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Falls Sie, liebe Leser*Innen schon immer mal einen Blick hinter die Kulissen des Schulalltags werfen wollten, haben Sie hier die Gelegenheit dazu. Die beiden Protagonistinnen dieser Erzählung, Ada und Katharina, lassen Sie gerne teilhaben an ihren Erfahrungen mit den toxischen Eigenschaften eines Hierarchie-Systems, an dem sie sich bis zum Burn-Out abgearbeitet haben. Ada, die als Referendarin und anschließend als junge Lehrerin an einer ostdeutschen Schule arbeitet, reibt sich an der virtuellen Mauer zwischen den Ost-und westdeutschen Lehrermentalitäten wund. Katharina erlebt als ehemalige Kämpferin für Frauenrechte das Erwachen aus dem Traum von Frauensolidarität, als sie mit den entwürdigenden Machenschaften einer weiblichen Vorgesetzten konfrontiert wird. Die Ursachen für das schutzlose Ausgeliefertsein an eine rücksichtslose Frau in einer Machtposition erkennt sie nicht nur in den hierarchischen Strukturen, die einen Machtmissbrauch erst ermöglichen, sondern sogar in den genderpolitischen Entscheidungen der in den sozialen Gremien sitzenden Mitarbeiter*Innen. Wie durch einen Bumerang, der aus ihrer politisch engagierten Vergangenheit zu ihr zurückkehrt, wird sie nun von ihren eigenen gender-gerechten Forderungen nach mehr Weiblichkeit in Schlüsselpositionen geradezu erschlagen. Die Hoffnung beider Frauen, das als inhuman empfundene -System Schule- lasse sich noch während ihrer Berufstätigkeit reformieren, verendet als Illusion in einer Sackgasse. Dass es ihnen trotzdem gelingt diesen Orten psychischer Grausamkeiten zu entkommen, verdanken sie der Resilienz ihres zielführenden Überlebenswillens in eine selbstbestimmte Zukunft.
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Seitenzahl: 252
Veröffentlichungsjahr: 2023
Rosa-Karina Reh
Und Sie wollen Lehrer sein?
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Und Sie wollen Lehrer sein?
Kapitel 1 - Was nicht tötet, härtet auch nicht ab!
Kapitel 2 – Schriftliche Selbstverteidigung
Kapitel 3 - Backstage
Kapitel 4 - Der blinde Fleck
Kapitel 5 - Verschriftlichte Nächte
Kapitel 6 - Das Leben zelebrieren
Impressum neobooks
Vorwort
In dieser Erzählung werden Geschichten über Begegnungen zwischen Kolleg*Innen und weiblichen Vorgesetzten geschildert, die unter anderen Bedingungen vielleicht sogar Freundschaften ermöglicht hätten: wäre da nicht die Abhängigkeit von Strukturen, die den Berufsalltag formatieren. Hierarchische Strukturen, die einen zwischenmenschlichen Umgang oft geradezu blockieren. Wo Empathie, Respekt und Wertschätzung auf Augenhöhe erbarmungslos auf der Strecke bleiben und von ihren boshafteren Konkurrent*Innen überholt werden, entsteht ein toxisch verseuchtes Klima mit dramatischen Folgen für alle Beteiligten. Vor allem für die Betroffenen, die am unteren Ende der Sprossen abgehängt ihr berufliches Dasein fristen müssen wie die beiden Protagonistinnen dieser Erzählung, Ada als junge Referendarin an einer ostdeutschen Schule und die ältere Lehrerin Katharina im Westteil des Landes. Schulen sind neben anderen berüchtigten Tatorten, wie man weiß, höchst brisante Austragungsorte! Besonders alarmierende deshalb, weil ausgerechnet dort die Weichen für junge Menschen in Fahrtrichtung Selbstwirksamkeit unter demokratischen Spielregeln gestellt werden! Doch wie soll das ohne nachahmenswerte Vorbilder geschehen?
Wie der Titel vielleicht ahnen lässt, geht es in dieser Erzählung vor allem um den Blick hinter die Kulissen der Bühnen, auf denen die Dramen des Schulalltags aufgeführt werden. Um das ins Rampenlicht des Open Stage zu stellen, was öffentlich kaum oder nur undeutlich sichtbar ist. Man wird der Autorin Plauderei aus dem Nähkästchen oder Nestbeschmutzung vorwerfen, aber das schreckt sie nicht ab! In einer Gesellschaft, die Transparenz und Offenheit akzeptiert, sollte sich auch Schule öffnen dürfen und Einblicke in das innerste Getriebe gewähren, damit sich endlich etwas ändert an dem kranken und höchst ansteckenden Patienten SCHULE!
