Und deine Welt, John? - 10.000 Die - E-Book

Und deine Welt, John? E-Book

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Beschreibung

"Bemerkenswert und eindringlich" John hat genug von seinem Leben. Er will mehr aus sich machen. Mit seinem unbändigen Willen stürzt er sich in ein Wagnis. Ein Abenteuer, das er sich nie hätte erträumen können. In einem neuen Land mit beeindruckenden Weggefährten. Es soll ein Raumschiff sein, das ihn ins große Unbekannte katapultiert. An einen Punkt bringt, an dem er glaubte, sein großes Ziel, zu den Sterne zu reisen, erreicht zu haben. Doch wider Erwarten hält das Schicksal noch weit mehr für ihn bereit. Es ist ausgerechnet der Krieg einer außerirdischen Rasse, der es schafft, sein wahres Talent zu Tage zu fördern. Seinem Leben einen ganz besonderen Sinn zu geben. Ein gefeierter Held, der das Unmögliche erreicht und doch alles verliert.

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Seitenzahl: 271

Veröffentlichungsjahr: 2019

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MITWIRKENDE

Wir danken den großartigen, kreativen

Schaffensmeistern/innen unserer Zeit, für ihr

grandioses mitwirken.

Lektorat, Redaktion & Buchsatz:

Cornelia Franke

www.corneliafranke.org

Layout & Design:

Sinaida Kargel, Conscious Design

Projektbetreuung:

Daniela Nemetz, Danielas Designstories

www.danielas-design-stories.com

Iris-Fotografie:

eyesight

www.eyesight-foto.de

Hinter einer jeden Geschichte

verbergen sich tiefgründige Gedanken des

Erzählers und dessen wahrgenommener

Welt.

Werfen Sie einen Blick auf die Webseite

„die10000.com“, um sich mit dem einen

oder anderen wertvollen Aspekt zu

unserem Dasein zu bereichern.

Johns Geschichte dient als Bühne für

ein Weltbild, auf der sich ein

facettenreiches Schauspiel von vielen

verschiedenen Perspektiven,

Gewohnheiten und Wahrheiten abspielt.

Und was erzählt Ihre Geschichte?

INHALTSVERZEICHNIS

Intro

Eine Entscheidung

Eine Reise ins Ungewisse

Ein Lichtblick

Wenn Sie könnten, dann würden Sie!

Wieder im Labyrinth

Eine neue Fabrik

Die ersten Versuche

Zurück zum Ursprung

Evies Bild

Ein neues Problem

Eine Überraschung

Mr. Bartensins Fabrik

Ein unerwarteter Besuch

Das Glück des Mr. Bartensin

Der Unrat der Menschheit

Johns seltsame Träume

Teufels Werk und Gottes Nachgeschmack

Sternenkarten

Aufbruch ins Unbekannte

Ein gelungener Flug?

Ein dunkler Riese

Daumenkarussell

Die 500

Ein mentales Upgrade

Eine neue Reise

Eine neue Zukunft

Ein neues Weltenreich

Eine neue Berufung

Ein Krieg geht zur Neige

Ein Garten

INTRO

BRENNE, BLUTE, LEBE, LIEBE!

Worin erkennen wir den Sinn des Lebens? Ich würde sagen gar nicht. Es würde zum besseren Verständnis wohl Sinne des Lebens heißen. Wir alle suchen den einen perfekten Weg durch unser Leben, doch den gibt es nun mal nicht. Jedes Leben hält eine Vielzahl von Möglichkeiten offen, die erst nach und nach einen jeden Menschen zu einem einzigartigen Meisterwerk machen. Vergleichbar mit einem Baum. Jede Richtung, die wir gehen, und jede Entscheidung, die wir treffen, verändert das Blattwerk unseres Daseins. Erst nach und nach zeigt sich das Ausmaß unserer Bemühungen. Welche zu starken Ästen heranwachsen, die die Früchte unseres Lebens tragen. Je mehr wir lernen und nach Wachstum streben, um so prachtvoller entwickelt sich diese Krone. Eine wunderschöne Vielfalt an Fassetten. Die Schutz im Sturme bietet, und Schatten spendet, wenn des Himmels Feuer brennt.

Nichts kann diesen strahlenden Lebenszauber ersetzen. Wir sollten regelmäßig in Ruhe innehalten, und das Glück und die Liebe durch uns hindurchfließen lassen. Die Faszination im Moment erleben. Ein Moment der Dankbarkeit. Der unendlichen Glückseligkeit. All das Leben niemals für selbstverständlich erachten. Denn der nächste Winter kommt bestimmt. Genießen wir die Pracht, die uns umgibt.

Ein Geschenk und Wunder. Im Sonnenlicht erblüht ein Meisterwerk, ein in Anmut gleißend heller Stern. Vergessen wir allerdings nicht, dass wir nur im Ganzen vollkommen sind. Der einzeln Baum, er bricht im Wind. Der Wald jedoch, hält Stand im Sturm.

John ist einer dieser Bäume. Sehen wir uns an, ob seine Krone über die der anderen hinausragt. Ob seine Wurzeln tief genug im Boden verankert sind, um ihm festen Stand zu versprechen, um nicht umzuknicken, wenn die Lasten von Schnee und Eis unerträglich

werden.

