Übergewicht wird heilbar - Dr. med. Jörg Puchta - E-Book

Übergewicht wird heilbar E-Book

Dr. med. Jörg Puchta

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Beschreibung

Ein Traum scheint wahr zu werden: Futtern ohne fett zu werden, Schlemmen ohne schlechtes Gewissen – der Abnehmspritze sei Dank. Doch halten die kühnen Versprechen der Wirklichkeit stand? Aufklärung ist dringend geboten und genau hier setzen der renommierte Hormonspezialist Jörg Puchta und Svenja Puchta mit ihrem ebenso sachkundig wie wissenschaftlich fundiertem Buch an. Detailliert beleuchten die Autoren die aktuelle hormonelle Revolution in der Adipositas-Therapie: Ausgehend von ihrer jahrelangen Praxiserfahrung erklären sie, was die neuen Medikamente können und was nicht, wem sie helfen und wem sie eher schaden. So weisen die Autoren einen Weg durch den Dschungel vollmundiger Versprechungen und seriöser Heilungschancen.

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Seitenzahl: 244

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Impressum

© eBook: 2024 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München

© Printausgabe: 2024 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München

Gräfe und Unzer Edition ist eine eingetragene Marke der GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, www.gu.de

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, sowie Verbreitung durch Bild, Funk, Fernsehen und Internet, durch fotomechanische Wiedergabe, Tonträger und Datenverarbeitungssysteme jeder Art nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages.

Projektleitung: Franziska Mohrfeldt

Lektorat: Ralf Lay

Bildredaktion: Simone Hoffman

Covergestaltung: ki 36 Editorial Design, München, Bettina Stickel

eBook-Herstellung: Chiara Knell

ISBN 978-3-8338-9263-9

1. Auflage 2024

Bildnachweis

Coverabbildung: Stocksy

Illustrationen: Dr. med. Jörg Puchta und Svenja Puchta

Fotos: Michael Tinnefeld; S. 11, passim: Adobe Stock

Syndication: www.seasons.agency

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Die Abnehmspritze ist der Gamechanger im Kampf gegen Übergewicht – Menschen mit Adipositas profitieren enorm von den neuen Therapien. Denn Übergewicht ist gerade keine Frage von fehlender Disziplin oder mangelnder Willenskraft, sondern vielmehr das komplexe Zusammenspiel von Hormonen, Stoffwechsel und Genen. Und genau das machen sich die Spritzen zunutze: GLP-1-Agonisten sind echte Hormon-Heroes und stellen den Körper auf satt, bevor zu viele Kalorien auf den Hüften landen.

Die neuen Präparate kommen überall zum Einsatz und werden gleichzeitig gefährlich gehypt – höchste Zeit also für einen nüchternen und faktenbasierten Blick. Der Hormon- und Adipositas-Experte Dr. med. Jörg Puchta beleuchtet zusammen mit Svenja Puchta das Abnehmpotenzial der Spritze, legt dar, was passiert, wenn man die Spritze absetzt, und wie sich Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen oder Niedergeschlagenheit durch die passende Regulierung der Dosis in den Griff bekommen lassen. Dabei ziehen beide nicht nur die aktuelle studienbasierte Faktenlage und die tagtägliche Erfahrung in der medizinischen Praxis heran, sondern berichten auch aus der ganz persönlichen Perspektive.

So entsteht ein umfassendes Bild über echte Chancen, potenzielle Risiken und ein tiefes Verständnis darüber, wie man sein Wunschgewicht nach der Spritze dauerhaft hält.

Vorwort

Die Welt befindet sich in einer Phase der Transformation. Das betrifft auch die Medizin: Auf der einen Seite finden hier in atemberaubendem Tempo immer faszinierendere medizintechnologische Revolutionen statt. Denken Sie nur an die neuen hormonellen Wirkstoffe aus der Gruppe der Inkretine, die der Adipositas-Medizin ganz neue Möglichkeiten bieten. Derzeit gehören sie wohl zu den »meistgehypten« Medikamenten seit der Entdeckung von Viagra. Gleichzeitig ändert sich gerade das Denken, die Herangehensweise in der Medizin. Peter Attia, ein kanadisch-amerikanischer Arzt, Autor des Bestsellers Outlive. The Science & Art of Longevity und Langlebigkeitsspezialist, sagt dazu: »Wir haben die Kapazitätsgrenzen der Medizin 2.0 erreicht, und wenn wir eine lange Lebensdauer anstreben wollen, brauchen wir eine neue Strategie.«1

