(un) sterblich schön - Gudrun Bogner - E-Book

(un) sterblich schön E-Book

Gudrun Bogner

0,0

Beschreibung

Die Schönheiten der Stadt Wien wollen noch schöner und schlanker werden. Daher wird gelaufen, geradelt und geschwommen, um die gewünschte Figur zu erreichen oder zu erhalten. Doch leider hat jemand etwas dagegen, denn eine neue Mordserie erschüttert Wien. An der Wienfluss-Promenade im Wiener Stadtpark werden immer mehr weibliche Leichen aufgefunden. Kriminaloberkommissar Herbert Schichta und sein Team machen sich auf die Suche nach dem Mörder. Durch einen Zufall wird dieser rasch gefunden, doch es fehlt jegliches Motiv.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 162

Veröffentlichungsjahr: 2022

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Schönheit liegt im Auge des Betrachters

(diese Erkenntnis wird dem Griechen Thukydides ca. 454 v. Chr. zugeschrieben)

Inhaltsverzeichnis

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Epilog

Prolog

„Hilfe, kann mir bitte jemand helfen?“, schrie Gabriele lautstark.

Keine Antwort.

„Kann mich jemand hören? Hallo? Ist hier jemand? Irgendwer? Bitte, helft mir doch! Hilfe!“

Keine Antwort.

Zitternd, weinend und bebend vor Angst und Kälte, immer wieder laut um Hilfe schreiend, fragte sie sich, wo sie war.

Sie sah sich unsicher um.

Als Erstes untersuchte sie ihren zitternden Körper auf eventuelle Verletzungen. Sie war froh, keine zu finden. Keinerlei offene Wunden.

Auch stellte sie fest, dass sie ihre Joggingsachen trug. Warum, wusste sie im ersten Moment nicht. Auch nicht, weshalb diese so extrem verschmutzt und zerrissen waren.

Erleichtert darüber, dass ihr Körper heil war, schweifte ihr Blick über das Verließ, in dem sie sich befand. Bis auf die schmutzige, undefinierbar befleckte, klebrige, stinkende Matratze, auf der sie lag, gab es keinerlei andere Arten von Möbeln.

Die Matratze befand sich in der Ecke auf dem Boden. Ein ekelerregender, metallischer Geruch stieg ihr in die Nase. Es roch eindeutig nach Blut. Zusätzlich nahm sie auch den Geruch nach Erbrochenem wahr. Als ihr das bewusst wurde, konnte sie den Würgereflex, der augenblicklich in ihr aufstieg, nicht mehr weiter zurückhalten.

Alles ergoss sich über den schmutzigen, mit Schlamm überzogenen Boden.

Nachdem ihr Magen komplett geleert war und sie mehr oder weniger wieder zu sich kam, sah sie sich den Rest ihres Gefängnisses an.

In der Mitte des nicht allzu großen Raumes stand ein Kübel mit Wasser. Augenblicklich ging sie darauf zu und wusch sich das Gesicht und die Hände. Danach glitt ihr Blick über den Rest des Bodens.

In einer weiteren Ecke befand sich ein zusätzlicher Kübel. Dieser war leer.

Nun begutachtete sie die Wände und die Decke. Von dieser hing eine Glühbirne, die sehr schwach leuchtete. Außerdem sah Gabriele eigenartige Einkerbungen an den Gemäuern der Decke und den Wänden, die sie nicht zuordnen konnte. Die grauen Betonwände strahlten eine unnatürliche feuchte Kühle ab. Bei der Berührung dieser lief ihr ein kalter Schauer über den Rücken.

Es gab keine Fenster, aber stockdunkel war es trotzdem nicht. Durch das mangelhafte, sehr schwache Licht der Deckenbeleuchtung war es nicht gar so finster.

Erneut fiel ihr Blick auf die vorhandene Stahltüre. Diese erinnerte sie an eine schwere Tresortüre, wie man sie in Banken findet. Gabriele hatte bereits wie wild geklopft, dagegengetreten, gehämmert und geschrien.

Nichts hatte genützt.

Sie war hier alleine und gefangen.

Wie lange sie sich schon hier befand, konnte sie nicht sagen. Ihr Zeitgefühl war komplett ausgelöscht. Immer wieder schrie sie laut, ohne jegliche Antwort zu erhalten.