EINE ENTSCHEIDUNG

„Immer wieder der gleiche Trott.“ Der junge John kickte mürrisch eine leere Dose zur Seite. Er und sein alter Schulfreund waren gerade auf dem Weg in die nächste Kneipe, um sich ein kühles Bier zu genehmigen. Ihr tägliches Ritual.

Sie arbeiteten im Schichtbetrieb in einer der Produktionshallen des nahegelegenen Werks, die Einzelteile für Raumschiffantriebe stanzte. John war die Unzufriedenheit über sein derzeitiges Leben buchstäblich ins Gesicht geschrieben. Oder eben gestanzt.

Eigentlich wollte er auf die Akademie für neue Technologien gehen und, später einmal, seinen eigenen interstellaren Antrieb entwickeln. Stattdessen war er den Erwartungen seiner Umgebung gerecht geworden. Wie jeder seines Standes hatte er die nächstbeste Arbeitsstelle angenommen. An der Möglichkeit, seinen eigenen Weg zu gehen und der Welt seinen Stempel aufzudrücken, hätte es ja nicht gefehlt. Es hatte wohl eher an seinem Selbstvertrauen gelegen und an den Zweifeln, dass es kein Kind aus der untersten Schicht der Gesellschaft zu etwas Großen brachte. An Klugheit mangelte es ihm allerdings nicht. In seiner Zwei-Zimmer-Wohnung stapelten sich die Bücher über Nano- und Antriebstechnologie sowie massenhaft Autobiographien derer, die er bewunderte. Er war immer der Meinung, dass er aus den Lebensgeschichten derer etwas lernen könne, die er verehrte, um es ihnen gleichzutun.

Während sein Freund mit seinem Leben glücklich war, und sich bereits das dritte Bier bestellte, kritzelte John eine Zeichnung nach der anderen auf die Bieruntersetzter.

„Das müsste doch eigentlich funktionieren“, stammelte er vor sich hin.

„Lass gut sein. Such dir lieber eine Freundin.“ Sein Kumpel setzte das Bierglas an und gaffte dabei der Kellnerin in den Ausschnitt. John schwieg lieber. Er wusste, dass seine stille Seite nicht allzu gut beim weiblichen Geschlecht ankam.

Eigentlich wollte John nur rasch nach Hause, um sein „The Great Live“-Profil zu checken. „The Great Live“ war sozusagen das Nachfolgermodell von Facebook. Eine Social-Media-Plattform, auf der man sich, sein Leben, seine Ideen sowie Erfindungen präsentieren konnte.

Kaum jemand bewarb sich heute noch bei den großen Firmen um einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz. Das Überangebot von jungen aufstrebenden Talenten hatte zur Folge gehabt, dass sich die Konzerne eine Plattform schufen, mit der sie sich ihre führenden Mitarbeiter und Techniker inklusive der gewinnbringenden Ideen aussuchten. Dadurch ersparten sie sich zudem die langwierigen Auswahlverfahren.

Auch John hatte stundenlang an seinem Profil herumgebastelt, bis es ihm einigermaßen zusagte. Leider schien sich niemand für seine Idee eines innovativen Raumschiffantriebs zu interessieren. Ganz im Gegenteil. Diejenigen, die auf sein Profil stießen, verhöhnen und verspotten ihn dafür sogar. Klar, sein Konzept, weg von Feststoff- und hin zum Sublichtantrieb, stellte komplettes Neuland dar.

Ein Raumschiff, das mit Hilfe von in sich rotierenden Minisonnen angetrieben wird, war so absurd wie die Auffassung, dass der Mensch telepathische Kräfte besäße.

Einzig die immer gut gelaunte Evie hatte stets ein positives Wort für Johns Erfinderreichtum übrig. Sie verstand zwar nicht das Geringste von dem, was John so von sich gab, aber scheinbar mochte sie seine Faszination über Raumschiffe und die Erforschung der Weiten des Weltalls. Evie arbeitete in der Bar, in der sich John und sein Kumpel jeden Abend ein Bier genehmigten. Sie empfing die Beiden stets mit einem Lächeln, so auch heute, anscheinend versüßten sie ihr die Arbeit. Nun ja, John zumindest. Seinen Freund empfand sie als widerwärtig, um es mit ihren Worten zu sagen.

John hatte etwas an sich, das ihn von all den Anderen abhob: Er wagte noch zu träumen. Ganz im Gegensatz zu dem Rest der Trunkenbolde in der Bar. Diese hatten sich längst damit abgefunden, dass sie bis ins hohe Alter schwer für ihren Lebensunterhalt arbeiten würden. Und das ohne Anerkennung, oder die Aussicht, auf einen angenehmen Ruhestand.

John hatte schon sehr lange ein Auge auf Evie geworfen, es aber nie gewagt, sie zum Tanzen aufzufordern oder überhaupt mit ihr auszugehen. War doch ihr derzeitiger Freund der Sohn des Kneipenbesitzers. Auch wenn er ein stumpfsinniger Muskelprotz war, der es nicht einmal schaffte, den Zapfhahn richtig zu bedienen, schien sie glücklich mit ihm zu sein. Wenigstens hatte er Unterhaltungswert.

John schüttelte den Kopf und versank wieder in seiner Bierdeckelwissenschaft. Was er allerdings nicht wusste, war, dass Evie seine bekritzelten Untersetzer aufhob. Irgendwie konnte sie Johns Ideen etwas abgewinnen oder sie hoffte darauf, dass John doch eines Tages den großen Durchbruch schaffte. Die Unter-setzer wären dann mit Sicherheit einiges mehr wert. Wer würde denn nicht die Entwürfe eines anerkannten Genies kaufen wollen?

