Ungeplant & Undercover - Mariella Bach - E-Book

Ungeplant & Undercover E-Book

Mariella Bach

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Beschreibung

Das Leben ist nicht planbar und Gefühle schon gar nicht. Darum bringt die Reise nach Las Vegas alles, nur nicht die gewünschte Erholung, die sich Antonia, Annrike und Cleo erhofft hatten. Gründe dafür sind neben den drei charmanten Urlaubsbekanntschaften auch äußerst seltsame Dinge, die rund um Antonias totgeglaubten Ex-Mann vor sich gehen. Die drei Frauen ahnen nicht, dass sie sich mit Antritt ihres Urlaubs bereits inmitten einer Undercover-Ermittlung der Agenten Gent, Nikolajew und Gabriel befinden, die ebenso wenig auf einen Flirt, oder gar die große Liebe vorbereitet waren. Der Aufenthalt entwickelt sich für alle in eine nervenaufreibende Angelegenheit, mit einem unsicheren Ausgang.

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Seitenzahl: 193

Veröffentlichungsjahr: 2022

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„Nur mit den richtigen Menschen werden Momente zu den Kostbarkeiten, die wir Erinnerungen nennen!“

***

“Was sollen wir in Las Vegas, Cleo?”

„Wie stellst du dir das vor?“

„Toll, stelle ich mir das vor - Sonne, Cocktails, Shopping, Casinos, leckeres Essen …“ Annrike und Antonia starrten ihre Freundin an, die voller Passion ihren Plan unterbreitete.

„Zwei Wochen nur wir drei Mädels. Kommt schon! Lasst uns doch etwas Verrücktes tun! Spontan sein!“

„Und wann möchtest du dann spontan fliegen?“, fragte Antonia mit dem Rotweinglas in der Hand.

„Nächsten Monat!“

„Nächsten Monat!“, quiekte Annrike fassungslos.

„Ja! Warum nicht!“

„Wie wäre es mit einem entspannten Wellness-Wochenende?“

Antonia versuchte, wie so oft, einen Kompromiss zu finden, doch Cleo verschränkte trotzig die Arme über der Brust.

„Nein, Toni. Das reicht mir nicht! Ich möchte mit euch nach Vegas!“

Sie klang wie ein störrisches Kleinkind. Ihr Gesichtsausdruck war so ernst und unnachgiebig, dass Annrike und Antonia stutzig wurden.

„Ist alles in Ordnung, Cleo?“

Mit einem Schlag verfinsterte sich Cleos Miene. Sie sah müde aus und ihr Hautton wurde fahl.

„Nein, nichts ist in Ordnung!“

Die hübsche, dunkelhaarige Frau leerte ihr Weinglas, welches noch zur Hälfte mit dem schweren Rotwein gefüllt war, in einem Zug.

„Ach, scheiße ist es!“

Dicke Tränen flossen über Cleos Wangen.

„Was ist los, Liebes?“

Antonia griff beunruhigt nach der Hand ihrer Freundin.

„Du weißt doch, wir sind für dich da!“

„Ich bitte euch, mit mir, wundervolle, einmalige, vierzehn Tage in Las Vegas zu verbringen, weil es einer der letzten Punkte auf meiner Liste ist.“

Sie atmete schwer.

„Welche Liste, Cleo?“

„Bei mir wurde ein bösartiger Eierstocktumor diagnostiziert. Mir bleiben im besten Falle noch sechs Monate! Deshalb habe ich eine Liste, mit den Dingen, die ich unbedingt mit euch noch erleben möchte.“

***

Die Nachricht hatte sie kalt und unbarmherzig erwischt!

Ausgerechnet Cleo, die stets vor Enthusiasmus und Lebensfreude strotzte! Antonia und Annrike konnten es nicht fassen. Es war nahezu unbegreiflich! Zuerst hatten sie wirklich gedacht, ja gehofft, Cleo mache einen deplatzierten, geschmacklosen Scherz und würde spätestens am Abreisetag sagen:

‚Anders hätte ich euch nicht von der Arbeit wegbekommen…‘ Doch dem war nicht so. Diesmal war es bitterer, schrecklicher Ernst. Antonia schossen bei dem Gedanken schon wieder Tränen in die Augen. Die Freundinnen kannten sich seit der Grundschule. Sie waren ein unzertrennliches Trio, egal wie verschieden sie waren, oder was in den letzten Jahren geschehen war.