Unsere Lebenserwartung steigt stetig an, doch eine »gewichtige« Krankheit grassiert und arbeitet strikt dagegen: massives Übergewicht, Adipositas. Diese Krankheit rückt immer mehr ins Rampenlicht, wenn wir die lebensverkürzenden Risikofaktoren nüchtern betrachten. Bislang lag der Fokus der Therapien im fortgeschrittenen Alter auf chronisch degenerativen Leiden wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Alzheimer, Arthrose, Krebs, Typ-2-Diabetes. Doch jetzt zählen auch Entgleisungen des Hormonstoffwechsels und damit Adipositas dazu. Forschung und Wissenschaft machen uns allen bewusst: Bis ins hohe Alter gesund zu bleiben, das ist das Elementarste, was jeder von uns an Lebensqualität erreichen möchte. Dazu braucht es nicht nur enormes Wissen der Ärzte und Experten – es braucht auch unser Verstehen, um möglichst viel davon umzusetzen, was uns bis ins hohe Alter schützt. Das erfordert von uns allen ein neues, selbstverantwortliches Denken, eine »neue Strategie«, wie Peter Attia sagt. Einen starken Pfeiler dieser Strategie zeigt Ihnen dieses Buch.

Medizin 2.0 – das war die traditionelle, konventionelle Form der Medizin, die auf den Grundprinzipien der Schulmedizin basiert. Sie konzentriert sich vordergründig auf die Behandlung akuter Krankheiten und auf die Linderung von Symptomen, um Gesundheit wiederherzustellen.

Streng genommen hat Medizin 2.0 ihre Wurzeln im 17. und 18. Jahrhundert und erlebte ihren Durchbruch mit neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen im 19. und 20. Jahrhundert. Krankheitserreger wurden entdeckt, dann das Penizillin und Impfungen, dazu völlig neue hygienische Standards. Das 20. und 21. Jahrhundert waren und sind geprägt von einer enormen technischen Perfektionierung hin zu einer Medizin 2.0: großartige Erfolge im Bereich der OP-Techniken, der Pharmakologie, also der Medikamentenkunde, sowie neue, computergestützte statistische Analysemöglichkeiten mit noch nie da gewesenen Erhebungen von Studiendaten und damit des objektiven Erkenntnisgewinns. Medizin 2.0 mit ihrer Hightech-Infrastruktur ist großartig bei der Behandlung von akuten, lebensbedrohlichen Krankheiten – von Polytraumata über akute Herzinfarkte bis hin zu schweren Infektionskrankheiten. Sie ist mithin die beste Reparaturmedizin, welche die Menschheit jemals hatte.

Und so zeigt die Statistik der letzten Jahrzehnte: Immer mehr Menschen leben immer länger – aber leider mit immer mehr Krankheiten in ihren letzten Jahren und Jahrzehnten. Und je besser und damit teurer die Therapien werden für die vielen, vielen alten Menschen mit mehreren Erkrankungen, stoßen Kranken- und Sozialkassen schon jetzt an ihre Grenzen.

Deshalb braucht es neue personalisierte Prophylaxe; und hier dämmert die Medizin 3.0 als Präventionsmedizin für ein gesundes, langes Leben am Horizont auf. Das Ziel: früh beginnen, um chronische Alterskrankheiten zu vermeiden. Das geht von diversen Lifestyle-Maßnahmen über neue genetische Krebsfrüherkennungstechniken (Stichwort »Liquid Biopsy«) bis hin zu medikamentösen Adipositas-Therapien.

Als engagierte Anhängerin solcher neuen Therapieansätze freue ich mich ganz besonders über dieses Buch, das sich dem so wichtigen Thema der Hormone im Zusammenhang mit Adipositas und auch Longevity widmet. Die medizinische Adipositas-Therapie gehört – neben all den wichtigen Lifestyle-, Verhaltens- und Ernährungsmaßnahmen – unter den neuen Longevity- und Präventionsstrategien sicherlich zu den wichtigsten Grundpfeilern für ein gesünderes und längeres Leben.