Und so glich ein Tag dem anderen. Arbeiten, Bier, Schlafen. Und dazwischen vom großen Triumpf träumen.

Halb trunken verließ John später die Bar. Während sein Freund wahrscheinlich die nächste Kneipe aufsuchte, verzog John sich in seiner Junggesellenbude. Sein Magen machte sich bemerkbar, er hatte seit der Früh nichts mehr gegessen. Ein oder zwei Toasts würden auf die Schnelle reichen.

Wie so oft saß er am Küchentisch und starrte auf die graue Hauswand des Nachbargebäudes. Voller Jähzorn sprang er plötzlich von seinem Stuhl auf und knallte das Essbesteck in den Abwasch. „So kann ich nicht weitermachen.“ Scheinbar hatte ihm das Schicksal einen Tritt verpasst. „Jetzt oder nie.“

Er beschloss, seine Arbeitsstelle aufzugeben, all seine Sachen zu verkaufen, und ins verfeindete Nachbarland auszuwandern. Wer weiß, vielleicht wartete dort das große Glück auf ihn. Die Tatsache, dass er sich bis zu seinem Lebensende, mit den Begebenheiten seines Arbeitsplatzes abfinden müsse, hielt er einfach nicht mehr länger aus. Die einzige Alternative, die für ihn in Frage kam, war, sein Leben ausnahmslos nach seinen Vorstellungen umzugestalten. Auch wenn dies eine sehr ungewisse Zukunft bedeuten würde. Lag doch sein Vaterland und dessen Nachbar seit Jahrzenten im Streit über die Eigentumsrechte eines riesigen Mineralfeldes, das sich zu allem Übel, auf neutralem Gebiet, weit draußen auf dem Ozean befand. Beide behaupteten für sich, dieses als erstes entdeckt zu haben, und damit das alleinige Abbauanrecht zu besitzen. Da allerdings keiner einen Krieg riskieren wollte, aber die Mineralien unabkömmlich für die Antriebstechnik waren, vollzogen beide Nationen einen regelrechten Raubbau des Vorkommens. Leider ohne Rücksicht auf die Natur, oder die Arbeitsbedingungen ihrer Beschäftigten.

Es verstand sich von selbst, dass jedes der beiden Länder die klügsten Köpfe für sich haben wollte, um sich so den entscheidenden Vorteil im ewigen Wettlauf von technischen Errungenschaften der Raumfahrt zu sichern. Und genau da witterte John seine Chance. Wenn schon niemand in seinem Land ihm Gehör schenken wollte, dann vielleicht im Nachbarland. Wäre es doch eine riesige Genugtuung für dieses, wenn es eine neue Technologie vorweisen könnte, die aus dem Kopf eines Wirtschaftsflüchtlings stammte.

Einfach wird es nicht, das war John klar, aber wer nicht wagt, der nicht gewinnt.

Um kein großes Aufsehen zu erregen, behielt er seinen Plan auch vorerst für sich, und beschäftigte sich klammheimlich mit der Umsetzung. Die ganzen Unterlagen und ein Sammelsurium von persönlichen Erinnerungsstücken wollte er nicht so einfach aufgeben. Bis er sie nachholte, musste er sie schlichtweg irgendwo bunkern. Nur wo? Seinem Freund konnte er sie unmöglich geben. Der würde bei der erstbesten Gelegenheit jeden von seinem Vorhaben erzählen. Da wüsste innerhalb kürzester Zeit jeder Bescheid und dies brächte ihn in permanente Erklärungsnot. Außerdem würde er dann in den Fokus der Staatsgewalt geraten, die ihn wiederum aufgrund von Staatsverrat die Ausreise verweigern, oder, für ihn noch schlimmer, seine wissenschaftlichen Unterlagen beschlagnahmen könnte. Also kam bloß die reizende Evie in Frage.

Auch wenn sie sich kaum kannten, irgendetwas gab ihm die Zuversicht, dass sie ihm helfen würde. Sie war Johns einzige Hoffnung.

Ach, Augen zu und durch, dachte sich John und ging am nächsten Abend zu ihr. John hatte Glück. Als er bei ihr an der Wohnungstür anklopfte, öffnete ihm eine etwas zerzauste Evie.

„Hallo John. Was führt dich denn zu mir?“

„Ach, war gerade in der Gegend, und dachte, ich schau mal vorbei.“

Evie hatte anscheinend noch bis vor Kurzem geschlafen. „Komm doch rein. Ich brauch noch eine Minute, bis ich ganz wach bin.“

„Ok. Danke.“ John trat in Evies Wohnung und schloss die Türe hinter sich. „Bist du allein hier?“

„Ja, mein Freund ist in der Bar.“ Etwas schlaftrunken, entschuldigte sich Evie über die peinliche Unordnung in ihrer Wohnung. Sie schnappte ein paar ihrer Klamotten, die überall verstreut herumlagen und ging Richtung Küche. Über den überraschenden Besuch war Evie so aus der Fassung, dass sie es versäumte, Johns Kritzeleien unauffällig im Regal verschwinden zu lassen.

„Wie üblich ein kühles Bier?“

„Nein, ... ach, was soll‘s. Ja, bitte“, erwiderte John, der nicht wusste, wie er mit seinem Anliegen an Evie herantreten sollte. Erst mal stumpfsinniger Smalltalk. Das ist die Lösung!, dachte sich John. Der Rest wird sich schon irgendwie ergeben.

