(un) sterblich verwirrt - Gudrun Bogner - E-Book

(un) sterblich verwirrt E-Book

Gudrun Bogner

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Beschreibung

Ein Irrer treibt in Wien sein Unwesen. Er bringt Menschen um, indem er ihnen die Köpfe aufsägt und in deren Gehirnen herumstochert. Obwohl er sich sogar bei der Polizei meldet und ihr mitteilt, wo die nächste Leiche zu finden sei, hat es Kriminaloberkommissar Herbert Schichta schwer, den Täter zu identifizieren. Und doch muss er rasch handeln, da sich die Leichen bereits in der Gerichtsmedizin stapeln.

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Seitenzahl: 178

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Klarheit ist eine Folge des bewussten Umgangs mit Verwirrung

(Sadhguru)

Inhaltsverzeichnis

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Epilog

Prolog

„Polizeinotruf, wie kann ich Ihnen helfen?“, meldete sich der diensthabende Polizeibeamte.

Stille.

„Hallo, Sie sind mit dem Polizeinotruf verbunden. Bitte melden Sie sich, wenn Sie Hilfe brauchen.“

Noch immer nichts, nur ein kaum vernehmbares atmen war in der Ferne zu hören.

„Wenn Sie aus irgendeinem verletzungsbedingten Grund nicht sprechen können, aber Hilfe benötigen, drücken Sie bitte irgendeine Taste auf Ihrem Telefon.“

Weiterhin Stille.

„Bitte blockieren Sie nicht die Leitung. Es könnte jemand dingend Hilfe benötigen.“

„Hihihi“, ertönte ein seltsames, leises, heiseres Gekicher.

„Hallo? Ich kann Sie nur ganz leise hören. Sprechen sie doch etwas deutlicher und lauter.“

„Hallo? Bitte sagen Sie doch etwas“, äffte die eigenartige Stimme den Polizisten nach.

„Es tut mir leid, aber wenn Sie mir nicht sagen, worin der Notfall besteht und wie ich Ihnen helfen kann, muss ich auflegen, damit die Leitung für echte Notfälle wieder frei wird.“

„Wollen Sie tatsächlich nicht wissen, weshalb ich anrufe?“, sagte der Anrufer jetzt klar und deutlich.

„Doch, das will ich. Aber bis jetzt haben Sie noch nichts gesagt. Ich konnte Sie nur atmen und dann leise lachen hören. Bitte – wie kann ich Ihnen denn helfen?“

Der Beamte blieb immer noch ruhig und versuchte erneut hilfsbereit zu sein. Obwohl es ihm sichtlich immer schwerer fiel.

„Sie wollen mir helfen? Nein, das glaub ich nicht. Aber ich kann Ihnen helfen.“

„Wie meinen Sie das. Wobei können Sie mir helfen?“

„Ich will einen Mord melden.“

„Einen Mord? Haben Sie eine Leiche gefunden?“, fragte der Beamte, jetzt etwas unruhiger als vorhin.

„Ja.“

„Wo haben Sie eine Leiche gefunden?“

„In der Rotenturm-Straße 20, im 1. Bezirk.“

„Aber das ist die Adresse der Wiener Kammerspiele.“

„Richtig.“

„Bitte erklären Sie mir das und lassen Sie sich nicht alle Antworten aus der Nase ziehen“, meinte der Polizist mittlerweile schon sehr genervt.

„Ich habe eine tote Frau gefunden. Vor dem Klo in den Wiener Kammerspielen. Welche Informationen wollen Sie denn noch haben?“, fragte der Mann gespielt provokant.