„Hilfe, bitte helft mir doch! Es muss doch irgendjemand hier sein!“

Sie gab nicht auf.

Sie konnte einfach nicht aufgeben.

Obwohl sie sich eingestehen musste, dass es ziemlich sicher zwecklos war und ihre Stimme bereits zu versagen drohte, rief und brüllte sie immer weiter, mit diesem kleinen Funken Hoffnung auf Hilfe.

Dann vernahm sie ein eigenartiges Knacken. Das Geräusch kam eindeutig von der Decke.

Aber von wo? Sie suchte alles ab, konnte aber nichts sehen. Dafür war es dann doch zu dunkel.

Erneut schrie sie so laut sie konnte.

„Hilfe!“

Plötzlich …

„Hör mit dem Gebrüll auf. Es hilft dir keine Menschenseele. Hier kann dich nämlich niemand hören“, sagte eine computerverzerrte Stimme. Ob männlich oder weiblich, konnte sie nicht sagen. Es war auf jeden Fall gruselig. Sie fühlte sich wie in einem Horrorfilm.

„Wer sind Sie? Was wollen Sie von mir?“, fragte Gabriele schluchzend.

„Du wirst alles noch rechtzeitig erfahren. Falls ich das später überhaupt noch in Betracht ziehe.“

„Bitte, lassen Sie mich raus. Was hab ich Ihnen denn getan?“

„Sei jetzt still, sonst wird das hier ein sehr schlimmes Ende nehmen. Und zwar schon früher als eigentlich geplant.“

„Was haben Sie geplant?“

„Ruhe!“

Dann wurde es wieder still.

Zu still.

Gabriele konnte das Blut in ihren Adern rauschen hören.

Ihre eigene Atmung und ihr Herzschlag klangen so laut, dass es sie erschreckte.

Ihre Angst stieg ins Unermessliche. Sie schrie und heulte wieder lautstark los.

Gleichzeitig musste sie aber unbedingt wissen, woher das Knacken und die darauffolgende Stimme kamen. Also sah sie sich erneut, immer noch schluchzend, in dem Raum um, diesmal etwas genauer.

Dann sah sie es.

Neben der Glühbirne entdeckte sie eine Überwachungskamera und einen Lautsprecher. Diese waren so klein, dass sie sie zuerst gar nicht bemerkte. Sie dachte, es handelte sich um Flecken. Doch jetzt, wo sie wusste, wo sie hinschauen musste, erkannte sie, um was es sich in Wirklichkeit handelte.

Trotz ihrer unbeschreiblichen Angst versuchte Gabriele wieder einen halbwegs klaren Kopf zu bekommen.

Sie dachte nach: „Was war passiert? Was hab ich getan? Wie bin ich hierhergekommen?“

Sie zermarterte sich den Kopf, um herauszufinden, was das Letzte war, an das sie sich erinnern konnte. Flüsternd, schluchzend und sehr verzweifelt sagte sie zu sich selbst:

„Ich heiße Gabriele Schuster, bin 37 Jahre alt und verheiratet. Mein Mann heißt Wolfgang. Wir wohnen im 12. Bezirk und haben drei Kinder.

Andreas ist 14 Jahre alt und Magdalena 12. Und natürlich unser kleiner Nachzügler, Fabian. Gerade einmal sechs Monate alt. Das weiß ich alles. Doch warum fällt mir nicht mehr ein, was geschehen ist? Vor dem Frühstück wollte ich noch laufen gehen. So wie ich es immer tue. Meine tägliche Runde in Schönbrunn. Doch wie kam ich hierher? Verdammt, ich versteh es nicht. Warum kann ich mich nicht daran erinnern? “

„HILFE!“, schrie sie erneut.

Ihre Lunge war fast am Zerplatzen durch den schrillen Schrei, der aus ihrer Kehle wich. Das mit dem „beruhigen und einen klaren Kopf bekommen“ hatte nicht wirklich funktioniert. Die Panik brach ohrenbetäubend schrill aus ihr heraus.

Dann …

Nichts.

Nur Stille.

Kapitel 1

„Was für eine traumhafte Hochzeit Roman“, sagte Nicole.