„Setz dich doch!“, hallte es aus der Küche.

Auf der Suche nach einem freien Platz auf dem Sofa, das nach wie vor mit Bergen von Kleidern und Büchern bedeckt war, stieß John auf seine Zeichnungen.

„Du hebst die auf?“ Verwundert runzelte John die Stirn, „Was hast du denn mit denen vor?“

Evie, die gerade den Kühlschrank öffnete und nach zwei Bier griff, verfiel kurz in Schockstarre. Was sollte sie ihm jetzt als Antwort geben? Sie knallte die Kühlschranktür zu und ging zurück ins Wohnzimmer. Etwas verlegen, wohl gemerkt.

„Ach nichts weiter.“

Und schon zauberte sie eine Halblüge hervor. Sie hebe alle bemalten Untersetzer auf. Sie schätzte nämlich sehr die künstlerische Ader eines jeden Menschen. Immerhin wollte sie ja mal Kunst studieren und später einmal ihre eigenen Gemälde verkaufen. Doch die liebe Geldnot hatte sie dazu veranlasst, die erstbeste Stelle anzunehmen. Anfangs nur halbtags. Um sich über Wasser zu halten, und um nebenbei einen Abendkurs zu besuchen. Doch als ihr Chef sie mehr oder minder zwang, auch die Spätschicht zu übernehmen, hatte sie ihre Zukunftspläne endgültig an den Nagel gehängt.

Evie wollte auf jeden Fall verhindern, dass er glaubte, sie sähe mehr in ihm als nur einen Stammkunden. Die Möglichkeit, die sie sich erhoffte, durch John irgendwie aus ihrer aussichtlosen Lebenssituation herauszukommen, könnte ihn vielleicht veranlassen, all die Bieruntersetzer wieder mitzunehmen. Waren diese doch zweifelsohne sein geistiges Eigentum.

„Ach so, na dann.“ John zuckte kurz mit den Schultern, und legte die Bierdeckel wieder beiseite.

Sichtlich erleichtert drückte sie John das Bier in die Hand.

„Auf die Kunst“ scherzte Evie und stieß mit ihm an.

John ließ den Blick schweifen und bemerkte, wie schön sie ihre Wohnung eingerichtet hatte. Sehr dekorativ. Voller Lebensfreude, die er zuvor noch bei keinem anderen zu Gesicht bekommen hatte. Evie, wieder ganz sie selbst, wurde schnell klar, dass er etwas von ihr bräuchte, und ging erst gar nicht auf das belanglose Geschwafel ein.

Mit ihren wunderschönen blauen Augen fixierte sie John. „Also, raus mit der Sprache. Wegen meinen Möbeln bist du sicher nicht gekommen.“

Wenn auch anfangs etwas zögerlich, stotterte John dann sein Vorhaben von seiner Seele. Tat ihm ganz gut, jemanden davon zu erzählen, allerdings erwartete John Widerstand, und dass sie ihm sein Vorhaben ausreden würde. Doch ganz im Gegenteil. Voller Bewunderung strahlte Evie über das ganze Gesicht. „Wahnsinn, dass hätte ich nie von dir erwartet. Was ist es? Mut oder Verzweiflung, das dich zu einem so tollkühnen Abenteuer treibt?“

„Eigentlich will ich eine Frau zum Mond schießen“, erwiderte John mit einem breiten Grinsen.

Evie verdrehte die Augen. „Na klar, unser Frauenheld, wäre besser du schießt deinen Freund zum Mond. Wie um alles in der Welt bist du denn eigentlich zu dem gekommen? Ihr beide seid doch grundverschieden.“

John verzog nachdenklich das Gesicht. „Das ist eine gute Frage. Er ist so wie ein Parasit. Irgendwo mal eingefangen, wird man ihn schwer wieder los. Aber nein, wir sind miteinander aufgewachsen und er gehört eben zum Leben dazu, so, wie der Gang auf die Toilette.“

Evie schüttelte den Kopf. „Du bist ein schräger Vogel. Du bist irgendwas zwischen niedlich und wahnsinnig. Komisch eben. Aber ich helfe dir. Kannst ruhig deine Sachen bei mir bunkern.“

John war froh, dass das Gespräch so reibungslos verlaufen war. Er machte sich auch gleich auf den Weg, um den ersten Karton zu holen. Er musste doch die Gunst der Stunde nutzen. Zum Glück war auf Evie Verlass. Sie behielt Johns Pläne für sich, und half ihm auch bei der Übersiedelung seiner Sachen. Jeden Abend nach der Arbeit ging sie bei ihm vorbei, um wieder eine Schachtel zu holen. Wenn die Beiden alles auf einmal von Wohnung zu Wohnung geschafft hätten, dann wäre dies sicher aufgefallen. Auf Gerüchte, die sich dadurch ergeben hätten, hatte definitiv keiner der Beiden Lust.

