beiden miteinander zurechtkommen werden.

Eine Stunde später parke ich in Oceanside vor dem Walmart. Ich habe entschieden, lieber hier einzukaufen als bei uns in Cardiff-by-the-Sea, denn dort treffe ich ständig Bekannte, und es dauert ewig. Gary ist mittlerweile bestimmt vom Golfplatz zurück und bei seiner Bandprobe, und ich will Tom nicht zu lange mit Hazel allein lassen. Morlen schläft noch immer, und ich überlege, ob ich sie wecken soll. Es wäre besser für ihren Jetlag, und sie könnte mir sagen, was sie gern isst und was ich für sie besorgen soll. Abgesehen davon, dass sie es vielleicht interessant fände. Doch gerade als ich eine Hand auf ihren Arm legen will, sehe ich aus dem Augenwinkel den Pick-up, der gegenüber parkt. Es ist keiner der aktuell angesagten Riesentrucks, sondern ein etwas älterer Chevrolet in Rostbraun – allerdings nicht alt genug, um schon wieder cool zu sein. Es fahren unzählige dieser Modelle in Südkalifornien herum, aber diesen erkenne ich sofort. Auf seiner Ladefläche befinden sich wie immer mehrere Longboards, und auf einem großen Sticker hinten neben dem Nummernschild steht: I surf small waves.

Es ist also wirklich Jacksons Auto. Wie albern, dass mein Herz sofort schneller klopft. Ich klappe die Sonnenblende mit dem Spiegel herunter und betrachte mein Gesicht. Ich sehe müde und zerzaust aus, meine Lippen sind leicht rissig. Die Klimaanlage trocknet alles aus – Haut, Haare, Gemüt. Die Sonnenbrille verstaue ich im Fach zwischen den Sitzen. Dann suche ich nach einem Lippenpflegestift, einer Bürste oder einer Gesichtscreme, aber natürlich habe ich mal wieder nichts davon dabei. Resigniert fahre ich mir mit den Fingern durch die Locken. Etwas netter hätte ich mich wirklich zurechtmachen können. Aufgrund der Hitze hab ich mir nur schnell dieses Strandkleid übergeworfen, fürs Schminken war keine Zeit mehr, weil der Hund noch rausmusste.

Ich entscheide, Morlen doch schlafen zu lassen, steige aus und hole meine Einkaufstaschen aus dem Kofferraum. Zu warm werden sollte es im Wagen nicht, die Klimaanlage lief die ganze Zeit, und ich bin ja gleich zurück. Noch einmal schaue ich durch das Beifahrerfenster. Morlens Kopf ist leicht zur Seite gekippt, die Augen sind geschlossen, das kinnlange Haar ist ihr halb ins Gesicht gefallen. Gerade sieht sie eher aus wie dreizehn als wie siebzehn. Ich lasse es darauf ankommen, dass sie aufwacht, während ich weg bin, und sich erschreckt. Sie ist ja siebzehn und keine dreizehn, beruhige ich mich.

Zügig lade ich den Einkaufswagen mit Frühstückscerealien, vorgeschnittenem Obst, Käsesticks in Plastikfolie und Müsliriegeln voll – Sachen, die ich ohne großen Aufwand in die Lunchboxen packen kann. Außerdem noch Fruchtjoghurt und Milch. Für Gary kaufe ich die Low-Fat-Variante, ich spekuliere darauf, dass er es nicht wieder merkt, ich meine es ja nur gut. Toms Proteinriegel sind in seiner Lieblingsgeschmacksrichtung Karamell ausverkauft. Ich nehme Vanille, ich glaube, die mag er auch. Dann werfe ich noch ein paar Packungen Tiefkühllasagne, Fertigpizzateig, Nudeln und Pesto für die nächsten Tage in den Wagen. Hoffentlich hat Ellie für heute Abend an die Burritos gedacht. Ich wähle ihre Nummer, aber sie geht nicht dran.

Als ich auf die Kassen zusteuere, laufe ich Jackson in die Arme. Ich hatte kurz verdrängt, dass ich sein Auto gesehen habe, so sehr habe ich mich beim Einkaufen beeilt. Ich merke, wie ich rot werde – verdammt, es hört nie auf!

»Heather, wie schön, dich zu sehen! Wie geht’s?« Seine knapp schulterlangen Haare sind feucht, wahrscheinlich vom Surfen, sie hinterlassen dunkle Flecken auf seinem ausgewaschenen T-Shirt.

»Gut, danke! Ich hab gerade unseren deutschen Gast vom Flughafen abgeholt, sie schläft im Auto. Das Au-pair-Mädchen ist uns doch so kurzfristig abgesprungen, das habe ich dir erzählt, oder?« Ich merke, dass ich eine Korkenzieherlocke zwirbele, und stoppe mich rasch.

»Ja, ich erinnere mich. Wie machst du das nur alles? Ich bewundere dich echt.« Jackson streicht sich über das unrasierte Kinn, auf dem graue Bartstoppeln wachsen.

Die Bewegung macht etwas mit mir, und ich lache es weg. »Ach, alles halb so wild. Morlen wird mir ja ab sofort eine Hilfe sein.« Ich versuche, seinem Blick standzuhalten, was mir schwerfällt.