„Welches Klo? Dort gibt es mehrere.“

„Suchen Sie doch einfach alle Klos ab. Dann werden Sie die Tote sicherlich finden.“

„Aber das würde unnötige Zeit verschwenden.“

„Während wir hier telefonieren, verschwenden Sie schon genug Zeit. Vor allem auch meine.“

„Schon gut. Wir werden sie finden. Sagen Sie mir bitte noch Ihren Namen.“

„Der tut doch gar nichts zur Sache. Was unternehmen Sie wegen der Leiche? Diese Frage ist doch viel wichtiger, oder?“

„Ich hab bereits einen Streifenwagen hingeschickt. Dieser müsste gleich eintreffen. Sind Sie noch am Tatort?“

„Ja – Nein – Vielleicht?“

„Wenn Sie mir Ihren Namen nicht sagen wollen, ist das kein Problem. Wir können Sie auch anhand der Telefonnummer identifizieren.“

„Hahaha – glauben Sie wirklich, dass ich so dumm bin?“

„Nein, das glaub ich nicht. Aber bitte sagen Sie mir doch etwas mehr zu der Toten. Wer ist die Tote? Vielleicht auch mehr zu Ihnen. Es wäre dann alles etwas einfacher.“

„Das glaub ich Ihnen aufs Wort. Sie wollen es also einfach.“

„Also gut, ja, das wäre um einiges leichter. Was können Sie mir sonst noch sagen?“

„Ich bin der Mörder!“

„WAS?“, schrie der Polizist geschockt ins Telefon.

Klick – es wurde aufgelegt.

Die Leitung war tot.

Kapitel 1

„Wir dürfen heute Herrn Kriminaloberkommissar Herbert Schichta bei uns in der Sendung begrüßen. Er ist ein sehr bekannter Wiener Kriminalbeamter und hat bereits einige Mörder hinter Schloss und Riegel gebracht“, sagte die Moderatorin eines bekannten österreichischen Radiosenders.

„Guten Abend. Herzlichen Dank für die Einladung“, antwortete Schichta in seiner üblichen freundlichen und höflichen Art.

„Herr Kriminaloberkommissar, Sie hatten es in letzter Zeit mit einigen Serienmördern zu tun. Darüber wollen wir in unserer heutigen Ausgabe von ´Krimis sehen, hören, lesen und / oder erleben` berichten. Die Zuhörer sind herzlich eingeladen, an den Kommissar Fragen zu stellen. Doch als Erstes möchte ich Ihnen zu Ihren Erfolgen gratulieren.“

„Danke. Doch die Erfolge konnte ich nur aufgrund der Mithilfe meines kompletten Teams verzeichnen. Der Dank gehört also uns allen.“

„Dem möchte ich mich selbstverständlich anschließen. Ein Lob an das Team von und um Kriminaloberkommissar Herbert Schichta. Bevor wir jedoch die Leitung für unsere Hörer öffnen und gespannt sind auf deren Fragen, spielen wir noch einen Song. Also bis gleich.“

Ein Lied wurde gespielt, während Schichta sich mental auf die kommende Stunde im Studio vorbereitete. Er tauschte noch kurz Informationen mit der Moderatorin aus, besprach, was auf keinen Fall erzählt und besprochen werden durfte, und dann ging es auch schon wieder weiter.

„Willkommen zurück. Wie bereits im Vorfeld erwähnt, ist heute Herr Kriminaloberkommissar Herbert Schichta bei uns im Studio. Er wird gerne Rede und Antwort stehen für all die Fragen, die sie haben. Und hier ist auch schon unser erster Anrufer. Hallo, Christian, du bist an der Reihe.“

„Guten Abend, Herr Kommissar. Ich hätte da eine Frage. Wie kommen Sie eigentlich immer auf den Täter? Das kann doch nicht so leicht sein?“

„Nein, leicht ist das ganz und gar nicht. Man geht systematisch vor, sichtet die Beweise, schaut sich einen Tatort genau an, fragt die Familie und Freunde und hofft auf eine schnelle Lösung. Man benötigt aber auch das richtige Gespür für einen Fall. Ich versuche mich in den Täter zu versetzen. Was ist sein oder ihr Motiv? Es sind diese ganz vielen Kleinigkeiten, die zusammengesetzt ein fertiges Bild ergeben. Wie bei einem Puzzle. Auch Kommissar „Zufall“ kann dabei sehr hilfreich sein.“

„Ist deine Frage damit beantwortet?“, fragte die Moderatorin.