Cleo Hoffmeister, die charmant chaotische Schauspielerin. Annrike Liebhoff, die konsequente, gradlinige Anwältin und Antonia von Jarau, die empathische, idealistische Balletttänzerin. Das Leben war ungerecht!

Antonia hatte wirklich allmählich von den schlechten Nachrichten, den Schicksalsschlägen, die Nase voll. Nach dem Tod ihres Ex-Mannes dachte sie, es könnte nicht mehr schlimmer werden, doch nun wurde sie eines Besseren belehrt.

Antonia sah zu Cleo, die am Fenster saß und völlig fasziniert hinausblickte, während der Flieger an Höhe verlor und zum Zwischenstopp in Chicago ansetzte.

Schnell zog Antonia ein Taschentuch aus ihrer Hosentasche und schniefte leise hinein.

„Alles ok, Toni?“, fragte Annrike leise.

Sie zuckte mit den Schultern und zog eine Grimasse.

Annrikes grüne Augen bekamen einen traurigen Ausdruck und sie nickte ahnungsvoll. Würden sie Cleo die 14 Tage Urlaub schenken können, die sie sich wünschte, oder überwogen die Sorgen und unheilvollen Gedanken, die zu dieser Reise führten. Irgendwie mussten sie es hinbekommen, nicht ständig an Cleos Krankheit zu denken.

***

„Möchte von euch jemand auch einen Kaffee, oder ein Wasser?“

Sie warteten auf ihren Anschlussflug, bummelten durch die kleinen Flughafenläden und nun saßen sie schon geraume Zeit einfach nur da und harrten der Dinge. Die Zeitverschiebung nach Deutschland machte sich mehr und mehr bemerkbar und das Bedürfnis nach einer Dusche und einem Bett wurde immer prägnanter.

„Kaffee klingt super! Sollen wir mitkommen?“

„Nein, ich bin gleich wieder da.“

Cleo verschwand kurz darauf zwischen den hin- und hereilenden Menschen. Annrike gähnte hinter vorgehaltener Hand und rieb sich über die Augen.

„Ich muss mich bewegen, sonst schlafe ich hier im Sitzen ein!“

„Tu das, ich warte auf Cleo mit dem Kaffee!“

Gerädert seufzte Antonia, stand auf, strich den weichen Stoff ihrer Hose glatt und ging zum Fenster, um auf das Vorfeld zu blicken. Sie streckte sich, kreiste ein paar Mal mit ihren Schultern und hörte das Knacken ihrer Nackenmuskulatur, löste das Haarband und ließ ihre langen, dichten, blonden Locken glänzend über ihren Rücken fallen. In kreisenden Bewegungen massierte Antonia müde die schmerzende Kopfhaut, machte dann auf dem Absatz kehrt, um zu ihren Freundinnen zurückzukehren. Ihr Blick traf sich mit dem eines dunkelhaarigen Mannes, der sie interessiert beobachtete. Antonia fühlte ihre Wangen heiß werden und sie eilte schleunigst zu ihrem Sitzplatz.

„Wieso bist du denn so rot im Gesicht?“

Annrike runzelte verblüfft die Stirn, als sich Antonia in einer hastigen Bewegung neben sie plumpsen ließ.

„Ich wurde von einem Mann angestarrt.“

Während Antonia förmlich auf ihrem Stuhl versank, reckte sich Annrike interessiert und sah sich suchend um.

„Wer denn? Von welchem denn? Sah er gut aus?“

„Ann! Hör auf!“

Peinlich berührt zog Antonia am Arm ihrer Freundin.

„Hier ist der Kaffee!“

Gerade im richtigen Moment kehrte Cleo zurück.

„Bitteschön!“

„Toni wurde von einem Mann angestarrt!“, verkündete Annrike ungeniert.