Oder hätten Sie Lust, liebe Leser*Innen im Spannungsfeld zwischen Schulbürokratie, gesellschaftlichem Lehrer*Innen-bashing, einer sozial inkompetenten Schulleitung, übergriffigen Eltern-und Schüler*Innen und ausgebrannten Kolleg*Innen mindestens die gefühlte Hälfte der kostbaren Zeit Ihrer besten Jahre zuzubringen? Immer in Sorge um die eigene Gesundheit? Und völlig überfordert so zu tun, als ob nichts gewesen wäre? Trotz Überforderung adrett, möglichst ausgeschlafen, gut gelaunt und kompetent in den Nebenrollen als Kindermädchen, Psychotherapeutin für schwierige Inklusionsfälle und elterlichen Erziehungsversäumnissen vor der Klasse zu stehen? In der Zusatzfunktion als Blitzableiter*In für Eltern, Schüler- und Schulleiter*Innen-Willkür? Sicher haben Sie nach dem Lesen des vorletzten Satzes bereits festgestellt, dass Lehrer*Innen für diese Berufsgenres gar nicht ausgebildet worden sind und die vorausgesetzten Kompetenzen deshalb auch gar nicht vorhanden sein können; diese dennoch zu einhundert Prozent erwartet werden! Sicherlich haben sie richtig geschlussfolgert, dass so etwas nicht gut gehen kann und schwerwiegende Folgen geradezu vorprogrammiert sind! Vor allem solche, die das Selbstwertgefühl attackieren und mit spitzen Zähnen permanent gierig an ihm nagen! SELBSTZWEIFEL, ÄNGSTE, SCHULDGEFÜHLE, um nur einige Nagetiere zu nennen, denen Lehrer*Innen oft allein gelassen ausgeliefert sind! Denn Hilfsmaßnahmen wie Supervision und Stressbewältigung sind in den meisten Schulen offiziell nicht vorgesehen. „Kolleg/Innen, die einen Psychologen benötigen und einen aufsuchen, sind in der Schule fehl am Platz und werden von mir persönlich suspendiert!“ (Ansage eines Schulleiters). Aber es sind nicht nur die männlichen Vorgesetzten, die dieses System mittragen, von ihm getragen werden, dessen erbitterte Verfechter sie sind, wohl wissend, dass sie es sind, die am längeren Hebel der Macht sitzen! In dieser Erzählung handelt es sich nämlich um weibliche Vorgesetzte, die denselben Hebel nutzen wie ihre männlichen Kollegen aus den oberen Etagen!
Zwar selber unter der Dominanz ihrer Vorgesetzten leidend, leiten sie den Leidensdruck dennoch gerne nach unten weiter; Angst und Schrecken verbreitend und sogar feministische Kolleginnen das Fürchten lehrend! (s. Kapitel 3). Weibliche Vorgesetzte, die ihre Position deshalb ungestraft nutzen dürfen, weil sie nicht nur durch die Beamt*Innen-Hierarchie gedeckt werden, sondern leider, frau wagt es kaum zu behaupten, auch durch die gender-politische Korrektheit der Mitarbeiter*Innen aus den sozialen Gremien; die doch die Interessen des Lehrer*Innenpersonals vor selbstherrlichen- und weiblichen Machenschaften in den oberen Etagen schützen sollten!
Bitte glauben Sie der Autorin, liebe Leser*Innen, hier schreibt keine Frauenbasherin! Von Beginn an war sie als feministisch orientierte Studentin mit dabei, wenn es um den Kampf für Frauenrechte ging, wohl wissend, dass Frauen keine Heiligen sind! Aber niemals hätte sie vermutet, dass sie selbst eines Tages der Willkür einer weiblichen Vorgesetzten ohne Mitgefühl ihren eigenen Geschlechtsgenossinnen gegenüber ausgeliefert sein würde! Wohl wissend, dass sie sich als alte studentische Widerstandskämpferin so gar nicht in die Opfer-Rolle fügen kann! Und noch immer treibt sie die Frage um, ob die hierarchischen Strukturen die URSACHEN für die Transformation ethisch fühlender Menschen in Personen ohne Empathie sind oder ob die vorhandenen hierarchischen Strukturen dem bereits angelegten Gen-Pool schwieriger Charaktereigenschaften erst die nötigen Spielräume zur Entfaltung bieten; wobei das Geschlecht an dieser Stelle eine untergeordnete Rolle spielt!
Vielleicht gehöre Sie liebe Leser*In ja auch zu den Mitbürger*Innen, die im geistigen Bund mit unserem Ex-Ex-Bundeskanzler die Ansicht vertreten, dass Lehrer*Innen –faule Säcke- sind! Und falls Sie sich trotzdem über die vierzigtausend Leerstände an Schulen wundern (GEW-Statistik im Januar 2023) und noch nicht davon überzeugt sind, dass ein Zusammenhang zwischen dem Personalmangel und dem kränkenden Umgang mit den Menschen besteht, die bloß ihr Bestes geben wollen, damit junge Menschen ihre eigene Zukunft möglichst unter demokratischen und ethischen Gesichtspunkten planen können, dann empfehle ich Ihnen diese Leidendgeschichten von zwei Lehrerinnen zu lesen! Verfasst in der Hoffnung, dass dieser Text vielleicht als kleines Puzzleteilchen eines Blaupausen- Plädoyers für eine Ziel führende Veränderung von SCHULE beiträgt, damit sie mehr werden kann als bloß Aufführungsort für Dramen und Tragödien.
Beine auf dem Tisch. Ohrenbetäubender Lärm. Eine Schere fliegt durchs Klassenzimmer. „Wer hat Ihnen eigentlich gesagt, dass Sie Lehrerin werden sollen?“ Übermüdet, und mit hämmernden Kopfschmerzen sucht die junge Referendarin Ada verzweifelt nach einem Fluchtweg. Zwölf Stunden Unterrichtsvorbereitungen und viel zu wenig Schlaf haben ihr den letzten Rest ihrer Widerstandskraft geraubt. Und wie Bluthunde die Angst riechen, so reagieren die Schüler dieser 8. Klasse. Sehnsucht nach Schlaf oder zumindest ein wenig Stille wird übermächtig. Der Willkür pubertierender Schüler ausgeliefert und kein Entkommen! Die Aufsichtspflicht ist Wächterin der Schultüren. Gefangen in einem Albtraum, der Wirklichkeit ist und auch mit dem Klingelton nicht endet.