Er guckt mich immer noch an, mitfühlend jetzt. »Da drücke ich dir die Daumen, das hast du wirklich verdient.«

Jetzt geht es nicht mehr, ich schaue runter auf unsere Einkäufe. In seinem Korb liegen nur frische Äpfel und Möhren, Naturjoghurt und ein paar kernige Haferflocken. Etwas beschämt schaue ich auf die Schokopops und Käsesticks in meinem Wagen. Darunter ragen der pflegende Lipgloss und das Haaröl hervor, die ich im Vorbeigehen gegriffen habe und ins Auto legen will, für Fälle wie diesen.

Ich lache nervös. »Ich muss weiter, mal schauen, ob sie aufgewacht ist.«

»Sehen wir uns am Dienstag in La Jolla?« Er hat seine Augen immer noch auf mich geheftet.

Ich schlucke. »Klar, wir werden da sein.«

Dann winke ich ihm und gehe bezahlen. Auf dem ganzen Weg von der Kasse zum Ausgang habe ich das Gefühl, Jacksons Blicke in meinem Rücken zu spüren.

Morlen

Zuerst sehe ich nur Palmen. Rosa Palmen, durch die flackernde Sonnenstrahlen fallen. Sie blenden mich, und ich muss die Augen sofort wieder schließen. Es dauert einen Moment, bis ich begreife, wo ich bin. Ich sitze in einem fremden Auto an einer Kreuzung. In den Gärten draußen stehen Palmen. Richtig hohe Palmen, die bis in den rosafarbenen Himmel ragen. Weil sie von hinten angestrahlt werden, sehen sie selbst rosa aus. Ich kenne solche Palmen, von Fotos und aus Filmen. Angeblich sehen sie nirgends so aus wie hier in Südkalifornien. Ich habe das für ein Klischee gehalten, aber sie gleichen wirklich denen auf den Postern bei Ikea. Sind sie echt, oder träume ich?

Ganz langsam gewöhnen sich meine Augen an die Helligkeit, und ich schaue an mir herunter. Die Wasserflasche liegt im Fußraum, den Karton mit den Donuts muss Heather mir abgenommen haben, jedenfalls befindet er sich nicht mehr auf meinem Schoß. Das Radio läuft leise, wieder Countrymusik, vermutlich hat sie es umgestellt, als ich eingeschlafen bin. Meine Hände und Arme sind so kalt, dass sie sich steif anfühlen. Wie lange habe ich geschlafen? Ich kann mich nicht mal daran erinnern, überhaupt eingeschlafen zu sein. Es war wohl kein sanftes Wegnicken, sondern eher eine plötzliche Ohnmacht. Ich versuche, mich nicht zu rühren, damit Heather nicht merkt, dass ich wach bin. Ich will es noch etwas genießen, nichts sagen oder tun zu müssen.

Die Ampel wird grün, wir fahren weiter. Ich sehe Schienen neben uns, weitere Palmengärten. Ich muss mich anstrengen, um nicht direkt wieder wegzudämmern. Denn ich will unbedingt wissen, wie es hier aussieht. Wo ich die nächsten Wochen oder Monate leben werde. Wir gelangen an eine Art Marktplatz. Sommerlich gekleidete Leute essen Eis oder trinken Kaffee. Restaurants tauchen am Straßenrand auf, ein großer Supermarkt. Es wirkt alles ziemlich idyllisch.

Heather summt neben mir leise den Song aus dem Radio mit. Sie fährt jetzt sanfter, weniger ruppig, oder bilde ich mir das ein? Vielleicht will sie mich nicht wecken? Wir halten wieder, diesmal an einem Bahnübergang. Heather kramt im Fach zwischen den Sitzen, aus dem Augenwinkel sehe ich, dass sie ihren Spiegel herunterklappt und sich durch die Haare wuschelt. Ich glaube, sie trägt Lipgloss oder so auf, er riecht künstlich nach Melone.

Wir warten lange an dem Bahnübergang, bis ein lautes Hupen ertönt und ein Zug vorbeifährt. Danach öffnen sich die Schranken, und Heather fährt weiter, ein paar Kreuzungen noch, dann biegt sie in eine schmale Straße ein, in der hübsche Holzhäuser stehen, mit Baststühlen und Hollywoodschaukeln auf den Veranden. Pastellfarbene Fahrräder lehnen daran, an manchen auch Surfbretter. Heather parkt vor einem weiß lackierten Haus, vor dem besonders viele Fahrräder stehen. Der Vorgarten ist dicht bewachsen mit Palmen und Farnen. Über der Garage hängt ein Basketballkorb. Es sieht hübsch aus, denke ich, wie in einer meiner Serien. Heather stellt den Motor aus, sucht leise ihre Sachen zusammen, was ihr bestimmt schwerfällt. Dass Heather nicht gern leise ist, habe ich nach wenigen Minuten an ihrer Seite begriffen. Ich kämpfe mit mir, am liebsten würde ich im Auto bleiben, die Augen wieder schließen und weiterschlafen. Aber ich bin zu neugierig. Also drehe ich den Kopf in ihre Richtung, und sie schaut mich an.

