Und plötzlich ist es wunderbar - Mhairi McFarlane - E-Book

Und plötzlich ist es wunderbar E-Book

Mhairi McFarlane

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Beschreibung

Wie behältst du deinen Traum-Mann, wenn ihn auch alle anderen wollen? Bestseller-Autorin Mhairi McFarlane erzählt in ihrem hinreißenden, lustigen und klugen Liebesroman »Und plötzlich ist es wunderbar«, was nach dem Happy End passiert: sehr authentisch und voller echter Gefühle. Edie hatte mit Schauspieler Elliot Schluss gemacht, weil Nottingham und Hollywood einfach nicht zusammenpassen. Aber als er jetzt überraschend vor ihrer Tür steht – ausgerechnet an Weihnachten! –, schlägt ihr Herz Purzelbäume. Ein Blick genügt, und beide wissen, dass sie es nochmal miteinander versuchen müssen. Und vielleicht wird es dieses Mal auch ganz wunderbar. Dummerweise trennt sie nicht nur ein Ozean, wenn Elliot in Hollywood ist: Die Klatschpresse verfolgt sie unerbittlich, und als Edies Freunde zur Story werden, wird es richtig hässlich. Dann stellt Edies Chef auch noch den charmanten Declan ein, der immer zur Stelle ist, wenn sie einen Rat braucht. Bald fragt Edie sich, ob sie und Elliot wirklich ein wahr gewordenes Märchen sind – oder nicht doch eher eine Warnung für alle, die einen Traum unbedingt in die Wirklichkeit zwingen wollen? Authentischer Liebesroman mit echten Gefühlen, jeder Menge Situationskomik und einem Hauch Glamour und Hollywood Mhairi McFarlanes romantische Komödie über die selbstbewusste Edie steckt voller schlagfertiger Dialoge und herzergreifender Momente wie aus dem echten Leben. »Und plötzlich ist es wunderbar« ist die lockere Fortsetzung des Liebesroman-Bestsellers »Irgendwie hatte ich mir das anders vorgestellt«, den die Autorin als ihren persönlichen Lieblingsroman bezeichnet. In »Und plötzlich ist es wunderbar« erzählt sie endlich die Geschichte von Edie und Elliot zu Ende - man kann beide Romane aber unabhängig voneinander lesen. Entdecke auch Mhairi McFarlanes andere RomComs mit Tiefgang und echt britischem Humor: - Wir in drei Worten - Ich glaub, ich will (Kurzroman) - Vielleicht mag ich dich morgen - Es muss wohl an dir liegen - Irgendwie hatte ich mir das anders vorgestellt - Sowas kann auch nur mir passieren - Aller guten Dinge sind zwei - Du hast mir gerade noch gefehlt - Fang jetzt bloß nicht an zu lieben - Between Us – Die große Liebe kennt viele Geheimnisse

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Seitenzahl: 489

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Mhairi McFarlane

Und plötzlich ist es wunderbar

Roman

Aus dem Englischen von Maria Hochsieder

Knaur eBooks

Über dieses Buch

Wie behältst du deinen Traum-Mann, wenn ihn auch alle anderen wollen?

Edie hatte mit Schauspieler Elliot Schluss gemacht, weil Nottingham und Hollywood einfach nicht zusammenpassen. Aber als er jetzt überraschend vor ihrer Tür steht – ausgerechnet an Weihnachten! –, schlägt ihr Herz Purzelbäume. Ein Blick genügt, und beide wissen, dass sie es noch mal miteinander versuchen müssen. Vielleicht wird es dieses Mal ganz wunderbar.

Doch bald stellt sich heraus: Das größte Problem ist nicht, dass sie ein Ozean trennt, wenn Elliot in Hollywood ist. Die Klatschpresse verfolgt sie unerbittlich, und als Edies Freunde zur Story werden, wird es richtig hässlich. Dann stellt Edies Chef auch noch den charmanten Declan ein, der immer zur Stelle ist, wenn sie einen Rat braucht. Bald fragt Edie sich, ob sie und Elliot wirklich ein wahr gewordenes Märchen sind – oder nicht doch eher eine Warnung für diejenigen, die alles dafür tun würden, einen Traum zu leben ...

Weitere Informationen finden Sie unter: www.droemer-knaur.de

Inhaltsübersicht

Widmung

Prolog

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

27. Kapitel

28. Kapitel

29. Kapitel

30. Kapitel

31. Kapitel

32. Kapitel

33. Kapitel

34. Kapitel

35. Kapitel

36. Kapitel

37. Kapitel

38. Kapitel

39. Kapitel

40. Kapitel

41. Kapitel

42. Kapitel

43. Kapitel

44. Kapitel

45. Kapitel

46. Kapitel

47. Kapitel

48. Kapitel

49. Kapitel

50. Kapitel

51. Kapitel

52. Kapitel

53. Kapitel

54. Kapitel

55. Kapitel

56. Kapitel

57. Kapitel

58. Kapitel

59. Kapitel

Ein Jahr später

Danksagung

Für Kay Miles

Prolog

Es ist für dich.«

Edie runzelte die Stirn, als Meg das sagte. Sie zog den Topfhandschuh aus und legte ihn neben die Würstchen im Schlafrock, durchquerte das Esszimmer und quetschte sich an ihrer grinsenden, rotgesichtigen Schwester vorbei. Automatisch nahm Meg die Papierkrone vom Kopf, als passiere sie ein Leichenwagen und nicht die ältere Schwester.

Edie wusste genau, wer an der Tür war, gleichzeitig aber wusste sie es nicht. Absolute Gewissheit gepaart mit zaghafter Hoffnung.

Durch den Cava, den sie beim Kochen des Weihnachtsessens getrunken hatte, war sie bereits etwas wackelig auf den Beinen; jetzt aber hatte sie das Gefühl, eine Wildwasserrutsche hinunterzustürzen.

Der Besucher am anderen Ende der Diele rückte ins Blickfeld, sein Gesicht halb verdeckt von einem riesigen, in braunes Papier gewickelten Strauß weißer Rosen. In Edie explodierte ein ganzes Feuerwerk.

»Haben Rosen zu sehr den Touch von treuloser Ehemann? Ich bin nicht so bewandert im Durch-die-Blume-Sprechen«, sagte Elliot Owen, ließ den Strauß sinken und streckte ihn ihr entgegen.

Er sah irgendwie noch besser aus, als sie es in Erinnerung hatte.

Er trug einen grauen Wintermantel mit hochgestelltem Kragen, dem man ansah, dass er einen Riesen, womöglich sogar zwei gekostet hatte. Sein dunkles Haar, das für eine Rolle ungewohnt kurz geschnitten worden war, war mittlerweile etwas nachgewachsen und fing an, sich zu locken.

Unfähig, etwas zu erwidern, nahm Edie die Rosen mit einem dankbaren »Oh!«entgegen.

»Ich hoffe, du bist nicht sauer, dass ich an Weihnachten einfach so bei euch hereinplatze«, sagte Elliot, und ein besorgter Ausdruck, den sie so gut kannte, trat auf sein Gesicht.

»Nein … Ich bin bloß etwas überrascht, dich zu sehen«, sagte Edie und deutete mit dem Kopf auf die Blumen. »Danke, treuloser Ehemann.«

»Was ich selbstverständlich nicht war«, erwiderte Elliot.

Das Schweigen zwischen ihnen knirschte unüberhörbar, während sie die Bemerkung sacken ließ: zunächst der Gedanke an die Ehe, dann die Vorstellung, dass Elliot ihr unter den gegebenen Umständen untreu werden könnte.

Edie war völlig ratlos, was sie sagen sollte, also blieb ihnen nichts anderes übrig, als einander mit einem sehnsüchtigen Mach-du-den-Anfang-Blick anzusehen. Sie war froh, dass sie sich geweigert hatte, den Haarreif mit den wippenden Weihnachtsmannstiefeln aufzusetzen.

»Eigentlich bin ich nicht nur hier, um mit einem Blumenbouquet aufzutrumpfen«, sagte Elliot schließlich.

»Ich wollte schon sagen, dass die Lieferung bestimmt nicht so viel teurer gekommen wäre«, meinte Edie, die versuchte, einen gewissen Wortwitz und eine Gelassenheit vorzugaukeln, die sie nicht besaß.

Sie war zutiefst gerührt und aufgewühlt, weil er hier war. Gleichzeitig glaubte sie nicht daran, dass Elliot Owen in Mikrodosierung jemals für sie funktionieren könnte. Ihr war flau im Magen wie bei einer Achterbahnfahrt.

Man mochte sie eine Pessimistin schimpfen, aber eine innere Stimme spottete bereits: Schon gut, Liebes, er schaut an Weihnachten mal so eben vorbei, aber denk dran, wie elend es dir nächstes Jahr gehen wird, wenn er wegbleibt. Wenn er nicht kommen kann. Und wenn du weißt, warum.

Genau das war der Grund, warum sie die Sache beendet hatte. Sie würde sich nicht emotional verausgaben, was einer Barfußerkletterung des Burj Khalifa gleichkäme, nur um zu beweisen, dass es unmöglich und der Sturz aus dieser Höhe tödlich war. Was sie beide erlebt hatten, war zu perfekt und schön gewesen, um so zu enden. Es war vorhersehbar, welchen Ausgang das Ganze unvermeidlich nehmen würde.

Und doch war er hier. Und plötzlich war alles andere egal.

Elliot räusperte sich. »Ich wollte sagen …«

Edie blickte über die Schulter, denn hinter ihnen polterte es, und jemand schloss feierlich die Esszimmertür, als hätte die festliche Tischgesellschaft, die angestrengt gelauscht hatte, was dort draußen vor sich ging, beschlossen, dass sich das nicht gehörte.

»Deine Begründung, warum du mit mir Schluss gemacht hast, ist einfach nur Schwachsinn.« Elliots breites Grinsen verriet seine nervöse Erleichterung, weil er endlich gewagt hatte, es auszusprechen, und Edie sein Lächeln immerhin erwiderte.