„Sind Sie gut versichert? Mein Bruder hat den schwarzen Gürtel!“, droht der Wortführer, ein zweifacher Repetent, daher zwei Jahre älter als die anderen Schüler der Klasse und wegen Schulverweis von der alten Schule jetzt hier sein Unwesen treibend. „Der wird Ihnen auflauern und dann werden Sie schon sehen…!“-„Was ist denn das für ein Lärm!“, empört sich eine Kollegin aus der Nachbarklasse. Können Sie nicht mal dafür sorgen, dass der aufhört?!“- „Können Sie nicht mal dafür sorgen, dass der aufhört!“, äfft der Wortführer die Kollegin nach, nachdem diese den Raum verlassen hat. „Kann die sowieso nicht! Is viel zu blöd dafür!“, brüllt ein Epigone in Richtung geschlossene Tür. Wohl wissend, dass Ordnungsmaßnahmen wie Umsetzen, Nachsitzen, Sonderaufgaben oder Tadel erfahrungsgemäß wirkungslos sind und bloß zu weiteren entwürdigenden Auseinandersetzungen führen, versucht die junge Referendarin den Zwischenfall zu ignorieren und den Unterricht den willigen Schüler/Innen zuliebe fortzusetzen. Schließlich hat sie den ganzen Tag und die halbe Nacht an der Unterrichtsvorbereitung gesessen. Meist Stunden lang vor sich hin gestarrt und alle Ansätze als unbrauchbar verwerfend, weil der ultimative Kick sich ihr verweigerte. Es waren die an ihrem inneren Auge vorbeiziehende Bilder und Filmsequenzen mit Szenen von Unterricht verweigernden Schülern, die ihre didaktisch- methodischen Intentionen und deren Verschriftlichung zu einem Unterrichtsentwurf blockierten. Erst weit nach Mitternacht hatte die Verzweiflung sie gezwungen Plan Z im Eilverfahren umzusetzen, wohl wissend, dass die Beschwerde des strengen Mentors sie noch vor dem Unterricht ereilen würde. Den Abgabetermin am frühen Abend hatte sie längst verpasst. Die Einhaltung des Termins war ihr nur anfangs, bevor die Blockade eingesetzt hatte, gelungen.
Endlich das erlösende Klingelzeichen nach sechs Stunden Unterricht! Doch dass aus der Erlösung nichts wird, dafür sorgt der Mentor. Ihm sei zu Ohren gekommen, dass sie die Schüler der siebten Klasse vor der Lehrprobe bestochen habe. Ob sie nicht wüsste, dass Bestechungsversuche für Beamte besonders strafbar seien! Das Entsetzen im Gesicht der jungen Referendarin ignorierend fügt er hinzu: „Sie haben doch den Schülern der siebten Klasse versprochen mit ihnen in die Cafetier zu gehen, wenn sie bei der Lehrprobe gut mitmachen oder nicht? Jedenfalls haben mir das die Schüler selbst erzählt!“ Dann legte er ihr ein Formular zur Unterschrift bereit: HIERMIT BESTÄTIGE ICH NIE MEHR EINEN BESTECHUNGSVERSUCH ZU UNTERNEHMEN, stand da geschrieben. Auf diese Weise wurde sie gezwungen ein Zugeständnis für eine angeblich begangene Straftat zu unterschreiben, von der sie gar nicht gewusst hatte, dass ihr Versuch, die Schüler durch Belohnung zu motivieren, eine Straftat war!
Die Referendarin
An dieser Stelle soll die Leidensgeschichte der jungen Referendarin weiter erzählt werden, die nach ihrem Studium für das Lehramt an einer kleinstädtischen Regionalschule in den Neuen Bundesländern eingesetzt wurde. Die junge Frau, deren Sozialisation durch demokratische und emanzipatorische Normen geprägt worden war, sah sich nun mit einem Verhaltenscodex konfrontiert, der ihr wesensfremd erschien und dem sie sich nicht gewachsen fühlte; denn die an sie gestellten Ansprüche, wie eine Despotin vor der Klasse aufzutreten, konnte sie nicht erfüllen! Viel zu sehr war sie von klein an daran gewöhnt, empathisch und höflich mit den Menschen zu kommunizieren. Das Bedürfnis, sogar den Schüler/Innen -auf Augenhöhe- zu begegnen, dominierte auch dann noch, wenn sie von den Ausbilder*Innen mit Nachdruck aufgefordert wurde, ihren pädagogischen Stil zu ändern und einen raueren Ton anzuschlagen. Wie das zu verstehen sei, wurde ihr ständig vorgeführt und zur Nachahmung empfohlen: nämlich die Stimme in schärfster Tonlage anzuspitzen und die Schüler/Innen durch Anbrüllen- und andere disziplinarische Maßnahmen zu demütigen, so wie sie es an dieser Schule gewohnt waren! Vor allem der Klassenlehrer war es, der diese Methoden akribisch praktizierte und kurzfristige Erfolge verbuchen konnte; nicht aber die junge unerfahrene Referendarin, die in dieser Klasse als Fachlehrerin für Fremdsprachen unterrichten musste. Wie die Luft zischend aus einem geöffneten Ventil entweicht, so reagierten die pubertierenden Schüler auf ihre freundliche Ansprache. Angestaute und unterdrückte Emotionen, gepaart mit jugendlicher Selbstüberschätzung schafften sich über vorsichtig gesetzte pädagogische Grenzen hinaus Luft. An einen geordneten Unterricht, den die Referendarin bis spät in die Nacht hinein vorbereitet hatte, war