„Ich gratuliere euch von ganzem Herzen und wünsche euch alles erdenklich Gute. Yvonne ist eine wunderschöne Braut. Ihr seid ein tolles Paar.“ „Danke, liebe Nicole. Danke auch dir, Herbert. Es ist so schön, dass ihr beide heute hier seid, um mit uns diesen Tag zu feiern“, antwortete Roman.

„Genießt noch die Festlichkeiten. Yvonne und ich tun das bestimmt.“

Roman trug einen klassischen Stresemann. Graue Hose, cremeweißes Hemd (passend zum Brautkleid), graue Weste, schwarzes Sakko und schwarze, glänzende, spiegelnde Schuhe. Das Anstecksträußchen am Kragen bestand aus weißen und rosa Rosen.

Yvonnes Kleid war ein Traum in Cremeweiß. Sehr schlicht, bodenlang, eng und gerade geschnitten. Ein Hauch von Tüll gab dem Kleid die persönliche Note.

Das Oberteil war mit glitzernden Pailletten besetzt. Nicht allzu viele – gerade so viele, dass diese zum Hingucker wurden.

Das Unterteil bestand zusätzlich aus wunderschönen, kleinen, gestickten Blümchenmustern, selbstverständlich auch in cremeweiß. Aufgepeppt wurde auch hier durch einzelne Pailletten.

Ihr Brautstrauß war ebenfalls aus weißen und rosa stehenden und hängenden Rosen zusammengesetzt, natürlich mit viel Schleierkraut und diversem Grünzeug gemischt.

Alles in allem waren sie ein wunderschönes Paar, in perfekter Kleidung und auf einer traumhaften Feier.

„Herbert, ich bin so froh, dass du dieses Wochenende keinen Dienst hast. Somit können wir den Abend richtig genießen und uns morgen ausschlafen“, meinte Nicole.

„Ja, darüber bin ich auch sehr froh. Der letzte Fall hat mich und mein komplettes Team, ganz schön mitgenommen und uns fast an unsere Grenzen gebracht. Die Ruhe tut wirklich gut. Doch ohne diesen besagten letzten Fall hätte ich dich nicht kennen gelernt. Und die Zeit, mit dir gemeinsam zu verbringen, will ich keinesfalls missen“, zwinkerte Roman Nicole zu.

Nicole hatte sich, nach der Schießerei am Rathausplatz bereits sehr gut erholt. Immerhin waren bereits drei Monate vergangen. Von ihrer Schusswunde war nur eine Narbe geblieben. Ihr Gedächtnis war wieder zu 100 Prozent hergestellt.

Wann jedoch der seelische Schmerz vergehen würde, konnte niemand so genau sagen. Doch es wurde leichter. Das spürte sie. Wenn auch sehr langsam.

Herbert war ihr gegenüber sehr fürsorglich. Er bedrängte sie nicht, in keinerlei Hinsicht. Er wusste, dass Nicole noch nicht so weit war. Sie litt nach wie vor unter dem Schock und dem Tod von Thomas. Diesbezüglich zeigte er großes Verständnis. Sie wiederum war ihm dafür sehr dankbar. Genau dieses Verhalten mochte sie so an ihm. In ihren Augen machte ihn das nur noch liebenswerter.

Dass sie starke Gefühle für Herbert empfand, war kein Geheimnis - auch wenn sie deshalb immer wieder ein schlechtes Gewissen hatte. Doch was sollte sie tun? Ihr Thomas war tot – egal was sie tat, er würde nicht mehr zurückkommen.

Ihr Leben musste also weiter gehen, auch ohne ihn, ob sie das so wollte oder nicht. Er würde jedoch immer ein Teil ihres Herzens sein, das wusste sie.

Schnell riss sie sich wieder von ihren etwas traurigen Gedanken los.

„Ich freue mich sehr, dass du mich zu dieser Hochzeit mitgenommen hast, Herbert. Es bedeutet mir viel“, flüsterte sie ihm ins Ohr.

„Schön, dass du mit mir hier bist“, zwinkerte er Nicole erneut zu.

Fast das ganze Team von Kriminaloberkommissar Herbert Schichta war bei der Hochzeit anwesend. Sie hatten die Dienste mit einem anderen Team getauscht, damit sie möglichst alle dabei sein konnten, an dem Tag, an dem Roman und seine Frau Yvonne der Mittelpunkt der Welt waren – und das war gut und richtig so.