»Morlen!« Sie spricht meinen Namen mit einem langen i am Ende aus, obwohl es eigentlich gar keins darin gibt. Über ihr Gesicht zieht sich wieder dieses Strahlen, aber es sieht jetzt matter aus. »Du bist wach, wie schön. Wie geht es dir?«

»Müde?«, schaffe ich zu sagen. Meine Stimme klingt heiser, mein Mund ist staubtrocken.

»Willkommen in Cardiff-by-the-Sea!«, sagt Heather. »Du Glückliche hast fast zwei Stunden Stau verschlafen, aber jetzt sind wir endlich da. Ich hoffe, Ellie hat Abendessen mitgebracht, dann geht es gleich schnell.«

Sie greift hinter sich, schnappt sich den Karton mit den Donuts und alles Mögliche andere, dann steigt sie aus. Ich öffne meine Tür und bin überrascht, dass die Luft, die mir entgegenströmt, angenehm warm über meine halbgefrorenen Unterarme streicht. Ich steige aus und atme tief ein. Es riecht nach Meer, aber auf andere Weise als in meiner Heimat. Die Luft an der Nordseeküste riecht für mich immer ein bisschen, als würde man seine Nase bei Ebbe zwischen zwei Steine stecken, die bei Flut vom Meer überspült sind. Hier riecht sie nach Cocktails am Strand.

Heather ist schon auf dem Weg die paar Stufen hinauf, die zum Gartentor führen. Sie öffnet das Tor, auf dem der Name »Johnson« steht, und ein großer, lockiger Hund stürmt heraus. Das muss Curly sein, Mama hat mir ein Foto von ihm gezeigt. Ehe ich kapiert habe, was passiert, hat Curly beide Pfoten auf meine Schultern gestellt und versucht, mir durchs Gesicht zu schlecken.

»Curly, nooo!«, ruft Heather, aber es klingt viel zu nett, der Hund ist komplett unbeeindruckt davon. »Er ist ein Labradoodle.« Sie sagt das, als würde es irgendetwas erklären.

Ich mache einen Schritt nach vorn und zische Curly leise an. Überrascht setzt er sich hin. Ich strecke meine Hand aus und lasse ihn daran schnuppern.

»Wow, wie hast du das hingekriegt?« Heather kommt die Treppe wieder runter und öffnet den Kofferraum.

Ich könnte ihr erklären, dass ich das vom Reiten kenne, dass es mit unmissverständlicher Körpersprache zu tun hat, aber ich habe das Gefühl, dass es zwecklos wäre. Stattdessen kraule ich Curly, der mich ergeben aus dunklen Knopfaugen anschaut.

»Tom!«, schreit Heather das Haus an. Sie guckt hoch zu den Fenstern im ersten Stock. Bei einem davon sind die Vorhänge geschlossen. »Tom!« Sie schnaubt. »Wahrscheinlich hat er seine Kopfhörer auf.«

Ich schnappe mir meinen Rucksack und meinen Koffer und hieve sie aus dem Wagen. »Ich mach das schon.«

Heather sieht mich besorgt an. Wie die meisten Leute geht sie vermutlich davon aus, dass Mädchen mit dünnen Armen automatisch schwach sein müssen.

Ich folge ihr mit dem Gepäck die Treppe rauf, wobei ich einigen Palmwedeln und Farnblättern ausweichen muss. Curly trabt geräuschvoll hechelnd neben mir her. Vor dem Haus ist heller Kies ausgestreut, der unter unseren Füßen knirscht. Von drinnen höre ich Fernsehgeräusche.

»Hereinspaziert.« Heather hält mir die Haustür auf und stellt ihre Einkaufstaschen auf einer Kochinsel in der offenen Küche ab, die nahtlos ans Wohn- und Esszimmer anschließt. Ich sehe einen langen Esstisch mit sesselartigen Stühlen. In einer Ecke stehen zwei niedrige Sofas vor dem vielleicht größten Fernseher, den ich je gesehen habe. Eine Back-Show läuft, aber niemand schaut zu.

»Ellie, Hazel!«, brüllt Heather in den Flur.

Schließlich sind schnelle Schritte auf der Treppe zu hören. Ein Mädchen erscheint im Türrahmen, mit den blonden Locken ihrer Mutter und einem ziemlich forschen Gesichtsausdruck.

»Hazel, cookie, das ist Morlen.« Mein Name klingt bei ihr wie Jolene aus dem Countrysong. Ich frage mich, ob ich sie korrigieren soll. Oder ist es dafür schon zu spät? Heather geht auf ihre Tochter zu und will ihr über den Kopf streicheln, doch Hazel dreht sich geschickt weg und betrachtet mich weiter mit diesem forschen Ausdruck.

»Morlen, das ist meine jüngste Tochter Hazel, mit der du vermutlich am meisten Zeit verbringen wirst. Maria hat mit dir darüber gesprochen, oder?«

Ich nicke. In meiner Erinnerung höre ich Mama wieder auf mich einreden. Dass Heather kurzfristig das Au-pair-Mädchen aus Guatemala abgesprungen ist, das sie für ihre diabeteskranke Neunjährige so dringend braucht. Und dass so schnell kein neues aufzutreiben sei. Ich wolle doch unbedingt reisen und dabei arbeiten, es sei also quasi die Gelegenheit.