nicht zu denken! Ein ungesunder Kreislauf aus Schlafmangel, Nerv tötendem Lärm im Klassenzimmer, entfacht von emotional gestörten Schülern aus bildungsfernen Elternhäusern, auf deren Problematik sie an der Universität nicht vorbereitet worden war, sowie wenig emphatische Kolleg*Innen und Eltern setzte ihrer Gesundheit ziemlich zu. Morgens litt sie unter Schwindelgefühlen, gefolgt von Kopfschmerzen während des Unterrichts und Bauchschmerzen danach. Ohne Widerstandskraft war sie dem respektlosen Treiben aller Beteiligten ausgesetzt. Sie wurde beschimpft, bedroht, gedemütigt und ihre Bemühungen, Verständnis für diejenigen aufzubringen, die aus Kinder vernachlässigenden Elternhäusern stammten und entsprechende Schäden davon getragen hatten, wurden von ihrem Mentor verlacht. Dabei war es meist nur eine Hand voll Schüler, die ihre Aufmerksamkeit forderten, indem sie den Rest der Klasse terrorisierten; darunter Schülerinnen, die durchaus lernmotiviert waren. Beschwerden über Lärm und Unruhe blieben dem Klassenlehr, einer äußerst dominanten Persönlichkeit, der keinen Widerspruch duldete und die Ablehnung seiner Bewerbung für das Amt der Schulleitung noch nicht verdaut hatte, natürlich nicht verborgen. So veranlasste er trotz fehlender Weisungsbefugnis, aber motiviert durch die geheime Überzeugung der wahre, aber leider verkannte Schulleiter zu sein, ein Treffen mit der Referendarin und ihrem Mentor. Dieser war kaum älter als die Referendarin, aber strebsamer und sein Ziel auf der Karriereleiter stets vor Augen, einflussreiche Beziehungsnetzwerke knüpfend. Offensichtlich getrieben von einer denunziatorischen Kraft andere vor Zeugen scheitern zu sehen, wurde die schon vorab zutiefst verunsicherte junge Referendarin von dem Klassenlehrer herbei zitiert, um in Gegenwart des Mentors einen halbstündigen Monolog über sich ergehen zu lassen, der es in sich hatte! Vorwürfe, Unterstellungen, Beschuldigungen prasselten auf sie herunter und bewirkten eine so heftige Emotion, dass die junge Frau weinend zusammenbrach, das Gespräch beenden und den Raum verlassen musste. Statt sich schützend vor die unerfahrene junge Frau zu stellen, nutzte der Mentor den emotionalen Zusammenbruch demonstrativ als Beweis für die fehlende Belastbarkeit dieser verweichlichten und selbstbezogenen Frau aus dem Westen. Wohl wissend, dass er selbst diesen emotionalen Zusammenbruch initiiert hatte und seine unbefugte Weisungsbefugnis in Kauf nehmend, sorgte er augenblicklich für die Verbreitung seines Triumphes im Kollegium bis in die oberste Etage der Schulleitung. Offensichtlich war ihm sehr daran gelegen, besonders seine Konkurrentin, die neu gewählte junge, aber in seinen Augen offenbar inkompetente Schulleiterin davon in Kenntnis zu setzen! Diese sah sich dadurch genötigt den Vorfall an die Seminarleiterin weiter zu leiten, die nun ihrerseits Handlungsbedarf verspürend ein Gespräch zwischen Schulleiterin, den beiden Mentoren und der Referendarin zu initiieren. In einem Gespräch vorab hatte sich die Seminarleiterin der Referendarin gegenüber zwar mitfühlend gezeigt und die Kompetenzüberschreitung des Klassenlehrers bemängelt, bei dem gemeinsamen Treffen schien sie jedoch einen Rückzieher zu machen. Statt sich vor die Auszubildende zu stellen und die mangelnde fachliche Vorbereitung auf die pädagogischen Herausforderungen in der Praxis zu thematisieren, die durch die Universität und Fachseminare versäumt worden waren, schien sich die Seminarleiterin mit den beiden Angreifern zu solidarisieren. Nicht zuletzt, weil diese mit dem Hardliner befreundet war, jenem Mentor, von dem die Referendarin die geringste Unterstützung erhalten hatte und der sich nun in Gegenwart der Seminarleiterin als Sprachrohr des von ihm bewunderten Klassenlehrers aufspielte. Die Frage nach den Motiven dieses denunziatorischen Verhaltens gegenüber der bereits traumatisierten Referendarin, war unübersehbar und bewirkte einen Anflug von Verzweiflung. Denn im Raum stand die zunächst unausgesprochene Forderung nach einer Verschiebung des Zweiten Staatsexamens um ein weiteres Jahr. Die bislang im Vorfeld mit gut und befriedigend bewerte Referendarin, fiel aus allen Wolken! Wohl wissend, dass sie ein weiteres Jahr nicht überstehen würde, wollte sie so schnell wie möglich weg hier, egal ob mit oder ohne Zweites Staatsexamen! Lieber wollte sie als Tierpflegerin in einem Zoo arbeiten, als jemals wieder in einer Schule! Auf diese Weise würde das Land, das dringend auf junge Lehrer*Innen angewiesen war, aus fehlender Fürsorge und mangelnder fachlicher Vorbereitung eine Lehrkraft mit humanistischem Potential verlieren.