Vielleicht können wir es sogar irgendwann schaffen, den klugen Grundsatz der Longevity-Medizin »Add life to years and years to life!« für uns alle wahr zu machen, das heißt: im letzten Drittel des Lebens kein Leid, keine Verzweiflung, sondern bis ins hohe Alter selbstbestimmte Schaffenskraft.

Oder mit den Worten Peter Attias: »Medizin 2.0 war darauf ausgerichtet, die chronischen Alterskrankheiten anzugehen, die wahrscheinlich die Ursache für die meisten unserer Todesfälle sein dürften. Medizin 3.0 zielt jedoch darauf ab, diese Krankheiten so lange wie möglich proaktiv zu verhindern und es uns zu ermöglichen, bis ins hohe Alter eine bessere Gesundheit zu bewahren.«2

Wie kann das gehen – und wie kann ich mich selbstverantwortlich schützen und stärken? Das erläutert der Topexperte aus der Welt der Hormontherapien Dr. Puchta in Zusammenarbeit mit seiner Tochter wunderbar verständlich in diesem Buch.

Ihre Nina Ruge

Einführung

Übergewicht (be)trifft uns alle

Mythbuster – Facts & Fakes zu den neuen Wundermitteln

Ozempic und Wegovy, die Hormonpräparate der neuesten Generation, revolutionieren das Abnehmen.

Stimmt, pharmakologisch sind die GLP-1-Medikamente tatsächlich der größte Durchbruch seit den Anfängen der Medizin im Kampf gegen Adipositas (GLP-1 steht für Glucagon-like Peptide 1). Noch nie hat es ein Medikament gegeben, das in der Lage war, so vielen Menschen gegen eine so schwer beherrschbare Krankheit wie Übergewicht beziehungsweise Adipositas zu helfen.

Bei dieser Medikamentenklasse erwarten uns weitere Revolutionen.

Ja, voraussichtlich ist das so. Bei den neuen, noch in Erprobung befindlichen Adipositas-Medikamenten handelt es sich derzeit um sogenannte Triple-Agonisten (sie wirken auf die Andockstellen der Hormone GLP-1, GIP und Glucagon [GIP steht für Glucose-dependent Insulinotropic Polypeptide]), später werden weitere Polyagonisten dazukommen. Sie haben die Wirkung von verschiedenen Hormonen in einem einzigen pharmakologisch zusammengebauten Hormon vereint. Man hat also mit einem Schuss drei verschiedene Kugeln. Diese ultrapotenten Master-Moleküle sind geniale Erfindungen der Pharmakologie. Sie sind noch wirkungsvoller als alles bisher Dagewesene: Einer dieser Triple-Agonisten konnte das Körpergewicht um bis zu 24 Prozent senken. Sowohl Körper- als auch Leberfettanteil sanken, und die Blutzuckereinstellung verbesserte sich.

Alles essen, worauf man Lust hat – mit der Abnehmspritze braucht man nie wieder Kalorien zu zählen und nimmt trotzdem ab.

Jein! Man sollte tatsächlich essen, worauf man Lust hat; denn unter diesen Therapien wird unser Körper besonders sensibel für die »richtigen« Nahrungsmittel. Die Medikamente übernehmen die Kontrolle darüber, wie viel wir davon essen werden, nämlich sehr viel weniger als unter normalen Umständen, und manches werden wir auch gar nicht mehr mögen. Dies ist von Mensch zu Mensch ganz unterschiedlich. Bei vielen entwickelt sich eine Abneigung gegen sehr fettreiche Nahrung, gegen Alkohol, Kaffee und Nikotin. Deshalb findet in der Phase, in der diese Medikamente genommen werden, auch tatsächlich ein Reengineering des Gehirns statt. Diese Medikamente werden aufgrund ihrer Wirkungen im Gehirn sozusagen zu unserem mächtigen Essenscoach. Mit der Therapie findet also automatisch eine Ernährungsumstellung statt, gegen die wir tatsächlich nichts tun können! Unsere Essensgelüste werden einfach kupiert, während unser Sättigungsgefühl und unsere Zufriedenheit nach dem Essen steigen. Sport? Ja, so weit wie möglich, je nach Ausmaß des Übergewichts. Am besten leichter Kraftsport. Erst später mit signifikanter Gewichtsreduktion auch und insbesondere Ausdauersport.

