"Und dann kam Joe..." - Sonja Schreiber - E-Book

"Und dann kam Joe..." E-Book

Sonja Schreiber

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Beschreibung

Die zehnjährige Julie lässt sich von ihrer yogabegeisterten Mutter überreden, an einer Traumreise teilzunehmen. Dabei ahnt sie nicht, dass diese ihr ganzes Leben auf den Kopf stellen wird. Als die Meditationsübung schon fast zu Ende ist, passiert das Unglaubliche: Ein riesiges Kamel mit Kaugummi im Mund und stylischer Sonnenbrille steht plötzlich direkt vor ihr und stellt sich Julie kurze Zeit später als ihr neuer Weggefährte Joe vor. Nichtsahnend, dass ausgerechnet die außergewöhnliche Freundschaft mit einem Kamel ihr durch die schwierigste Zeit ihres bisherigen Lebens helfen wird. Mit Joe und seinem fliegenden Teppich erlebt sie nicht nur ein spannendes Abenteuer, sondern wird auch vor die Aufgabe gestellt, die Welt vor einer großen Gefahr zu bewahren. Verpackt in eine spannende Fantasiegeschichte lernen Kinder spielerisch, mit herausfordernden Zeiten besser umzugehen.

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Seitenzahl: 130

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Sonja Schreiber wurde am 17.08.1978 in Mühldorf am Inn geboren und studierte Soziologie, Sozialpsychologie und Pädagogik an der LMU in München. Bereits während ihrer Schulzeit absolvierte sie ein Auslandsjahr am französischen Gymnasium La Bruyère in Versailles und entdeckte dort ihre große Liebe zu Frankreich, Sprachen und Menschen. Auch die Schauspielerei und das Schreiben von Kurzgeschichten gehörten von klein auf zu ihren Steckenpferden. Sie wirkte in Fernsehproduktionen mit und verfilmte ihre eigenen Drehbücher. Nach ihrem Studium assistierte sie mehrere Jahre dem englischen Designchef von Rolls-Royce und seinem Team bei BMW. Heute lebt die zweifache Mutter mit ihren Kindern in Dorfen, verwaltet Immobilien und schreibt Bücher.

Ein Buch in Liebe geschrieben für meine Kinder

Danke, dass es euch gibt!

Inhaltsverzeichnis

1 Das Meditationsexperiment

2 Die rasante Snowboardfahrt

3 Das Weihnachtsfest

4 Der Traum

5 Auf Spurensuche

6 Eine fantastische Reise und eine etwas andere Familienvorstellung

7 Joes Geheimnis

8 Mamas geheimnisvoller Kolibri

9 Endlich mehr über Joes Geheimnis

10 Homeschooling

11 Das Wunder von Abu Simbel

12 Der Plan

13 Die Begegnung mit dem verschleierten Wesen

14 Philipps Geheimnis

15 Die Eingebung

16 Joe als Verbündeter – der Beginn der Reise

17 Der Aktendiebstahl

18 Brasilien, wir kommen

19 Vorbereitungen für den großen Einsatz

20 Die Reise zum Ursprung und die große Entdeckung

21 Kampf in der Schlucht

22 Rückkehr in mein neues, altes Leben

23 Wiedersehen mit Joe und eine große Party

Danksagung

1 Das Meditationsexperiment

Es gibt Dinge im Leben, die glaubt einem keiner, und wenn ich meine Geschichte nicht selbst erlebt hätte, würde ich sie mir wahrscheinlich auch nicht abnehmen. Alles veränderte sich mit dieser einen Begegnung und von da an wurde mein gewohntes Leben komplett über den Haufen geworfen. Doch bis dahin fing eigentlich alles ganz unspektakulär und völlig normal an …

Es war der Tag vor Heiligabend. Einer meiner Lieblingstage im Jahr. Der Duft von frischen Plätzchen hing in der Luft. Aus Mamas altem CD-Player trällerte es Kinderweihnachtslieder und die noch lauwarmen Vanillekipferl in meinem Mund schmeckten so unfassbar lecker, dass ich am liebsten alle auf einmal gegessen hätte. Endlich Weihnachten, dachte ich glücklich.

Erst jetzt bemerkte ich eine teigverschmierte Kinderhand, die sich heimlich drei Plätzchen auf einmal schnappte und diese eiligst in den dazugehörigen Kindermund stopfte. Es war mein kleiner Bruder Philipp, der mich triumphierend angrinste.

»Hey, ich will auch noch welche und vor allem müssen die noch für morgen reichen!«, rief ich aus meinem Tagtraum gerissen. Energisch schloss ich die Dose mit den Kipferln und verstaute sie hoch oben auf dem Schrank, sodass der Plätzchendieb keine Chance mehr hatte.

»Du bist gemein. Du Doofkopf!«, schrie Philipp und hatte dabei große Mühe, dass ihm keins seiner Beuteplätzchen aus dem Mund fiel.

Mama eilte aufgeregt mit der Weihnachtsbaumdekoration aus dem Keller herein und entdeckte schnell das Problem. Schmunzelnd nahm sie meinen kleinen Bruder in den Arm. »Du hattest jetzt aber wirklich genug.« Ihr schwarzer Pulli bekam dabei von seinen Schmutzfingern Mehl ab, was sie allerdings nicht merkte. »Komm, wir machen was anderes Tolles!«, meinte sie aufmunternd. »Ich habe eine klasse Idee, eine wunderbare, neue Entspannungsübung, das macht richtig Spaß! Und danach dürft ihr was schauen!«

»Hmmm«, murrte Philipp nur, verschränkte die Arme und ging aus dem Wohnzimmer.

Mama bemerkte überrascht ihr schmutziges Oberteil. »Wasch dir wenigstens noch die Hände, wenn du schon nicht mitmachen willst!«, rief sie Philipp hinterher. Doch der war bereits über alle Berge.

»Na gut, dann halt nicht!« Sie zog ihre Schultern hoch und stand fragend vor mir.

Mama war ein begeisterter Yoga-Fan und das sehr zu unserem Nachteil. Manchmal kam sie mit den eigenartigsten Übungen aus ihren Verrenkungskursen zurück. Die wollte sie dann unbedingt Philipp und mir auch noch erklären. Es würde unsere Entwicklung extrem fördern, meinte sie immer. Wir fanden die meisten Aufgaben echt seltsam und durchgeknallt, aber bis auf ihr komisches Yoga-Ding war meine Mama natürlich die beste der Welt und voll in Ordnung.

Auffordernd guckte sie mich noch immer an. Ich starrte irritiert zurück, als wüsste ich nicht mehr, was sie gesagt hatte.

»Komm schon«, säuselte sie, »es dauert auch nur fünfzehn Minuten und macht wirklich Freude. Und danach darfst du eine halbe Stunde was pädzen.«

So war unser Ausdruck für die Zeit, die wir am iPad verbringen durften. Eigentlich wollte ich bei ihrem Yoga-Meditationszeug gar nicht mitmachen, aber ich konnte meiner Mama nur schwer einen Wunsch abschlagen und die Aussicht auf eine extra halbe Stunde iPad zog bei mir leider immer. »Na gut«, antwortete ich gequält.

Mama sauste zufrieden los, um etwas zu holen, und kam kurze Zeit später strahlend mit zwei CDs und in einem sauberen Pulli wieder zurück. Eine Decke wurde auf dem Wohnzimmerteppich ausgebreitet und wir setzten uns im Schneidersitz gegenüber. Abrupt stoppten die schönen Weihnachtslieder, als Mama ihre neue CD einlegte. Ich hatte währenddessen heimlich den Timer ihres Handys gestellt und ihn unter der Decke versteckt. Fünfzehn Minuten und keine Sekunde länger, dachte ich mir, als auf einmal eine Kling-Klong-Musik vom Feinsten ertönte. Dazu schreckliches Flötengequietsche. Ein Mann trällerte ein »Om«. Oje, so was hatte ich schon befürchtet! Ich beneidete Philipp um seine Flucht und die Ruhe in seinem Zimmer. Doch ich schloss, wie sie es wollte, die Augen. Dabei tat ich so, als ob ich mich entspannen würde.

Begeistert von meinem Einsatz erklärte mir meine Yoga-Mama jetzt, was wir vorhatten. In einer stillen Meditation, also ohne Worte, sollten wir uns für alle schönen Momente des letzten Jahres beim Universum bedanken. Denn Dankbarkeit sei der Schlüssel für ein zufriedenes Leben, erklärte sie mir. Ich nickte nur. Gelangweilt ließ ich das Lied über mich ergehen und musste mich sehr darauf konzentrieren, nicht einzuschlafen. Das versuchte ich mir natürlich nicht anmerken zu lassen. Schließlich stand eine Menge auf dem Spiel. Heimlich blickte ich, nachdem das furchtbare Lied endlich geendet hatte, auf den Timer. Sieben Minuten waren schon vorbei. Puh, fast die Hälfte geschafft! Meine Mama lächelte mich glücklich an und legte eine weitere CD ein. Doch auch der zweite Teil ihres Programms schien leider nicht besser zu werden. Ich sollte meinen Wegbegleiter, mein Krafttier, für das nächste Jahr visualisieren. Das heißt, ich sollte es mir so vorstellen, dass ich es vor mir sah. Noch schlimmer: Ich sollte es sogar anziehen! Was für ein Unsinn, dachte ich mir. Dieser Yogakurs müsste wirklich verboten werden.

Ich konnte mir natürlich keinen begleitenden Engel oder so was Ähnliches vorstellen. Aber die Musik war diesmal richtig cool, ein schönes Tanzlied. Ich wippte im Takt mit. Aus meinem Augenwinkel heraus konnte ich beobachten, wie sich Mama über meine Teilnahme freute. Doch auf einmal passierte etwas Unglaubliches.

Vor mir stand ein riiiiiiesiges Kamel mit roter Nikolausmütze und einer riiiiesigen verspiegelten Sonnenbrille und grinste mich an.

Ich erstarrte! Ich spürte mein Herz in meiner Brust aufgeregt schlagen und hätte mir vor Aufregung beinahe in die Hose gemacht. Das Kamel sah mich aufmerksam an, formte eine große, pinke Kaugummiblase und ließ diese mit einem lauten Knall platzen, während es stylische Tanzbewegungen machte. Ich war verwundert und fasziniert zugleich. Im nächsten Augenblick drehte es sich um und bewegte gekonnt seinen Po schwungvoll hin und her. Vor Erstaunen hatte ich meinen Mund weit geöffnet. Ich rieb mir die Augen, wagte aber nicht, sie zu öffnen. Das Kamel tanzte unbeirrt weiter und kam mit einem vierblättrigen Kleeblatt im Mund auf mich zu. Was war nur mit mir los? War ich jetzt total irre? Ein kaugummikauendes Trampeltier konnte doch kein ernstzunehmender Wegbegleiter sein! Bei einem Krafttier hat man ja eher einen starken Löwen oder einen mächtigen Adler im Kopf, aber doch bitte nicht so eine Witzfigur!

Da setzte auf einmal ein ohrenbetäubendes Geräusch ein. Ich zuckte zusammen und riss panisch meine Augen auf. Ein kalter Schauer lief mir den Rücken hinunter. Auch Mama hatte entsetzt die Augen geöffnet. Erst jetzt fiel mir wieder mein Timer unter der Decke ein. Ich hatte aus Versehen den Sirenenton eingestellt und das Telefon mit dem Lautsprecher verbunden. Schnell griff ich nach dem versteckten Handy und schaltete es aufgeregt aus, während mich meine Mama kopfschüttelnd betrachtete. Ich schloss erneut meine Augen, um mich wieder auf das Kamel zu konzentrieren. Doch es war weg und das Lied war leider aus. Ich sah mich im Raum um. Nichts! Es war verschwunden.

Mama blickte mich ein bisschen enttäuscht an: »Hat dir nicht gefallen, oder?«

Ich konnte nichts sagen. Erst als sie ihre Frage wiederholte, antwortete ich ihr. »Sorry. Doch. Gut. Mein Krafttier ist wohl ein tanzendes Kamel mit einer Nikolausmütze auf dem Kopf. Das war wirklich gut.«

Mama schien mir nicht recht zu glauben. »Ehrlich?«, fragte sie mich skeptisch. »Ein Kamel mit einer Mütze?«

»Mit einer Nikolausmütze«, verbesserte ich sie. Mehr wollte ich aber von meiner verrückten Begegnung auf keinen Fall preisgeben. »Darf ich jetzt?«

Sie nickte nur.

Eilig zog ich mich mit dem iPad in mein Zimmer zurück. Ich fand es sehr schade, dass der schöne Traum vorbei war und dass ich das Kamel mit dem Timer verscheucht hatte. Dennoch konnte jetzt meine Schauzeit beginnen und die fiel deutlich länger aus. Doch, um ehrlich zu sein, konnte ich eh nur an die lustige Begegnung mit dem Kamel denken. Ich fragte mich, ob ich es wohl jemals wiedersehen würde. Gewünscht hätte ich es mir auf jeden Fall schon.

2 Die rasante Snowboardfahrt

Das Wohnzimmer war fertig geschmückt und alle freuten sich schon auf den kommenden Tag. Nach dem Abendessen und dem Zähneputzen ging ich in mein Zimmer. Ich setzte mich auf meine Eckfensterbank, drehte eins meiner Lieblingslieder laut auf und starrte aus dem Fenster. Von meinem Zimmer aus konnte ich die ganze Siedlung überblicken. In der Ferne leuchtete unsere Kleinstadt in einem herrlichen Lichtermeer. Ich weiß, es war albern, aber immer wieder suchte mein Blick nach etwas Ungewöhnlichem in den Straßen. Natürlich wusste ich, dass es sehr unwahrscheinlich war, dass gleich ein Kamel mit Nikolausmütze um die Ecke kommen würde, aber schön wäre es halt schon gewesen. Ich konnte diese Begegnung einfach nicht vergessen. Beim Gedanken an seine coolen Moves und den Hüftschwung musste ich lachen. Auf einmal klopfte es. Mein Herz fing aufgeregt an zu schlagen und ich stellte die Musik schnell auf Pause. »Herein«, rief ich.

Die Tür öffnete sich und Mama schaute in mein Zimmer.

»Ach du bist`s«, sagte ich, ehrlich gesagt etwas enttäuscht.

»Wer denn sonst?«, fragte sie mich schmunzelnd. »Erwartest du jemanden? Etwa ein Kamel mit Nikolausmütze?« Mama kannte mich einfach zu gut.

»Nein, natürlich nicht. Passt schon!«, erwiderte ich grinsend.

»Gute Nacht, Mami!« Ich lief auf sie zu und umarmte sie innig an der Tür. Auf längere Gespräche hatte ich an diesem Abend keine Lust mehr.

»Gute Nacht«, antwortete Mama und blieb still im Türrahmen stehen. »Jetzt machst du bitte die Musik aus und gehst ins Bett. In Ordnung?«

»Mache ich. Schlaf gut.«

Sie warf mir noch eine Kusshand zu und schloss die Tür. Nachdem ich meine zwei bunten Lichtergirlanden angeknipst hatte, hüpfte in mein Bett und machte das große Zimmerlicht aus. Ich versuchte einzuschlafen, doch ich konnte nicht. Eine Ewigkeit drehte ich mich ruhelos hin und her. Viel zu aufgewühlt war ich noch von dem aufregenden Tag.

Ich schaute auf mein Handy. 22:47 Uhr. Schon über eine Stunde lag ich wach. Ich stand wieder auf, holte mir ein Blatt Papier und Stifte und fing an zu zeichnen. Das Kamel. Ich versuchte, mich an jedes Detail zu erinnern, und malte es, so gut ich nur konnte, nach. Selbst den weißen Bommel an der roten Mütze hatte ich nicht vergessen. Ich betrachtete das Bild aufmerksam. Es hatte Ähnlichkeiten mit den Dinos, die ich sonst immer für meinen kleinen Bruder malte, aber schließlich war es das erste Kamelbild meines Lebens. In meiner Bastelkiste kramte ich nach einer Folie für die verspiegelte Sonnenbrille.

Ich war, zugegeben, eine Sammlerin, sehr zum Leidwesen meiner Eltern. Jedes Verpackungsmaterial hob ich auf, um etwas Aufregendes daraus zu basteln, und mein Zimmer war meist mit kleinen Schnipselresten und meinen Kunstwerken übersät, die dann nach einer Weile wieder auf magische Weise aus meinem Zimmer verschwanden. Ich fand tatsächlich eine schimmernde Folie, schnitt daraus zwei große Sonnenbrillengläser aus und klebte sie auf mein Bild. Fertig! Ein paar Minuten betrachtete ich es. Dann kroch ich zufrieden zurück in mein Bett, schaltete laut gähnend das Licht aus und versuchte erneut, einzuschlafen.

Doch kurze Zeit später geschah etwas Merkwürdiges. Zunächst vernahm ich ein seltsames Rascheln, dann hörte ich eine Jungsstimme ganz in meiner Nähe.

Jemand sagte: »Nicht schlecht!«

Ich sprang panisch auf und sah mich um. Ich drehte mich im Kreis, konnte aber nichts entdecken. Es war wie in diesen Albträumen, wo man schreien möchte, aber keinen Ton herausbekommt. Ich hatte einen Kloß im Hals. Vor Schreck zitternd versuchte ich, zu meiner Zimmertür zu laufen. An meinen Socken klebten die Plastikschnipsel und meine Bastelkiste blockierte meinen Fluchtweg. Ich stieß mir das Bein an. Aua!

Auf einmal bemerkte ich das Kamel im Laternenschein an meinem Eckfenster lehnen. Es hielt mein Bild geschickt zwischen den Hufen und betrachtete mich amüsiert. Ich blieb stehen. Ehrlich gesagt, sah es nicht sehr bedrohlich aus. Eher wie ein viel zu groß geratenes, flauschiges Stofftier. Es hatte keine Mütze mehr auf. Dafür ein T-Shirt mit der Aufschrift: PEACE.

Das Tier legte meine Zeichnung zur Seite und blickte mich abwartend an. Nein, es wirkte wirklich nicht bedrohlich, eher ein wenig beleidigt. Es drehte seinen Kopf immer wieder ruckartig von mir weg, so wie es auch mein kleiner Bruder machte, wenn ich ihm was weggenommen hatte.

Doch dann fing es an zu reden: »Weißt du, nicht sehr nett, wenn man beim Kennenlernen gleich so beleidigt wird!«

Ich war verwirrt und stand regungslos da.

»Von wegen, kein Löwe oder Adler. Witzfigur hast du mich sogar genannt! Ich habe sehr wohl auch kraftvolle und durchaus sehr wertvolle Eigenschaften! Ich bin zum Beispiel sehr ausdauernd. Ich kann lange Durststrecken spielerisch meistern. Da ist jeder Löwe oder Adler in der Zeit schon längst verdurstet! Ich kann in fünfzehn Minuten zweihundert Liter Wasser trinken. Das soll mir erst mal jemand nachmachen! Ich kann sogar drei Wochen komplett ohne Wasser auskommen. Ein wahrer Überlebenskünstler eben und ein super Tänzer. Von wegen Trampeltier, hast du meine Schritte gesehen? Sahen die für dich trampelig aus? War übrigens ein Moonwalk. Der war früher mal total in. Frag deine Eltern.« Nach einer kurzen Pause ging sein Vortrag weiter: »Unter einer netten ersten Begegnung stelle ich mir was anderes vor. Schließlich hast ja du mich gerufen!« Das Kamel drehte sich sichtlich gekränkt weg.

Ich wusste gar nicht, wie mir geschah. In meinem Zimmer saß ein schmollendes Tier, das auch noch meine Gedanken lesen konnte. Wie hätte es sonst wissen können, dass ich an einen Löwen gedacht hatte? Für einen Moment war ich sprachlos und meine Hände waren schweißgebadet. Dann fing ich an, Mut zu fassen, und stotterte los: »Ohhh, dddas tut mmmir echt leid. Das war gar nicht so gemeint. Ich wollte dich auf keinen Fall verletzen. Es war einfach nur so witzig, wie du mit deinem Kaugummi und der Mütze vor mir her getanzt bist.«

Es drehte sich kurz zu mir um: »Stimmt genau, witzig sind wir Kamele nämlich auch.«

Doch da hatte es sich schon wieder weggedreht.

»Sorry, ich wollte dich nicht beleidigen! Können wir noch mal von vorne anfangen? Das war wirklich blöd von mir.«

Es schwieg, die Hufe weiterhin überkreuzt.

»Kamele fand ich wirklich schon immer besonders toll und du bist ehrlich ein unfassbar guter Tänzer. Ich tanze auch so gerne.« Ich ging zögernd auf ihn zu und streckte ihm die Hand entgegen. »Ich bin übrigens Julie.«