„Ja, danke. Sicher trotzdem nicht einfach. Danke und viel Glück für Ihre nächsten Fälle. Auf Wiederhören.“

„Da haben Sie recht. Einfach ist es leider nie. Ich danke auch“, sagte Schichta.

„Und schon haben wir die nächste Anruferin. Lucy, hallo.“

„Hallo, Herr Kommissar. Wie ist das eigentlich, lesen Sie gerne?“

„Ja, sogar sehr gerne. Nur komm ich viel zu selten dazu.“

„Lesen Sie dann auch Krimis?“

„Diese Frage habe ich fast befürchtet. Ich lese eigentlich alles Mögliche. Fantasieromane, Historische Romane, auch Krimis, eigentlich alles.“

„Liebesgeschichten?“

„Auch die manchmal.“

„Was ist für Sie leichter, einen Krimi zu lesen oder ihn zu lösen?“

„Das Lesen ist auf jeden Fall leichter. Da muss man sein eigenes Hirn nicht so beanspruchen. Aber spannend ist beides. Denn auch beim Lesen rattert das Hirn alle Möglichkeiten durch. Wie ein Computer. Und wenn man selbst einen Fall lösen kann, dann ist das schon etwas sehr Befriedigendes.“

„Was halten Sie von Krimis als Hörbücher?“

„Ich hab’s noch nie ausprobiert. Sollte ich vielleicht einmal.“

„Und im Fernsehen? Schauen Sie sich da Krimis an?“

„Ja, manchmal. Doch im Fernsehen scheint alles so einfach. Wäre die Realität wie im Film, würde es mein Leben um einiges leichter machen. Doch im Allgemeinen komme ich sehr selten zum Fernsehen.“

„Haben Sie selbst auch schon einmal eine Leiche gefunden?“

„Leider, ja. Das ist nichts Schönes. So etwas wünscht man niemandem.“

„Danke, Herr Kommissar für Ihre ehrlichen Antworten“, beendete Lucy das Gespräch.

„Bevor der nächste Anruf eingeht, hätte auch ich eine Frage. Wie ist das, ständig auf der Suche nach Serientätern zu sein?“, fragte die Moderatorin, die selbst sehr neugierig wurde.

„Gott sei Dank, handelt es sich nicht in allen Fällen um Serienmorde. Ich habe es auch mit Einzeltätern und Ersttätern zu tun. Männern und Frauen. Alles ist möglich. Serientäter sind in Wien eher die Ausnahme“, gab Schichta zur Antwort.

„Und doch hatten Sie es in den letzten Jahren gleich mit zwei dieser Fälle zu tun. Sie scheinen diese magisch anzuziehen.“

„Ich hoffe doch, dass das nicht der Fall ist. Dann müsste ich meinen Job kündigen“, sagte Schichta schmunzelnd.

„Oh, und schon haben wir auch unsere nächsten Anruferin in der Leitung. Bitte, Birgit, du hast das Wort.“

„Guten Tag, Herr Schichta. Oh, entschuldigen Sie. Herr Kriminaloberkommissar.“

„Schichta, ist absolut okay. Bitte, welche Frage kann ich Ihnen beantworten?“, meinte er locker.

„Wie lässt sich eigentlich Ihr Beruf mit Ihrem Privatleben und Ihrer Familie vereinbaren?“

„Na ja, es gehören immer zwei dazu, wenn es funktionieren soll.“

„Heißt das, dass Sie eine Familie haben? Es gibt in den sozialen Medien so einige Gerüchte.“

„Nicht böse sein, aber auf Gerüchte gebe ich gar nichts. Mein Privatleben geht auch niemanden etwas an. Haben Sie eine Frage zum Thema der Sendung?“

„Ja, wie geht Ihre Freundin damit um?“ Birgit konnte es einfach nicht sein lassen.

„Birgit, es tut mir leid, aber der Herr Kommissar hat klar und deutlich gesagt, dass er sich zu diesem Thema nicht äußern wird“, sagte die Moderatorin sehr streng.

