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Abtföhren, Harz, 1749. Die junge Alma führt ein zurückgezogenes Leben im kleinen Harzort, lebt von Näharbeiten und ihren Kräutern, und sie hütet ein altes Geheimnis. In den Vollmondnächten ruft sie der Wald – an der verborgenen Quelle auf den Heiligen Wiesen begegnet sie Neve und ihrem Hexenzirkel. Das Schicksal hat sie zusammengeführt, der Hexenkreis weiht Alma in ihr geheimes Wissen ein. Die junge Frau hat fortan die Aufgabe, diesen Wissensschatz zu hüten und nicht in falsche Hände geraten zu lassen. Eines Tages verschwindet Konstanze, eine Magd und Freundin Almas, plötzlich in den Tiefen der Wälder. Wer steckt hinter dem Verschwinden? Alma begibt sich auf die gefährliche Suche, entdeckt einige Geheimnisse, die in den Harzwäldern schlummern, und findet Unglaubliches heraus ... Ein ruhiger, atmosphärischer Roman über Heilkunst, Frauenleben im 18. Jahrhundert und die leisen Spuren, die Magie hinterlässt.
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Pfefferminzia Beltane
Impressum: Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek. Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Veröffentlicht bei Infinity Gaze Studios AB
1. Auflage, Juli 2025, Alle Rechte vorbehalten
Copyright © 2025 Infinity Gaze Studios
Texte: © Copyright by Pfefferminzia Beltane
Lektorat, Korrektorat: Barbara Madeddu
Cover & Buchsatz: V.Valmont @valmontbooks
Druck und Distribution im Auftrag des Verlages:
Tolino
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Infinity Gaze Studios AB, Södra Vägen 37, 829 60 Gnarp
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Ende April 1749
Mit beiden Händen auf die schmale Fensterbank gestützt, sah Alma aus dem kleinen Fenster ihres Häuschens. Unruhig wippte sie mit ihren Füßen, ihre Augen versuchten in der Dunkelheit, die draußen herrschte, etwas zu erspähen. Der volle Mond stieg über dem Fichtenwald empor und ermöglichte Alma, einige Umrisse der Landschaft zu erkennen. Vor ihrem Haus erstreckte sich die Wiese, die den kleinen Harzort Abtföhren mit dem Fichtenwald verband. Dieser war, genau wie die weitläufigen Wiesenflächen, im Besitz der Kirche.
Nicht weit von Almas Häuschen zeichneten sich im Dunkel der Nacht die Schatten der kleinen Kate des Holzfällers Siegbert ab. Neben ihm und Alma lebten noch 19 weitere Bewohner in Abtföhren, die aber alle, außer Alma, längst ihre Nachtruhe angetreten hatten.
Die Kerze auf dem kleinen Holztisch in Almas Stube flackerte unruhig, als hätte Alma sie mit ihrer eigenen Anspannung angesteckt. Noch immer wanderten ihre Augen an den Glasscheiben hin und her, offensichtlich auf etwas in der finsteren Nacht wartend. Das Käuzchen rief laut aus dem nahen Wald, als plötzlich die Glocke der kleinen Kapelle des Ortes zu schlagen begann. Die ersten drei der gesamt elf Schläge waren verklungen, als Alma herumwirbelte, hastig die Kerze auf dem Tisch ausblies und eilig zur Tür hinausstürmte, die mit einem leisen Krachen ins Schloss fiel.
Mit nackten Füßen rannte Alma ins Dunkel der Nacht, begleitet vom lauten Rufen des Kauzes, der die junge Frau damit anzutreiben schien. Der steinige Pfad wurde gut vom Mondlicht ausgeleuchtet, sodass Alma keine Mühe hatte, ihren Weg zu finden. Zielsicher steuerte sie in Richtung Eineborn, der Quelle des Flüsschens Eine, welches die Grenze zwischen den anhaltinischen und den mansfeldischen Ländereien zog. In etwa zwanzig Minuten sollte sie ihr Ziel erreicht haben.
Das Käuzchen rief nun immer öfter, Almas Schritte wurden schneller. Keinesfalls durfte sie sich verspäten! SIE würde es ihr nicht verzeihen! Lauf, Alma, lauf!
Die bloßen Füße der jungen Frau sprangen über die Steine, die sie aber kaum wahrnahm. Ihren Rock hielt sie mit beiden Händen in die Höhe, um nicht darüber zu fallen. Die spitzen Steine bohrten sich in die nackte Haut ihrer Füße, die zu bluten begannen. Alma hatte keinen Blick dafür. Sie musste pünktlich da sein, bevor SIE erschien! Lauf, Alma, lauf!
Keuchend erreichte Alma den Rand der Heiligen Wiesen, nur noch wenige Meter und sie hatte auch die Quelle erreicht. Ein etwa ein Meter hoher Steinhaufen verriet ihr, dass sie angekommen war. Aus der Mitte der Steine plätscherte leise das frische Wasser der Eine, die an dieser Stelle eher noch ein Rinnsal war, bevor sie später zum größeren Fluss werden wollte.