Die junge Lehrerin
Als junge Lehrerin findet sie zunächst Anerkennung, was sich nachdem Outing als Wessi in kürzester Zeit jedoch ändert. Nun erfährt die zuvor geschätzte junge Kollegin plötzlich die geballte Kraft der aus dem inoffiziellen Ost-West-Konflikt resultierenden Ressentiments und stolpert über die Steine, die ihr von nun an in den Weg gelegt werden. Bereits als Referendarin hatte sie nach ihrem Outing als Wessi die bittere Erfahrung hinnehmen müssen, von Seminarleiter*Innen und Schulleitung plötzlich wesentlich schlechter bewertet und ihre Kompetenz als LEHRKRAFT infrage gestellt zu werden. Ihr, der vorher eine fachliche und pädagogische Kompetenz bescheinigt worden war, wurde nun von denselben Personen davon abgeraten das zweite Staatsexamen zu versuchen. Erst durch das Einschreiten einer im Bildungsbereich tätigen Bekannten (s. Anhang) gelingt es ihr das zweite Staatsexamen doch noch zu bestehen; allerdings mit einer Abschlussbewertung in den Kernfächern, die eine Bewerbung an den Schulen zu einem demütigenden Spießrutenlauf ausarten lässt. Zudem hat das Vernetzungssystem alter Seilschaften offensichtlich zu einem Informationsaustausch zwischen den Schulleiter*Innen dieses Bundeslandes geführt. Als ihre Bewerbung endlich Erfolg hat, weil die Schulleiterin einer Schule im äußeresten Winkel des Bundeslandes offensichtlich vom Informationsstrom abgeschnitten ist, wird sie zunächst als junge, neue Kollegin trotz schlechter Examensbenotung zuvorkommend behandelt, zumal an der Schule Lehrermangel herrscht. Die Bemühungen, ihre West-Identität zu verbergen, scheitern schließlich an der Sprachbarriere; durch die Verwendung von typischem West-Vokabular wird sie auch hier als Wessi entlarvt und überlebt den Sturz vom Sockel in den Abgrund nicht; denn von nun an muss sie ausschließlich in Klassen unterrichten, in denen Inklusionsfälle dominieren. Da sie weder über Kompetenzen im Umgang mit emotional gestörten und sogar autistischen Schülern verfügt, ist ein Scheitern vorprogrammiert. Schuldzuweisungen und Vorwürfe seitens der Kolleg*Innen und Schulleiterin, es sei ihr nicht gelungen die renitenten und emotional gestörten Schüler aus bildungsfernen Elternhäusern in den Griff zu kriegen, führen schließlich zu einem Burn-out, von dem sie sich selbst ein halbes Jahr später kaum erholen kann. Trotz Lehrermangels zeigt sich die Schulleitung unfähig zu verhindern, dass eine ausgebildete junge Lehrerin die Schule verlässt, um einem Quereinsteiger aus den neuen Bundesländern Platz zu mache. Doch allen Erwartungen trotzend, erweist sie sich als Stehauf-Frau! Nach einer längeren Krankheitsphase gelingt es ihr sich selbst aus dem depressiven Sumpf zu ziehen und einen Neustart zu beginnen.
Schriftliche Selbstverteidigungsbemühungen der Referendarin:
Zum Vorwurf mangelnder Belastbarkeit: Meine Belastbarkeit habe ich nach dem Ersten Staatsexamen durch den halbjährigen Vertretungsunterricht an zwei Grundschulen bewiesen. Vor allem in der Grundschule mit vorwiegend Schülern aus bildungsfernen Elternhäusern ist es mir gelungen mit verhaltensauffälligen Schüler/Innen aus einem Bildungsfernen Milieu gut zu kooperieren, ohne an meine Belastungsgrenze zu kommen. Während meines Referendariates hatte ich in der Klasse 7 hingegen trotz Disziplinierungsmaßnahmen große Probleme mit verhaltensauffälligen, teils älteren Schülern, die einen geordneten Unterricht durch ihr renitentes Verhalten, das bis zu verbalen Drohgebärden, meine physische Unversehrtheit betreffend, führte (Zitat eines Schülers: „Ich hoffe Sie haben eine gute Versicherung, mein Bruder hat den schwarzen Gürtel in Karate…“) den Unterricht über einen längere Zeitraum boykottierten und andere Schüler negativ beeinflussten. Da ich weder durch den Klassenlehrer, noch durch andere erfahrene Lehrer/Innen als Referendarin unterstützt wurde, setzten diese Schüler das Ausbildungszeit um ein Jahr zu verlängern, konnte ich keinen Vorteil für eine bessere Unterrichtsgestaltung erkennen, da das vorliegende Problem durch eine zeitliche Verlängerung keineswegs gelöst, sondern eher verschärft worden wäre. Denn mein Problem bestand weniger darin, den Unterricht den didaktisch-methodischen Prämissen entsprechend vorschriftsmäßig zu planen, sondern ihn aufgrund genannter unzumutbarer Voraussetzungen auch umzusetzen; denn wie sich in den Vorführstunden, in denen sich die Schüler erstaunlicherweise kooperativ verhielten, gezeigt hatte, war es mir gelungen, die jeweilige Unterrichtsstunde mit der Note Gut bis Befriedigend- durchzuführen. Trotzdem versuchte er den Druck aufrecht zu halten, sodass ich mich letztlich immer weiter an die Grenze meiner Belastbarkeit gedrängt fühlte; mit dem Resultat so stark an meiner Fähigkeit als Lehrerin zu zweifeln, dass ich daran dachte aus dem Referendariat auszusteigen. Ich möchte an dieser Stelle die ungenügende pädagogische und psychologische Vorbereitung an der Universität auf die Praxis bemängeln. Hinzu kommt, dass wir in den Augen der Schüler aufgrund unseres Status in der Rolle als unerfahrene Lehrer/Innen nicht respektiert werden. Oft fehlen uns auch das Verständnis und die kollegiale Unterstützung von erfahrenen Kolleg/Innen. So wurde mir durch meinen Mentor mitgeteilt, er könne nicht einsehen, dass andere es leichter haben sollten im Referendariat als er selber. Da drängt sich einem doch der Verdacht auf, dass klammheimliche Freude beim Versagen einer neuen Referendarin aufkommt und somit auch mangelnde Bereitschaft sie zu unterstützen vorprogrammiert ist! In diesem Klima der Verunsicherung, in der eine mangelnde Belastbarkeit von Referendar/Innen geradezu provoziert wird, zusätzlichen Druck auszuüben, bis die äußerste Grenze der Belastbarkeit erreicht ist, um diese anschließend zu stigmatisieren, empfinde ich unter ethischen Gesichtspunkten, vor allem im schulischen Bereich unzumutbar!