„Aber ich will das wissen. Wäre ich bei der Polizei und hätte einen Freund, würde ich es jedem erzählen. Ist doch kein Geheimnis. Die ganze Welt sollte dann von meinem Glück erfahren.“

„Um das geht’s ja gar nicht. Es geht um den Schutz der Menschen, die einem lieb und wichtig sind.“

„Also hatte ich recht. Sie haben eine Freundin, und die wollen Sie beschützen.“

„Was verstehen Sie nicht? Ich werde mich dazu nicht äußern.“

„Ja, aber …“

Birgit wurde aus der Leitung geworfen.

„Warum verstehen manche Leute ein NEIN nicht?“, sagte die Moderatorin, während das Zeichen für einen neuen Anruf erschien.

„Wie ich höre, gibt es einen weiteren Anrufer. Guten Tag, Simon. Sie sind jetzt an der Reihe.“

„Danke und hallo. Ich hätte da eine Frage an den Herrn Kommissar.“

„Bitte, ich bin ganz Ohr“, sagte Schichta.

„Was würden Sie tun, wenn ich Ihnen sagen würde, dass ich ein Mörder bin?“

„Meine Frage wäre, wen Sie umgebracht hätten.“

„In Ordnung, spielen wir dieses Spiel einmal durch. Sind sie dabei, Herr Kommissar?“

„Ja. Bin dabei.“

„Gut. Also das Opfer ist eine Frau.“

„Warum haben Sie diese Frau umgebracht? Und wie heißt sie?“

„Ich tat es aus Neugier, und der Name der Frau ist egal.“

„Aus Neugier? Welche Art von Neugier wollten Sie damit erzielen?“

„Das tut auch nichts zur Sache?“

„Wo finde ich die Leiche?“

„Das müssen Sie selbst herausfinden.“

„Also gut. Ich erhalte keinerlei relevanten Antworten von Ihnen. Also was hat Sie dann dazu bewogen, sich bei der Polizei zu melden?“

„Einfach aus Spaß.“

„Simon, das hier ist kein Spaß. Sie spielen mit dem Kommissar“, warf die Moderatorin ein.

„Genau. Aber, Herr Kommissar, was genau würden Sie denn tun, wenn es sich als wahr herausstellte? Ich würde einen Mord gestehen und Ihnen sonst keine weiteren Infos geben. Wie wäre Ihr Umgang mit so einer Situation?“

„Das ist kompliziert. Diese Frage kann ich nicht so einfach beantworten. Zuerst sollte die Leiche gefunden werden. Ich müsste dann ins Detail gehen. Schritt für Schritt mich an die Sache und den Mörder herantasten. Irgendwann hätte ich einen Hinweis, dem ich selbstverständlich nachgehen würde.“

„Aber ich gebe Ihnen keinen Hinweis.“

„Doch. Ihre Körpersprache würde Sie irgendwann verraten.“

„Aber am Telefon können Sie meine Körpersprache nicht sehen.“

„Jedoch kann ich Ihre Stimme hören. Bei manchen Wörtern werden Sie nervös. Da sprechen Sie dann viel schneller. Ihre Stimmlage verändert sich auch. Wie Sie merken, gibt es da einige Möglichkeiten.“

„Nicht bei mir. Meine Stimme ist immer gleich. Ich hab das unter Kontrolle.“

„Das glauben nur Sie. In Wahrheit gibt es ganz feine Unterschiede.“

„Liebe Zuhörer, ich denke an dieser Stelle benötigen wir wieder eine kurze Pause. Nach der Werbung melden wir uns wieder“, unterbrach die Moderatorin das unangenehme Gespräch.

Schichta gönnte sich einen großen Schluck Kaffee. Er atmete tief durch und war dann wieder bereit für dieses eigenartige Spiel.

„Simon, Sie sind wieder an der Reihe“, meldete sich die Moderatorin.

„Irgendwie macht das keinen Spaß. Ich werde hier nicht ernst genommen“, sagte Simon und legte auf.