Nach Absetzen der Spritze (dies sollte niemals abrupt erfolgen, sondern in einem angepassten, individuellen Step-down-Protokoll) können die meisten ihr erreichtes Gewicht halten, da sie mithilfe der Therapie ihr Essverhalten – nolens volens – geändert haben. Manche Menschen brauchen danach noch eine kleinere Erhaltungsdosis. In selteneren, sehr schweren Fällen muss die Therapie lebenslang fortgeführt werden. In jedem Fall empfiehlt sich eine kritische Selbstanalyse des eigenen Essverhaltens auf Basis der wichtigsten ernährungswissenschaftlichen Erkenntnisse, über die in diesem Buch immer wieder gesprochen wird.

Ärzte warnen vor erheblichen Nebenwirkungen.

Die Warnungen sind verständlich, aber teilweise übertrieben, denn die meisten Nebenwirkungen treten durch zu hohe Dosierungen beziehungsweise zu schnelle Dosissteigerungen auf. Die häufigsten Nebenwirkungen aus meiner praktischen Erfahrung sind Übelkeit, Verstopfung, Durchfall, Druckgefühl im Bereich des Magens und Darms, Müdigkeit, Reflux und saures Aufstoßen. Das Risiko für Schilddrüsenkrebs wird immer wieder erwähnt, allerdings wird hier meistens nur die halbe Geschichte erzählt; denn dieses Risiko konnte nur im Tierexperiment bei Nagern nachgewiesen werden. Die Sache ist die: Nur Nager, nicht aber Menschen haben im Bereich bestimmter Schilddrüsenzellen Andockstellen, sogenannte Rezeptoren, für das Hormon GLP-1. Dennoch sind wir bei Menschen mit einer medizinischen Vorgeschichte von Schilddrüsenkarzinom vorsichtig und verordnen diese Präparate nicht.

Fördert die Spritze Depressionen und suizidale Absichten?

Es gibt einzelne Verdachtsmeldungen, weshalb der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) prüft, ob GLP-1-Rezeptor-Agonisten zu suizidalen Gedanken und Gedanken an selbstverletzendes Verhalten führen könnten.3 Ein Kausalzusammenhang muss aber erst noch bewiesen werden. Bei den wenigen Patienten und Patientinnen, die im Rahmen der Studien über suizidale Gedanken berichteten, schien dies eher im Zusammenhang mit den Lebensumständen zu stehen. Allerdings muss eine Ausnahme erwähnt werden: In den Semaglutid-Studien waren Patienten mit einer entsprechenden suizidalen Vorgeschichte im Vorfeld ausgeschlossen. Dies könnte bedeuten, dass diesbezügliche Risiken bis jetzt unterschätzt wurden. Ärzte sollten ihre Patienten immer auf Depressionen, Suizidgedanken, -verhalten und/oder ungewöhnliche Veränderungen der Stimmung oder des Verhaltens überwachen und die Präparate gegebenenfalls absetzen.

Nicht unterschätzen darf man, dass großer Gewichtsverlust wie auch Fasten immer mit extremem körperlichem und psychischem Stress verbunden sind. Durch diese Maßnahmen per se könnten entsprechend veranlagte Menschen bereits vermehrt solche Gedanken entwickeln. Hierzu gibt es aber nicht ausreichend ernst zu nehmende Studien, lediglich auf eine sei verwiesen, bei der ein positiver Zusammenhang zwischen Abnahme des Body-Mass-Index (BMI), also Gewichtsreduktion, und Suizidrate untersucht wurde: Die Studie kam zu dem Schluss, dass eine Gewichtsreduktion ein Jahr vorher mit einer erhöhten Selbstmordrate einherging.4 In dieser Arbeit litten über 50 Prozent der Patienten unter einer Depression.

Die Abnehmspritze ist sehr kostspielig, nur wenige können sie sich leisten!

Im Moment kann die Monatsdosis von Wegovy mehrere Hundert Euro kosten. Ozempic ist ähnlich teuer. Doch eine neue Generation von Wirkstoffen wird schon in Studien getestet – mit vielversprechenden Ergebnissen. Darunter auch Präparate, die oral zugeführt werden und wesentlich einfacher produziert werden können. Das schlägt sich auch auf den Preis nieder. Fazit: Es besteht gute Aussicht, dass wir in Zukunft deutlich weniger tief in die Tasche greifen müssen für diese Medikamente.