»Ich habe pausenlos an dich gedacht, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben«, sagte er, während Edie darum bemüht war, eine sachlich-neutrale Haltung zu wahren und ihm nicht geradewegs in die Arme zu fallen. »Du hast gemeint, mein Beruf und du gehen nicht zusammen. Ich würde nicht damit zurechtkommen, dass du hierbleiben willst.«

»So in etwa, ja.« Edie lehnte sich an den Türrahmen, und es sollte beiläufig wirken, aber sie konnte die Stütze ganz gut brauchen.

»… die Sache ist: Du bist mir wichtiger als die Karriere. Warum sollte ich dich dafür aufgeben? Es sollte doch genau umgekehrt sein.«

Trotz der klammen Dezemberluft war Edie heiß und schwindelig. Auf das, was hier geschah, war sie kein bisschen vorbereitet, und ihr blieb nur, die Unsicherheit mit Schnoddrigkeit zu überspielen. »Willst du zum Elektriker oder Klempner umschulen?«

»Immerhin sind das konjunktursichere Berufe«, antwortete Elliot.

»Haha. Du würdest aussehen wie Derek Zoolander als Bergarbeiter.«

»Also gut, ich bin ein Trottel, der nichts anderes kann – und im Großen und Ganzen mag ich die Schauspielerei. Außerdem, irgendwoher muss die Kohle ja kommen für die Rosensträuße, die ich all meinen heißen Bräuten kaufen muss.«

Jetzt lachte Edie. Sie wurde sofort schwach, wenn Elliot den überkandidelten Schauspieler ablegte und sprach, wie ihm der Schnabel gewachsen war.

»Ich bin ganz allein für mein Leben zuständig. Und wenn die Arbeitgeber sich danach richten müssen, dass ich eine Freundin in den East Midlands habe, dann werden sie das eben tun. Ganz einfach.«

Es trat eine Pause ein.

»Elliot …«, setzte Edie an. »Es ist unglaublich, dass du das machen willst.« Sie veränderte den Griff um das braune Papier, in das die Blumen gewickelt waren, und spürte, dass ihre verschwitzten Finger Flecken darauf hinterließen. »Aber ich habe dich ja nicht leichtfertig aufgegeben. Es war die schwerste und vernünftigste Entscheidung, die ich je gefällt habe, aber ich habe mir das wirklich gründlich überlegt, und es gab keine andere Lösung.«

»Du klingst wie meine Mutter, als unser Kater Inspector Boursin eingeschläfert werden musste.«

»Inspector Boursin?«

»Frag nicht – der Name stammte von Fraser. Okay, also. Was ich dir sagen will, jagt mir mehr Angst ein als das Vorsprechen bei Christopher Nolan, bei dem er dreißig Sekunden lang kein Wort sagte, bis von ihm auf einmal ein vages Nicken kam …«

»Namedropping – sogar jetzt«, meinte Edie liebevoll und verdrehte die Augen.

»Ich quassele nur so viel, weil ich nervös bin«, erwiderte Elliot, und ob es ihm bewusst war oder nicht, schon jetzt war Edie verliebter denn je.

»Im Grunde sind die praktischen Fragen irrelevant. Du bist nicht …« Er machte eine Pause und schluckte schwer. »… ersetzbar, Edie.«

»Ha. Na ja, du bist es definitiv nicht.«

Diese Tatsache war allzu offensichtlich. Nach Elliot Owen würde sie sich nicht so einfach mit dem nächstbesten Allerweltskerl zufriedengeben. Sie kam sich vor wie Lois Lane nach einem Flug durch den Nachthimmel mit Superman.

»Ich rede nicht von oberflächlichen Dingen. Die Monate seit unserer Trennung waren der Beweis. Im Grunde wusste ich es schon, als du Schluss gemacht hast, aber damals fehlten mir die Worte. Jetzt ist alles vollkommen klar. Zumindest aus meiner Perspektive. Ich will mich nicht mit einem Händeschütteln verabschieden und in Erinnerungen an dich schwelgen, wenn ich als zahnloser Greis im Schaukelstuhl am Kamin sitze und Quizsendungen anschaue, Edie. Und ich will gar nicht erst versuchen, die Leerstelle, an der du sein solltest, mit anderen Menschen zu füllen. Denn wir haben es noch nicht einmal versucht. Für mich gibt es niemand anderen als dich. Wenn es dir genauso geht, dann sollten wir uns nicht mit dem Was wäre, wenn aufhalten, sondern mit dem Wie.«

Edie brachte kein Wort heraus. Ihre Kehle war wie zugeschnürt, und in ihrem Kopf pochte ein dumpfer Schmerz. Die Erkenntnis, dass ihr soeben ein Überraschungsangebot wahrer Liebe unterbreitet worden war, machte sich als Sinusitis bemerkbar.

Es war nicht nur die überwältigende Bestätigung seiner Liebe, sondern sie begriff mit einem Mal, dass sie ihre eigenen Gefühle so effektiv kleingeredet und geleugnet hatte.

Edie hatte geglaubt, sie würde sich nicht mehr hinter einer sorgfältig konstruierten Fassade verstecken und sich selbst belügen. Offenbar aber stimmte das nicht, denn Elliot hatte ihre Argumente für die Trennung auf den Kopf gestellt.

Er hatte recht: Festzuhalten galt, dass sie sich immer noch aus tiefstem Herzen liebten, und nicht, dass er für die Arbeit viel reisen musste. Er hatte Kompromisse angeboten – und nie verlangt, dass sie von zu Hause wegzog –, und Edie hatte sie trotzdem kurzerhand zurückgewiesen.

Warum? Allen Einwänden von Edie lag die Überzeugung zugrunde: Das Schicksal hat etwas Besseres und Außergewöhnlicheres (als mich) für dich vorgesehen. Sie hatte noch nicht einmal den Versuch gewagt – nicht etwa, weil eine Beziehung mit Elliot tatsächlich undenkbar gewesen wäre, sondern weil Edie so sicher war zu scheitern. Sie hatte beides miteinander gleichgesetzt, dabei waren es zwei grundverschiedene Dinge. Mit diesem Eingeständnis erschien Edies beharrliches Drängen auf eine Trennung plötzlich in einem ganz anderen Licht.

Sie hatte nicht nur Elliot abserviert. Vielmehr hatte sie sich selbst präventiv abserviert.

»Das Einzige, was ich nicht weiß, ist, ob dir der ganze Trubel zu viel ist, der damit einhergeht, mit mir zusammen zu sein. Wenn es so ist, dann verstehe ich das«, fuhr Elliot fort. »Tut mir leid, dass ich dich damit überfalle. Aber das hier war nur von Angesicht zu Angesicht möglich, und nicht per E-Mail.«

Obwohl seine Stimme ruhig blieb, spürte Edie, welche Qualen er innerlich litt. Sobald sie die Sprache wiedergefunden hätte, würde sie ihn von seinem Leid erlösen.

Elliot runzelte die Stirn. »Vorausgesetzt natürlich, du hast niemand anderen kennengelernt? Ich habe Fraser aufgetragen, mir nicht zu sagen, wenn du einen neuen Freund hast, insgeheim aber natürlich darauf gesetzt, dass ihm klar ist, dass ich es trotzdem unbedingt wissen muss. Dann hätte ich ihm die Schuld geben können, wenn ich die Nerven verliere.«

»Nein, habe ich nicht.« Sie machte eine Pause. »Um ehrlich zu sein, kann ich keinen Fehler in deiner Argumentation finden. Dich nicht zu sehen, war total scheiße. Im Übrigen, falls du denkst, dass ich ein zweites Mal die Kraft aufbringe, Elliot Owen zurückzuweisen, dann täuschst du dich.«

»Du würdest Elliot zurückweisen.«

Sie wusste, was er meinte. »Nun, die Antwort an beide lautet: Ja.«

Elliots Augen begannen zu leuchten, und ihre eigenen glänzten von den sich ankündigenden Tränen, die sie sich gefälligst verkneifen würde – auf der anderen Seite der Esszimmertür war man noch nicht einmal bei der Nachspeise und dem Käseteller angelangt. Nachdem Elliot so viel Mut bewiesen hatte, verdiente er es zu erfahren, warum sie ihn wirklich verlassen hatte.

»Die Wahrheit ist … ich habe Angst«, sagte sie. Es war eine Erlösung, es laut auszusprechen, und fühlte sich weniger dumm an als erwartet.

»Ich auch«, erwiderte Elliot.

Er machte einen Schritt auf sie zu und küsste sie, und es war genau der richtige Moment. Es hinderte sie beide daran, zu viel darüber nachzudenken. Edie hatte vergessen, welche Gefühle seine Lippen auf den ihren in ihr wachriefen, denn die Erinnerung daran wäre zu mächtig und schmerzhaft gewesen.

In der Hand auf seiner Schulter hielt sie immer noch den Blumenstrauß. »O Mann, du bist ja total durchgefroren«, murmelte sie, als sie sich voneinander lösten. Die unterdrückte Leidenschaft ihrer Berührung sagte mehr als all die Worte in den letzten zwei Minuten. Wären sie gleich zur Sache gekommen, hätten sie sich Zeit sparen können.

Elliot legte ihr die kalte Hand ans Gesicht und sagte leise: »Es ist kein Fehler, weißt du. Vielleicht hast du recht, und es wird ein schreckliches Drama, das uns die Herzen bricht, aber ich fürchte, da müssen wir durch. Der einzige Weg, um aus der Sache rauszukommen, ist, sie anzugehen.«

Er hob den Kopf und fuhr in normaler Lautstärke fort. »Oh, hi, Mr. Thompson!«

Edie blickte hinter sich und entdeckte ihren Vater.