„Simon hat uns leider verlassen. Haben wir noch weitere Anrufer?“

„Ja, hier ist Bernadette. Herr Kommissar hat Sie dieser Anrufer nicht nervös gemacht? Also mich schon. Was, wenn er tatsächlich ein Mörder ist?“

„Hallo, Bernadette. Ich denke nicht, dass dem so ist. Er ist jemand, der sich wichtigmachen will. Wäre er tatsächlich ein Mörder, hätte er mehr Interesse daran gezeigt, dass ich ihn oder das Opfer finde.“

„Ist das tatsächlich so?“

„Ja. Jemand der sich stellt, will mit seiner Tat entweder Aufmerksamkeit erregen oder er will mit dem Töten aufhören. Simon zeigte keinerlei Hinweise, weder auf das eine noch auf das andere.“

„Aber vielleicht hatte er genau das damit im Sinn. Er hat doch jetzt die Aufmerksamkeit, die er wollte und er hat den berühmten Herrn Kriminaloberkommissar nachdenklich gemacht.“

„Ja, das ist im Prinzip richtig. Aber er hat selbst das Gespräch beendet. Wollte er echtes Interesse erreichen, hätte er unter irgendeinem Vorwand wieder angerufen. Mich hat er damit nicht verunsichert. Ich gebe nichts auf Geschichten. Ich halte mich rein an Fakten.“

„Vielleicht versucht er das, kommt aber nicht durch, weil alle Leitungen besetzt sind.“

„Bernadette, an Ihnen ist eine Kriminalpsychologin verloren gegangen. Ihr Gedankengang gefällt mir. Wenn Sie einen Job suchen, melden Sie sich bei mir. Danke, noch einmal. Was sind Sie eigentlich von Beruf? Wenn ich fragen darf.“

„Volksschullehrerin, wieso?“

„Jetzt verstehe ich Ihr Einfühlungsvermögen und Ihren Gedankengang. Danke.“

„Ich danke auch. Und nehmen Sie sich vor Simon in Acht. Ich wette, er ruft noch einmal an.“

Dann war das Gespräch beendet.

„Okay, also Simon, rufen Sie bitte noch einmal an, damit wir unser Gespräch beenden können“, sagte Schichta fordernd.

Die Stunde verging wie im Flug. Viele interessante Fragen wurden gestellt, aber auch viele unnötige.

Nachdem sich Schichta von den Hörern und der Moderatorin verabschiedet und bedankt hatte, ging er schnurstracks zu seinem Auto und fuhr direkt nach Hause.

Nach Hause, wie gut das für ihn klang. Seit Nicole bei ihm wohnte, war es zu einem echten Zuhause geworden. Er freute sich schon auf sie, so wie jeden Tag, wenn er heimfuhr, auch wenn sie um diese Uhrzeit wahrscheinlich schon schlafen würde.

Dann kam ihm plötzlich wieder Simon in den Sinn. Sollte er sich ernsthafte Gedanken über diesen seltsamen Kerl machen?

Nein, im Moment wollte er nur zu seiner schlafenden Schönheit unter die Decke schlüpfen.

Simon hatte nicht noch einmal angerufen.

Alles Weitere konnte bis morgen warten.

Kapitel 2

„Guten Morgen. Gab es etwas Besonderes in der Nacht? Denn angerufen hat mich niemand“, fragte Schichta sein Team, als er um 8 Uhr morgens sein Büro betrat.

„Nein, die Nacht war sehr ruhig“, antwortete Roman, der die Info von der Nachschicht erhalten hatte.

„Gut, dann sehen wir uns die liegengebliebenen Akten durch. Wenn ihr etwas Interessantes habt, gebt mir Bescheid. Ich arbeite meinen Papierkram ab. Sehen wir uns später zum Mittagessen in der Pizzeria?“, fragte er seine Leute.

„Ja, geht klar“, riefen alle gleichzeitig.

Kaum in seinem Büro angekommen, läutete sein Telefon.

„Schichta?“, nahm er ab.

„Guten Morgen, Herr Kommissar, hier spricht Doktor Schreiberling, der neue Gerichtsmediziner.“

„Guten Morgen, Herr Doktor. Wie kann ich Ihnen behilflich sein?“

„Ich denke, ich habe einen Fall für Sie.“

„Oje, das klingt nicht gut. Um welchen Fall handelt es sich.“

„Ich habe heute Nacht eine weibliche Leiche auf meinen Tisch bekommen. Sie sollten sich das unbedingt anschauen. Es ist viel zu kompliziert, um es am Telefon zu erklären.“

„In Ordnung. Aber ich hab gar keine Info bezüglich eines Mordes erhalten“, sagte er verdutzt.