Bei niedrigem BMI (unter 27) wirkt die Abnehmspritze gar nicht effektiv.

Sämtliche große Studien sind bisher an Patienten mit Adipositas und Diabetes, also ab einem BMI von 30, durchgeführt worden. Jeder Arzt, der diese Medikamente verordnet, kann jedoch bestätigen, dass sie auch bei Menschen mit deutlich weniger Übergewicht hocheffizient sind. Wir werden sie sogar zunehmend bei Kindern anwenden müssen, denn die rasant steigende Zahl von adipösen Kindern in Europa bereitet nicht nur Kardiologen große Sorgen. Diese Kinder haben ein deutlich erhöhtes Risiko, im Erwachsenenalter frühzeitig Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu entwickeln, und müssen unter präventionsmedizinischen Aspekten unbedingt behandelt werden, denn Herz-Kreislauf-Erkrankungen nehmen ihren Anfang bereits im Teenageralter.

Abnehmwillige nehmen Diabetes-Patienten die dringend benötigten Medikamente weg.

Mit Sicherheit wird niemand diese Medikamente Diabetes-Patienten »direkt wegnehmen«. Auch sind gar nicht alle Diabetiker auf dieses Medikament eingestellt, vor einigen Jahren waren es sogar die wenigsten. In jedem Fall gibt es Mechanismen, dafür zu sorgen, dass die, die das Medikament aus gesundheitlichen Gründen brauchen – dazu gehören selbstverständlich Diabetiker, aber auch Prädiabetiker und Menschen mit schwerem metabolischem Syndrom –, dieses auch bekommen. Es ist beispielsweise seit geraumer Zeit nicht mehr möglich, dieses Medikament in Apotheken ohne eine entsprechende Diabetes-Diagnose auf Rezept zu erhalten. In jedem Fall werden die Produktions- und Lieferkapazitäten permanent ausgebaut. Hinzu kommt, dass es immer mehr verfügbare Präparate gibt und geben wird.

Ein Schlüsselerlebnis

Ich habe in den vielen Jahren meines Berufslebens Tausende von Patienten behandelt und bin der altmodischen Meinung, dass ein guter Arzt niemals aufhören sollte, seinen Patienten genau zuzuhören und von ihnen zu lernen. Ich verdanke ihnen alles: das Glück meiner Arbeit, unendlich viele Einsichten und so manche Erfolge. Einer meiner Patientinnen verdanke ich die Eingebung für dieses Buch – und meiner Tochter mit ihrer Begeisterung und ihrem Engagement für eine bessere Welt das dazu erforderliche Durchhaltevermögen.

Die Geschichte meiner Patientin ist eine von vielen, aber sie berührte mich in besonderer Weise. Sie kam Anfang 2022 in meine Sprechstunde, fühlbar niedergedrückt von einer unsäglich langen Leidens- und Frustrationserfahrung. 29 Jahre jung, 170 Zentimeter groß, 130 Kilo schwer, in weiten Hosen und pludriger Bluse, mit traurigem Blick, gedemütigt durch jahrelange Diätniederlagen, müde von wohlmeinenden bis herablassenden Ratschlägen von Beratern, Ernährungscoaches und auch Ärzten. Die Aufzählung ihrer medizinischen Beschwerden durch ihr massives Übergewicht war für sich genommen eine lange, gewichtige Liste: von Gelenkbeschwerden, starken Rückenschmerzen, Kurzatmigkeit und erhöhtem Blutdruck über Asthma, Schlafapnoe, wiederkehrende Hautabszesse bis hin zu einem zunehmenden Verlust des Selbstwertgefühls und in dessen Folge sozialem Rückzug und immer häufiger auftretenden Episoden von Traurigkeit und Frustration.

Ich wollte dieser jungen Frau, die den Großteil ihres Lebens noch vor sich hatte, so gern helfen. Also konzipierte ich für sie den bestmöglichen endokrinologischen Therapieplan: einen Cocktail aus sämtlichen Hormonen, die bei ihr aus dem Lot geraten waren. Nach einem halben Jahr intensiver endokrinologischer Betreuung war es gelungen, die Waage in den zweistelligen Bereich zu bringen. Die Frau, die jetzt vor mir saß, erkannte ich kaum wieder: selbstbewusst, in einem Sommerkleid, strahlend, mit einem leuchtenden Glanz von innen. Sie berichtete mir in vielen schönen Details, wie sie für sich die Leichtigkeit des Seins, so ihre Worte, zurückerobert hatte.