Alma ließ sich schwer atmend auf die Steine fallen. Ihr Brustkorb hob und senkte sich im Sekundentakt, ihr Herz raste in ihrem Inneren.
Erleichtert blickte Alma in die Höhe. Am nächtlichen Himmel funkelten die Sterne, aus der Ferne unterbrach noch immer der Kauz die Stille.
„Gottlob, ich bin rechtzeitig hier!“ fuhr es Alma durch den Kopf. SIE war noch nicht zu sehen.
Als sich ihr Puls gerade zu beruhigen schien, traf ein Lichtstrahl die Steine über der Quelle. Alma zuckte zusammen und sprang auf. Das Licht wurde heller und größer, Alma kniff die Augen zusammen, um nicht zu sehr geblendet zu werden. Der grelle Strahl ließ das kleine Rinnsal des Quellwassers wie tausende Kristalle funkeln.
Alma spürte, dass ihre Knie weich wurden, vor ihren Augen wurde es schwarz; ihre Beine gaben nach und ihr Körper schlug auf dem Wiesenboden auf.
Der Mond war hinter den Fichten verschwunden, am Horizont begann es schon heller zu werden, die Nacht neigte sich ihrem Ende.
Alma öffnete langsam die Augen, ihr Körper fühlte sich schwer und steif an, die nächtliche Kälte hatte ihre Glieder steif werden lassen. Sie zog ihre Knie an, stützte sich ab und versuchte langsam aufzustehen. Die ersten Schritte waren schmerzvoll, die wunden Füße brannten und die vor Kälte steifen Gelenke ließen sich nur mühsam bewegen. Humpelnd lief Alma zurück in ihr Dörfchen, mit der Zeit wurden ihre Schritte etwas schneller, kurz bevor sie ihr Häuschen erreichte, rannten ihre Füße schon wieder über den taunassen Weg.
Sie drückte die Tür auf, sprang über die Schwelle und ließ die Tür krachend ins Schloss fallen. Hastig zündete sie die Kerze auf dem Tisch an, denn es war in der Morgendämmerung noch dunkel im Haus. Das Licht der Kerze erhellte den schmalen Tisch. Alma sprang zur braunen Holztruhe, die an der Wand stand, hob den Deckel an, griff hinein und beförderte mehrere Bogen Papier zutage. Sie legte diese eilig auf den Tisch, griff nach dem Tintenfass, in welchem ein Federkiel steckte, und stellte es neben die Papierbögen. Ihre Hand griff unter den Tisch, zog einen kleinen Schemel hervor, sie setzte sich darauf, legte sich den oberen Bogen Papier zurecht, tauchte den Federkiel tiefer ins Tintenfass und setzte die ersten Buchstaben an. Mit flinken Fingern ließ Alma die Feder über das Papier tanzen; die Zeilen füllten sich mit schwarzen Buchstaben, die zu Sätzen wurden. Immer schneller kratzte der Federkiel über den Bogen, der sich in Windeseile füllte. Nach kurzer Zeit war Alma am unteren Rand des Blattes angekommen, ließ den beschriebenen Bogen zu Boden gleiten, zog sich einen noch leeren vom Stapel, und eilig tanzte die Feder über das Papier. Alma schrieb und schrieb, die Stunden vergingen, die junge Frau führte wie in Trance die Feder immer wieder vom linken zum rechten Blattrand. Was sie da aufschrieb, erfasste sie wohl nicht, auch war es erstaunlich, dass aus ihren Fingern überhaupt einzelne Buchstaben entsprangen, denn Schreiben hatte sie nie gelernt. Als Mädchen wuchs sie in einfachen Verhältnissen bei ihren Großeltern auf, Bauersleute, die weder das Lesen noch das Schreiben beherrschten. Ihre Mutter hatte Alma kaum gekannt, sie starb früh am Fieber. Der Vater, ein Knecht aus dem Mansfeldischen, hatte sich kurz nach ihrer Geburt aus dem Staub gemacht. Die Großeltern lehrten das oft in sich gekehrte Mädchen das Kochen, Nähen, Heu machen, das Vieh versorgen – alles, was die einfachen Leute wissen mussten. Eine Schule hatte Alma nie besucht. Der einzige Kontakt zur Außenwelt war der Besuch des Gottesdienstes am Ende der Woche, zu dem sie mit ihren Großeltern auf dem Fuhrwerk ins nahe Königerode fuhr. Der Pfarrer war Alma immer als strenger Mann in Erinnerung, der alle Gottesdienstbesucher mit finsterem Blick ansah und peinlich oft auf ein frommes Leben und die Vermeidung von Sünden verwies.
Woher nun Almas Fähigkeit zu schreiben kam, blieb ein Geheimnis.