»Komm schon, sag Hallo, Hazel.« Heather hat wieder diesen Singsang-Ton, mit dem sie schon versucht hat, den Hund zum Gehorsam zu bewegen. Genau wie Curly denkt die Kleine gar nicht daran. Sie rennt los und springt mit einem Satz auf eins der Sofas, wo sie bäuchlings liegen bleibt.

Heather hat angefangen, die Einkäufe in den überdimensionalen Kühlschrank zu räumen. An seiner Vorderseite kann man Eiswürfel zapfen, wenn ich das richtig sehe. »Sie braucht immer ein wenig«, plappert Heather vor sich hin. »Manchmal denke ich, es ist, weil sie in jungen Jahren schon bei so vielen Ärzten war und irgendwann keine Lust mehr auf fremde Menschen hatte. Ihr werdet bestimmt bald gut miteinander auskommen.«

Ich bin mir da nicht so sicher. Ich mag den Hund innerhalb von Sekunden durchschaut haben, aber ich bin nicht vermessen. Ich weiß, dass für Kinder andere Regeln gelten als für Tiere, denn ich habe drei kleine Geschwister. Lou, dreizehn, lebt bei meinem Vater und hat eine wirklich coole Mutter. Alex, die immer irgendwelche Erziehungsratgeber neben ihrem Bett liegen hat und die Sachen, die sie darin liest, auch wirklich durchzieht. Freundlich sein, ruhig bleiben, nicht erpressen, Lou bei Entscheidungen mit einbeziehen, klare, persönliche Grenzen setzen, blablabla. Aber egal, was Alex probiert – Lou macht immer, was sie will. Nur bei Papa zeigt sie sich kooperativ, obwohl der viel weniger schlau ist als Alex. Keine Ahnung, warum. Alex meint, es sei ein Zeichen von Vertrauen, dass Lou sich ihr »zumutet«.

Meine kleine Schwester Hannah, sieben, hat Eltern, die echt chaotisch sind. Ich liebe Mamas Freund Simon, aber im Grunde ist er selbst ein großes Kind. Er verschläft ständig und geht surfen, statt sich an Abmachungen zu halten. Mama wiederum ist total impulsiv, ich glaube, sie hat noch nie von bedürfnisorientierter Erziehung gehört. Sie macht einfach immer, was sie gerade für richtig hält, was oft etwas anderes ist als das, was ich für richtig halte. Und trotzdem ist Hannah das entspannteste und unkomplizierteste Kind, das ich kenne. Ich muss an ihre dichten dunklen Locken und ihr glucksendes Lachen denken, wenn sie morgens im Pferdchensprung zur Schule hüpft, und spüre ein Ziehen im Magen. Hannah vermisse ich von allen am meisten. Fritz natürlich auch. Er ist viereinhalb, und Mama scherzt immer, er wäre als Baby in einen Zaubertrank gefallen wie Obelix. Er hat zu viel Kraft, zu viel Energie, zu viele große Gefühle und übergibt sich regelmäßig vor Erschöpfung, weil er zu doll getobt hat. Bei Fritz ist Körperkontakt die einzig wirksame Erziehungsmaßnahme. Wenn er schreit oder wütet, muss einer von uns zu ihm eilen und ihn ganz fest halten. Danach tut er alles für dich.

Was Hazel für ein Kind ist, kann ich noch nicht genau sagen. Aber ich habe eine düstere Vorahnung. Ich glaube, sie hat schon einiges durchgemacht, und es ist ihr völlig egal, was andere von ihr denken und ob sie gemocht wird oder nicht. Ich weiß, über wen man das noch sagt. Und ich weiß, dass das keine gute Nachricht für mich ist.

Heather hantiert lautstark in der Küche herum. Ihr T-Shirt-Kleid ist am Po zerknittert von der Autofahrt, sie singt irgendetwas und wackelt mit der Hüfte dazu. Ich stehe noch immer mitten im Raum, zu meinen Füßen das Gepäck, und mit einem Mal kommt dieses ungute Gefühl von Überforderung zurück. Die Mechanismen in meiner eigenen Familie sind kompliziert genug. Bin ich denen einer fremden wirklich gewachsen?

Die Haustür fliegt auf, ein Mädchen in meinem Alter weht mit dem warmen Wind herein – und mit ihr etwas, das mir den Tag rettet. Ich kann gar nicht so genau sagen, was es ist, aber sie lächelt mir zu, stellt zwei Tüten auf die Kücheninsel, küsst ihre Mutter, ruft »Hi, Hazel« und dreht sich dann zu mir um. »Hi, I’m Ellie, nice to meet you.«

Ich glaube, es ist die Beiläufigkeit ihrer Begrüßung, die mich so erleichtert. Dass Ellie so tut, als wäre es ganz normal, dass ich hier bin.