Die komplette Hochzeit, beginnend mit der Trauung, dann dem Empfang im großen Saal, den Fotoshootings, dem Essen und der anschließenden Feier waren grandios. Doch das absolute Highlight des Tages nach dem vielseitigen und einzigartigen Buffet war eine fünf-stöckige Hochzeitstorte. Diese war die Krönung und wurde um Mitternacht angeschnitten.

Ein perfekter Tag für ein perfektes Paar.

Die Feierlichkeiten gingen bis in die frühen Morgenstunden. Während die Familien schon nach Mitternacht das Fest verließen, blieben alle Freunde und Kollegen bis zum Ende.

Im Anschluss brachte Herbert Nicole nach Hause. Er verabschiedete sich mit einem zärtlichen Kuss und fuhr dann in seine eigene Wohnung. Das war für ihn in Ordnung, denn er verstand es – auch wenn es ihm, gerade an so einem Tag, sehr schwerfiel. Er wollte sie endlich spüren. So richtig spüren. Doch durfte er nichts überstürzen. Er musste warten, bis sie den ersten Schritt wagte. Denn er mochte Nicole wirklich – naja, es war schon mehr als nur „mögen“, es hatte ihn richtig erwischt – er war verliebt. Dadurch brachte er auch die Kraft auf, so verständnisvoll zu sein.

Nach einer viel zu kurzen Nacht wurde Nicole durch das Läuten ihres Telefons geweckt.

„Guten Morgen, meine liebe Nicole. Ich hoffe, du hast gut geschlafen.“

„Guten Morgen, Herbert. Wie spät ist es eigentlich?“, sagte sie verschlafen.

Nach einem kurzen Blick auf ihre Uhr meinte sie: „Weißt du, dass es fast Mittag ist? Bereits halb zwölf. Aber - ja, danke, ich habe sogar sehr gut geschlafen und du?“

„Schön – also dann Mahlzeit. Ich habe wundervoll geschlafen und von dir geträumt. Es war ein sehr schöner Traum. Was hältst du davon, wenn ich dich gegen 17:00 Uhr abhole? Wir könnten spazieren gehen und anschließend etwas essen.“

„Ja, das wäre toll. Also dann bis später. Du musst mir dann von deinem Traum erzählen.“

„Gut, bis später. Ich freu mich auf dich. Ob ich dir den Traum erzählen werde, weiß ich noch nicht. Vielleicht ein anderes Mal.“

Sie verabschiedeten sich liebevoll und beendetet das Gespräch fast zeitgleich.

Nicole hatte auch hervorragend gut geschlafen. Sie hatte ebenfalls von Herbert geträumt, doch das verriet sie ihm nicht. Auf jeden Fall freute sie sich schon sehr auf das Treffen mit ihm. Sie war ganz aufgeregt und sehr froh, dass sie noch genug Zeit hatte, um sich für ihn besonders hübsch zu machen.

Auch Herbert war glücklich und aufgeregt, sie bald wieder zu sehen.

„Erst vor ein paar Stunden habe ich Nicole nach Hause gebracht. Jetzt bin ich so nervös, dass ich platzen könnte vor Vorfreude. Ich glaub, ich bin komplett übergeschnappt“, sagte er zu seinem Spiegelbild, während er sich frisierte.

Pünktlich auf die Minute holte er sie ab. Gemeinsam fuhren sie mit seinem Auto in den 1. Bezirk. Herbert stellte das Auto in einer Tiefgarage ab und sie spazierten gute zwei Stunden, plaudernd, durch die Gassen der Innenstadt.

Als sie plötzlich nach seiner Hand griff, wurde ihm heiß. Ein Zeichen – ja, ein eindeutiges Zeichen! Vor innerer Freude flippte er fast aus. Er packte noch etwas fester zu und zog sie vorsichtig zu sich.

Sie wehrte sich nicht. Im Gegenteil. Sie rückte sogar noch näher zu ihm. Sein Herz machte einen Freudensprung.

Keiner der beiden ging auf diese Situation verbal ein. Sie genossen einfach das Glücksgefühl.