In einem weiteren Jahr erreichten wir ihr Wunsch- und gleichzeitig medizinisches Idealgewicht. Ich erlebte in dieser Zeit die Transformation einer jungen, verzagten und verzweifelten hin zu einer lebensbejahenden, lachenden und aus ihrem tiefsten Inneren wieder strahlenden Frau, die den größten Sieg ihres bisherigen Lebens erfahren hatte: den Zugewinn an Lebensqualität.

Die Behandlung von Adipositas-Patienten ist bereits seit dreißig Jahren fester Bestandteil unseres medizinischen Alltags und von großen therapeutischen Erfolgen geprägt. Und auch wenn hormonelle Therapien bei Adipositas weniger bekannt sind als Veränderungen an Magen und/oder Darm (bariatrische Verfahren), sind sie spätestens seit der Zulassung der sogenannten Abnehmspritzen nicht weniger effizient (gr. báros [Gewicht]; iatrós [Arzt]).

Nach einem langen Gespräch mit meiner Tochter war uns beiden klar: Diese wunderbare Geschichte ist nicht nur eine Geschichte von vielen, sondern sie ist vor allem ein Lehrstück über die hormonellen Ursachen der Adipositas und über das unglaubliche Potenzial einer präzisen, individualisierten Hormontherapie – und in jedem Fall ein Buch wert, damit möglichst viele Menschen davon profitieren können. Denn Übergewicht ist immer auch eine hormonelle Dysbalance – und damit heilbar! Oder, um mit den Worten von Giles Yeo, Professor für molekulare Neuroenendokrinologie an der Universität Cambridge, zu sprechen: »Übergewicht oder Adpositas sind kein moralisches Versagen. Es ist ein einfaches hormonelles Ungleichgewicht. Ihre Hormone sind nicht an eine Umgebung adaptiert, in der es reichlich Nahrung gibt.«5 Der menschliche Körper und seine Funktionsweise sind also nicht an unsere modernen Lebenswelten angepasst, in denen jedenfalls in unseren Breitengraden dem weit überwiegenden Teil der Gesellschaft ein permanentes Überangebot von Nahrung zur Verfügung steht und es somit zahlreiche ungesunde Verlockungen gibt.

Wir wollen mit diesem Buch einen kleinen Kompass schaffen. Wir wollen informieren, viele Augen öffnen, für »Aha«-Momente sorgen, so manch einen Irrglauben ausräumen und das Thema »Übergewicht und Adipositas« von ganz verschiedenen und vielleicht auch neuen Seiten betrachten; insbesondere aber wollen wir es in den hormonellen Kontext setzen und von unseren Erfahrungen und Erfolgsgeschichten im täglichen Umgang mit Patienten und Patientinnen berichten.

Dabei ist es uns ganz wichtig, nicht anzuklagen, zu verurteilen und auch nicht zu stigmatisieren; denn Übergewicht ist weiß Gott kein persönliches Versagen! Es handelt sich vielmehr um eine Zivilisationskrankheit, die durch die Summe verschiedener Faktoren entsteht und deren Betroffene ganz häufig von großem Leid geplagt sind. Wie im Verlauf des Buches schnell zu erkennen sein wird, sind gut gemeinte und verallgemeinernde Ratschläge wie »weniger essen, mehr bewegen« am Ende nicht die Lösung des Problems – und die generelle Schuldfrage ist ganz grundsätzlich fehl am Platz.

Wir wollen mit diesem Buch einen spannenden und erkenntnisreichen Ausflug hin zu einem Thema machen, das unsere Gesellschaft, ja sogar die ganze Welt in den kommenden Jahren zunehmend in Atem halten wird. Und so richten wir dieses Buch an alle Menschen, ob dick, ob dünn, ob jung oder alt – denn Übergewicht (be)trifft uns alle!