»Hallo! Entschuldigt vielmals, dass ich euch unterbreche, aber Megan wacht mit Argusaugen über die Beilagen und will wissen, ob wir Anspruch auf einen Nachschlag haben«, sagte ihr Vater. »Ich zitiere: Edith rastet aus wie Fräulein Knüppelkuh, wenn wir die Bratkartoffeln aufessen, Dad – du kennst sie doch.«

»Edie, du hättest sagen sollen, dass ihr beim Essen seid – das tut mir so leid!«, meinte Elliot.

»Ich bin mir ziemlich sicher, dass du eine größere Attraktion darstellst als das Rosenkohl-Zitronen-Gemüse, egal, wie toll es schmeckt. Isst du mit uns, Elliot?«, fragte ihr Dad.

Elliot sah Edie an. »Ähm …?«

»Ja«, sagte Edie, ohne zu zögern. »Natürlich.«

Sie hängte seinen albernen Mantel in der Diele neben den gewöhnlichen Kleidungsstücken auf, und es sah aus, als hätten sie Besuch von einem auf Zeitreise befindlichen Edelmann aus dem neunzehnten Jahrhundert.

Edie holte einen weiteren Stuhl, stellte Elliot zum zweiten Mal Nick und Hannah und zum ersten Mal deren Partnern vor, nun, da auch sie einen hatte.

»Die Pastinaken sind in Ahornsirup gedünstet, nicht in Honig, es wurden also keine Bienen dafür ausgebeutet«, sagte Meg und schaufelte Essen auf Elliots Teller. »Bienen zu halten, ist so, als würde man sie in den Krieg schicken.«

»Inglorious Bee-sterds«, sagte Elliot, und, kaum zu glauben, die Ultraveganerin Meg kicherte.

Verblüfft betrachtete Edie ihre Schwester.

Elliot war in so vielfältiger Hinsicht ein Wunder.

1

Genau genommen war Elliot Owens Anwesenheit das Titelseitenwunder – das, was man in der Presse eine Story nennt, die aus einer einzigen Tatsache besteht. (Dankenswerterweise spionierte die Presse heute den unscheinbaren Vorort von Nottingham mit seinen soliden viktorianischen Wohnbauten und einem großen Lidl nicht aus.)

Für Edie allerdings war mehr als ein unerwartetes Wunder geschehen. Nicht zuletzt, weil ihre ehemals streitsüchtige Schwester Meg, von der sie sich beinahe entfremdet hatte, als überschwängliche Gastgeberin auftrat.

Mit ihrem runden Gesicht, den blauen Augen und den blonden, zu einem Pferdeschwanz gebundenen Dreadlocks sah Meg aus wie eine Kohlkopfpuppe nach einer Woche auf dem Open Air Festival in Reading. Man würde nie darauf kommen, dass sie und die Clara-Bow-artige Edie mit ihren dunklen Augen miteinander verwandt waren, und dieser Umstand hatte lange Zeit wie ein Spiegelbild ihrer Beziehung gewirkt.

In diesem überfüllten Zimmer mit den angelaufenen Fensterscheiben, dem Duft nach Steinpilzsoße und einem Bluetooth-Lautsprecher, aus dem Somethin’ Stupid schepperte, hatte Edies Leben einen entscheidenden, wunderbaren Sprung in eine bessere Zukunft vollzogen.

Edie hatte nie viel dafür übrig gehabt, dass man an Weihnachten die Realität vorübergehend außer Kraft setzte. Das wahre Leben mochte eine enttäuschende Plackerei sein, aber damit konnte sie umgehen. Es zeitweilig auszusetzen, gab Edie ein Gefühl von Hilflosigkeit und Schutzlosigkeit.

Als sie in London lebte, hatte Edie es immer vor dem komplizierten Manöver gegraut, wenn sie für Weihnachten ihren verwitweten, von Schuldgefühlen geplagten Vater und die widerspenstige kleine Schwester besuchte.

Ihr Dad hatte ein schrecklich schlechtes Gewissen, weil das Fest nicht so sein würde wie vor dem Tod ihrer Mutter, und in Meg brodelte ständig das grundsätzlich zutreffende Gefühl, dass Edie eigentlich gar nicht kommen wollte.

Edie war sich schmerzlich bewusst, dass der Weihnachtstag in der Familie Thompson weder so aussah noch sich so anfühlte wie das gemeinhin vermittelte, von Sprühschnee umrahmte Bild eines Gemeinschaftsgefühls aus zusammenpassenden Pyjamas und heißer Schokolade.

Sie hatten sich in einer Sackgasse aus Schuldgefühlen, noch mehr Schuldgefühlen und Groll festgefahren, aus der sie nicht mehr herauskamen. Erst als Edie gezwungen war, wegen des Jack-Marshall-Skandals und des sich daran anschließenden Social-Media-Shitstorms nach Hause zurückzukehren, und ihre extravagante ältere Nachbarin Margot starb, stellten sie sich gemeinsam endlich der nie bewältigten Trauer über den Tod ihrer Mutter.

Die Versöhnung der Familie und die darauf folgende Neuausrichtung in Edies Leben war letzten Endes noch überraschender gewesen, als dass sie sich in einen berühmten Schauspieler verliebt hatte, der in einer Fantasy-Saga voller Schwerter, Wolfsgeheul und Titten mitgespielt hatte.

Es war also auch ohne den frischgebackenen Superhelden in ihrer Runde – Elliots jüngste Rolle in The Void – das große Nichts – ein magischer Moment.

Edie war froh, weil sie und ihr Superstar-Lover, wie ihn die Boulevardpresse nannte, die Sache von Anfang an ernst genug genommen und/oder keinen Statusdünkel hatten, sodass Elliot ihren Vater, Meg und auch ihre beiden engsten Schulfreunde Hannah und Nick schon kannte.

Hannah, eine gertenschlanke, scharfzüngige Nierenärztin (»Nephrologin!«), und der DJ und Misanthrop in Mod-Klamotten Nick waren eine Zeit lang in Edinburgh untergetaucht beziehungsweise in einer unglücklichen Ehe mit einer kontrollsüchtigen Frau verstrickt gewesen, und beide waren jetzt wieder auf der Bildfläche erschienen.

Voller Herzlichkeit strahlten sie den Neuankömmling an. Ihre alten Freunde waren einfühlsam genug, um Edies benommene, verlegene Glückseligkeit und Elliots Begrüßung reihum richtig zu deuten. Man platzte nicht mal so eben beim Weihnachtsessen der Ex rein.

Hannahs Freundin Chloe wirkte wie verzaubert angesichts dieser Begegnung, Nicks Freundin Ros hingegen, die Elliot am nächsten saß, blieb völlig unbeeindruckt.

»Freut mich, Elliot. Seid ihr zwei zusammen? Wie habt ihr euch kennengelernt?«, sagte Ros und mahlte Pfeffer über ihrem Teller.

Ihre Augen hinter der rechteckigen Hornbrille waren klar und nachdenklich. Sie war jemand, der unverblümte Fragen stellte. Und wie geht es dir dabei?

Hannah und Chloe, beide in den Dreißigern, führten zum ersten Mal eine gleichgeschlechtliche Beziehung, und Ros war ohne jede Scheu und mit der Geradlinigkeit einer Notfallsanitäterin auf die potenziellen Probleme zu sprechen gekommen.

»Ich war die Ghostwriterin seiner Autobiografie«, sagte Edie. »Normalerweise bin ich Werbetexterin. Da hat es als Sonderprojekt ganz gut gepasst.«

»Autobiografie? Du bist ganz schön jung für eine Autobiografie«, wandte sich Ros an Elliot und runzelte überrascht die Stirn. »Hast du die im Selbstverlag herausgebracht?«

Edie unterdrückte ein Lachen. Vermutlich hatte Nick Ros erzählt, dass Edie mit einem Promi zusammen gewesen war, aber Ros, die New Agerin war und wenig für konventionellen Ruhm übrighatte, hatte es wahrscheinlich vergessen.

»Ich bin viel zu jung dafür, Ros«, antwortete Elliot mit der geübten Unbefangenheit eines Menschen, der öffentliche Auftritte gewohnt war. »Und ich bezweifle, dass ich eine Biografie wert bin. Aber es wurden ein paar andere geschrieben, und da hat man mir geraten, eine eigene zu veröffentlichen, um ihnen etwas entgegenzusetzen. Um ehrlich zu sein, würde ich diesem Rat heute nicht mehr folgen. Andererseits hätte ich dann Edie nicht kennengelernt.«

»Hat sie sich gut verkauft?«, fragte Ros, die sich offensichtlich fragte, ob Elliot den Verstand verloren hatte. Sind die anderen Autobiografien etwa auch hier im Raum anwesend?

»Immerhin habe ich damit die Küche finanziert, die dir so gut gefällt«, sagte Edie mit einem Lächeln.

Sie war ganz vernarrt in ihre neue Küchenzeile im hellen Türkis eines Sechzigerjahre-Cadillacs. Nachdem sie ihr ganzes erwachsenes Leben in rosa und sandfarbenen Mietwohnungen zugebracht hatte, hatte sie sich farblich so richtig ausgetobt. Edie liebte ihr rotes Backsteinhaus aus den Dreißigern mit dem Wohnzimmererker und dem Buntglasfenster in der Haustür. Vielleicht liebte sie es mehr, als gut für sie war, dachte sie manchmal, andererseits war es ein Zeichen, dass sie angekommen war, in einem sicheren Hafen, einem Ort, an den sie gehörte.

Edie passte auf ihre Schwester auf, die als Untermieterin bei ihr wohnte, und auf ihren Vater, der regelmäßig zu Besuch kam. Und selbst wenn es ihnen nicht bewusst war, so passten die beiden umgekehrt auch auf Edie auf.

»Ach ja? Dann steht mir morgen ein ordentliches englisches Frühstück zu, finde ich«, meinte Elliot. »Ein Meg-konformes englisches Frühstück natürlich.«

Er lächelte verschmitzt vor Freude darüber, wie geschmeidig er eingefädelt hatte, dass er über Nacht bleiben wollte.