„Nein! Wer wars?“

Cleo sprang auf, so dass die dunklen Haare ihres Pagenschnittes um ihr feines Gesicht wirbelten, als sie den Kopf in alle Richtungen drehte.

„Ihr seid so peinlich!“

Antonia versuchte sich hinter ihrem Kaffeebecher zu verstecken.

„Sah er gut aus?“

„Das habe ich auch gefragt!“, kicherte Annrike.

„Ja, und?“

„Weiß nicht, ich habe nur kurz hingesehen.“, murmelte Antonia.

„So wird das nichts! Bevor ich sterbe, wäre es schön zu wissen, dass ihr beiden wieder glücklich vergeben seid.“

„Ach, Cleo – echt jetzt!“

***

Irritation und Verwirrung lag in ihrem Blick und sie verschwand zwischen den anderen Reisenden. Ehe er ihr ein Lächeln schenken konnte, war sie fort.

Genervt hatte Lucian den Stapel Dokumente in seine braune Aktentasche gepackt. Kolja und Josh saßen ihm gegenüber und starrten konzentriert auf ihre Laptops.

Müde rieb sich Lucian über sein Gesicht und seinen dunklen Bartschatten. Während er überlegte, ob er sich einen Kaffee holen sollte, wurde er durch eine Bewegung am Fenster abgelenkt. Es war eine schlanke, blonde Frau, die anscheinend mit Reisebeschwerden und Jetlag zu kämpfen hatte. Lucian sah zu wie sie sich streckte und versuchte, ihre Muskeln zu lockern. Mit einer zügigen, routinierten Bewegung löste sie ihren geflochtenen Haarzopf und gab damit ein Meer an glänzenden, blonden Locken frei. Die Sonne glitzerte in ihren hellen Strähnen und er konnte sich daran nicht sattsehen. Auch wenn er nur ihren Rücken sah, war es Faszination, die von dieser Frau ausging. Ihre grazilen Bewegungen, ihre aufrechte Haltung und schlanke, aber feminine Figur. Als spürte sie Lucians Blick, drehte sie sich unverhofft in seine Richtung und ihre klaren Augen blickten ihn irritiert und entgeistert an. Lucian reagierte zu langsam und nun war sie fort.

Schade, ein kleiner Flirt hätte seine Laune verbessert, so konnte er nur seinen Gedanken nachhängen, wohin die schöne Unbekannte unterwegs war, welchen Grund ihre Reise hatte, etc.

„Hast du schon Informationen zu unserer Zielperson?“

Lucian schreckte aus seinen Grübeleien, als Kolja ihn ansprach und ihm einen heißen Becher Kaffee unter die Nase hielt.

„Nein, noch nichts. Ich bin froh, wenn der Fall ad acta gelegt ist.“

***

Der nächtliche Landeanflug auf Las Vegas war spektakulär! Die Stadt spielte zu dieser Tageszeit ihren größten Trumpf aus – das glitzernde Lichtermeer.

Überwältigt klebten Ann und Antonia an dem winzigen Flugzeugfenster und starrten gebannt hinaus. Cleo, die ein paar Reihen hinter ihren Freundinnen saß, war in ein Gespräch mit ihrem Sitznachbarn vertieft und bekam von diesem Spektakel nichts mit.

Kaum war die Parkposition erreicht, wurden die Türen geöffnet und die ersten Passagiere drängten von Bord.

Antonia und Annrike schlossen sich dem Menschenstrom an und warteten am Gepäckband auf die Dritte im Bunde. Diese kam in Begleitung ihrer neuen Bekanntschaft in Sicht, lachte vergnügt, verabschiedete sich schließlich überschwänglich und kam breit grinsend auf ihre Freundinnen zu.

„Nicht schlecht!“, kommentierte Annrike.

„Wenn ich einen Beachboy beschreiben müsste, dann würde dein Sitznachbar definitiv als Anschauungsmaterial fungieren.“

„Schon, oder! Josh ist der Hammer!“

Cleos Augen strahlten.