Nachdem sie in einem netten, kleinen Gasthaus etwas gegessen hatten, brachte Herbert sie wieder nach Hause, doch dieses Mal gab es einen ordentlichen Abschiedskuss. Nicole drückte sich an ihn und küsste ihn innig.

Der Abschied dauerte um einiges länger als sonst. Als sie sich endlich voneinander loslösten, blickten sie sich mit glänzenden Herzerln in den Augen an.

„Gute Nacht, meine Liebe“, raunte Herbert.

„Auch dir eine gute Nacht, Herbert. Danke für diesen wunderbaren Abend“, hauchte Nicole.

Wieder schliefen sie in getrennten Betten, und wieder war das gut so – irgendwie halt – für beide.

Am nächsten Morgen – das Wochenende war viel zu schnell vergangen - wurde im Büro hauptsächlich über die Hochzeit getratscht.

Die durch den letzten Fall liegengebliebene Arbeit konnte auch noch ein paar Stunden warten. Auf das kam es auch nicht mehr an.

Doch leider sollte sich die ausgelassene Stimmung schon sehr bald ändern.

Als sie endlich wieder zum normalen Tagesablauf kamen, begann Valentin, der leider Wochenenddienst hatte machen müssen, zu erzählen.

„In der vergangenen Nacht gab es eine Messerstecherei im Stadtpark. Täter und Opfer waren sturzbetrunken, fingen einen Streit an und stachen aufeinander ein. Sie haben sich aufs Gröbste gegenseitig verletzt. Beide befinden sich zurzeit im Krankenhaus. Ich werde später hinfahren und die Aussagen der beiden aufnehmen. Wird sicher nichts Kompliziertes. Hauptsächlich Papierkram. Die zwei werden schon wieder.“

„Gut so. Was gab es sonst am Wochenende?“, fragte Herbert.

„Sonst war es ausnahmsweise einmal ziemlich ruhig. Ein Einbruch in eine Trafik – der Täter sitzt bereits in Untersuchungshaft und ein paar Raufereien aufgrund zu viel Alkohols, aber im Allgemeinen nichts Besonderes“, antwortete Rainer, der gemeinsam mit Valentin und einem anderem Team im Dienst war.

„Dann wollen wir hoffen, dass das auch so bleibt. Der letzte Fall hat uns genug abverlangt. Ihr wisst, was ihr alle zu tun habt. Also ran an die Arbeit. Es gibt eine Menge aufzuarbeiten. Wir sehen uns dann später beim Mittagessen. Wie immer in der Pizzeria gegenüber?“

Alle nickten zustimmend.

Herbert ging in sein Büro und begann die liegengebliebenen Akten nach Dringlichkeit zu schlichten, um sie später abzuarbeiten. Es gab noch so einiges zu erledigen. Jetzt hatte er endlich die Zeit dafür.

Innerhalb einer Stunde änderte sich jedoch wieder einmal alles, als sein Telefon läutete und er abnahm.

„Schichta?“

„Hallo, Herbert. Hier ist Christoph. Du musst sofort herkommen. Wir brauchen dich hier unbedingt. Es gibt eine Leiche.“

Kapitel 2

Ines lief so schnell sie konnte. Sie trainierte für den nächsten Wien-Marathon im April. Bis dahin waren es noch einige Monate, aber Training war wichtig. Wichtig für sie.

Da sie im 4. Bezirk in der Prinz-Eugen-Straße wohnte, bot sich der Stadtpark als Laufstrecke an. Vorbei am Belvedere, dem Schwarzenbergplatz, dem Konzerthaus, dem Eislaufverein, dem Johann-Strauß-Denkmal, dem Franz-Schubert-Denkmal, entlang der Wienfluss-Promenade bis zum Kursalon und wieder zurück.

„Du läufst, als wäre jemand hinter dir her“, stöhnte Christine.

„Lass uns kurz eine Pause einlegen und etwas trinken. Ich bin schon total erledigt.“

„Warum bist du heute so mürrisch? Wir haben grad einmal die Hälfte hinter uns“, schnaufte Ines. „Ich bin einfach ausgelaugt. Die Woche in der Arbeit war sehr nervig und anstrengend. Mit meiner Diät geht auch nichts mehr weiter. Die Kilos purzeln nicht mehr. Selbst das Laufen hilft nicht. Das frustriert mich.“

„Christine, sei nicht so negativ. Du hast schon so viel geschafft. Es sind doch auch schon ein paar Kilos runter. Du siehst toll aus. Auch wenn du momentan einen Stillstand beim Abnehmen hast.

Dein Geraunze bringt überhaupt nichts. Jetzt stell dich nicht so an und lauf mit mir weiter. Der nächste Marathon gehört zwar mir, aber du könntest doch auch dabei sein!“

„Ja, ganz bestimmt – träum weiter!“, scherzte Christine und verdrehte dabei ihre Augen.

Sie legten aber dann doch eine kurze Pause ein, tranken beide aus ihren Wasserflaschen, dehnten ihre Muskeln und Sehnen und liefen dann wieder weiter.

Nach über einer Stunde gab Christine endgültig auf.

„Ines, ich kann nicht mehr. Ich muss unbedingt nach Hause fahren, duschen, etwas essen und dann relaxen. Morgen muss ich wieder früh raus, um zu arbeiten“, stöhnte und schnaufte Christine.

„Heute bist du wirklich zu nichts zu gebrauchen und auch nicht gut drauf. Was ist nur mit dir los? Wenn du meinst, dann fahr halt heim. Aber iss nicht zu viel, sonst war selbst das bisschen Gerenne umsonst.“

„Nur gesunde Sachen. Ich schwöre es hoch und heilig.“

Christine verdrehte dabei die Augen. Denn in Gedanken war sie schon bei ihren Fleischlaberln mit Erdäpfelpüree. Aber der Salat, den sie dazu essen würde, war doch tatsächlich etwas Gesundes. Innerlich musste sie über sich selbst schmunzeln. Genauso wie sie wusste, dass sie sich gleich nach dem Essen wieder ärgern und verabscheuen würde.

Sie verabschiedete sich endgültig von Ines und ging wieder Richtung Kursalon, wo sie ihr Auto abgestellt hatte.

Ines lief noch einige weitere Runden – denn SIE war schließlich in Topform. Doch dann ging es auch für sie direkt nach Hause.

Christine war total in Gedanken versunken.

Sie dachte daran, wie sie Ines vor ein paar Wochen hier im Stadtpark kennengelernt hatte.

Nach ihrer ersten Runde, die sie eher gegangen als gelaufen war, hatte sie sich auf eine Bank gesetzt und musste so elend ausgesehen haben, dass sie von einer fremden Frau angesprochen wurde.

„Entschuldigung, aber geht es Ihnen nicht gut? Kann ich Ihnen irgendwie helfen?“, fragte diese.

„Nein, danke. Ich bin einfach nur verzweifelt. Unbedingt will ich ein paar Kilos loswerden. Ich dachte, laufen wäre gut. Doch ich schaffe es nicht. Es tut mir leid, ich wollte Sie nicht anschwafeln. Das ist mein Problem und nicht Ihres. Aber danke, dass Sie fragen. Es geht mir gut. Bin nur vom Laufen erschöpft“, antwortete Christine verzweifelt.

So kamen sie schließlich ins Gespräch. Sie stellten sich einander vor und verabredeten sich für insgesamt drei Mal die Woche beim Eingang zum Stadtpark.

Seit diesem Zeitpunkt trafen sie sich regelmäßig.

Ines half ihr dabei, das Training effektiver zu gestalten. Zuerst kurze Strecken, dann immer größere. Mittlerweile joggten sie auch an den Wochenenden. Christine sah auch schon kleine Erfolge.

Wieder zurück in der Realität merkte sie, dass sie sehr erschöpft vom Laufen war - viel abgekämpfter als sonst.

So als würde sie krank werden, etwas ausbrüten.

Außerdem war sie über die Art ihrer Freundin verärgert. Diese hatte sie heute nur genervt. Sie verstand es einfach nicht, dass sie nicht gut drauf war. Zu viele Sorgen hatte. Da konnte sie sich nicht auf ihr Training konzentrieren.

Das mit der Arbeit war kein Scherz gewesen. Sie war selbstständig, hatte ihr eigenes Wollgeschäft, doch zurzeit kamen nicht mehr so viele Kundinnen wie früher.