Edie zog die Augenbrauen hoch, obwohl es daran keinerlei Zweifel gegeben hatte.

»Also seid ihr ein Paar? Ich dachte, du hättest gesagt, dass du Single bist, Edie«, meinte Ros mit der üblichen entwaffnenden Unbekümmertheit. Offensichtlich hielt sie sich nicht mit Gedanken auf, ob es vielleicht bloß eine On-off-Beziehung ohne Etikett war.

»Ja, doch, wir sind ein Paar?«, sagte Edie, am Ende war ein Fragezeichen zu hören. Sie blickte Elliot an, und ihr Herz setzte einen Moment lang aus. Soweit sie sich erinnerte, hatten sie dieses Wort nie benutzt, und Ros zwang ihnen jetzt eine förmliche Übereinkunft auf. Zwar folgte das logischerweise aus dem Gespräch an der Haustür, gleichzeitig aber war es noch so neu. Im Hintergrund sang Frank Fly Me To The Moon.

»Wir sind ein Paar«, sagte Elliot und begegnete ihrem Zweifel mit fester Zuversicht.

Kurz trafen sich ihre Blicke, und aus ihnen sprach einvernehmliches Staunen.

»Seit heute?«, fragte Ros. Für die Kriminalpolizei von Nottingham wäre Ros ein echter Gewinn.

»Wir waren vor vier Monaten ein paar Wochen lang zusammen. Es war ein … wie soll ich sagen … Techtelmechtel?« Edie warf Elliot einen entschuldigenden Blick zu. »Affäre klingt, als wäre irgendwer untreu gewesen.«

»Ich würde es nicht Techtelmechtel nennen«, meinte Elliot.

Nick schenkte Ros etwas Wein nach.

Um sie herum wurden die Gespräche wieder aufgenommen, und sie waren erleichtert, weil sie sich nun unter vier Augen unterhalten konnten.

»Warum nicht?«, fragte Edie.

»In dem Wort Techtelmechtel steckt etwas Vorübergehendes«, erwiderte er. »Hattest du denn je das Gefühl, oh, na klar, wir haben ein Techtelmechtel? Ich hatte den Eindruck, dass es uns von Anfang an ernst war.«

»Das stimmt.« Schließlich hatten sie einander ihre Familien vorgestellt und somit bewiesen, dass sie das Ganze mit Ernst angingen. »Ich fand es … keine Ahnung, aber auf jeden Fall war es eine sehr lohnenswerte Erfahrung«, meinte Edie.

Elliot lachte. »So wie ein ehrenamtliches Praktikum?«

»Ganz genau. Um der Promi-Schauspielszene etwas zurückzugeben.«

»Es war wirklich großzügig von dir, deine Hilfe anzubieten und bei der Arbeit mit anzupacken.«

»Um ehrlich zu sein, hat mir der Teil mehr Befriedigung verschafft als die Menschen, denen ich geholfen habe.«

»Na so was.«

Edie schüttete sich aus vor Lachen, und Elliot grinste. Sie sollte sich bremsen, damit die anderen ihrem heftigen Geflirte nicht lauschten.

Vor nicht allzu langer Zeit hatte Elliot Edie eine Postkarte geschickt, die in Edies Zimmer am Spiegel des Schminktischs klemmte. Vielleicht könnte sie später kurz hinaufrennen und sie verstecken. Aber war es wirklich cool – oder notwendig –, so zu tun, als sei sie ihr nicht so wichtig gewesen? Die Nachricht auf der Karte lautete: Ich merke, wenn du nicht da bist.

Es hatte Edie zutiefst gerührt, dass sie ihm so sehr fehlte und er ihr das mitteilen wollte. Sie hatten einander sehr gemocht, aber in seinem Leben gab es derart vielfältige Zerstreuungen und Möglichkeiten, dass sie davon ausgegangen war, er würde sich schneller erholen, als er für möglich hielt.

Denn ging es in der Schauspielerei nicht genau darum, eine andere Persönlichkeit anzunehmen – intensiv, aber kurzzeitig – und daraufhin diese Haut abzustreifen und etwas Neues zu beginnen? Auch etwas Vorübergehendes konnte ganz und gar aufrichtig gemeint sein.

Schauspieler, hatte ihre verstorbene Nachbarin Margot einmal gesagt, nachdem sie sich eine Sobranie Black angezündet hatte, haben Vagabundenseelen.

Und doch hatte er sie so sehr vermisst und war zurückgekommen. Diese gewaltige Wendung der Ereignisse und ihre Tragweite musste Edie erst einmal verarbeiten.

»Wofür hast du es denn damals gehalten? Wenn nicht für ein Techtelmechtel?«, fragte Edie.

»Für den Anfang«, antwortete Elliot, ohne zu zögern.

2

Edie setzte sich im Schlafzimmer auf, das in bordellrosa Licht getaucht war und überdeutlich den Geschmack einer alleinstehenden Frau ausstrahlte. Der Aufdruck auf ihrem T-Shirt lautete Das Leben ist eine Horrorshow, aber, hey, ich bin der Star, und darunter war das Bild einer rauchenden Wüstenrennmaus mit Fes auf dem Kopf – ein Geschenk von Meg, das sie niemals in Gesellschaft getragen hätte, wäre sie auch nur einigermaßen bei Verstand gewesen.

Immerhin war es ziemlich dunkel im Zimmer. Sie hatte lange Voile-Vorhänge in einem knalligen Briefkastenrot geerbt, die einen drastischen Kontrast zu dem zartrosa Art-déco-Bett, der Chilischoten-Lichterkette und dem Lampenschirm mit Quasten im Chinoiserie-Stil darstellten.

»Das hat was von Rotlichtviertel trifft auf feministische Barbie«, hatte Elliot letzte Nacht gemeint. »Es wird großen Streit geben, wenn wir uns gemeinsam einrichten.«

Die darin mitschwingende Feststellung hatte Edie gefreut, auch wenn sie vorgab, sich gegen seine Beschreibung zu wehren.

Daraufhin hatte Elliot erwidert: »Trotz allem ist es mein Lieblingszimmer auf der ganzen Welt in meinem Lieblingshaus, also musst du das nicht überbewerten.«

Offenbar konnte er gar nicht so viel Alkohol trinken, als dass seine Wortgewandtheit darunter gelitten hätte.

Apropos … Edie bemerkte, dass ihr Handy auf dem Nachtkästchen aufleuchtete. Sie zog es aus dem Ladegerät und betrachtete die ungewohnt lange Kaskade an Nachrichten.

WOW💜

Jetzt aber, Edie! Xx

Ähm … wie bitte? WAHNSINN

OMFG ist er das wirklich?! JETZT in diesem Augenblick?

Echt wahr, das haut mich voll um. Bist du in den Staaten? Das kann doch nicht sein! Gehen wir demnächst mal was trinken? Ist Ewigkeiten her, dass wir uns gesehen haben xoxo Hier meine Nummer, falls du sie nicht hast …

Sieh mal einer an, was für dich unter dem Christbaum lag. Sogar noch besser als mein beschissener Teekessel.

Scheiße, Scheiße, Scheiße. Was hatte sie letzte Nacht bloß getan? Jedenfalls, was Social Media anging. Abgesehen davon hatte sie geschlafen, denn Elliot war, kaum dass sein Gesicht auf dem linken Kopfkissen lag, aufgrund des Jetlags und der fortgeschrittenen Stunde – es war drei Uhr früh, als sie ins Bett gingen – auf der Stelle eingeschlafen.

Edie ging auf Instagram, und in ihrem Magen bildete sich ein Knoten, als vage die Erinnerung zurückkehrte, wie volltrunken von Rotwein und Liebe sie gewesen war, als sie und Elliot um Mitternacht endlich allein im Wohnzimmer saßen.

Sie hatte ein Erinnerungsselfie gemacht, wie Elliot sie küsste und sie in rauschhafter Comic-Sternchen-Seligkeit die Augen zukniff. Man konnte nicht allzu viel von ihm erkennen, aber es genügte angesichts ihrer früheren Verbindung. Es gab nicht allzu viele Menschen, die ihm ähnlich sahen.

Edie hatte einen Augenblick erlebt, der ihrem Wesen eigentlich grundsätzlich widersprach und nur mithilfe von Alkohol möglich war: das berauschende Gefühl, einem Teil ihrer selbst freien Lauf zu lassen, den sie gewöhnlich unnötig zurückhielt. Sie hatte ein rosa Herz unter das Foto gesetzt und wusste noch, dass sie gedacht hatte, es sei bestimmt in Ordnung, das Bild zu posten, weil sie beide doch so, so glücklich waren und so glücklich aussahen. Konnte etwas, das aus reinem Glück geboren war, falsch sein?

Nüchtern betrachtet JA, dachte sie jetzt, voller Wut auf sich selbst. Ein Grund wäre beispielsweise: Von den Bewohnern dieses Hauses und seinen Gästen abgesehen, weiß bislang niemand Bescheid, und die Neuigkeit sollte ganz bestimmt nicht über einen dämlichen, weinseligen Instagram-Post verkündet werden.

Schlimmer noch, ihr Account hatte zwar nur sechshundertfünfzig Follower, aber er war öffentlich.

Sie klickte auf die Story Views, scrollte durch eine lange Liste von Freunden, Verwandten und Kollegen und krümmte sich innerlich. Spontan löschte sie das Foto.

Kaum hatte sich das Bild in Luft aufgelöst, wurde Edie klar, dass auch das ein Fehler war. Sollte das Foto aus ihrem Profil an die Öffentlichkeit gelangen, dann hatte sie die Liste der Verdächtigen vernichtet. Außerdem wies das Verschwinden des Fotos eindeutig darauf hin, dass sie in Panik geraten war, eine Indiskretion begangen hatte und nur auf sich aufmerksam machen wollte.

Und es brachte auch nichts, einen anbiedernden Rückzieher zu posten: Hallo, Leute, habe gerade ein bisschen in Erinnerungen geschwelgt! Denn wenn am Ende rauskam, dass es doch stimmte, würden sich ihre Freunde und Bekannten zu Recht verarscht fühlen.

O Gott, du dämliche Kuh. Du hast es gerade mal sechs oder acht Stunden durchgehalten, die Sache für dich zu behalten? Sie konnte nicht fassen, dass sie die Nachricht fröhlich verbreitet hatte. Richard, ihr Chef, hatte ihr mal gesagt, sie sei ihr eigener größter Feind, und trotz der heißen Gefechte um den Titel Edies größter Feind hatte er womöglich recht gehabt.

Edie war den Tränen nahe und voller verkaterter Reue, als sich Elliot neben ihr zu regen begann, umdrehte und sich das verquollene, millionenschwere Gesicht rieb. Es hatte kürzlich das Cover des Empire-Magazins geziert mit dem Slogan: Ins große Nichts zu blicken, hat sich noch nie so gut angefühlt.

Er lächelte sie an. »Guten Morgen.« Dann bemerkte er ihren Gesichtsausdruck. »Scheiße. Was ist los?«

3

Ich habe ein Foto von uns auf Instagram gepostet.«

»Ich weiß.«

»Das weißt du?!« Edie zermarterte sich das Gehirn, aber sie konnte sich an nichts erinnern.

»Ja, du warst unheimlich stolz darauf. Eigentlich wolltest du es noch mit einem Taylor-Swift-Lied unterlegen, aber ich glaube, dazu hattest du zu dem Zeitpunkt nicht mehr die nötigen motorischen Fähigkeiten … Snow on the Beach, kann das sein? Ich kenne mich mit der nicht so gut aus wie du. Ich hoffe nicht, dass ein verrücktes Ereignis einen schönen Urlaub ruiniert.«

»Warum hast du mich nicht davon abgehalten?!«, jammerte Edie.

Elliot zuckte die nackten, Fitnessstudio-trainierten Schultern. (Wenn ich im The-Void-Kostüm stecke, dann beschränkt sich das Schauspielern auf meine Kiefermuskeln und den Brustkorb.)

»Ich hatte zwar auch ordentlich einen sitzen, aber warum hätte ich das tun sollen? Wollen wir uns verstecken?«

Seine Unbekümmertheit beruhigte sie ein wenig. Zugegeben, das hier war sein Terrain, nicht ihres. Wenn es ihm nichts ausmachte, warum sollte es sie dann kümmern? Es war wie bei Turbulenzen im Flugzeug, wenn man schon dachte, das Ende sei gekommen, und dann beobachtete, wie die Crew, die sechsmal täglich die Route flog, Scherze machte und lachte.

»Und wenn jemand einen Screenshot davon gemacht hat? Ich wette, das ist längst in irgendwelchen WhatsApp-Chats gelandet. Und von dort geht es an die Presse.«

Wieder zuckte Elliot die Schultern. »Die schreiben ohnehin über mich. Heute Nacht warst du noch der Meinung, wir sollten sie ruhig machen lassen.«

»Verdammte Sch… Mein betrunkenes Ich gehört erschossen.«

Elliot musterte sie lächelnd. »Kopf hoch. Ich habe noch nicht feststellen müssen, dass Edie unter Alkohol zum Monster mutiert. Wobei es ehrlich gesagt durchaus Anzeichen gab.«

Er hob die Bettdecke, die in Brusthöhe zusammengebauscht war, ein winziges Stück an und warf zaghaft einen Blick darunter, als inspiziere er sich auf Schäden, und Edie schnaubte verlegen.

Elliot zögerte. »Wenn du dich nicht daran erinnerst, dass du das Foto gepostet hast, erinnerst du dich dann auch nicht an das, was danach geschah? Das wäre echt schade.«

»Komischerweise habe ich ein Blackout von vielleicht einer Stunde rund um das Foto, und danach erinnere ich mich wieder. Die Wirkung des Supermarkt-Merlots hat dann wohl nachgelassen.«

»So komisch ist das gar nicht. Manche Dinge sind einfach so unbeschreiblich, dass das Großhirn sie sogar dann noch aufzeichnet, wenn es komplett unter Wasser gesetzt wurde.«

»Auf mich trifft das definitiv nicht zu«, sagte Edie, und sie lachten albern. Dann streckte Elliot die Arme nach ihr aus.

Wieder einmal hatte Edie festgestellt, dass die abstrakte Vorstellung von Sex mit jemandem, der offiziell als Sexsymbol galt, Angst einflößen konnte, in der Praxis aber auch nichts anderes war als zwei Menschen, die genau dort sein wollten, wo sie waren, nämlich im Bett.

»Es gibt da noch etwas, was ich gestern nicht erwähnen wollte, um die Stimmung nicht zu vermiesen«, sagte er, als Edie es sich in seinen Armen gemütlich gemacht hatte.

»Oha, jetzt kommt es.«

»Ich muss am neunundzwanzigsten zurück nach Amerika. Nach New York diesmal.«

»Für wie lange?«

»Weiß ich nicht genau, auf jeden Fall ein paar Wochen, denke ich. Ich komme, so schnell es geht, zurück.«

»Um wie viel Uhr musst du weg?«

»Ähm. Ich werde um halb sechs in der Früh abgeholt.«

»Pfff. So ist das also. Gib mir noch eine Chance, wir kriegen das hin und sehen uns ganz oft. Oh, ach so, ne, das war ein One-Night-Stand – meine Luxuslimousine nach Heathrow ist da. Tschüss, du Schlampe, danke, dass du mich rangelassen hast«, sagte Edie und spürte die Vibration seines Lachens in seinem Brustkorb.

»Du bist ordinär. Immerhin ist es ein Four-Night-Stand. Das Timing wäre besser gewesen, hätte ich im Voraus geplant, gestern bei dir vorbeizuschauen, aber ich hatte einfach das absolute Limit an Sehnsucht nach dir erreicht.«

Ein heißer Schauer überlief Edie. Sie hätte nie gedacht, dass es spontan gewesen war. Verfluchte Schauspieler.

»Du hattest echt Glück, dass du einen Blumenladen gefunden hast, der an Weihnachten geöffnet hat.«

»Kein Kommentar. Es hat was für sich, ein Scheißkerl mit persönlichem Assistenten zu sein. Falls ich es aus diesem Bett schaffe, sollte ich meine Familie aufsuchen und mich entschuldigen, dass ich die Weihnachtsfeier geschwänzt habe. Willst du mal vorbeikommen? Ich könnte vorschlagen, dass wir gemeinsam essen gehen. Wenn du über Nacht bleibst, haben wir zwar nicht wahnsinnig viel Privatsphäre, aber hier ist es ja auch nicht anders.«

Das stimmte. Edie hoffte, dass sie tatsächlich so verstohlen und leise gewesen waren, wie sie sich eingebildet hatten. Zum Glück hatte Meg einen grabestiefen Schlaf. Jetzt war sie sicher schon bei der Arbeit, die Frühschicht im Altersheim endete mittags. Meg konnte eine ziemliche Schreckschraube sein, aber als Pflegerin hatte sie ihre Berufung gefunden, und Edie war sehr stolz auf sie.

»Ich habe meiner Schwester, Nick und Hannah einen Spaziergang im Park von Wollaton Hall versprochen, wenn Meg von der Arbeit kommt. Es käme mir schofelig vor zu sagen: Oh, ich habe jetzt doch ein besseres Angebot.«

Wie es die komplexe psychosoziale Struktur im Leben von über Dreißigjährigen so mit sich brachte, war der Spaziergang nicht einfach bloß ein Spaziergang. Es ging darum, Nick auf andere Gedanken zu bringen, weil er seinen Sohn Max an diesem Tag nicht sehen durfte. Außerdem konnte Hannahs Mum mit ihrer MS nicht mehr mit von der Partie sein. Und es sollte Meg aufmuntern, da sie am Feiertag arbeiten musste.

»Möchtest du mitkommen? Dann könnten wir morgen Abend mit deinen Eltern essen gehen«, meinte Edie.

»Cool. Ich fahre kurz nach Hause und treffe euch später im Park.«

»Wenn man von der Sache mit dem Abschied im Morgengrauen in drei Tagen absieht, klingt das alles ganz gut«, sagte Edie.

»Ich für meinen Teil fand das Abschiednehmen deutlich schlimmer, als wir uns nie wiedersehen sollten.«

»Ich habe nicht davon gesprochen, dass wir uns nie wiedersehen – ich habe gesagt: Sag niemals nie.«

Erstmals, seit Elliot hier war, fiel die Temperatur im Zimmer um ein paar Grad ab.

Nach einer kurzen Pause meinte er: »Das Einzige, was mir Angst einjagte, war die Nüchternheit, mit der du damals Schluss gemacht hast. Es war ohne Zweifel das Schlimmste, was mir je passiert ist, und ich hatte überhaupt nicht damit gerechnet. Mehr als alles andere hat mich die Erinnerung an dieses Gespräch zurückgehalten, es noch einmal zu versuchen. Denn ich konnte mir deine stählerne Gewissheit nur so erklären, dass es für dich eben nicht so schlimm war. Ich hätte erwartet, dass wir uns wenigstens den Kopf darüber zerbrechen, wie es doch klappen könnte. Aber nein.«

Edie wurde bewusst, dass die Aussage: Ich habe pausenlos an dich gedacht, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben, nicht bedeutete, dass es ausschließlich positive Gedanken gewesen waren.

»Ich bin nicht zurückgekommen, weil ich mir besonders hohe Chancen ausgerechnet habe«, sagte Elliot. »Aber ich hatte beschlossen, es wenigstens zu versuchen.«

Nach dem Glückstaumel und den Geständnissen vom Vortag verstand Edie jetzt, was er meinte. Sowohl beim letzten Mal als auch diesmal hatte Elliot Optimismus für sie beide aufbringen müssen.

Edie holte so tief Luft, dass es beinahe schmerzte. »Ich glaube, du hast meine oberflächlichen Bewältigungsstrategien und meinen Hang, mir selbst Leid zuzufügen, mit einer Scheißegal-Haltung verwechselt. Das wundert mich nicht. Ich falle selbst oft genug darauf herein.«

»Wirklich?«

»Ja. Unsere Trennung war mir nicht gleichgültig, ganz und gar nicht. Wenn es so ausgesehen hat, dann nur, weil ich alles darangesetzt habe, mir meine Selbstachtung und dir deine Seelenruhe zu bewahren. Es war der Versuch, es uns weniger schwer zu machen. Meine Freunde waren darüber informiert, dass ich ein Wochenende auf der Palliativstation bräuchte, falls Paparazzibilder von dir mit einer neuen Freundin auftauchten. Einschließlich Chicken McNuggets und sechs Flaschen Rosé von Deliveroo. Du kannst sie fragen. Wir nannten es die Operation Crankshaft.«

»Warum Crankshaft?«

»Das war der militärische Codename für bin Laden.«

»Wow, na super. Bin ich der Terrorist?«

»Das Terroroberhaupt meines Herzens, und eine Mission, die ich vermutlich nicht überleben würde.«

Elliot lachte, aber die Stimmung war immer noch getrübt. Auf Eifersucht gründende Komplimente genügten nicht.

»Mein Chef hat mal behauptet, dass ich gar nicht will, dass mir etwas Gutes zustößt«, fuhr Edie fort. »Unterbewusst natürlich. Vielleicht hat er recht.«

»Warum das?«, fragte Elliot.

»Weil ich der Meinung bin, dass ich es nicht verdient habe. Oder der Sache nicht traue.«

»Warum nicht?«

»Keine Ahnung.«

»Du wünschst den Menschen, die du liebst, doch auch Gutes, warum dann dir selbst nicht?«

»Vielleicht liebe ich mich selbst nicht«, sagte Edie mit dem nötigen britisch-sarkastischen Unterton. »Wenn … wenn man selbst verschuldet, dass etwas Schlechtes passiert, was ohnehin passieren würde, dann fühlt man sich wenigstens nicht so machtlos. Solange du hoffst, setzt du dich unkontrollierbaren Verletzungen aus. Wenn du dich selbst sabotierst, behältst du immerhin die Kontrolle.«

»Hm. Mir fällt es schwer zu verstehen, wie jemand so warmherzig und im Allgemeinen auch … fröhlich sein kann und gleichzeitig so fatalistisch«, erwiderte Elliot, und Edie musste lächeln.

»Vielleicht weil mich ausgerechnet der Mensch verlassen hat, der mich am meisten hätte lieben sollen. Ist nur so eine Idee.« Sie war unvermutet damit herausgeplatzt, sie hatte nicht vorgehabt, in diesem Zusammenhang auf den Selbstmord ihrer Mutter zu sprechen zu kommen. »Ich sage das nicht, um mir billig Sympathiepunkte zu sichern«, fügte sie hinzu, um die Aussage sowohl um seinetwillen als auch ihrer selbst willen abzuschwächen.

»Würde ich dir so was zutrauen, hieße das, dass ich dich kein bisschen kenne. Und ich hätte es auch nicht verdient.«

Elliot zog sie fester an sich. Sie hatte vergessen, wie außerordentlich begabt er darin war, ihr intime Dinge zu entlocken, die sie eigentlich nicht erzählen wollte.

Wenn sie ehrlich war, fand Edie seinen Scharfsinn und den Eifer, mit dem er alles sezierte, nicht immer nur angenehm. Es war eine Seite an ihm, die sie als fremd empfand. Es stammte aus der Welt von L.A., in der man sich teure Therapeuten leistete und eine lässige Haltung gegenüber rezeptpflichtigen Medikamenten pflegte. Es gab einen Unterschied zwischen gesehen und durchschaut werden.

4

Nachdem Elliot so unbekümmert reagiert hatte, war auch in Edie die Hoffnung gewachsen, dass ihr Instagram-Fauxpas den Zensoren durchgerutscht war und sie die Chance nutzen könnte, aus dem Fehler zu lernen. Die Betonung lag auf Chance.

Kaum aber saß Elliot im Taxi zum Haus seiner Eltern, schrillte ihr Handy, und das Display verkündete einen Anruf von RICHARD. Offensichtlich hatte sie sich unsinnige Hoffnungen gemacht.

Richard war ihr Arbeitgeber, der Besitzer der Werbeagentur Ad Hoc und, viel schlimmer noch, einer der Menschen auf der Welt, vor denen Edie aufrichtig Respekt hatte. Er besaß einen messerscharfen Verstand, das Temperament und gute Aussehen eines am Rednerpult stehenden Barack Obama und Anzüge, die so perfekt saßen, dass man meinen könnte, er sei leitender Moderedakteur des GQ-Magazins.

Richard konnte man nicht an der Nase herumführen, und falls man es doch tat, kam die Sache ziemlich sicher ans Licht.

Mit heißer Scham und Beklommenheit nahm sie den Anruf entgegen.

»Ms. Thompson!«, sagte Richard aufgeweckt und munter. »Es ist der zweite Weihnachtstag, und statt mich einer Platte mit kaltem Braten, den selbst gemachten Salzgurken von Onkel Stuart und einem Glas mittelteurem Sekt zu widmen, rufe ich dich an. Hast du irgendeine Idee, warum das so sein könnte?«

»Ja …«

»Soso. Man hat mich darüber informiert, dass du gemeinsam mit einer nicht unbedeutenden Person in einer Pose abgelichtet wurdest, die man in den Boulevardblättern als schmachtend bezeichnen würde. Das Foto ist auf einem der Teufelsforen erschienen. Instagram, wenn ich mich nicht täusche.«

»Richard, es tut mir so furchtbar leid – das kommt bestimmt nie wieder vor. Ich …«

»Moment, ich sage dir, was ich auch meiner hilfsbereiten Quelle erklärt habe. Dein Privatleben geht mich nichts an, solange es keine Auswirkungen auf deine Arbeit hat. Und das ist meiner Kenntnis nach diesmal nicht der Fall.«

»Oh. Danke.«

Edie war sich nicht ganz sicher gewesen, inwiefern sie sich schuldig gemacht hatte, wenn man von nachhaltiger Blödheit in einem öffentlichen Forum mal absah. In der Phase vor ihrer Beziehung mit Elliot hatte man Paparazzibilder von ihnen geschossen, als sie sich auf der Straße stritten. Richard hatte damals verständlicherweise darauf hingewiesen, dass der Verlag, der die Autobiografie veröffentlichte, ein solches Verhalten der Autorin, die seine Firma zur Verfügung gestellt hatte, nicht unbedingt goutierte.

Wie aber lauteten die Regeln in Bezug auf Fotoaufnahmen mit Elliot Owen nun, da das Projekt abgeschlossen und mit Bestsellerruhm gekrönt war?

»Ich will dir keinerlei Vorhaltungen machen. Es ging mir nur darum, dir mitzuteilen, dass nicht nur jemand aus der Belegschaft es als seine lästige Pflicht ansah, mich zu informieren, sondern außerdem ein eloquenter Herr von der Mail angerufen und sich erkundigt hat, ob ich mit Hintergrundinformationen aufwarten könne.«

Edie schluckte. Wie erwartet war die Nachricht im digitalen Dschungel gelandet. »O Gott. Warum rufen sie dich an und nicht mich?«

»Weil die Festnetznummer der Agentur, die auf der Website steht, an Feiertagen auf mein Handy weitergeleitet wird. Wenn sie sich noch nicht bei dir gemeldet haben, dann vermutlich deshalb, weil sie deine Nummer nicht haben.«

Noch nicht.

Leider hatte Edie immer noch aktive Widersacher bei Ad Hoc. Das kam nicht allzu unerwartet, denn dem Ex-Kollegen Jack Marshall, der Edie zum Verhängnis geworden war, hatte man gekündigt, ebenso wie dessen ehemaliger Braut, der Ex-Kollegin Charlotte, und Edies falschem Freund Louis, der sich als Helfershelfer der beiden herausgestellt hatte. Ziemlich sicher aber kursierte das Gift noch im System.

Von der Braut dabei ertappt zu werden, wie man den Bräutigam am Tag der Hochzeit küsste – das war die Art von Regelverletzung, die in den Köpfen hängen blieb.

Einige der Kollegen, die noch in der Agentur waren, hatten eine Petition unterschrieben, in der Edie aufgefordert wurde, die Firma zu verlassen. Dass sie weiterhin auf der Gehaltsliste stand und Homeoffice machte, schien der Ansicht Vorschub zu leisten, dass sich der Betrug ausgezahlt hatte.

Auf der Weihnachtsfeier war man einigermaßen freundlich zu ihr gewesen, aber die meisten Menschen verhielten sich so, wenn sie dir von Angesicht zu Angesicht gegenüberstanden. Noch dazu hatte Edie sich seit der letzten Begegnung mit den Kollegen einen sehr berühmten Freund zugelegt. Vermutlich wären sie jetzt noch freundlicher. Von Angesicht zu Angesicht zumindest.

»Denk dran, dass nicht alle Menschen ein ehrenhaftes Verhalten an den Tag legen, wenn du etwas im Internet postest. Ich habe Jessica erklärt, dass jeder Mitarbeiter der Firma, der andere mobbt, ob unterschwellig oder ganz offen, eine Kündigung bekommt.«

Oh, Jess also. Edie hatte gehofft, Jess hätte die Sache endlich abgehakt. Sie war Charlottes Kampfgefährtin und eine der ersten Namen auf der Petition gewesen. Nachdem Charlotte die Agentur verlassen hatte, war Jess inoffiziell zu einer Art Büroleiterin avanciert.

Es gab einen lächerlichen Grund, warum Edie die Feindseligkeit von Jess besonders schmerzte: Mit ihrer dreckigen Lache, ihrem Sarkasmus, den Unmengen an kastanienbraunem Haar, das sie zu einem Dutt knotete, den Karottenhosen und den Loafers wirkte sie so gar nicht wie das fiese Mitglied einer Mädchenverschwörung. Vielmehr sah sie wie jemand aus, mit dem sich Edie in früheren Zeiten möglicherweise angefreundet hätte. Von ihr abgelehnt zu werden, war eine ernst zu nehmende Verurteilung: Edie wurde von jemandem zur Verräterin der Schwesternschaft gestempelt, der dieses Etikett nicht leichtherzig verlieh. Und am Ende war Edie das fiese Mädchen.

Höchstwahrscheinlich waren Jess und Charlotte noch in Kontakt, wo auch immer Charlotte jetzt sein mochte. Die Pflicht von Jess bestand zweifellos darin, Schandtaten, Gerüchte und Geschichten über Edie zu streuen.

»Wie hat Jess es begründet, dass sie dich informiert hat? Halten die mich für eine Blamage?«, fragte Edie, ohne die Antwort wirklich wissen zu wollen.

»Ach, sie hat den Clinch auf der Straße aus der Schublade geholt und irgendwelche Ad-Hoc-Kunden angeführt, die sich damals aufgeregt hätten. Sie hat es so dargestellt, als wolle sie mich nur vorwarnen, bevor die Presse anruft, aber ich bin alt genug, um böswillige Absichten zu erkennen.«

»Danke«, murmelte Edie.

»Ist mit diesem Schauspieler jetzt also alles paletti? Ich dachte, die Zusammenarbeit mit ihm war eine entsetzliche Tortur?«, fragte Richard.

Edie wusste, dass Richards Verwunderung echte väterliche Sorge zugrunde lag: Er hatte die Befürchtung, dass sie sich einen Jack Marshall 2.0 gesucht hatte.

»Nein, ehrlich, so war es nicht. Er ist toll. Er ist überhaupt nicht schwierig. Seine Kritiker haben den Begriff schwierig als Kürzel dafür verwendet, dass er zu schlau ist, um einfach zu tun, was alle von ihm erwarten. Und ich hatte dieselben Vorurteile gegen ihn wegen seiner … Bekanntheit.«

Sie kam sich vor wie Elizabeth Bennet, die ihrem Vater erklärt, dass Mr. Darcy doch kein eitler Geck ist und der riesige Landsitz in Pemberley ganz sicher keine Rolle spielt, versprochen.

»Aber du haust jetzt nicht ab nach Hollywood?«

»Wir wollen ein Arrangement ausprobieren: Wenn ich ihn besuche, gehen wir ins Nobu Malibu und essen Schnapper-Sashimi. Und wenn er mich besucht, frühstücken wir Eiersandwiches beim Foodtruck von Bacon Derek auf dem Markt in Sneiton.«

»Wunderbar. Und voll im Trend. Ich glaube, das nennt man High-low-Strategie. Ganz was anderes: Eigentlich wollte ich damit bis Neujahr warten, aber nachdem ich dich jetzt schon an der Strippe habe – was hältst du davon, ein Büro in Nottingham für mich zu leiten? Seit du da raufgezogen bist, läuft es doch wie geschmiert für dich, da habe ich gedacht, du könntest den ersten offiziellen Außenposten meines Imperiums leiten.«

»Im Ernst? Das würde ich unheimlich gern machen.«

Edie strahlte überrascht und voller Dankbarkeit, denn Richards Lob musste man sich verdienen.

»Prima. Ich habe Büroräume im Lace-Market-Viertel vormerken lassen. Die zweite Sache ist, dass du nicht Büromanagerin bist, solange du niemanden zu managen hast. Ich will nicht lügen: Als ich gefragt habe, ob jemand freiwillig umziehen will – mit einer großzügigen Zulage, muss ich dazusagen –, war die Resonanz der Hauptstadtelite hier in der Firma ziemlich mau. Ich habe eine Liste der tollsten Sprüche begonnen. Wo genau liegt Nottingham?, Ist das Meer in der Nähe?, Kriegt man dort eine annehmbare Spaghetti Cacio e Pepe? und mein Lieblingszitat: Crouch End ist mir nördlich genug.«

Edie lachte schallend. Außerdem könnte sie darauf wetten, dass es für die meisten so aussah, als würde man sich freiwillig als Zellengenosse der Serienmörderin Rose West melden.

»Egal, ein tapferer Kerl hat sich bereit erklärt und überdies versichert, er freue sich darauf – Declan Dunne. Erinnerst du dich an ihn? Er war auch auf der Weihnachtsfeier. Groß. Ire, wie der Name schon sagt. Sonniges Gemüt. Mit einer merkwürdigen Begeisterung für Sport.«

»Hm … so aus dem Stand erinnere ich mich nicht.«

Außerdem fraternisieren neue Kollegen lieber nicht mit der berüchtigten Hochzeitscrasher-Schlampe, die sogar Charaktere aus fiktionalen Multiversen in den Sog des Traktorstrahls zieht, der von ihrem Unterleib ausgeht.

»Ich glaube, ihr zwei werdet euch verstehen. In mancher Hinsicht erinnert er mich an dich«, sagte Richard. »Ein vielversprechender Typ. Ich würde ihn nicht zu dir raufschicken, wenn ich nicht der Meinung wäre, dass die Chemie zwischen euch stimmen wird.«

»Alles klar«, erwiderte Edie. »Ich vertraue deiner Menschenkenntnis.«

Das war die Wahrheit, trotzdem hatte sie insgeheim Zweifel. Declan könnte längst von den Scharfschützen infiziert worden sein. Im schlimmsten Fall wollte er die Lage auskundschaften. Zugegeben, ein ziemlich großer Einsatz, um die Neugier zu stillen, aber mittlerweile schloss Edie keine noch so weit hergeholte Möglichkeit mehr aus.

»Er wird sich um neun Uhr früh am ersten Freitag nach den Feiertagen bei dir melden. Ich dachte, es ist eine gute Idee, an einem Tag anzufangen, an dem ihr mittags was trinken gehen könnt und er das Wochenende hat, um sich ein bisschen einzuleben.«

»Bin schon dabei, in den Kalender einzutragen, dass ich ihn betrunken machen soll, alles klar.«

Richard lachte. »Ich will nicht, dass du dich unter Druck gesetzt fühlst und dir vor Mr. Dunnes Ankunft graut, zumal es so klingt, als hättest du ein reges Sozialleben – aber er wäre dir bestimmt sehr dankbar, wenn du ihn ein bisschen unter deine Fittiche nimmst und als ortskundige Fremdenführerin fungierst. Er ist ein unabhängiger Geist, er braucht sicher keine allzu große Starthilfe.«

»Ich tu mein Bestes. Auf jeden Fall kann ich ihm sagen, welche Pizzarestaurants etwas taugen, und ihn vor den Pubs warnen, in denen sich die Leute regelmäßig prügeln.«

»Eines noch, Edie. Falls ich mich nicht klar ausgedrückt habe: Ich überlasse es dir, ob du den Kollegen gegenüber bestätigen willst, dass du was mit Marlon Nando am Laufen hast. Aber mach es bald.«

 

Nachdem sich Edie von Richard verabschiedet hatte, kam ihr die Idee, ihre Instagram-Follower zu checken und zu schauen, ob dieser Typ sie ausgekundschaftet hatte. Jep, da war er: Declan Dunne beziehungsweise @dunneonthewold. Bislang hatte sie ihn nicht zuordnen können und war ihm nicht gefolgt, doch das holte sie jetzt nach, um die Sache positiv anzugehen, wenn sie sich in Zukunft ein Büro teilen sollten.

Sie scrollte durch sein Profil. Er war groß, auf etwas zerzauste Art gut aussehend und so gutmütig, dass es sogar durch die Kameralinse zu erkennen war. Er sah aus wie eine Kreuzung von Fred und Shaggy aus der Zeichentrickserie Scooby-Doo. Gerade mal vier Bilder vorher stand Declan grinsend am November-Lagerfeuer und schwenkte stolz eine Wurst über dem Grill. Edies neue Nemesis Jessica hatte die Arme um seine Hüfte geschlungen und machte ein Peace-Zeichen in die Kamera. Der Anblick versetzte Edie einen Stich. Du stehst auf Frieden? Mir gegenüber hast du nicht gerade die Pazifistin raushängen lassen.

Die Bildunterschrift machte deutlich, dass die Freundschaft so eng war, dass Declan Jess auch zu Hause besuchte.

Auch die Kommentare klangen freundschaftlich.

Ach! Ich hab dich lieb, Dunny! König der Cumberland-Würstchen! 😂

War schön, euch alle zu sehen! Xx

Ach Gottchen. Jessicas Ehemann war auf ihrem Instagram-Account der letzten sechs Monate nicht zu übersehen, also handelte es sich vermutlich nicht um eine erotische Beziehung, trotzdem blieb es dabei, dass es in Edies Eden ein Schlangenproblem geben dürfte.

Undenkbar, dass Jessica Declan nicht vor Edie gewarnt hatte. Aber warum beherzigte er ihren Rat dann nicht? Es konnte gar nichts anderes sein als eine Spionagemission. Und selbst wenn sie nicht als solche geplant war, würde wahrscheinlich eine daraus werden.

Sie blockierte Jess und stellte ihren Instagram-Account auf privat um. Es war Symbolpolitik, denn es existierten immer noch genügend Leute, die Informationen an Jessica weiterleiten konnten, wenn sie wollten, aber Edie hatte das Bedürfnis, Jessica gegenüber klarzustellen, dass sie Bescheid wusste.

Es waren so tolle Neuigkeiten gewesen, und jetzt das.

Die High-low-Strategie.

5

Sie versammelten sich bei Minusgraden an den Toren zum prächtigen Wildpark von Wollaton Hall, nachdem Hannah mit der What3words-App den exakten Standort kommuniziert hatte: salz.metro.prämie.

Als Edie das letzte Mal hier gewesen war, hatte der Regisseur von Elliots damals aktuellem Film sie zu sich zitiert, weil er wissen wollte, warum sein Hauptdarsteller kurzfristig vom Set verschwunden war. Besagter Regisseur dachte, dass Elliot sich zwischen den Bettlaken mit seiner Ghostwriterin vergnügte; tatsächlich aber war Elliot untergetaucht, nachdem die Nachricht von seiner Adoption die Runde gemacht hatte. Zu dem Zeitpunkt hatte Edie die Vorstellung, dass Elliot an ihr interessiert sein könnte, noch für beschämend absurd gehalten.

»Ich dachte immer, die What3words-App ist für Leute, die entführt wurden«, meinte Nick. »Ich wünschte, jemand würde mich entführen. Welcher Vollidiot hatte eigentlich diese Idee?«

Er schauderte in seinem Liberty-Schal, den er im Mantelkragen drapiert hatte. Nick war weit mehr an Kleidung interessiert als irgendeine seiner besten Freundinnen, daher trug er einen dreiviertellangen Wollmantel mit Hahnentrittmuster. Er war gekleidet wie für ein erstes, schickes Date, nicht für einen Spaziergang übers Feld.

Edie hatte erst vor Kurzem ihren schäbigen karierten Parka durch einen etwas teureren Dufflecoat aus elegant geschneidertem, dunkelblauem Stoff mit Hornknöpfen ersetzt.

»Das war ich. In meiner Familie ist es Tradition, am zweiten Weihnachtstag spazieren zu gehen!«, sagte Hannah.

»Ein über Generationen weitergegebenes Trauma«, erwiderte Nick. »Wie es aussieht, haben sich die beiden Freundinnen eine Ausrede einfallen lassen.« Er sah zu Elliot. »Dummkopf.«

Elliot salutierte. »Weißt du, um ehrlich zu sein, will ich bloß Sex.«

»Du lieber Himmel.« Nick nahm die E-Zigarette aus dem Mund. »Ich dachte, wir gehen spazieren.«

Elliot war schon da gewesen, als Edie zu ihnen stieß, den dunklen Kopf über das Handy gebeugt.

»He, in der App steht, das Haus heißt Wayne Manor – lustig«, hatte Elliot zur Begrüßung gesagt, vom Bildschirm aufgeblickt und auf den elisabethanischen Herrensitz hinter sich gedeutet, der als Batmans Villa hatte herhalten müssen.

Edie überlief ein kindischer Freudenschauer, weil er gekommen war. Mit Unschuldsmiene Ach, das ist mein Freund zu sagen und das Ganze noch getoppt von Es ist tatsächlich Elliot Owen.

Du würdest Elliot zurückweisen, nicht Elliot Owen, hatte er gesagt.Sie selbst empfand seine Berühmtheit als ein größeres Hindernis als er. Damit hatte sie nicht gerechnet, andererseits lebte er schon seit Jahren mit seiner hochstaplerischen Doppelidentität, und Edie erst seit ein paar Monaten. Er hatte darauf hingearbeitet, sie hingegen war zufällig ins Rampenlicht geraten.

Im Laufe ihrer Beziehung hatte sie gespürt, wie sich mit wachsender Vertrautheit ihre Wahrnehmung von ihm verändert hatte: Von einem berühmten Menschen, den sie kannte, wurde er zu jemandem, den sie kannte, der außerdem auch berühmt war.

Durch die Monate der Trennung hatte sich das wieder ein wenig verschoben. Sie befanden sich nicht mehr in der Ausnahmesituation von damals, als er für einen Dreh in der Stadt war und sie regelmäßige Arbeitstreffen hatten, bei denen Edie wichtige Phasen aus seinem Leben notierte. Er war fort gewesen und hatte neue, beeindruckende Dinge geleistet, und Edie musste sich erst wieder akklimatisieren.

Meg traf als Letzte ein, mit roten Wangen, weil sie sich so abgehetzt hatte. Über der blauen Arbeitskleidung trug sie den braunen Teddymantel, den Edie ihr zu Weihnachten geschenkt hatte.

»Entschuldigt bitte! Ich bin noch nie mit diesem Bus gefahren, er hat ewig gebraucht.«

»Schon gut, du hast nichts verpasst. Der Plan ist, uns sportlich zu betätigen«, sagte Nick. Sein albernes Gemecker war eine altbekannte Angewohnheit, und alle wussten, dass er froh war, hier zu sein, egal, wie geschickt er es verbarg.

»Hi, Elliot, ich wusste gar nicht, dass du auch kommst!«, sagte Meg.

»Du hast seine Erklärung verpasst, warum er so scharf darauf war, herzukommen – am besten belassen wir es dabei«, sagte Nick zu Meg.

»Ich weiß deine Zurückhaltung zu schätzen«, sagte Elliot zu Nick.

Noch etwas, was Edie an Elliot zu schätzen wusste, war, dass er nicht gesagt hatte: Wollen wir nicht lieber allein sein? Er hatte nicht das Geringste dagegen, nach dem Spaziergang in Hannahs schöner Wohnung abzuhängen, genauso wenig, wie er sich gegen eine Runde Activity bei der gestrigen Weihnachtsfeier gewehrt hatte.

Elliot hatte ihr erklärt, ihre Beziehung könne funktionieren, und Edie begriff, dass er ihr genau das beweisen wollte.

»Ich habe gesagt, zur Belohnung gibt es chinesisches Essen und Old-Fashioned-Cocktails bei mir, Nick«, meinte Hannah. »Damals hast du die Bedingungen bereitwillig akzeptiert.«

»Mein Oktober-Ich hasst mein Dezember-Ich, das kann ich dir sagen«, entgegnete Nick.

»Entschuldigen Sie. Tut mir leid, wenn ich störe, aber ich bin ein großer Fan.« Ein höflicher Mann in einer Funktionsjacke von Carhartt sah Elliot interessiert an. Er war etwa vierzig Jahre alt. »Wir haben keine einzige Folge von Blood & Gold verpasst, aber nachdem Sie aufgehört haben, war es nicht mehr dasselbe.«

»Oh, vielen Dank«, erwiderte Elliot ruhig und kein bisschen überrascht – im Gegensatz zu den anderen.

Ein Überfall aus dem Hinterhalt. Es war der zweite Weihnachtstag! Doch Ruhm kannte keine Feiertage und keinen Urlaub von der Öffentlichkeit.

»Würden Sie ein Bild mit meiner Frau machen?«

Ihre Blicke folgten seinem ausgestreckten Zeigefinger, und sie sahen, dass der Mann in der Carhartt-Jacke Botschafter einer Gruppe von sieben hysterisch kichernden Menschen war.

»Klar. Nachdem Sie zu mehreren sind, gehe ich vielleicht am besten einfach rüber«, sagte Elliot.

Er ging hin, schüttelte behandschuhte Hände und fügte sich voller Charme den Höflichkeitsfloskeln und Selfies.

»Ich würde so was nie machen, das wäre mir viel zu peinlich. Selbst wenn es jemand wäre wie David Attenborough oder so«, meinte Meg und beobachtete voller Entsetzen die Szene.

Edie wusste, dass ihre Schwester ihre ganz eigenen Benimmregeln hatte, und bedeutende Menschen zu behelligen, wäre viel zu sehr statusorientierter Mainstream.

»Das war verrückt. Ich habe noch nicht einmal mitbekommen, dass sie dich bemerkt haben!«, flüsterte Hannah, als Elliot sich seiner Pflichten entledigt hatte und sie durch den Park gingen.

»Länger an einem Ort herumzustehen, erhöht das Risiko«, sagte Elliot.

»So wie bei Thrombosen«, ergänzte Nick.

»In Amerika schreien sie dir sogar hinterher: Bist du es wirklich?, aber die Briten haben Angst, dass sie dich mit jemandem verwechseln, also beratschlagen sie sich erst einmal eine Weile«, meinte Elliot. »Als wären sie ein Quiz-Team.«

Edie nahm Elliot an der Hand. Sie merkte – und sie fragte sich, ob es ihm ebenfalls auffiel –, dass sie es instinktiv erst tat, als sie sich nicht mehr im Blickfeld potenzieller Beobachter befanden.

Es erinnerte sie komischerweise an die Zeit, als man nicht von den Schulkameraden ertappt werden wollte, damit sie einen nicht anstarrten und hänselten. Sie brauchte Zeit, das war alles. Noch war sie nicht so weit.

»In der Arbeit alles okay, Meg?«, fragte Hannah.

»Ja, es war ruhig, außerdem gab es Mince Pies. Nachdem ich John beim Duschen geholfen hatte, habe ich ihm die Sache mit den Fäkalwolken erklärt.«

»Fäkal was?«, fragte Edie.

»Weißt du etwa auch nichts von den Fäkalwolken?!«, fragte Meg. »Das sind die Partikel, die beim Spülen der Toilette freigesetzt werden! Deshalb sollte man immer den Klodeckel zumachen!«

»Die Fäkalwolke ist einer der Bösewichte in meinem Film«, sagte Elliot, und alle lachten – in Edies Fall auch aus Erleichterung.

Sie war froh, dass Elliot Megs Exzentrik amüsant fand.

Genieß den beglückenden Winterspaziergang, auch wenn die Benimmregeln meiner Schwester die Bitte um ein Selfie aus-, das Debattieren über Arschaerosole hingegen einschließen.

»Oh, schaut mal, ein Reh«, sagte Hannah, die kein Reh sah, aber offenkundig genau wie Edie das Bedürfnis hatte, das Thema zu wechseln.