„Josh, heißt er. So, so!“

Antonia trug ein Lächeln im Gesicht und blickte in die Richtung, in die Josh steuerte. Er gesellte sich zu zwei Männern. Einer davon sah eher beiläufig in die Richtung der Freundinnen. Tonis und sein Blick trafen sich und sie konnte es nicht fassen:

„Versucht jetzt nicht so offensichtlich hinzusehen, aber deine neue Reisebekanntschaft steht bei dem Typen, der mich in Chicago angestarrt hat. Und jetzt schon wieder!“, informierte Antonia konsterniert.

„Echt? Wo?“

Hastig reckten Ann und Cleo ihre Hälse und suchten den Flughafenbereich ab und entdeckten die Männer.

„Schade, der Dritte dreht uns den Rücken zu. Ein wirklich muskulöser Rücken…“, sinnierte Annrike grinsend.

„Können wir nicht einfach unser Gepäck nehmen und ins Hotel fahren?!“, verdrehte Antonia gereizt die Augen.

„Ich habe Joshs Handynummer. Wir wollen uns in den nächsten Tagen auf einen Drink treffen. Vielleicht haben die anderen beiden auch Lust auf ein Treffen!“, erklärte Cleo mit einem unschuldigen Augenaufschlag.

„Cleo, du bist wirklich unverbesserlich!“

***

„Das kann nur ein schlechter Scherz sein!“

Lucian hielt Kolja sein Mobiltelefon unter die Nase, auf dem das Foto der Zielperson zu sehen war.

„Wenigstens werden wir kein Problem haben, Kontakt herzustellen, nachdem Josh sich schon unbewusst darum bemüht hat. Du musst zugeben, wir hatten schon eindeutig ‚hässlichere‘ Aufträge.“

„Das stimmt allerdings!“, zog Josh eine amüsierte Grimasse.

Lucian fand den Kontext, mit dieser neuen Info, mehr als problematisch und suchte den Ankunftsbereich nach den drei Frauen ab. Ausgerechnet diese bildeten den Inhalt des neuen Ermittlungskurses. Er fühlte sein Herz stolpern, als sein Blick mit dem der blonden, eleganten Frau kollidierte. Jetzt hatte Lucian Klarheit, wohin die Reise der Frau ging, die ihm schon in Chicago aufgefallen war und das, zu einem bitter süßen Preis.

Während Kolja Josh über die neuesten Entwicklungen informierte, ermahnte sich Lucian selbst zur Professionalität. Sie hatten schon zu viel Stunden an Arbeit investiert, um sich nun von persönlichen Eindrücken, oder Gefühlen leiten zu lassen. Trotzdem riskierte er noch einen letzten Blick, aber die drei Frauen hatten den Flughafen bereits verlassen.

***

Antonia schreckte aus einem sehr unruhigen Schlaf auf.

Erschöpft musste sie sich orientieren, wo sie sich befand. Sie hatte schrecklich geschlafen. Ständig war sie aufgewacht und hatte sich hin und her gewälzt, was wohl hauptsächlich an der Zeitverschiebung lag, aber auch an den unbekannten Geräuschen und dem fremden Bett.

Sie drehte sich zum Fenster. Durch den schmalen Spalt des dichten Lichtschutzes fielen Sonnenstrahlen und zeichneten feine Streifen auf den beigen, flauschigen Teppich. Antonias Neugier begann sich zu regen und sie schwang motiviert ihre langen Beine aus dem breiten Bett. Sie lief auf die Lichtquelle zu, zog die schwere, dunkelblaue Gardine auf und sah hinaus. Die Poollandschaft des Hotels lag zu ihren Füßen und Antonia überblickte das Gelände, vom 17. Stock aus, problemlos. Der Entdeckergeist erwachte in ihr und sie hatte Lust auf einen starken, heißen Kaffee. Der Radiowecker zeigte 06.30 Uhr. Waren Cleo und Ann auch schon wach? Antonia griff nach ihrem Handy und schrieb den beiden:

‚Guten Morgen! Schon wach? Ich gehe auf die Suche nach einem Kaffee. Handy habe ich dabei!‘

***

Zu dieser Tageszeit waren nur wenige Menschen im Hotel unterwegs. Einige hatten Kaffeebecher in der Hand, oder noch das Cocktailglas der durchzechten Nacht. Das Casino war größtenteils verwaist, auch wenn die Automaten immer noch lustig klimperten und blinkten. Vom Trubel und Glanz der vergangenen Nacht war kaum mehr etwas zu erkennen. Antonia freute sich darauf, diese besondere Stimmung, das ausgelassene Treiben, heute Abend auf sich wirken zu lassen. Gestern waren sie alle drei zu platt und müde, um es zu sehen, geschweige denn, zu erleben.

Antonia schlenderte neugierig an Geschäften und Souvenirläden vorbei, verweilte an den bunten Schaufenstern, als ihr Handy läutete.

„Guten Morgen!“

„Hi, Toni! Ich habe das Pool-Café entdeckt und sitze bei einer herrlich heißen Tasse Kaffee und einem frischen Orangensaft.“

„Guten Morgen, Ann! Du sagtest Pool-Café? Ah, ich habe den Wegweiser dorthin entdeckt. Ich bin in wenigen Minuten bei dir!“

Antonia schob ihr Mobiltelefon ein, als sie aus dem Augenwinkel einen Mann erblickte, der ihrem Ex-Mann in Statur und Bewegung verblüffend glich. Sie schüttelte den Kopf über diesen Gedanken. Sebastian war tot!

***

„Schläft Cleo noch?“

„Ja, scheint so. Ich habe von ihr noch nichts gehört.“

Genüsslich trank Antonia von dem heißen Kaffee und freute sich auf die belgische Waffel mit frischen Erdbeeren, die sie sich als Frühstück bestellt hatte.

„Hast du gut geschlafen?“

„Geht so. Und du?“

„Ich bin ständig aufgewacht. Ich fühle mich so gerädert, dass ich vorher einen Mann gesehen habe, der wie Sebastians Doppelgänger aussah.“

„Oh! Manche, die nach Vegas kommen sehen Elvis, du deinen toten Ex-Mann!“

Sie lachten über den plumpen, aber amüsanten Scherz.

„Ich bin gespannt, was Cleo heute geplant hat.

Hoffentlich übernimmt sie sich nicht.“

„Wir dürfen sie nur nicht zu sehr bemuttern. Ich glaube, das möchte sie in diesem Urlaub am wenigsten.“

„Aber ein bisschen aufpassen müssen wir schon. Ich sage nur ‚Josh‘. Man weiß ja nie, was das für seltsame Typen sind.“

„Da hast du recht. Dann wäre es vielleicht doch ganz ratsam, wenn wir bei dem Treffen dabei sind.“

„Ich kann mir zwar nicht vorstellen, dass wir uns mit Joshs Freunden verstehen, aber ich würde gerne die Front zu der muskulösen Rückansicht kennenlernen.“

Annrike nahm einen gespielt entrückten Gesichtsausdruck an und grinste.

Gerade als die Waffeln gebracht wurden, läutete Antonias Handy.

„Cleo? Guten Morgen!“

„Wo seid ihr?“

„Wir frühstücken im Pool-Café.“

„Ok, ich bin gleich da.“

***

Die Portion an belgischen Waffeln war schier unbezwingbar.

„Das wird mein Lieblingsfrühstück, auch wenn ich nach diesen zwei Wochen in kein Kleidungsstück mehr passe!“

„Unglaublich lecker!“

Genüsslich schob sich Cleo die letzte Erdbeere in den Mund und leckte sich die Fingerspitzen.

„Und - was möchtest du heute tun?“

Annrike und Antonia sahen ihre Freundin gespannt an.

„Ich möchte mich mit euch den kompletten Tag an den Pool legen. Blöd quatschen, Cocktails trinken und nach der langen Anreise ausruhen.“

„Da bin ich dabei!“

„Absolut!“

***

Die Sonne stand hoch, doch im Schatten, unter den großen Sonnenschirmen war die sengende Wüstenhitze erträglich. Antonia legte sich nach ein paar Runden schwimmen auf ihre Liege, setzte sich die Sonnenbrille auf und bevor sie sich versah, war sie eingeschlafen. Als Annrike dies bemerkte sagte sie zu Cleo:

„Hat dir Toni erzählt, dass sie heute ‚Sebastians Doppelgänger‘ gesehen hat?“

Cleo schüttelte verdattert den Kopf.

„Ich dachte, sie hat mit ihm abgeschlossen. Der Typ hat keine einzelne Träne mehr verdient!“

„Das stimmt, aber ich kann verstehen, dass es problematisch ist, wenn der Partner, mit dem du so viele Jahre zusammengelebt hast, dann auf einmal tot ist.“

„Das sicherlich und ich glaube, dass Antonia für ihn immer noch etwas empfindet. Gefühle kann man nicht einfach so abstellen.“

„Hättest du das von Sebastian gedacht, dass er so ein Arsch ist?“

„Nein! Ich weiß nicht, wie ich reagiert hätte, wenn mich mein Mann nach 20 Jahren für eine Jüngere verlässt.“

„Denkst du, er steckte in der Midlifecrisis?“

„Wahrscheinlich. Ich bin froh, dass er die Scheidung nicht zu einer Schlammschlacht werden ließ, sondern es eine gütliche Einigung gab.“

„Er wird schon gewusst haben, dass er so eine tolle Frau wie Toni nicht mehr bekommt, die selbstlos hinter ihm steht, ihre Karriere zurückschraubt und seine Eskapaden akzeptiert. Toni hat es mehr als verdient, glücklich zu sein!“

„Solange sie sich aber nicht von Sebastian und den Gefühlen zu ihm löst, hat keiner eine Chance! Weißt du, ob sie seitdem mal wieder jemand gehabt hat?“

„Ich muss mein Leben erst einmal selber wieder in den Griff bekommen.“, erklärte Antonia plötzlich.

Annrike und Cleo sahen ihre Freundin betreten an.

„Toni, wir dachten du schläfst.“

„Habe ich auch, aber einen Teil eures Gespräches habe ich mitverfolgt.“

„Dann hast du auch gehört, dass Sebastian ein Vollidiot war, so eine Frau wie dich aufzugeben!“

„Lieb von euch, aber können wir das Thema wechseln?“

Antonias Gesichtsausdruck verriet, dass sie nicht weiter darüber sprechen wollte. Sie setzte sich auf, schob sich die Sonnenbrille in ihre Haare und band sich ihren pinken, mit silbernem Lurexgarn durchzogenen Pareo um ihre schmale Hüfte.

„Auch jemand Lust auf Piña Colada?“

„Au, ja!“

„Du auch, Cleo?“

Diese nickte. Antonia erhob sich elegant von der Liege, schlüpfte in ihre Flip-Flops und ging Richtung Getränkebar.

Bedröppelt blickten Cleo und Annrike ihr nach.

„Denkst du, sie ist sauer?“, zog Cleo ihre Nase kraus.

„Nein, aber wir sollten wohl etwas sensibler mit unseren Aussagen sein. Schließlich können wir Langzeitsingles nicht unbedingt dem Nachfühlen, was in Antonia vorging und auch noch vorgeht.“

***

Es dauerte, ehe Antonia an der Reihe war, die Cocktail-Bestellung aufzugeben. Sie kehrte mit den Bechern in der Hand an ihren Platz zurück und musste überrascht feststellen, dass ihre Freundinnen Gesellschaft bekommen hatten. Als sie näherkam, erkannte sie Josh.

„Hallo.“, grüßte Antonia mit einem kurzen Kopfnicken und reichte Cleo und Ann die Drinks.

„Antonia, darf ich dir Josh Gabriel vorstellen. Er und seine Freunde wohnen auch hier im Hotel. Ist das nicht ein Zufall.“, strahlte Cleo ganz verzückt.

„Hi, Josh.“

„Hi, Antonia.“

Ein muskulöser, hochgewachsener Mann stieg aus dem Wasser, streifte sich die Tropfen aus dem blonden Haar und kam auf die Gruppe zu.