Zum Vorwurf der verspäteten Abgabe schriftlicher Ausarbeitungen: Die schwierigen Unterrichtssituationen und der stark empfundene Druck seitens meines Mentors. haben meine Widerstandskraft im Laufe der Zeit derartig zermürbt und mich ins Grübeln gebracht, ob ich das Referendariat abbrechen soll, da mich die Unterrichtsplanungen für den nächsten Tag immer viel Zeit gekostet haben, sodass ich den schriftlichen Unterrichtsplan oft nicht rechtzeitig fertig stellen konnte. Außerdem habe ich von meinem Mentor keine fachliche Unterstützung durch Beratung erhalten, sodass ein Scheitern, das mir dann noch vorgeworfen wurde, vorprogrammiert war!
Zum Vorwurf die Schüler im Stich zu lassen: Wohl wissend, dass ich meine Unterrichtsreihe im Rahmen der Examensprüfung selbständig planen und durchführen muss, hatte ich meinen Mentor in die Planung der Unterrichtsreihe nicht einbezogen und auch nicht die Absicht ihn an der Durchführung teilnehmen zu lassen. Ich konnte ihm aber den Wunsch doch nicht abschlagen, ihn in einer Stunde meiner Unterrichtseinheit hospitieren zu lassen; allerdings nicht ahnend, dass er Thema und Stellenwert dieser Stunde nicht richtig einschätzen konnte und ziemlich empört reagieren würde, weil er sich bei der Planung der Stunde übergangen fühlte! Mein Versuch, ihn davon zu überzeugen, dass ich durch die Seminarleiterin verpflichtet worden sei, die Unterrichtsreihe selbständig zu planen und durchzuführen, quittierte er mit ungewöhnlich heftigen Emotionen! Ich geriet selber unter Druck, weil ich fürchten musste, dass meine Unterrichtsreihe, die ich bereits weit vorangetrieben hatte, von ihm nicht akzeptiert werden könnte. Wahrscheinlich unter dem zusätzlichen Einfluss eines Trauerfalls in meiner Familie und unter dem Stress im Kontext meiner Hausarbeit, kamen mir die Tränen. In dieser hoch emotionalen Situation erschien plötzlich mein Mentor, der mir zu meiner Überraschung empfahl unter diesen Umständen den Unterricht in der 6. Stunde nicht zu erteilen. Da er gerade auf dem Weg zur Schulleiterin sei, würde er ihr das mitteilen. Allerdings hatte er mir damit einen Bärendienst erwiesen, denn am nächsten Tag erhielt ich die Nachricht, dass die Schulleiterin mich wegen Unerlaubtem Verlassen der Schule zu einem Dienstgespräch geladen hatte, das ein paar Tage später stattfinden sollte und zu dem ich eine Lehrer/in meines Vertrauens mitbringen könnte. Da ich meinen Mentor in dieser Situation als Vertrauensperson empfand, bat ich ihn mitzukommen, nicht ahnend, dass er mich nicht verteidigen, sondern anklagen würde. Er warf mir in Gegenwart der Schulleiterin vor, ich hätte die Schule unerlaubt verlassen, obwohl er selbst mir geraten hatte den Unterricht nicht durchzuführen. Da ich davon ausgegangen bin, dass es in Ordnung gewesen sei nach Hause zu gehen, hatte ich mich persönlich nicht bei der Schulleiterin abgemeldet. Ich befürchtete auch, dass die ohnehin renitenten Schüler mich in diesem Zustand im Foyer sehen könnten und meine ohnehin angeknackste Autorität noch zusätzlich untergraben werden könnte. Obwohl mir die Schulleiterin während des Dienstgespräches signalisierte, dass sie keinen Grund für eine schriftliche Verwarnung sähe, versuchte er die Brisanz meines Verhaltens durch die Aussage, ich hätte die Schüler aus privaten Gründen im Stich gelassen, zu verstärken. Ich empfand diese Aussage als Unterstellung, die mich nachhaltig belastete und meine Arbeit an meiner Unterrichtsreihe blockierte, zumal ich selber gar nicht daran gedacht hatte, meinen Unterricht ausfallen zu lassen, bevor ich durch ihn die Erlaubnis erhalten hatte. Mir dann aber hinterher vorzuwerfen, ich hätte ein Schulgesetz missachtet, empfinde ich nicht fair. Zumindest hätte er meiner Meinung nach sagen können, dass ich warten müsste, bis er wieder zurück kommt. Unter weniger angespannten Bedingungen, hätte ich sicherlich anders gehandelt! Fazit:Eine Verkettung ungünstiger Ereignisse hat dazu geführt, dass ich befürchten muss, dass die negativen Aktenvermerke durch den Mentor sich ungünstig auf meine Berufsbewerbungen auswirken könnten. Darüber hinaus ist mir zu Ohren gekommen, dass er beabsichtigt mich durch das Examen fallen zu lassen, was meine Motivation mich verstärkt auf meine Examensprüfung zu konzentrieren, ziemlich geschwächt hat. Da ich mich als Opfer äußerst ungünstiger Konstellationen empfinde, obwohl ich versucht habe mein Bestes zu geben, möchte ich an dieser Stelle noch einmal dafür plädieren, auf den Eintrag „BESTECHUNG“ in meiner Schulakte zu verzichten. Hier noch einmal eine Zusammenfassung meiner Plädoyers: Ich fühlte mich durch die Argumente meines Mentors, ich müsse noch ein Jahr verlängern, unter Druck gesetzt, verunsichert und meine Kompetenz in Frage gestellt trotz der guten Bewertung meiner Vorführstunden seitens der Seminarleiterin! Durch