Beim ersten Hahnenschrei hatte sie sieben Bögen beschrieben, die sie nun vom Boden hob. Ohne einen weiteren Blick darauf zu werfen, legte sie alle in eine kleinere Truhe, die neben der Tür stand. Beim Anheben des Deckels gab das Möbel eine schon beachtliche Zahl mit schwarzer Tinte versehener Papiere preis.
Alma ließ den Deckel fallen, wandte sich um und sank auf ihr Bett, in dem sie augenblicklich in einen tiefen Schlaf fiel.
Mai 1749
Kutschengeklapper und Hufgeräusche kündigten Besuch an. Alma erhob sich von ihrem Schemel und griff nach einem Bündel, welches vor ihr auf dem Tisch lag. Die Kutsche hielt vor Almas Haus, als diese mit dem Bündel unter dem Arm hinaustrat. Aus der recht einfachen Kutsche stieg Konstanze, die Magd der Familie von Roeder aus Harzgerode.
„Zum Gruße, Alma!“ rief Konstanze fröhlich. „Hast du alles fertig?“
Alma nickte und hielt der Magd das Bündel vor das Gesicht.
„Danke.“ Konstanze griff beherzt zu und legte das Bund in die Kutsche. „Ich habe dir auch gleich neue Wäsche mitgebracht, die geflickt werden muss. Es ist sogar noch etwas mehr als letztes Mal.“
Konstanze griff erneut ins Innere der Kutsche und beförderte ein ziemlich großes Bund, eingeschlagen in große Laken, zutage. Alma nickte und nahm der Magd das Bund ab. Diese zog einen kleinen Lederbeutel auf, der an ihrem Gürtel hing, und zählte fünf Taler ab.
„Hier bitte. Hast sicher wieder gute Arbeit geleistet, Alma. Hast es dir redlich verdient.“
Alma nahm ihren Lohn wortlos entgegen, ein kurzes Lächeln und ein Kopfnicken waren ihre Antwort. Sie sprach wenig, woran sich die Magd Konstanze aber längst gewöhnt hatte. Seit Jahren flickte Alma die kaputten Wäschestücke ihrer Dienstherrenfamilie von Roeder, und sie erledigte ihre Arbeit sehr gut. Die Familie war äußerst zufrieden. Auf diese Weise war Almas Lebensunterhalt gesichert, denn viel mehr als nähen und stopfen konnte sie nicht. Vor Jahren half sie ab und an den Bauern auf dem Feld. Seit diese aber immer mehr Kinder bekamen, die schon sehr früh mithelfen mussten, sparten sich die Bauern das Geld, um Alma für ihre Hilfe zu bezahlen. So war sie froh, dass die von Roeders ihr regelmäßig ihre Wäsche brachten.
Konstanze bestieg die Kutsche, hob noch einmal die Hand zum Gruß, dann schwang der Kutscher die Peitsche, wendete das Gefährt und lenkte es zurück ins Städtchen Harzgerode.
Alma legte das Bund auf den kleinen Tisch in ihrer Stube. Sie würde sich in den kommenden Tagen darum kümmern. Vor Ende nächster Woche würde Konstanze sicher nicht kommen, es blieb ihr also genug Zeit dafür.
Die Zeit bis zum Abend verbrachte Alma damit, ihr Häuschen zu putzen und das kleine Blumenbeet davor zu pflegen. Blumen liebte sie über alles und freute sich, wenn sie in vielen Farben fleißig blühten.
Alma war eine einfache junge Frau, die aber durch ihr schlichtes Gemüt die kleinen Dinge des Lebens zu schätzen wusste. Eine zarte Blume oder ein singender Vogel oben im Baum erfüllten ihr Herz, und sie empfand große Freude daran. Sie wusste, dass so etwas anderen Menschen oft egal war, was sie nicht verstehen konnte.
Die Sonne ging bereits unter, und die Dämmerung setzte ein. Alma saß auf ihrer kleinen Gartenbank, als drüben im Wald der Kauz sein Geschrei begann. Alma zuckte zusammen. Wieder ertönte der Ruf des Kauzes. Alma sog tief Luft durch ihre Nase und wusste, heute ist es wieder soweit. Sie stand auf, ging hinein in ihre Stube, zündete ein Licht an und wartete. Noch brauchte sie nicht loszulaufen, das Käuzchen würde ihr sagen, wann es Zeit ist. Sie öffnete das Fenster, um besser hören zu können. Auf gar keinen Fall durfte sie es verpassen! Sie musste rechtzeitig loslaufen, um zur rechten Zeit an der Quelle zu sein! SIE würde es nicht dulden, wenn Alma zu spät käme.
Der Mond stieg hinter den Fichten auf und hatte heute wieder seine volle Größe erreicht. Sein Strahlen ließ das Örtchen Abtföhren in der Dunkelheit leuchten, die acht Häuser schliefen still im Mondlicht. Auch deren Bewohner lagen längst in ihren Betten, bis auf eine. Alma.