„Hallo zusammen!“

Er entblößte mit einem breiten, offenen Lächeln seine perfekten Zähne. Mit einem süffisanten Grinsen schwang sich Annrike adrett von ihrer Liege, warf ihre langen, dunklen Haare über die Schulter und trat selbstbewusst zum Neuankömmling.

„Hallo, ich bin Annrike Liebhoff. Meine Freundinnen Cleo Hoffmeister und Antonia von Jarau.“

Höflich, mit musterndem Interesse, reichte der durchtrainierte Mann Annrike die Hand.

„Hallo, mein Name ist Kolja Maxim Nikolajew.“

Trotz seines russisch klingenden Namens sprach er völlig akzentfrei. Der imposante Name gepaart mit seinem Auftreten verlieh ihm Autorität und beeindruckte die sonst souveräne Annrike sichtlich.

„Seid ihr nicht auch zu dritt unterwegs?“, erkundigte sich Cleo.

Josh nickte.

„Ja, Lucian ist unser Dritter im Bunde. Er hat heute geschäftlich etwas zu erledigen, wollte aber nachkommen.“

„Setzt euch doch zu uns.“, schlug Ann vor.

Sie nippte an ihrer Piña Colada und nahm wieder auf ihrer Liege Platz, nicht ohne Kolja kurz am Arm zu berühren und ihm damit zu verdeutlichen, dass er sich gerne zu ihr gesellen dürfe.

„Ähm, mir ist von der Warterei an der Bar furchtbar warm. Wenn ihr möchtet, könnt ihr meinen Cocktail haben, bevor das Eis schmilzt. Ich gehe schwimmen.“

Antonia lächelte und fächerte sich theatralisch Luft zu, um ihr Statement zu unterstreichen. Sie drückte Cleo den Becher in die Hand, legte ihren Pareo ab und schritt zum Beckenrand. Sollten die Mädels den kleinen Flirt genießen!

***

Sie fröstelte im ersten Augenblick, als sie in das kühle Nass tauchte, da ihr Körper von der Sonne aufgeheizt war. Nach und nach glich sich die Temperatur an und es war wundervoll, vom Wasser getragen zu werden. Mit langen Zügen schwamm Antonia zur gegenüberliegenden Poolseite und legte ihre Arme auf den Beckenrand, reckte ihr Gesicht der Sonne entgegen und genoss diesen Moment, der ganz ihr gehörte. Ihre Gedanken schweiften zum Thema ‚Sebastian‘ zurück.

Hatte sie wirklich noch Gefühle für ihren toten Ex-Mann.

Sie würde sich selber belügen, wenn sie dies verneinte.

Ihre Freundinnen kannten nicht die ganze Wahrheit der Trennung. Antonia wollte die Demütigung nicht vollständig preisgeben. Es war schlimm genug, für eine jüngere Frau verlassen worden zu sein.

Toni hatte schon länger die Vermutung gehabt, dass es in ihrer Ehe kriselte. Die Geschäftsreisen wurden länger und häufiger, die Telefonate vertraulicher und hinter verschlossener Tür erledigt. Doch sie verweigerte lange die Realität, bis zu dem Abend, als Sebastian die Scheidung ansprach.

Angewidert von dieser Erinnerung schüttelte Antonia den Kopf und stemmte sich aus dem Pool, um mit im Wasser baumelnden Beinen, am Beckenrand zu sitzen und die anderen Gäste zu beobachten.

Während Antonia ihren Gedanken nachhing, bemerkte sie einen Mann, der neben ihr langsam ins Wasser glitt.

„Huch! Sehr erfrischend.“, stieß er japsend aus.

„Wird besser mit der Zeit!“, lächelte Antonia und wandte sich ihm zu.

„Ach! Hallo! Sind sie nicht Cleos Freundin?“

Unglaublich! Sie sah sich mit dem Mann konfrontiert, der sie schon in Chicago angestarrt hatte.

„Und sie sind der Typ, der mir durch sein Starren im Gedächtnis blieb.“, erwiderte sie süßsauer.

Ein spitzbübisches Lächeln erschien auf seinem Gesicht und er kratzte sich am Kopf, den er verlegen etwas senkte und Antonia unter den unverschämt langen, dunklen Wimpern anblickte.