Zu Johns Erstaunen war Evie sehr angetan von seinen Ideen. Bisher hatte er immer gedacht, dass sie bei ihren Kommentaren auf seinem Profil bloß nett sein wollte, und sich im Grunde nichts daraus machte. Außerdem war er erstaunt über ihre Begeisterung für die Kunst und ihrem ursprünglichen Traumberuf einer Malerin. Obwohl sich die Beiden fast jeden Tag begegneten, ahnte keiner, was für ein Mensch im Gegenüber wirklich steckte. Tag für Tag verstanden sich die Beiden immer besser, machten Faxen, und blödelten in der Bar bei den gewohnten Feierabendbieren herum. Bis Evies Freund die Eifersucht befiel und Evie sogar verbot, John länger zu sehen und zu bedienen. Evie blieb somit keine andere Wahl und hielt sich wieder mit der Freundschaft zu John zurück.

Es spielte für John nahezu keine Rolle mehr. Der Tag des großen Aufbruchs stand unmittelbar bevor.

EINE REISE INS UNGEWISSE

An einem trüben Montagabend machte sich John auf den Weg, um sich noch schnell bei Evie zu verabschieden. Fast bei dem Haus angekommen, in dem sich Evies Wohnung befand, erblickte er ihren Freund. Dieser verbrannte wohl gerade etwas in einer Tonne vor dem Mietshaus. John blieb vorsichtshalber in sicherer Entfernung stehen, um vorerst abzuwarten. Erst als er verschwunden war, huschte John zum Klingelbrett, doch Evie war nicht Zuhause. John konnte allerdings nicht auf sie warten, immerhin hatte er bereits seinen Zug gebucht. Also schob er schnell eine Nachricht unter der Tür durch, und eilte wieder auf die Straße. Die Zeit für einen neugierigen Blick in die Tonne genehmigte er sich dennoch. Hätte er es besser sein gelassen. Entsetzt musste er feststellen, dass die verkohlten Überreste einst sein ganzes Hab und Gut waren.

Verbissen krallten sich seine Hände an den Rand der Tonne fest. Alles, was er über die Jahre hinweg angesammelt hatte, und für ihn wichtig war, war jetzt nur noch Ruß und Asche. „Die blöde Schlepperei hätte ich mir auch sparen können“, gab John lautstark von sich, „so ein verdammter hirnloser Halbaffe. Was glaubt der eigentlich, wer er ist?“ Er war außer sich vor Wut, schnaufte ein paar Mal, kniff die Augen zusammen und schleuderte die Tonne mit einem kräftigen Stoß gegen die Hauswand. Es war alles dahin.

John gab noch ein paar Flüche zum Besten und kehrte dann fuchsteufelswild den Überresten seiner Vergangenheit den Rücken zu. Mit verbissener Miene und dem kalten Wind im Nacken machte John sich auf den Weg zum Bahnhof.

Verdrießlich bestieg er seinen Zug. Nie wieder würde er zurückzukommen, was auch immer passieren mochte. Dass Evie es zuließ, dass all seine Sachen in Rauch aufgingen, machte ihm sehr zu schaffen.

Als der Zug ein paar Kilometer vor der Grenze in den Endbahnhof einfuhr, hatte John sich wieder beruhigt und plante sein weiteres Vorgehen. So einfach konnte er nicht über die Grenze marschieren. Erstens fehlten ihm die nötigen Papiere, und zweitens auch das richtige Kleingeld. Die anständigen Zollbeamten besserten ihren Lohn bekanntlich gerne etwas auf.

Die gut gesicherte Grenze konnte man nur an ein paar Stellen mit einem Visum überqueren. Und das wiederum war dementsprechend schwer legal zu bekommen. Vermutete doch ein jedes Land, ausspioniert zu werden. Also musste eine alternative Strategie her. Nur zu gut wusste John, dass er bei dem Versuch, die Grenze zu überschreiten, Hilfe von Menschen brauchte, die er auf offener Straße nicht entdecken würde. Das wäre zu schön gewesen. Am besten noch mit einem Schild in der Hand: „Vormittags Schlepper, nachmittags Schmuggler.“

Nur wo sollte er nach ihnen suchen? Mit den wenigen Sachen, die er mit sich trug, machte er sich auf den Weg durch die Stadt. Stets schweifte sein Blick in die engen Seitengassen, in der Hoffnung, dass er einen Hinweis erblicken würde. Nach zwei Stunden und einigen unliebsamen Begegnungen, bei denen man ihm von der Taschenuhr bis hin zur Leber alles andrehen wollte, erhaschte er dann, in einer vollkommen verwahrlosten Gasse, eine Schalunke zweifelhaften Charakters. Genauso hatte er sich einen Ort vorgestellt, an dem sich alle möglichen Gesetzesbrecher versammeln würden.

Mit einem lauen Gefühl im Magen betrat er die Bar. Ob es vom Hunger kam, oder doch von der Angst, dass er gleich ein Messer im Rücken zu stecken hatte, konnte er nicht unterscheiden. Stets seine Sachen fest umklammert, setzte er sich zwischen zwei Bikern an den Tresen. Immer höflich sein, dachte sich John und grüßte ganz freundlich. Mehr als ein mürrisches Knurren erwiderten jene allerdings nicht.

Der Barkeeper musterte ihn vom Scheitel bis zur Sohle, und stellte ihm unaufgefordert ein Glas Bier hin. Auch wenn Johns Erscheinen so ganz und gar nicht ins Bild passte, konnte er nur das eine dort wollen. Ein ordentlich bekleideter junger Mann, mitten unter Kriminellen, die allesamt mit Narben und Tattoos überseht waren? Mut hatte John allemal, und jetzt aufzugeben und wieder zurückzugehen, kam für ihn ohnehin nicht in Frage. Also riss er sich am Riemen, und fragte den Barkeeper, ob er von jemanden wisse, der im helfen könnte, die Grenze zu überqueren. Der Barkeeper setzte daraufhin ein unverschämtes Grinsen auf, und rief in den Raum: „Habt ihr das mitbekommen? Der Junge hier will doch tatsächlich auf die andere Seite.“

Lautes Gelächter grollte durch den Raum.

„Niemand hier wagt es, die Grenze illegal zu übertreten. Tut mir Leid, Kleiner, aber am besten du gehst wieder nach Hause.“

Sollte es das gewesen sein? Endstation? John versank in seinen Gedanken, ohne mitzubekommen, wie die Stunden verflossen.

„Sperrstunde, Kleiner.“ Der Barkeeper drehte die letzten Stühle um und schickte John auf die Straße. Mit hängenden Schultern wendete sich John wieder Richtung Bahnhof.

Plötzlich stupste ihn jemand von hinten in den Rücken.

„Ich weiß, wie du rüberkommst.“ Ein kleiner Junge stand hinter ihm und setzte ein breites Grinsen auf.

„Du?“, erwiderte John ungläubig. „Du willst wissen, wie man rüberkommt?“

„Ja, komm, ich zeig es dir.“ Der kleine Junge schien es ernst zu meinen.

John zögerte kurz. Zuckte mit den Schulten und lief ihm dann doch hinterher. Er hatte ohnehin keine andere Lösung in Aussicht, und mehr als das ihm der kleine Junge auf der Nase herumtänzeln würde, konnte ihm ja auch nicht passieren.

Auf dem Weg durch die finstersten Gassen erzählte der Junge, dass er schon viele Male die Grenze überquert hatte. Einst war dies ein Bergbaugebiet gewesen, und die Stollen verliefen auch unter der Stadt. Aber als das Rohstoffvorkommen erschöpft gewesen war, schloss man die Mine und sprengte sämtliche Eingänge. „Nur noch hin und wieder erinnert ein Lüftungsschacht an das einstig unterirdische Labyrinth. Niemand würde es allerdings wagen, dort hinunter zu steigen“, sagte der Junge mit einem Grinsen. Keiner wusste über den Zustand der Stollen Bescheid, und alle die es trotzdem wagten, wurden nie wiedergesehen.

Der kleine Junge kannte einen sicheren, gut verborgenen Einstieg. Es war ein Lüftungsschacht versehen mit Edelstahlbügel, die als Leiter dienten. Vermutlich war dies ein Notausstieg einer Pumpstation, die einst als Vorsichtsmaßnahem für in die Stollen eindringendes Regenwasser gebaut wurde.

In den Minen konnte der Junge ungehindert spielen, und keiner machte ihn für irgendetwas verantwortlich. Sie waren sein Reich.

Mit erhöhtem Puls und schwitzigen Händen bestieg John die Mine. Zu seiner Überraschung war dise, trotz der Tatsache, dass sie seit fast einem Jahrhundert leer stand, in einem sehr guten Zustand. Mit zwei Taschenlampen ausgerüstet machten sich die Beiden auf den Weg durch die unterirdische Welt. Tiefer und tiefer ging es in das Labyrinth aus Transportgängen und Abbauhallen, der kleine Junge kannte sich aus. „Ich komme seit vier Jahren fast täglich hier runter“, erklärte er, „und suche nach verwertbaren Sachen. Die verkaufe ich dann am Schwarzmarkt, um meiner Familie und mir etwas Luxus zu gönnen.“ Was auch immer für ihn als Luxus galt. Wahrscheinlich bereits ein Burger in der nächstbesten Imbissbude. In einer Lagerhalle für Material und Werkzeug bestieg der kleine Junge einen alten Container, eine einstige Schaltzentrale der führerlosen Kräne und Stapler. Zumindest nahm das John an, der mit seinem spärlichen Taschenlampenlicht durch den Container leuchtete. Selbstsicher, als würde er sein ganzes Leben lang nichts anderes gemacht haben, drückte der kleine Junge auf ein paar Knöpfe. John erschrak kurz, als plötzlich die gespenstige Stille der Unterwelt wieder zum Leben erwachte.

„Hier bleiben wir, bis die Nacht wieder hereinbricht“, bemerkte der Junge, „dann führe ich dich zum Ausgang.“

Überwältigt von dem Anblick der riesigen Lagerhalle, die im Scheinwerferlicht ihre ganze Pracht, aus dutzenden Containern, Kränen und Kabelsträngen, die teils lose von der Decke hingen, offenbarte, willigte John mit einem knappen „Ok“ ein. Kaum zu glauben, dass alles noch funktionierte. Nach ein paar Stunden, in denen sie die übrig gebliebenen Lagercontainer besichtigten, wurde es Zeit aufzubrechen. In der aufkommenden Dunkelheit konnten die Beiden unbeobachtet den Stollen durch ein Entwässerungsrohr verlassen. Unfassbar, dass einst beide Länder diese Mine betrieben hatten. Wie sich die Zeiten änderten. Die einstige enge und freundschaftliche Beziehung der beiden Staaten, nur mehr in den Monumenten eines unterirdischen Reiches zu erahnen. Aber darüber wollte und konnte sich John jetzt keine Gedanken machen.

Er bezahlte den Jungen, bedankte sich ganz herzlich bei ihm, und zog schnellen Schrittes weiter. Hinter ihm verschwand sein Führer zurück in sein Reich, stolz etwas Geld verdient zu haben. Nach einem stundenlangen Fußmarsch durch unwegsames Gelände, brach endlich der nächste Tag herein. John fand dann auch dementsprechend schnell das nächste Dorf. Er hoffte dort jemanden zu finden, der ihm in die nächste Stadt mitnehmen würde. Fragen kostet ja nichts, auch wenn ihm nicht ganz wohl dabei war. Immerhin hatten die Einwohner solcher kleinen Dörfer nicht gerade den Ruf, zuvorkommend auf Fremde zu reagieren. Er sollte allerdings wieder einmal überrascht werden. Die hiesige Bevölkerung machte einen freundlichen Eindruck. Dementsprechend schnell erklärte sich auch ein älterer Herr bereit ihn mitzunehmen. Auf dem langen Weg in die Stadt kamen die Beiden allmählich ins Reden, woher John so herkäme und wohin es ihn verschlug. Skeptisch erzählte er, dass er eine neue Erfindung gemacht hätte, und jetzt auf der Suche nach jemanden sei, der ihm bei der Verwirklichung helfen könnte.

„Die jetzige Regierung hat alle Ressourcen und Rohstoffe in die Entwicklung einer neuen Antriebstechnik gesteckt, die für sie am vielversprechendsten galt. Allerdings zum Leidwesen aller anderen Optionen, denen keinerlei Unterstützung zugekommen ist. Höchst wahrscheinlich, um die Unfehlbarkeit der Behörden nicht zu verunglimpfen. Viele vermuteten hinter der Auswahl und Vergabe an einer regierungsnahen Gesellschaft Korruption. Jedoch wagte es niemand dies vor Gericht zu bringen. Alles andere wird weder gefördert noch unterstützt“, erklärte der Mann mit dumpfer Stimme. „Man müsse doch mit den anderen Staaten mithalten können. Der Wettlauf zu anderen Planeten, um dort neue Rohstoffquellen zu erschließen, ist eben Priorität Nummer eins. Selbst die einst so hoch angesehenen, und auf der ganzen Welt bewunderten Sozialresorts, die Medizin, Kunst und Kultur förderten, wurden ein Opfer des Konkurrenzkampfes der Staaten.“ Auch wenn der alte Mann einen teilweise unverständlichen Akzent hatte, John hörte ihm interessiert zu. Von klein auf hatte man ihm eingetrichtert, dass die Menschen in diesem Staat sehr sturköpfig und unfreundlich wären. Das war wohl Propaganda der Regierung, um ein schlechtes Bild auf den verfeindeten Staat und dessen Bevölkerung zu werfen.

Trotz der trüben Aussichten, die ihm auferlegt wurden, wollte er es versuchen. Wenn ihm schon der Staat nicht unterstützen würde, könnte er vielleicht einen reichen Sponsor finden. Das wäre nicht das erste Mal, dass solch jemand einer neuen Idee etwas abgewinnen konnte, und sich auf ein waghalsiges Unternehmen einlassen würde. Wenn er es bis hierhergeschafft hatte, dann würde er auch das hinbekommen.

Endlich in der Stadt angekommen, trennten sich die Wege der Beiden auch schon wieder. John bedankte sich, wünschte dem alten Mann noch alles Gute, und marschierte schnellen Schrittes seines Weges. Er wollte keine Zeit verlieren und erhoffte sich, im Amtsgebäude Auskunft über Firmen zu bekommen, die nicht nur neue Technologien einsetzten, sondern auch für deren Entwicklung ein gewisses Interesse hätten. Doch nachdem John eine Ewigkeit wartete, bis ein Beamter Zeit für ihn hatte, wurde er unerledigter Dinge fortgeschickt. Ohne gültige Ausweispapiere würde dieser keine Auskünfte herausgeben. Ein Problem, mit dem John bereits gerechnet hatte.

Erst einmal ein billiges Zimmer suchen, dachte sich John.

Er musste sich mal richtig ausschlafen und seit dem Aufbruch aus seiner alten Heimat hatte er keinen Bissen in den Magen bekommen. Ein paar Stunden später, am Rand der Stadt, hatte er endlich eine billige, einigermaßen annehmbare Unterkunft gefunden.

Außerdem gab es in der Nähe jeden zweiten Tag einen Markt, auf dem er sich mit günstigen Lebensmitteln eindecken konnte. Mit freudiger Erwartung auf den nächsten Tag legte sich John an diesen Abend schlafen. Er würde schon irgendwie irgendjemanden finden, der ihm bei der Verwirklichung seiner Idee helfen würde. Waren die Menschen hier doch viel hilfsbereiter, als er sich ursprünglich gedacht hatte. Und wo es hilfsbereite Menschen gibt, da gibt es auch eine Lösung.

EIN LICHTBLICK

„Was für ein unglaublich herrlicher Tag.“ Auch wenn sich der Tag meteorologisch kaum von denen davor unterschied, ließ Johns Wahrnehmungsfilter nur einen „rosaroten“ Anstrich zu.

John, der gerade das Hotel verlassen hatte, verharrte regungslos vor der Eingangstür. Er ließ sich die wärmenden Sonnenstrahlen ins Gesicht scheinen. Ungeachtet der Schönheit, die man in einer grauen, zugemüllten Seitengasse vorfand, die nach allem nur nicht nach Rosen duftete, musste John dann auch weiterziehen. Noch ein tiefer Atemzug, der bei jedem anderen Menschen einen Brechreiz hervorgerufen hätte, und dann marschierte John grinsend Richtung Stadtzentrum; zu dem nächstgelegen Markt.

„Erst einmal etwas Nahrhaftes zur Stärkung kaufen, und dann die Welt verändern.“

John, der nach den Strapazen der letzten Tage wieder frohen Gemüts war, mischte sich unter die Menschenmassen des Marktplatzes. Langsam schlenderte er an den Verkaufsständen vorbei. Nicht nur Bauern, die ihre eigenen Erzeugnisse anboten, hatten sich ausgebreitet, nein, auch allerlei andere Händler aller erdenklicher Gebrauchsgegenstände. Da waren Kaufleute mit Kleidung, Schmuck, Haushaltsgeräten, und, und, und... Was John allerdings verblüfte, war, dass die Menschen hier nicht nur die altbewährten Sachen verkauften, die jeder kannte, es war auch allerhand Neues dabei. Oder zumindest für John. Nicht nur die außergewöhnlichsten Gemüsekreuzungen, die man als Vitaminbomben anpries, sondern auch allerhand Erfindungen, die das alltägliche Leben erleichtern sollten. Da bot doch tatsächlich ein Händler einen Staubsauger an, den man mit nur wenigen Handgriffen zum Mixer umbauen konnte. John musste schmunzeln. Gerade noch die Speisereste von der letzten Mahlzeit unter dem Tisch aufgesaugt, und schon hatte man die erste Zutat für den nächsten Kuchen. John strich voller Faszination durch das Getümmel, und nahm jede auch noch so kleine modifizierte Gerätschaft genau unter die Lupe. Immerhin konnte man daraus etwas lernen. Wenn er es auch für unwahrscheinlich hielt, jemals irgendetwas davon gebrauchen zu können.

Gerade als er bei einem Bäckersstand angekommen war, um sich mit einem himmlisch duftenden Brötchen zu verwöhnen, regte sich ein Tumult ganz in seiner Nähe. Neugierig, was wohl der Auslöser für die helle Aufregung war, schummelte er sich durch die Menschenmassen. Ein gut gekleideter Mann hielt gerade eine der zahlreichen neuen Erfindungen in der Hand, und verhandelte mit dem Händler über den Wert. Was würde der denn mit so einem Schrottgerät wollen?, dachte sich John. Es handelte sich um eine nur laienhaft zusammengezimmerte Tischlampe, die nebenbei auch als Luftbefeuchter fungieren sollte.

Aber zu seiner Verwunderung erstand der Herr die Lampe, und zog mit breiten, zufriedenen Grinsen weiter. In der Annahme, dass der Händler ihm übers Ohr gehauen hatte, sprach John den gut betuchten Herrn an. „Entschuldigen Sie der Herr, ich will mich ja nicht in Ihr Kaufverhalten einmischen, aber wissen Sie eigentlich, was Sie da in den Händen halten? Das ist doch der reinste Mist. Sehen Sie sich doch einmal die…“

Verwundert über Johns unverfrorenes Auftreten unterbrach er ihn auch so gleich. „Wissen Sie denn nicht, wem Sie gerade im Wege stehen?“

„Nein“, erwiderte John und setzte seine Ansprache über den Tischlampenraumbefeuchter fort.

Rasch schilderte er die schwerwiegenden Mängel, die das Gerät aufwiesen. Johns überdurchschnittlich gutes Wissen über Verarbeitung und Mechanik seiner neuesten Errungenschaft schien den guten Mann wohl zu faszinieren. Kurzerhand steckte er John seine Visitenkarte in die Hand. „Wenn du nach einer gut bezahlten Arbeit suchst, dann melde dich bei mir. Ein junger Mann, der in technischen Fragen einiges im Köpfchen hat, und dies auch umzusetzen weiß, würde ganz gut in mein Unternehmen passen.“

John, der immer noch nicht begriffen hatte, um wen es sich hier eigentlich handelte, nahm die Visitenkarte dankend an, und fügte hinzu, dass er es sich überlegen würde.

„Nun gut“, bemerkte der reiche Herr, und ging unbeirrt seines Weges. John blieb mit erstauntem Gesichtsausdruck noch eine Weile stehen und starrte auf die Visitenkarte.

„Mr. Edwiq Bartensin. Was für ein komischer Name.“ John runzelte kurz die Stirn, und steckte die Karte in seine Hosentasche.

Für John war der Markt ein eindrucksvoller Ort. Während die Passanten und Händler einen eher hektischen Eindruck hinterließen, vergaß John vollkommen die Zeit. Er genoss förmlich das bunte Treiben und die Vielfalt der angebotenen Produkte. Allerdings verschmolz er etwas zu sehr mit der Atmosphäre. Erst am späten Nachmittag, als die Händler ihre Stände abzubauen begannen, wurde John von der Zeit wieder eingeholt. Eigentlich wollte er bloß eine Stunde dort verbringen, maximal zwei. Einen Unterstützer für seine Pläne zu finden, würde wohl bis Morgen warten müssen. Mit einen Rucksack voller Lebensmittel und einigen Erfahrungen reicher, erreichte John einigermaßen erschöpft wieder seine Bleibe, ließ sich müde ins Bett fallen, und zog sich die Bettdecke über seinen Kopf.

„Mal sehen, was Morgen auf mich so wartet.“ „Krkrkrkrk.“