Übergewicht – ein globales Problem

Der globale Gesundheitsnotstand durch Covid-19 ist von der Weltgesundheitsorganisation WHO offiziell am 5. Mai 2023 aufgehoben worden. Und während sich die Menschen wieder zahlreich in großen Gruppen treffen, stehen wir vor einer weiteren Herausforderung. Sie kommt schleichend, entwickelt sich über viele Jahre hinweg, und wenn sie erst einmal da ist, bringt sie nicht nur viele weitere Probleme mit sich, sondern wir werden sie auch schlecht wieder los: Adipositas (neulateinisch für »Fettleibigkeit«), ein von vielen ignoriertes Problem mit pandemischen Dimensionen.

Die Menschen werden immer dicker. Das ist hinlänglich bekannt und spätestens seit der Coronapandemie auch medial in den Fokus gerückt. Als »eine der größten Bedrohungen für die öffentliche Gesundheit« bezeichnet Professor Hans Hauner, Vorstandsmitglied der Deutschen Adipositas Gesellschaft (DAG), die Entwicklung der Übergewichtigkeit in Deutschland. Die Zahlen der Betroffenen sind schon in den ersten Jahren des neuen Jahrtausends rasant gestiegen: Rund 60 Prozent der Erwachsenen hierzulande sind übergewichtig, ein Viertel davon sogar adipös, also fettleibig.6 Auch bei Kindern und Jugendlichen gibt es eine hohe Kennzahl (Prävalenz) für die Häufigkeit von Übergewicht und Adipositas. Und die sogenannte KiGGS-Studie des Robert Koch-Instituts (RKI) aus dem Jahr 2018 zeigte auf, dass etwa 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland übergewichtig und etwa 6 Prozent adipös waren.7 Diese Zahlen sind, bedingt durch die Coronapandemie, nochmals gestiegen: Im Rahmen der repräsentativen Studie »Gesundheit in Deutschland aktuell« (GEDA) 2021 zeigte sich, dass rund 26 Prozent der befragten Personen während der Pandemie an Gewicht zugenommen hätten; betroffen seien insbesondere jüngere sowie Personen mit einer bereits bestehenden Adipositas.8

Wir beobachten einen besorgniserregenden Trend: Denn seit den 1970er-Jahren hat sich das Vorkommen von Adipositas nicht nur in Deutschland, sondern weltweit nahezu verdreifacht.9 Zwischenzeitlich gibt es sogar deutlich mehr übergewichtige als unterernährte Menschen10 – »Nie waren die Menschen dicker als heute«, schrieb die Süddeutsche Zeitung schon 2016.11 Sprach man früher noch vom »Wohlstandssyndrom«, ist Übergewicht schon lange kein Symptom einer übersättigten, reichen Gesellschaft mehr. Erstmals im Jahr 1981 wurde der Begriff »metabolisches Syndrom« (MetS) eingeführt.12

Betroffen sind nicht nur die Industriestaaten, sondern zunehmend auch Entwicklungs- und Schwellenländer – und während Armut und Unterernährung ein großes und präsentes Problem darstellen, gesellen sich Adipositas und in dessen Folge Diabetes mellitus Typ 2 als ernst zu nehmende Gesundheitsbedrohung dazu (gr. diabtēs [Harnruhr, eigtl. »die Beine spreizend«]; lat. mel, Gen. mellis [Honig]).

Carlos Monteiro, Professor für Ernährung und öffentliche Gesundheit an der Universität São Paulo, sieht den Grund dafür in der Verbreitung von industriell gefertigter Nahrung, wie sie auch hierzulande bevorzugt konsumiert wird, und dem Vordringen multinationaler Großkonzerne der Lebensmittelindustrie in die Märkte von Schwellen- und Entwicklungsländern, die ganz gezielt mithilfe groß angelegter Marketingkampagnen sogenanntes »Convenience Food« an die arme Bevölkerung vertreiben. Diese für eine schnelle und unkomplizierte Zubereitung und den erhöhten Verzehr konzipierten Lebensmittel sind in der Regel vorgefertigt oder verarbeitet, wie beispielsweise Tiefkühl- und Fertiggerichte, Dosen- und Konservenprodukte, Fertigsoßen, Instantprodukte und vieles mehr. Sie erfordern nicht nur kaum Zubereitungszeit, sondern sie sind unter anderem auch voll mit Salz, Zucker und Geschmacksverstärkern – den absoluten Dickmachern.

Übergewicht und Adipositas sind eine enorme und schwerwiegende Belastung, nicht nur für die betroffenen Personen selbst, sondern auch für die nationalen Gesundheitssysteme, die Wirtschaft und das soziale Wohlbefinden. Adipositas ist also auch ein Thema von hoher Public-Health-Relevanz, denn sie kostet die Gesellschaft und Volkswirtschaft jährlich Milliarden. Laut Berechnungen der Universität Hamburg belaufen sich die Kosten der Adipositas und der mit ihr assoziierten Folgeerkrankungen auf mehr als 60 Milliarden Euro pro Jahr – was für eine enorme Summe!13 Sie umfasst die direkten Kosten, die indirekten Kosten für das Gesundheitssystem und die intangiblen Kosten (aus einer Erkrankung resultierende Einschränkungen wie Schmerz, Depressionen oder der Verlust an Lebensqualität). Dazu zählen beispielsweise die Behandlung der Erkrankung selbst, die Behandlung von Folgekrankheiten sowie entstehende Kosten durch Produktivitätsausfälle und Arbeitsunfähigkeit.

Insbesondere ist aber das individuelle Leid der Betroffenen hervorzuheben. Die Stigmatisierung von Übergewichtigen beginnt häufig bereits im frühen Kindesalter in der Schule; soziale Medien können diesen Effekt sogar noch verstärken. Häufig zieht sich die Stigmatisierung übergewichtiger Personen bis ins Erwachsenenalter fort. So gibt es zahlreiche Berichte darüber, dass Adipöse häufig Nachteile im Alltag und im Job erfahren. Nicht zuletzt führt die Erkrankung je nach Schweregrad zu massiven körperlichen und gesundheitlichen Einschränkungen.

Amerika, das Land der unbegrenzten Möglichkeiten

Wenn wir Trends beobachten wollen, dann lohnt sich immer auch ein Blick über den eigenen Tellerrand hinaus: Unangefochtener Spitzenreiter im globalen Übergewichtigkeitsranking sind Mexiko, Chile und die USA, die mit etwa 75 Prozent eine der höchsten Übergewichtsraten weltweit haben; fast die Hälfte der Bevölkerung ist adipös.14 Gesteigert wurden diese Zahlen einer Umfrage der American Psychological Association zufolge nochmals durch die Coronapandemie, in der 10 Prozent der Amerikaner schon nach einem Jahr mehr als 25 Kilogramm zunahmen.15

Amerika ist in den letzten hundert Jahren durchgängig Vorreiter für viele gleichermaßen positive wie negative Entwicklungen gewesen, und wir konnten immer wieder beobachten, dass sich Trends aus den USA ähnlich in Europa – häufig etwas zeitversetzt – ausbreiten. Auch in meiner Tätigkeit als Arzt hat mich mein Weg in dreißig Jahren regelmäßig zu medizinischen Kongressen in die USA geführt, und ich habe dort bereits viele Entwicklungen beobachten können, die nun in Deutschland Einzug halten. So verspürte ich bereits vor fünfzehn Jahren in den USA dasselbe Unbehagen angesichts der vielen übergewichtigen Menschen, insbesondere auch der ganz jungen, das mich heute in Deutschland beschleicht.

Amerika mag uns zwar in fast allen Entwicklungen immer einige Schritte voraus sein, und angesichts der extrem Übergewichtigen in den USA könnten wir uns selbstgefällig zurücklehnen nach dem Motto: »So schlimm wie dort ist es bei uns ja noch lange nicht und wird es bei uns auch nicht werden.« An dieser Auffassung habe ich aus ärztlicher Sicht allerdings erhebliche Zweifel, denn ich beobachte, dass wir gerade schnurstracks auf dem Weg dorthin sind. Und deshalb bin ich der Ansicht, dass es sich für uns nicht nur lohnt, sondern sogar extrem wichtig ist, aufmerksam nach Amerika zu schauen, denn dieses große Land ist für uns so etwas wie ein Spiegel unserer Zukunft.

Im Übrigen gibt es in den USA die umfangreichsten und aussagekräftigsten Untersuchungen von aktuellen bis hin zu historischen Bevölkerungsstudien. Nirgendwo anders auf der Welt finden wir so viele Daten, so viele Belege und so viele Erkenntnisse zu ursächlichen Zusammenhängen, die auch für gesellschaftliche Verhältnisse wie die unseren zutreffend und erhellend sind.

Eins

Ein Überblick