„Dazu kann ich Ihnen nichts sagen. Ich weiß nur, dass ich hier eine Tote habe und das sieht eindeutig nach Mord aus.“

„Okay, ich schnapp mir noch einen Kollegen und wir kommen zu Ihnen. Bis dann, Herr Doktor“, antwortete Schichta, der gespannt war, was der Mediziner ihm unbedingt zeigen musste.

„Roman, hast du Zeit?“, rief er beim Vorbeigehen in dessen Büro.

„Ja, wofür brauchst du mich?“

„Ich hab einen sehr eigenartigen Anruf vom neuen Gerichtsmediziner erhalten. Er meinte, ich sollte sofort kommen.“

„Ein neuer Gerichtsmediziner? Was stimmte mit dem anderen nicht?“

„Der ist doch vor einem Monat in Pension gegangen“, klärte Schichta ihn auf.

„So alt hätte ich den gar nicht eingeschätzt. Na gut, worum geht’s?“

„Das konnte er mir nicht wirklich sagen. Er meinte, er habe eine weibliche Leiche, bei der die Todesursache eindeutig Mord war. Was mit ihr geschehen war, wäre zu schwer zu erklären, ich müsse es mit eigenen Augen sehen. Das hat mich neugierig gemacht. Kommst du mit oder nicht?“

„Na klar. Jetzt hast du mich auch neugierig gemacht. Wobei ich nicht verstehe, was los sein könnte. Laut den Kollegen gab es keine Vorfälle. Na, da bin ich mal gespannt, was da wieder auf uns zukommt“, meinte Roman.

„Ich auch. Lass uns meinen Wagen nehmen, der steht direkt vor der Türe“, sagte Schichta, und gemeinsam verließen sie das Gebäude.

Während der kurzen Autofahrt bis zur Gerichtsmedizin im neunten Wiener Gemeindebezirk, rätselten beide, worum es sich bei der mysteriösen Toten handeln könnte.

„Weshalb konnte der Mediziner nichts sagen?“, sagte Roman eher zu sich selbst als zu Schichta.

Dieser ignorierte die Frage, da er sowieso keine Antwort darauf hatte.

Sie würden es bald erfahren und darüber gar nicht glücklich sein.

Bei der Gerichtsmedizin angekommen, suchten sie sofort Doktor Schreiberling auf.

Schichta klopfte an dessen Türe.

„Ja, kommen Sie herein“, antwortete der Mediziner, während er den beiden Kommissaren bereits die Türe öffnete.

„Guten Tag, Herr Kommissar, ich hab Sie angerufen. Mein Name ist Jannick Schreiberling.“

„Guten Tag, Herr Doktor. Schön, Sie kennen zu lernen. Na ja, nicht ganz, wenn Sie verstehen. Das hier ist mein Kollege, Roman“, stellte er ihn vor.

„Ich verstehe vollkommen. Bitte kommen Sie weiter. Ich bin überzeugt davon, dass Sie das persönlich sehen wollen. Übrigens, die Tote wurde in den Kammerspielen gefunden.“

„Na, da bin ich mal gespannt.“

Doktor Schreiberling ging zu den Kühlfächern, öffnete eines davon und zog die Lade heraus. Er sah kurz zu den Kommissaren, ob diese auch tatsächlich bereit waren. Als er von beiden ein Nicken bemerkte, nahm er die Abdeckplane ab und in genau diesem Moment blieb Schichta und Roman der Mund offen stehen. Jetzt verstanden es beide. Das konnte man nicht erklären, man musste es wahrlich selbst sehen.

„Wie ist denn das passiert?“, fragte Schichta entsetzt.

„Ich warte noch einige Test ab. Aber der Schädel wurde ganz sicher mit einer einfachen Säge unbeholfen aufgesägt. So eine, wie man sie in jedem Baumarkt bekommt.“

„Warum sollte jemand das tun?“

„Das müssen Sie herausfinden, Herr Kommissar. Ich kann Ihnen nur erzählen, was die Autopsie zeigt.“

„Was genau sehen wir denn hier?“, fragte Roman, der noch immer unter Schock stand.

„Bis jetzt konnte ich feststellen, dass die Frau so um die 20 Jahre alt ist. Bevor sie starb, hat sie sich mehrmals erbrochen. Ihre Schädeldecke wurde aufgesägt, das Gehirn freigelegt und mit irgendeinem runden Holzstiel wurde darin herumgestochert. Ich habe kleine, teils abgerundete Splitter entdeckt.“

„Was war die Todesursache?“, wollte Schichta wissen.

„Genau kann ich es erst nach den diversen Testergebnissen sagen. Ich denke aber, Sie starb durch das Öffnen des Schädels.“

„Sie lebte noch, als der Kopf geöffnet wurde?“, fragte Roman schockiert.

„Ja, das ist so gut wie sicher.“

„O.k., Doktor, danke. Sie hatten Recht, das kann man nicht so einfach erklären. Ich bin aber nicht davon überzeugt, dass ich das tatsächlich sehen wollte.“

Bei dieser Aussage verzog Schichta sein Gesicht zu einer angewiderten Miene.

An Roman gerichtet, meinte er: „Wir haben ja schon einiges gesehen, aber das gehört eindeutig zu den widerlichsten Dingen.“

Roman stimmte ihm mit einem Nicken und Achselzucken zu.

Beide Kommissare bedankten und verabschiedeten sich.

Doktor Schreiberling hielt Schichta jedoch auf.

„Ich hab bei dieser Sache kein gutes Gefühl, Herr Kommissar. Erklären kann ich es nicht, aber mein Bauch sagt mir, das war noch nicht alles.“

„So etwas kenne ich auch. Und mein Bauchgefühl stimmt mit Ihrem überein. Hier stimmt definitiv etwas ganz und gar nicht“, meinte Schichta.

„Übrigens hier ist die Telefonnummer und der Name des Polizisten, welcher mich verständigt hatte, um die Leiche abzuholen. Vielleicht kann er Ihnen weiterhelfen.“

Der Mediziner reichte Schichta einen Zettel und verabschiedete sich.

Dann verließen die beiden Ermittler die Räumlichkeiten der Gerichtsmedizin.

Wieder im Auto sitzend, schüttelten Herbert und Roman ihr Köpfe. Beide hatten denselben Gedanken: „Was wird jetzt wieder auf uns zukommen?“

Rasch fuhren sie zurück ins Büro.

Dort angekommen, trommelte Schichta sein Team zusammen und erzählte von den Neuigkeiten.

„Roman und ich waren gerade in der Gerichtsmedizin. Der neue Mediziner, Doktor Schreiberling, rief mich an, um mir etwas zu zeigen. Er hatte eine weibliche Leiche, etwa 20 Jahre alt mit gespaltenem Schädel auf dem Tisch. Es handelt sich eindeutig um Mord“, fasste Schichta kurz zusammen.

„Es war widerlich. Der Kopf wurde regelrecht aufgesägt, und man erkannte, dass im Gehirn herumgewühlt wurde“, meldete sich auch Roman zu Wort.

„Das ist ja ekelhaft!“, rief Gabriel vor Bestürzung aus.

„Ja, das ist es. Also, Leute, das übliche Prozedere geht wieder los. Valentin, bitte setz dich mit dem Beamten in Verbindung, der die Leiche gefunden hat. Frag bitte auch nach, weshalb wir nicht verständigt wurden. Hier ist sein Name und die Telefonnummer.“ Schichta überreichte ihm den Zettel, welchen er von Doktor Schreiberling erhalten hatte.

„Christoph, versuch herauszubekommen, um wen es sich bei der Leiche handelt. Rainer, du startest einen Aufruf nach Zeugen. Die Tote wurde in den Kammerspielen gefunden. Da gibt es sicher jemanden, der etwas gesehen hat. Lukas, frag bitte