„Dann bin ich ihnen wohl eine Erklärung schuldig.“

„Ich bin ganz Ohr!“, kokettierte Antonia.

„Sie haben in Chicago ihren geflochtenen Zopf geöffnet und ich war von ihrem Haar völlig fasziniert. Das Licht fing sich darin. Es war eine perfekte Momentaufnahme, wie aus einem Werbespot.“

Antonias Mundwinkel verzogen sich zu einem leicht spöttischen Grinsen und sie war gespannt wie er sich weiter herausreden wollte.

„In Las Vegas war ich dann verblüfft, sie wiederzusehen.

Josh erzählte uns am Flughafen von seiner Bekanntschaft ‚Cleo‘, mit der sie schließlich am Gepäckband standen … damit schloss sich der Kreis.

Und nun dieser verrückte Zufall, dass sie hier im gleichen Hotel wohnen.“

„Ja, manchmal gibt es wirklich verrückte Zufälle.“

„Haben sie meine Freunde gesehen? Ich wollte mich mit ihnen am Pool treffen, aber ihre Plätze waren verwaist.“

Antonia deutete auf die gegenüberliegende Seite, wo sich Josh und Kolja mit Annrike und Cleo angeregt unterhielten.

„Ah! Da kann ich lange suchen. Kommen sie mit?“

Sie nickte und rutschte zurück ins Wasser, tauchte unter, um in einigem Abstand vom Beckenrand wieder aufzutauchen.

„Bleiben sie länger in Las Vegas?“

„14 Tage.“

„Urlaub?“

„Ja. Sie?“

„Sowohl, als auch. Es wäre gelogen, zu behaupten, hier nur geschäftlich zu sein. Das schafft doch niemand, dafür sind die Möglichkeiten der Ablenkung viel zu groß.“

„Sie wohnen in Chicago?“

„Nein, eigentlich wohne ich in Los Angeles, hatte aber geschäftlich an der Ostküste zu tun.“

Antonia nickte.

Als sie die andere Seite erreichten, stiegen sie an der breiten Treppe gemeinsam aus dem Pool.

„Lucian! Wir wollten schon eine Vermisstenanzeige aufgeben.“, meldete sich Josh fröhlich.

„Ich hatte Glück! Ein außergewöhnlicher Zufall, ließ mich auf diese charmante Lady treffen.“

Antonia schmunzelte verlegen und eilte zu ihrem Handtuch.

„Du hast deinen Engel getroffen!“, klopfte Kolja ihm auf die Schulter.

Lucian wurde rot und stammelte erneut seinen Erklärungsversuch.

„In Chicago glitzerte die Sonne so schön in ihren Haaren…“

„Ja, er meinte, wie bei einem Engel!“

Josh knuffte Lucian freundschaftlich in die Seite.

Cleo zwinkerte Antonia zu, die sich mit hektischen Fingern ihren Pareo umband.

„Wir möchten heute Abend zusammen Essen gehen.“,

verkündete Cleo.

„Ihr kommt doch auch mit?“

Vier Augenpaare richteten sich gespannt auf Antonia und Lucian.

***

Es war aufregend, als sie sich in der großen Hotellobby trafen, um zu sechst ins Restaurant aufzubrechen.

„Tut mir leid, ich habe mich heute Nachmittag nicht vorgestellt. Ich war etwas perplex, als sie mir plötzlich gegenüberstanden.“, entschuldigte sich Lucian.

„Daran habe ich auch nicht gedacht.“, lachte Antonia.

„Lucian Darian Gent.“

„Antonia von Jarau.“, sie schüttelten kurz Hände, während sie durch die gekühlten Gänge der Hotelanlage schritten.

Im Gegensatz zum Nachmittag verwandelte sich die Atmosphäre des Hotels. Die Poolgänger und Flip-Flop beschuhten Personen, wichen der eleganter gekleideten Klientel. Die hohen Absätze der Damen klapperten auf dem edlen Steinboden. Es gab so viel zu schauen und zu sehen, dass Antonia nur schwer dem Gespräch folgen konnte, dass auf dem Weg ins Restaurant stattfand.