die permanente Kritik an meiner Unterrichtsführung sowie ungenügender Anerkennung meiner Tätigkeit an der Schule im Kontext einer für mich schwer nachvollziehbaren Distanziertheit meiner Persönlichkeit gegenüber fühlte ich mich stark abgelehnt und ausgebremst. Die fehlende Unterstützung gegenüber den oben beschriebenen renitenten Schülern, führte zu einer Überforderung meines Durchsetzungsvermögens und in die Resignation. Anschuldigungen, Unterstellungen und zuletzt die Aufstellung von Fettnäpfchen während meiner Examensvorbereitungen ließen mich an der Kollegialität von Lehrern zweifeln! Die zusätzliche Einforderung einerlangen Verlaufsplanung für die Vorführstunde in Anwesenheit der Schulleiterin führte zu einer zeitlichen Verzögerung meiner Erarbeitungsphase für die Examensarbeit. Wie ich in Erfahrung gebracht habe, wäre ein kurzer Verlaufsplan ausreichend gewesen! Den Vorwurf, ich hätte die vor den Sommerferien angemahnten Unterrichtspläne nicht eingereicht, kann ich nicht nachvollziehen, zumal die Seminarleiterin bei einem gemeinsamen Gespräch, an dem auch der Mentor anwesend war, vorgeschlagen hatte, zukünftig auf die Abgabe schriftlicher Unterrichtspläne zu verzichten. Dass er diese ein viertel Jahr später anmahnt, zumal in meiner Examensphase, kann ich nicht verstehen! Auch haben mich die Vorwürfe, ich wäre nicht in der Lage einen methodisch angemessenen Unterricht zu führen als Begründung für das renitente Verhalten der Schüler sehr irritiert. Meiner Meinung nach waren die renitenten Schüler die Ursache dafür, dass ich meine erarbeiteten didaktisch-methodische n Unterrichtsplanungen nicht durchsetzen konnte. Die Unterstellung ich würde meine Schüler wegen einer persönlich ungünstigen Nachricht im Stich lassen, hat mich zusätzlich belastet! Der Begriff BESTECHUNG, den er benutzt hat, um meine verzweifelten Versuche einen vernünftigen Unterricht bei der Lehrprobe präsentieren zu können, hat mich derartig aus der Fassung gebracht, dass ich daran denken musste, alles hinzuschmeißen, wenn sich die Schulleiterin nicht für mich eingesetzt hätte, indem sie den Vorwurf zu relativieren begann. Zusammenfassend möchte ich mitteilen, dass ich das Verhalten des Mentors mir gegenüber nicht verstehen und seine negative Beurteilung nicht annehme kann, weil ich von Anfang an den Eindruck der Voreingenommenheit meiner Persönlichkeit gegenüber hatte, trotz intensiver Bemühungen meinerseits, nicht loswerden kann. Bei Fragen zur Unterrichtsvorbereitungen erhielt ich von ihm keine genauere Anleitung, nur den Hinweis, dass dies im entsprechenden Seminar erläutert werden würde. Bei der Auswertung von weniger gelungenen Unterrichtsstunden bekam ich lediglich den Hinweis, dass es sich um eine „Fehlplanung“ handele. Genaueres wurde auch auf Nachfrage nicht erläutert. Da er den digitalen Kontakt eingestellt hatte, waren für mich direkte und unmittelbare Nachfragen leider kaum möglich. Die kurzen, lediglich auf die jeweiligen Unterrichtsstunden bezogenen Gespräche einmal in der Woche waren oft zu wenig hilfreich, sodass ich während der Woche auf mich allein gestellt war und viel Zeit für die Unterrichtsplanungen benötigte, (was mir nun wiederum zum Vorwurf gemacht worden ist). Da es sich hierbei nur um ein Beratungsgespräch handelte, ich auch bis November nicht aufgefordert worden war die Unterrichtspläne abzugeben, kann ich den Vorwurf die Verlaufspläne nicht abgegeben zu haben nicht nachvollziehen, zumal ich nach einer Aufforderung erst im November alle fehlenden Verlaufspläne nachgereicht habe. Diese und ähnliche Kommunikationsprobleme haben mir das Gefühl gegeben nicht ausreichend durch meine Mentorin beraten worden zu sein. Mein Verdacht, es könnte eine Voreingenommenheit mir gegenüber bestehen, weil ich im Westteil der BRD sozialisiert worden bin, scheint sich durch das Verhalten mir gegenüber zu bestätigen, da er mir bei jeder Gelegenheit vorwirft zu wenig belastbar, zu selbstbezogen, zu schwach, zu undiszipliniert zu sein, eine typische Wessi eben.
Bezugnahmen auf den Mentoren-Bericht:
In Bezug auf den Mentoren-Bericht möchte ich anmerken, dass ich mich nicht (wie beschrieben) mit wenigen Präventionsmaßnahmen gegen das Störverhalten im Unterricht befasst habe. Ganz im Gegenteil habe ich für schwierige Schüler, die sich nicht an die Klassenregeln gehalten haben, folgende Maßnahmen Bergriffen:
Präventionsmaßnahmen:
Differenzierte Aufgaben/ Aufgabenstellungen; arbeiten nach eigenem Tempo in der Freiarbeit; verschiedene Lerntypen durch verschiedene Kanäle angesprochen (auditiv, visuell, audio-visuell); Belohnungssystem mit Stempel für gute Mitarbeit (das schließt auch ein, dass man ordentlich und leise mitarbeitet); Spiel/Aktivität am Ende der Stunde, wenn es angemessen leise war; gut vorbereiteter Unterricht mit abwechslungsreichen Phasen und Methoden.