»Oh, honey, du bist die Beste! Ich hatte gehofft, dass du ans Essen denkst.« Heather steckt mit dem Kopf im Kühlschrank, als sie weiterspricht. »Würdest du Morlen ihr Zimmer zeigen? Danach essen wir was, ja? Du musst hungrig sein.« Ich glaube, sie meint uns alle damit.

Ellie schnappt sich meinen Koffer, ehe ich mich wehren kann. Dann läuft sie in den Flur, in dem ziemlich viele Sneakers und sandige Flipflops herumliegen. »Komm, es geht hier entlang.«

Ich nehme meinen Rucksack und folge ihr, genau wie Curly, der energisch die Stufen hochtrabt. Im ersten Stock steht eine Tür offen, dahinter sehe ich ein großes Doppelbett. Das muss das Elternschlafzimmer sein.

Ellie öffnet die Tür daneben und zeigt hinein. »Das ist meins.« Ich sehe ziemlich viele Klamotten auf dem Teppichboden liegen, an den Wänden hängen Surfposter. Ellie ist schon eine Tür weiter. »Hazels.« Der Raum wirkt so aufgeräumt, dass es ein bisschen gruselig ist. Sogar das Bettzeug ist akkurat glatt gezogen. Ein einziges Bild hängt gerahmt darüber, es zeigt eine Golferin beim Schwung.

Es folgen drei geschlossene Türen, hinter einer höre ich Musik. Ellie zeigt darauf und sagt etwas, das ich nicht ganz verstehe, irgendetwas von don’t enter. Dann zieht sie eine Grimasse. »Und das hier ist deins.«

Neugierig öffne ich die Tür. In dem Raum steht ein großes Boxspringbett, und ich reiße verblüfft die Augen auf.

Ellie lacht. »Das ist unser Gästezimmer, und alle lieben dieses Bett. Ich hoffe, du wirst gut darin schlafen.«

»Bestimmt.«

Ellie zeigt mir den Schrank, in dem Platz für meine Kleidung ist, die Handtücher auf der Kommode. Sogar einen eigenen Fernseher hab ich. Sie setzt sich auf die Bettkante und sucht auf ihrem Handy den WLAN-Code. Ich nutze die Gelegenheit, um sie genauer zu betrachten. Ich weiß, dass sie etwa ein Jahr jünger ist als ich, weil es Fotos gibt, auf denen ich ein Baby bin und Heather mit ihr schwanger ist. Sie hat wie Hazel die blonden Locken ihrer Mutter geerbt. Ihre sind durchzogen von weißblonden Strähnen. Die Spitzen ihrer langen Wimpern sind so hell wie ihre Haare. Ihre Haut ist gebräunt, vor allem die Beine, die aus kurzen Frotteeshorts herausschauen und einige blaue Flecken haben. Ihr enges Shirt betont, dass sie auch die Kurven ihrer Mutter geerbt hat. Als sie von ihrem Handy hochguckt und mich angrinst, schäme ich mich sofort, dass ich sie so gemustert habe.

»Ich mag deinen Style.« Ellie zeigt auf mein verwaschenes Band-T-Shirt.

Ich möchte ihr sagen, dass ich ihren Stil auch liebe, aber ich komme mir komisch vor. Daher sage ich nur »Danke« und lächele zurück. Sie tippt weiter auf ihrem Handy herum. Ihre Hände sind wie Heathers klein und stark und noch gebräunter als der Rest.

»Ich hab den Code gefunden!«, ruft sie schließlich und diktiert mir eine Abfolge von Zahlen und Buchstaben. Ich gebe alles ein, und mehrere Mitteilungen ploppen auf meinem Telefon auf.

»Cool.« Ellie steht auf. »Kommst du mit runter, oder willst du erst mal auspacken?«

»Ist es okay, wenn ich erst auspacke?« Eigentlich will ich nur meine Nachrichten lesen, und ich bin sicher, Ellie weiß das.

»Klar. Ich zeig dir noch schnell das Bad. Das ist das einzig richtig Unpraktische an diesem Haus. Dass wir zu fünft sind, mit dir sogar zu sechst, und nur diese eine Dusche haben.« Es ist merkwürdig, Ellie verstehe ich deutlich besser als Heather.

Sie lässt mich allein in dem großen Badezimmer mit den verschnörkelten Fliesen und geht zurück nach unten. Curly folgt ihr. Ich schließe die Tür ab, wasche mir die Hände und sehe mich um. Selten habe ich so viele Tuben in einem Bad gesehen. So viele Shampoos und Stylingprodukte und Bodylotions und Deosprays. Ob die Johnsons selbst noch wissen, wem was gehört, oder einfach benutzen, was ihnen gerade in die Finger kommt? Ich betrachte mein Gesicht im Spiegel. Ich bin auch gebräunt, von den vielen Tagen am Strand in den letzten Wochen, aber nordseegebräunt, was deutlich dezenter ist als Ellies goldener Kalifornien-Teint. Der dunkle Kajal, mit dem ich immer meine Augen umrande, ist etwas verwischt. Meine Haare sehen verstrubbelt aus, wie immer, egal, ob ich sie kämme oder nicht. Ich hab sie mir vor ein paar Wochen kürzer schneiden lassen, weil noch schwarze Farbe in den Spitzen war. Jetzt sind sie wieder einheitlich dunkelblond, und ich kann nur noch einen winzigen Zopf machen. Trotzdem verfilzen sie im Nacken.

Zurück im Zimmer, lege ich mich mit meinem Handy aufs Bett und lese die Nachrichten. Ole, Leni und Emily haben geschrieben, Papa und Mama auch. Ich antworte meinen Eltern, damit sie sich keine Sorgen machen, für den Rest bin ich zu erschöpft. Ich lasse das Telefon sinken und schaue zum geöffneten Fenster. Dahinter entdecke ich wieder diese Palmen, sie sehen wirklich rosa aus. Die Sonne scheint durch ihre Blätter, und ich muss die Augen zusammenkneifen. Das Bett ist total gemütlich, die Bettwäsche kühl und weich, und ich bin so müde. Vor dem Fenster hüpfen ein paar Vögel über die Palmblätter. Von nebenan dringt immer noch leise Musik herüber. Unten höre ich Heather mit Ellie und Hazel reden, das Klappern von Geschirr. Und dann mache ich die Augen zu, nur ganz kurz.

Heather

»Sorry, hat länger gedauert.« Gary kommt in die Küche, als wir gerade mit dem Abendbrot fertig sind, und sieht sich nach etwas Essbarem um. »Wir haben kein Ende gefunden.« Er hat dabei diese Körperhaltung, die signalisiert, dass er weiß, dass er zu spät ist, man ihm aber doch nicht wirklich böse sein kann. Oder?!

Ich räume unsere Teller in die Spülmaschine und versuche, tief in den Bauch zu atmen. Ich hatte ihn gebeten, bei Morlens Willkommensessen dabei zu sein. Es war so verabredet, aber ich will jetzt keinen Streit.

»Gibt es noch was zu essen?« Gary kommt auf mich zu und drückt mir einen Kuss auf die Wange.

Der Kuss verrutscht, weil ich mich weiterbewege, als hätte ich es nicht gemerkt. Ich registriere trotzdem, dass mein Mann fremd riecht. Blitzartig werden ungute Erinnerungen in mir wach. Aber diesmal riecht er nicht nach fremdem Parfüm, sondern nach altem Rauch in noch älteren Polstermöbeln, Chili-Chips, Adrenalin, Bier. Vermutlich sollte ich mich freuen, dass er etwas unternimmt. Schließlich hat sein Hausarzt neulich nach dem Check-up gemahnt: Er muss dringend etwas für sich tun. Die Warnung hat nichts an seinem wöchentlichen Arbeitspensum geändert. Nur an der Zeit, in der er zu Hause ist. Er geht jetzt wieder regelmäßiger surfen und hat die Band von früher zu Proben zusammengetrommelt. Er übt stundenlang in der Garage Gitarre, wie früher, als ich mich in ihn verliebt habe. Damals war er ein Teenager mit Energieüberschuss, den nichts stoppen konnte. Kein Stau, kein Börsencrash, kein blockierter Lendenwirbel, kein zu hoher Cholesterinspiegel.

»Im Ofen ist noch ein Burrito für dich, pass bitte auf, dass du nicht Toms erwischst.« Ich schließe die Spülmaschine und sehe ihn herausfordernd an. »War es gut?«

Er bemerkt es nicht, holt sich sein Essen und faltet die Alufolie auseinander. »Voll gut! Die Jungs haben es noch drauf.« Er nimmt einen großen Bissen und kaut genüsslich. »Wir denken darüber nach, auf dem Main Street Festival aufzutreten.«

Ich warte darauf, dass er mich fragt, wie es bei mir gelaufen ist. Wie viele Stunden ich zum Flughafen gebraucht habe. Und wie viele zurück. Ob Morlen gut angekommen ist und alles geklappt hat. Aber er geht nur in Richtung Fernseher, wo Hazel sitzt und sich an Fruchtsaft-Weingummis satt isst, weil sie aus ihrem Burrito nur die Hähnchenstücke gepickt hat. Ich sehe, dass die Tüte fast leer ist, und korrigiere schnell die Insulinzufuhr in der App. Ellie ist oben in ihrem Zimmer und lernt. Tom ist überhaupt nicht runtergekommen. Genau wie Morlen, die offenbar eingeschlafen ist. Nicht gerade das Willkommensessen, das ich mir vorgestellt hatte. Ich schreibe Morlen noch einmal. Sie sollte etwas essen, auch um in den Rhythmus zu kommen. Sonst wird sie in wenigen Stunden aufwachen und schrecklichen Hunger haben. Ich beschließe, ihr für alle Fälle etwas hinzustellen.

Während ich Cornflakes-Packungen fürs Frühstück aus dem Regal nehme, fällt mir das Licht vor dem Fenster auf. Der Himmel ist heute so rosa wie schon lange nicht mehr. Wenn ich ein solches Sonnenuntergangslicht sehe, packt mich immer das Gefühl rauszumüssen, irgendwohin, wo ich mehr sehen kann von diesem Naturschauspiel. Von diesem Rosa. Es sollte gefeiert werden. Stattdessen stehe ich in der Küche und räume Sachen von A nach B. Wie traurig mich das macht.

Am liebsten würde ich die ganze Familie rauszerren und mit ihnen den Himmel feiern. Aber so eine Familie sind wir nicht. Nicht mehr. Ich erinnere mich daran, wie es war, als Ellie und Tom noch klein waren. Als ich Gary nie dazu überreden musste, spontan loszuziehen, zu Fuß zu Swami’s oder Beacon’s oder runter zum Strand am Cardiff Reef. Wir haben auf Decken im Sand gesessen, sandige Kekse gegessen und den Surfern zugesehen, die erst aus dem Wasser kamen, wenn das letzte Licht erloschen war. Im Dunkeln sind wir nach Hause gelaufen, ein Kind im Wagen, eins auf den Schultern, alle glücklich und müde.

Ich frage mich, ob ich mit Hazel je einen rosa Himmel anschauen war. Nicht beiläufig, nicht zufällig, sondern so wie mit ihren älteren Geschwistern. Als Event, wie ein solcher Himmel es verdient. Ich glaube nicht.

Ich reiße mich von dem Blick aus dem Fenster los und schaue nach meiner jüngsten Tochter. Gary und sie sitzen nebeneinander vor dem Fernseher und sprechen nicht. Beide kauen vor sich hin, beide haben den gleichen abwesenden Gesichtsausdruck.

Ich hole den vorletzten Burrito aus dem Ofen, auf den ein großes V gekritzelt ist, und gehe damit nach oben. Curly sitzt vor Toms Tür und fiept. Ich klopfe dreimal mit etwas Abstand, bis Tom aufmacht. Er trägt seine großen Kopfhörer und hat tiefe Augenringe.

Ich reiche ihm den Burrito. »Was machst du Schönes, pumpkin?«

Er zuckt zusammen. Ich habe schon wieder vergessen, dass er so eigentlich nicht mehr genannt werden will. »Nichts, wieso?« Er betrachtet kritisch die Alurolle in seinen Händen.

»Ist alles okay?«

»Ja.« Er stellt sich mit seinem breiten Jungskörper so in die Tür, dass ich nicht in sein Zimmer schauen kann. Ich war da seit Wochen nicht mehr drin. Wer weiß, wie es dort aussieht. Manchmal habe ich Albträume, dass sich auf Toms Fußboden Teller und Essensreste stapeln, von denen ganze Ameisenstämme oder Kakerlakenfamilien leben.

Curly wuselt mit angelegten Ohren zu Toms Füßen herum und stupst ihn an. Tom nimmt ein Bein etwas zur Seite, sodass der Hund sich vorbeischlängeln kann. Curly ist der Einzige, der überhaupt noch wirklich in seine Nähe darf.

»Ist noch was?« Mein Sohn gähnt in seine hohle Hand.

»Geh nicht zu spät ins Bett, ja?«

»Klar.« Er schiebt die Tür bereits zu, unser Kommunikationsfenster schließt sich.

»Hab dich lieb!«, rufe ich noch durch den schmalen Spalt.

»Hm.«

Und schon ist die Tür zu.

Ich lausche nebenan bei Morlen, doch ich kann nichts hören. Sie ist wohl wirklich eingeschlafen. Schade, aber dann wird sie Tom und Gary eben morgen kennenlernen. Ich bin mir nicht mal sicher, ob Tom klar ist, dass sie jetzt da ist. Ich hab es in den letzten Wochen mehrmals erwähnt, allerdings habe ich zurzeit das Gefühl, dass nichts von dem, was ich sage, wirklich zu ihm durchdringt.

Ich klopfe bei Ellie, die sofort »Komm rein!« ruft. Sie sitzt auf ihrem Bett, den Laptop auf dem Schoß. Ihr Zimmer sieht wüst aus, alles liegt voller Klamotten.

»Ach, honey, du könntest auch mal wieder aufräumen, oder?« Das hätte ich mir sparen können, denke ich sofort. Sie lernt so fleißig, und das hier ist ihr Reich. Aber Ellie ist zum Glück unempfindlich, sie grinst mich nur an. Ich balanciere um das Chaos herum und setze mich zu ihr auf die Bettkante. »Lernst du Geschichte, du Fleißige?«

Sie zieht ihre nackten Füße in den Schneidersitz. Ihre Fußsohlen sind grau, wie immer, weil sie so viel barfuß herumläuft. »Ja, ich bin aber gleich fertig. Ist Dad endlich aufgetaucht?«

Ich lächle den gequälten Ausdruck weg, der sich auf mein Gesicht stehlen will. »Ja. Aber Morlen ist wohl echt eingeschlafen. Sie wird mitten in der Nacht aufwachen, die Arme.«

Ellie stellt den Laptop vor sich auf die zerwühlte Bettdecke. »O Mann!«

»Ja. Wie ist dein erster Eindruck?«

Meine Tochter beginnt zu strahlen. »Supercool!«

Ich muss lachen, weil sie aus ihrer Teenagerperspektive vieles anders sieht als ich. Auf mich wirkt Morlen vor allem unsicher und verschlossen. Aber vermutlich verhält sie sich bei Ellie auch anders als bei mir.

Ellie zieht eine fast weißblonde Locke lang und kaut darauf herum. »Wie findest du sie denn?«

»Nett«, antworte ich. »Ich glaube, ihr werdet euch gut verstehen.«

»Auf jeden Fall. Ich nehme sie überall mit hin, das wird mega.«

Ich frage mich, ob meine temperamentvolle Tochter, die keine Party auslässt, Morlen überfordern wird, sage es aber nicht laut. »Das ist lieb von dir, honey.« Ich lehne mich vor und küsse ihre Stirn.

Sie riecht nach dem Kokosfett, das sie in ihre Locken massiert, und dieser einen Zutat, die nur Mütter wahrnehmen. Dieser Ellie-Zutat, die etwas in mir weich werden und vor meinem inneren Auge sofort einen Film starten lässt. Er beginnt mit einem sehr runden Bauch.

Sie sieht verstohlen auf ihren Laptop, ich halte sie offensichtlich auf.

»Ich lass dich dann mal«, sage ich, stehe auf und streiche dabei über eine Falte im Bettbezug. »Willst du noch los heute Abend?«

»Natürlich, es ist Samstag.« Sie sieht mich so an, wie sie mich in letzter Zeit häufiger ansieht, amüsiert und ein bisschen mitleidig. »Ich mach das hier noch fertig, dann fahre ich zu Jackie.« Sie zieht den Laptop wieder auf ihren Schoß.

»Klingt super. Ich schau mal nach den anderen.«

Unten sitzen Gary und Hazel noch immer in der gleichen Position vor dem Fernseher. Sie schauen die Übertragung eines Golfturniers. Hazel erklärt Gary gerade etwas, von dem ich sicher bin, dass er es nicht versteht, aber immerhin reden sie miteinander. Ich scrolle in der Küche im Stehen durch Instagram. Dabei werden mir in letzter Zeit immer öfter Anti-Aging-Behandlungen angezeigt. Irgendwelches Microneedling oder Ultraschall-Lasern oder Fadenlifting oder wie der Kram heißt. Ich wundere mich jedes Mal über mich selbst, dass ich es mir überhaupt angucke. Ich war immer stolz auf meine Natürlichkeit, aber ich gebe zu, dass das leicht ist, wenn man zwanzig oder dreißig ist. Je näher die vierzig kommt, desto mehr verlangt die Natürlichkeit einem ab. Joana und Michelle meinten neulich, für den Botox-Zug sei ich zu spät dran. Ich musste darüber richtig lachen. Als ob Botox je einen Menschen glücklicher gemacht hätte. Ich gebe zu, es steht den beiden, sie sehen frisch aus, nicht künstlich. Aber ich bin schon froh, wenn ich die Termine bei Dr. Herbs in meinem Wochenplan unterbekomme, für andere regelmäßige Behandlungen habe ich schlichtweg keine Zeit.

Draußen vor dem Fenster ist der Himmel jetzt dunkelblau. Die Gelegenheit ist verstrichen. Der Tag ist vorbei. Ich will mich gerade zu Hazel und Gary setzen, als mir einfällt, dass ich noch eine wichtige Mail beantworten muss. Und die Wäsche sollte auch fertig sein. Ich könnte die zwei jetzt bitten, sich darum zu kümmern. Aber sie würden beide wahnsinnig jammern, schließlich sind sie müde, sie waren ewig auf dem Golfplatz, und dann noch Garys Bandprobe. Ich will das alles gar nicht hören, also mache ich mich selbst auf den Weg in die Garage. Wir nennen sie noch immer so, auch wenn schon länger keine Autos mehr darin parken. Gary hat sich während der Pandemie ein Büro hier eingerichtet. Außerdem ist sie das Zuhause seiner Surfbretter – seiner vielen Surfbretter. Unsere Garage ist jetzt Garys Oase. Hier arbeitet er am Wochenende, joggt auf dem schrecklich hässlichen Hometrainer oder übt Gitarre. Ich könnte diesen Raum gut gebrauchen, schließlich bin ich diejenige, die von zu Hause aus arbeitet. Aber Gary hat ihn nach und nach mit seinen vielen Leidenschaften und seinem vielen Kram in Beschlag genommen.

Ich hole die Wäsche aus der Waschmaschine, stopfe sie in den Trockner und bleibe auf dem Rückweg neben Garys Schreibtisch stehen. An der Pinnwand darüber hängen ausgeblichene Konzerttickets, Boarding-Pässe von Garys Reise nach Hawaii, Fotos von uns und den Kindern. Darunter befindet sich eins der ersten Bilder, die es von uns gemeinsam gibt. Gary trägt sein Lacrosse-Trikot, ich meine Cheerleader-Uniform. Was für ein unglaubliches Klischee wir waren! Gary mit seinem kantigen Kreuz, dem vollen Haar und diesem million dollar smile. Ich mit meiner Minnie-Maus-Ohren-Frisur und dem in die Uniform gequetschten Busen, so hoffnungslos verknallt in diesen Kerl, dass man es noch heute erkennen kann. Es tut weh, mich so zu sehen, uns so zu sehen, und ich wende mich schließlich ab. Gut, dass man mit siebzehn nicht weiß, was man mit siebzehn nicht weiß.