Handlungsmaßnahmen bei Störverhalten:
Umsetzen des Störers (erste Reihe oder ganz nach hinten); Eintrag in das Hausaufgabenheft; Name des störenden Schülers an der Tafel als Verwarnung (max. 3 Striche bis zur Zusatzaufgabe); Zusatzaufgaben bzw. eine Aufgabe vor der Klasse erklären (z.T. mit Note); ein persönliches Gespräch (mit der Suche nach Gründen des Fehlverhaltens und dem Hinweis auf das richtige Verhalten im Unterricht + Unterschrift des Schülers, sich vor der Klasse für das Störverhalten entschuldigen; Ausschluss aus dem Unterricht und Betreuung durch die Sozialarbeiterin; eine Reflexion über das Fehlverhalten verfassen; das Verhalten des Schülers spiegeln, wie es wirkt und was man sich als Lehrer wünscht; die Klassenregeln aufschreiben lassen; am Freitag in der 6. Stunde den fehlenden Stoff nacharbeiten; Elterninformation/ Elterngespräch; Ko- Unterricht mit der Vertretungslehrerin; Einsatz von non- verbalen Zeichen, von Mimik und Gestik, um für Ruhe und Aufmerksamkeit zu sorgen; Hervorheben von positivem Verhalten mit Lob-Brief an die Eltern.
Ich habe verschiedene Methoden ausprobiert, um für Ruhe in der Klasse zu sorgen und eine angenehme Lernatmosphäre zu schaffen. Zudem habe ich mir eine Klingel gekauft, die dazu dient verschiedene Arbeitsphasen voneinander zu trennen, ohne die Stimme einsetzten zu müssen. Diese Methode hat sich in der jetzigen 5c als sehr erfolgreich erwiesen. Darüber hinaus orientiere ich mich bei meinen Unterrichtsvorbereitungen auch am Rahmenplan bei der entsprechende Klassenstufe (hier Rahmenplan Klasse 5-6).
Sehr geehrte Frau XYZ
Die Tochter einer befreundeten Familie befindet sich als Referendarin an der Z- Schule in der Prüfungsphase des zweiten Staatsexamens. Aus der Perspektive der emotional betroffenen Referendarin möchte Ihnen auf diesem Wege Fragen zu folgenden Themen stellen:
Betrifft die Bewertung des Umgangs mit renitenten Schülern:Warum werden Studierende kaum auf das in der Schulpraxis vorhandene pädagogische Problem des Umgangs mit renitenten und emotional gestörten Schülern vorbereitet, sondern vom ersten Tag an völlig unvorbereitet mit den schwierigsten Bedingungen konfrontiert? Darüber hinaus dürfte doch jedem Pädagogen bekannt sein, dass junge Referendarinnen von diesen Schülern, mit denen sogar gestandene Lehrer Probleme haben, weder akzeptiert noch respektiert werden. In der 7. Klasse der Referendarin befanden sich Repetenten, die bereits an anderen Schulen gescheitert sind und nicht nur die Mitarbeit verweigerten, sondern andere Schüler aufwiegelten, resistent gegenüber pädagogischen Maßnahmen ihrer Lehrerin waren und sie sogar bedrohten. (Einer von ihnen fragte sie, ob sie eine gute Versicherung hätte, denn sein Bruder könne Karate und würde ihr auflauern…) Leider erhielt sie in diesem Konflikt keinerlei Unterstützung, weder durch den Klassenlehrer, noch durch ihren Mentor. Wie sie mir berichtete, sei der Mentor bei einer Hospitation als Zeuge ähnlicher Respektlosigkeiten nicht eingeschritten, sondern habe im Gegenteil den Schülern durch Mimik signalisiert, dass er deren Verhalten offensichtlich belustigend fand. Meiner Meinung nach wurden die renitenten Schüler durch ein solches Signal geradezu in ihrem Verhalten einer Referendarin gegenüber bestärkt! Wie der Referendarin durch den Klassenlehrer mitgeteilt wurde, hätte sie nur dann eine Chance, wenn sie die Schüler durch Anbrüllen und andere herabsetzenden Maßnahmen demütigen würde, denn das seien sie gewohnt. Mit ihrer Art des Umgangs mit Schülern würde sie nicht weit kommen. Da die Referendarin einen freundlichen Umgang mit Menschen gewohnt ist und diesen auch renitenten Schülern gegenüber aufrecht hält, konnte sie sich nicht dazu überwinden, diesen von ihr eingeforderten, meiner Meinung nach schwarzpädagogischen Unterrichtsstil zu übernehmen! Ihren Schülern zugewandte Unterrichtsmethode wurde von den beiden Seminarleiterinnen und anderen Hospitierenden sogar Wert geschätzt, sodass sie sich in einem Spannungsfeld zwischen Schulprocedere und den Erwartungen der Schulbehörde befand, die durch die Seminarleiterinnen vertreten werden. Mein Problem besteht nun darin, die negative Bewertung ihres Umgangs mit Schülern bei der kürzlich stattgefundenen Zwischenprüfung, bzw. Lehrprobe seitens des Mentors nicht nachvollziehen zu können. Wenn ich das richtig verstanden habe, wird der Referendarin vorgeworfen, zu wenig pädagogische Maßnahmen ergriffen zu haben, offensichtlich wohl wissend, bzw. ignorierend, dass sie alle verfügbaren Methoden angewandt hat, jedoch aus oben genannten Gründen ohne Erfolg: