Die Covet Ranch - Mariella Bach - E-Book

Die Covet Ranch E-Book

Mariella Bach

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Beschreibung

Eine ominöse Erbangelegenheit in den USA wirbelt das Leben der ungleichen Zwillinge, Nea Katalina und Alenia Nava Bruch, völlig durcheinander. Niemand der neuen Familie rückt so richtig mit der Wahrheit, über ihren leiblichen Vater, heraus. Während Molly Bennett versucht, den Geschwistern auf der Covet Ranch ein zweites Zuhause zu geben, ist der attraktive Alexander Christopher Warren von der Existenz der Geschwister nicht unbedingt begeistert. So wird der Aufenthalt in Phoenix, insbesondere für Nea, eine nervliche Zerreißprobe. Als die Ehefrau ihres Onkels ihr wahres Gesicht zeigt, reißt sie alle Beteiligten in einen Strudel abscheulicher Geschehnisse.

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Seitenzahl: 240

Veröffentlichungsjahr: 2021

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„Es gibt Menschen, da ahnt man gar nicht, wie tief sie einmal in deinem Herzen sitzen werden!"

Inhaltsverzeichnis

Teil 1 : Sonnenaufgang

Teil 2 : Zenit

Teil 3 : Sonnenuntergang

Teil 1

SONNENAUFGANG

*** ***

Sie hasste Regen und heute, hatte dieser ganze Arbeit geleistet. Bei jedem Schritt spritzte das Wasser an ihren Beinen hoch und die Haare hingen, wie zu lange gekochte Spagetti, an ihrem Kopf. Sie fühlte sich aufgeweicht und die Feuchtigkeit zog ihr in die Knochen und ließ sie frösteln. Endlich hatte sie das Restaurant erreicht, in dem Alenia kellnerte. Nea ließ den Blick durch den Gastraum schweifen, zog sich die Kapuze vom Kopf und wischte sich die nassen Haare aus dem Gesicht. Da entdeckte sie ihre Schwester, die lachend an einem Tisch stand und mit den Gästen plauderte. Von der Luft im Raum wurde es Nea beinahe übel. Es roch nach Alkohol, nassen Klamotten, Schweiß, verschiedenen Parfums, Deos und Aftershaves. Mühsam schluckte sie, kämpfte sich weiter Richtung Bar und schob sich auf einen freien Platz. „Hi, Nea!“, begrüßte sie Nick, der gut gelaunt die Cocktails mischte. „Hi, Nick. Muss Alenia heute länger arbeiten?“ „Sie müsste jeden Moment fertig sein. Möchtest du etwas trinken?“ „Ich sollte erst einmal etwas essen! Bestellst du mir einen Cheeseburger und eine Cola, bitte.“ „Kommt sofort!“ Dankbar lächelte sie Nick an und schlüpfte mit klammen Fingern aus der durchnässten Jacke. „Na, flirtest du schon wieder mit dem Barkeeper!“ Alenia knuffte sie in die Seite und Nea entfuhr ein leises Quieken. Ihr Gesicht färbte sich beschämt rot. „Leni-i!“, raunte sie ihre Zwillingsschwester an, die sich wenig beeindruckt davon, auf den Hocker neben Nea setzte. „Nick, gibst du mir ein Glas Weißwein, bitte!“ „Hast du etwas zu Abend gegessen?“ „Ja-a!“, verdrehte Alenia die Augen. Nick reichte Nea ihren Burger und stellte das Weinglas vor Alenia: „Sie hat wirklich schon gegessen!“ Er zwinkerte und widmete seine Aufmerksamkeit den neuen Bestellungen. „Der steht voll auf dich!“, kicherte Alenia. „Wieso geht ihr nicht mal aus? Ist doch ein Hübscher!“ Nea schnaubte und sah ihre Schwester genervt an: „Geh' halt du!“ „Hab' ich doch schon versucht, hat aber nicht funktioniert.“ „Wie?“ „Ja, als ich hier zum Kellnern anfing waren wir mal aus, aber mehr auch nicht.“ „Das wusste ich gar nicht.“ Alenia griff nach einer Pommes auf dem Teller ihrer Schwester, zuckte nur mit den Schultern und damit war für sie das Thema erledigt.

„So und wer spendiert meiner Schwester und mir nun den nächsten Drink? Du siehst ja, sie hatte einen Scheißtag!“, offenbarte sie dem Typ, der neben ihr an die Bar trat. „Ja, danke!“, schnaubte Nea wütend. Sie liebte Alenia, aber manchmal war ihr ihre Art einfach zu viel. Doch ihre Masche zog bei den Männern und deshalb schob ihr Leni kurz darauf ein Martiniglas zu. „Prost, Schwesterchen!“ „Du wurdescht a-adoptiert, oder?“, lallte Nea der Typ ins Ohr. Zwar mit vom Alkohol schwerer Zunge, aber immer noch so ernsthaft, dass sie ihm beinahe eine Ohrfeige verpasst hätte. Als sie ihn ignorierte, schwankte er zurück zu seinen Freunden. „Was haben wir eigentlich für ein Einschreiben bekommen? Warst du auf der Post?“, nuschelte Alenia mit vollem Mund und bediente sich weiter an Neas Abendessen. „Ja, war ich. Ein Aufwand! Die haben eine Kopie der Sterbeurkunde gemacht und meines Ausweises, bis sie den Brief aushändigten. Der Absender ist irgendwo aus den USA. Ich habe keine Ahnung, in welchem Zusammenhang Mama und der Brief stehen.“ „Was steht denn drin?“ „Weiß ich noch nicht. Ich wollte mit dem Öffnen auf dich warten.“ „Dann gib her!“, befahl Alenia, während sie sich ihre fettigen Pommes-Finger, an ihrer Jeans, abwischte. „Wir sollten damit bis Zuhause warten. Ich habe das Gefühl, der Brief ist wichtig!“

*** ***

Alenia goss das sprudelnde Wasser aus dem Kocher in die Teekanne und als dies auf die Kräuter im Filter traf, färbte sich die Flüssigkeit erdbeerrot. Nea hielt zwei graue Tassen in der Hand und starrte auf das Getränk. Es war eine unerträgliche Ruhe. Nea biss nervös auf ihrer Unterlippe herum. Das Ticken der bunten Küchenuhr zerbarst die Stille. Alenia fuhr sich durch ihre dunkelbraunen Haare, die glänzend und voll ihr Gesicht umspielten. Mit einem Mal schlug sie mit der Faust auf die Arbeitsfläche, so dass ihre Schwester erschrocken zusammenzuckte und der Tee aufgeregt in der Kanne schwappte. „Ich bin so sauer auf Mama und ich habe so viele Fragen ... aaahhh!“ Wieder knallte ihre Faust auf die Fläche. „Wenn sie uns nie etwas davon erzählt hat, dann wird es einen Grund geben!“ Zornig funkelte Alenia Nea an: „Damit, ist es für dich also getan, Nea? Mama hat uns belogen, in Bezug auf unseren Vater, uns eiskalt im Dunkeln tappen lassen und dann ...“, sie stürmte ins Wohnzimmer, griff sich den Brief, der aus den USA eintraf, trampelte in die Küche zurück und warf Nea das Schreiben vor die Nase: „... und dann kommt dieser Scheiß und unser ganzes bisheriges Leben zerplatzt wie eine Seifenblase! Und du bleibst die Ruhe selbst!“ „Das habe ich nicht gesagt und ich bin auch nicht die Ruhe selbst. Ich bin entsetzt, weil uns Mama immer erzählt hat, wir wären das Ergebnis einer künstlichen Befruchtung.“ „Ja! Und jetzt kommt dieser Wisch aus ... Phoenix, Arizona, von irgendeinem dahergelaufenen Notar.“

'Sehr geehrte Mrs. Bruch,

es tut uns leid, Ihnen mitteilen zu müssen, dass Mr. Michael Covet am 10. März 2019 verstarb. Wir bitten Sie, zur Regelung der Testamentsvollstreckung, in dem Sie und Ihre gemeinsamen Töchter bedacht wurden, sich mit unserer Kanzlei, in Verbindung zu setzen.'

„Ich könnte kotzen!“ Nea goss vorsichtig den Früchtetee in die Tassen, reichte Alenia eine davon, nahm ihre Tasse in die Hand, pustete in das heiße Getränk, lehnte sich an die dunkle Arbeitsfläche und sah ihre Schwester verzweifelt an. „Leni, ich weiß doch auch nicht warum. Ich finde es unendlich traurig, dass wir nie wieder die Möglichkeit haben werden, mit unseren Eltern, ein klärendes Gespräch zu führen.“ Tränen füllten ihre sanften, blauen Augen. „Ich bin traurig, dass wir nie den Klang der Stimme unseres Vaters kennen werden. Wie er unsere Namen ausgesprochen hätte, welche Eigenschaften wir von ihm haben...“ Sie wischte sich mit dem Ärmel rasch über die Augen und trank einen Schluck Tee. Alenia ließ den Kopf hängen, schob ihre Tasse auf der Arbeitsfläche von einer Hand in die andere, ehe sie sich zu ihrer Schwester drehte und ihr eine Strähne, des honigblonden, langen Haares, aus dem Gesicht wischte. „Tut mir leid, ich bin ein Biest. Du weißt, aus mir platzt das Alles so heraus. Ich bin nicht so besonnen wie du. Für mich ist das Alles hier ein riesiges Rätsel, das, je länger ich darüber nachdenke, immer riesiger wird. Ich möchte Mama fragen – warum? Warum hat sie uns nichts über diesen Michael Covet erzählt? Warum kommt das jetzt erst heraus, wo Mama tot ist?“ „Vielleicht weiß der Notar mehr, oder es gibt in Phoenix jemanden, der uns etwas darüber erzählen kann. Vielleicht haben wir noch Halbgeschwister, oder sogar noch mehr Familie?!“ „Wenn der Mann, der anscheinend unser Vater war, sich über 25 Jahre nicht gemeldet hat, dann solltest du dich von dieser träumerischen Vorstellung, plötzlich eine heile Familie zu bekommen, ganz schnell verabschieden!“ „Aber vielleicht ..." „Nea, lass den Scheiß. Du, als Biochemikerin, solltest das viel abgebrühter sehen und schon mal die Teststreifen für die DNA-Analyse auspacken!“ Das saß. „Leni, du bist fies. Ich mache mir ebenso Gedanken wie du!“ Trotzig verschränkte Nea ihre Arme vor der Brust und schmollte. „Wir müssen den Notar anrufen, um mehr zu erfahren. Es bringt nichts, wenn wir hier Vermutungen anstellen, oder 'was-wäre-wenn' spielen.“

*** ***

Molly Bennett kratzte die Essensreste von den Tellern und räumte diese in die Spülmaschine. Sie sinnierte über den vergangenen Tag, die Trauerfeier und wie nun alles weitergehen sollte. Molly erschrak, als Alexander klirrend Gläser auf die Ablage stellte. Ihre Hände zitterten und sie sah Alex mit weit aufgerissenen Augen an. „Ich wollte dich nicht erschrecken, Molly. Es tut mir leid.“ „Unter normalen Umständen wäre ich wohl auch nicht erschrocken, aber im Moment bin ich etwas zart besaitet.“ Molly warf das Tuch auf die Kücheninsel und rieb sich müde über die Augen. „Ich komme nicht damit klar, dass Michael nicht mehr da ist. Ich höre ständig seine Schritte, seine Stimme und muss erkennen, dass mir mein Gehirn etwas vorgaukelt.“ Tränen rannen Molly über die Wangen und Alex schloss sie tröstend in seine Arme. Dieser Anblick, Mollys Schwäche, war absolut befremdlich. Sie hatte hier alles im Griff. Sie wusste immer, was auf der Ranch zu tun war. Für Molly gab es kein 'unmöglich'. Doch in den letzten Wochen kam Molly Bennett an ihre nervliche Grenze, denn Krankheit und Tod war etwas, was auch sie nicht verhindern konnte. „Mich plagt das schlechte Gewissen, weil ich Michael nicht mehr danken konnte, für alles, was er für mich getan hat, was er mir alles ermöglicht hat ..." Alexanders Stimme brach und er weinte aus Trauer um seinen Ziehvater. Molly löste sich aus seiner Umarmung, nahm sein Gesicht, in die von harter Arbeit gezeichneten Hände und sah Alex aus ihren klugen, braunen Augen an. „Oh, Alex! Michael und ich sind stolz auf dich! Mach dir, bitte, keine Vorwürfe, dass du nicht rechtzeitig hier warst. Du bist doch sofort hergeflogen, als ich dich angerufen habe. Keiner von uns konnte ahnen, dass Michael so schnell stirbt.“ Alexander wischte sich die Tränen energisch aus den Augen und atmete kräftig durch. „Ich dachte, mein Beruf stumpft mich ab, oder der Umgang mit dem Tod lässt sich leichter ertragen. Aber, wenn es die eigene Familie, oder das direkte Umfeld betrifft, ist der Schmerz trotzdem unerträglich.“ „Du bist ein toller Arzt und wirst nie kalt und unnahbar deinem Job nachgehen, dafür ist dein Herz viel zu groß. Und das ist gut so!“, lächelte Molly liebevoll, strich ihm noch einmal sanft über die Wange und machte sich wieder daran, die Küche aufzuräumen. „Es tat gut, all die vertrauten Gesichter heute hier zu sehen, die es sich nicht nehmen ließen, sich von Michael zu verabschieden.“ „Ja, er hätte es genossen und er hätte allen stolz erzählt, dass du das letzte Jahr bei 'Ärzte ohne Grenzen' tätig warst.“ „Ja, und ich hätte mich beschämt bedankt, dass er mir diese Erfahrung ermöglicht hat. Diese Selbstlosigkeit, mit der ihr euch mir angenommen habt, nachdem meine Eltern verstorben sind!“ Alex setzte sich auf einen Hocker am Frühstückstresen, griff nach einem Donut auf einer Kuchenplatte, brach ihn in zwei Hälften und schob sich ein Stück davon in den Mund. Molly sah ihm zu, während sie ein Glas trockenrieb. „Ich kann mich kaum an meine Eltern erinnern. Ich höre aber immer noch ganz deutlich das Prasseln des lodernden Feuers, das unsere Ranch zerstörte. Ich sehe die bedrohlichen, hohen Flammen und spüre die enorme Hitze, als mich Michael aus dem Haus rettete. Und – ich kann mich an deine Umarmung erinnern, die mich auffing, als alles sinnlos schien.“ Molly stellte das Glas ab und starrte gedankenverloren in den Raum. „Es war eine furchtbare Nacht. Von einer Sekunde auf die andere, veränderte sich alles. Die Schreie der Tiere, die qualvoll im Stall verbrannten, das Tosen der Flammen und die schreckliche Tatsache, dass deine Eltern den Flammen nicht entkamen. Nie wieder möchte ich dies erleben! Nie wieder!“ „Für euch war es keine Frage, dass ich bei euch aufwachse? Warum habt ihr mich nicht adoptiert?“ Molly Bennett war diese Frage sichtlich unangenehm. Sie putzte unsichtbare Flecken von der Kücheninsel, ehe sie sich neben Alexander auf einen Hocker schob. „Wir wollten, dass du deinen Familiennamen behältst!“, sie räusperte sich. „Deine Eltern waren tolle Freunde und wundervolle Menschen. Wir wollten ihnen damit Ehre erweisen!“ Molly wich Alex' Blick aus, der sie aus seinen graublauen Augen durchdringend und forschend ansah. „Michael und du, ihr habt nie geheiratet. Wart ihr nicht verliebt?“ Röte stieg in Mollys Gesicht. „Alexander Christopher Warren, das ist jetzt aber sehr persönlich. Das hat mit allem hier gar nichts zu tun!“ Hektisch glitt Molly vom Stuhl, schritt an die Spüle und drehte Alexander den Rücken zu, so dass er ihr Gesicht nicht sehen konnte. Doch Alex war hartnäckig! Er stand ebenfalls auf und stellte sich neben Molly. Der schwarze Stoff des Hemdes spannte über seinem schlanken, sportlichen Oberkörper, als er sich auf die Arbeitsfläche stützte und Molly von der Seite durchdringend taxierte. „Molly-y?“ „Was möchtest du denn hören?“ Sie knallte den Spüllappen in das Becken, so dass Wasser in alle Richtungen spritzte. „Ich habe nur eine berechtigte Frage gestellt, die mich schon länger beschäftigt.“ Molly seufzte verdrossen und blitzte Alex mit funkelnden Augen an. „Du lässt dich nicht abwimmeln, oder? Also gut. Ja, ich hatte Gefühle für Michael, aber er erwiderte diese nicht. Unsere Beziehung war nur rein platonisch. Ihm wurde vor langer Zeit das Herz gebrochen, von einer deutschen Frau und er kam nie darüber hinweg. Damit wollen wir es auch belassen. Ende!“

*** ***

Das Telefonat mit dem Notar, Mathew Hawkins, verlief angenehm, aber für beide Seiten überraschend. So erfuhr der Notar, dass Anna Bruch, ihrerseits Mutter von Nea und Alenia, im September 2018 an Krebs verstorben war und die Geschwister brachten in Erfahrung, dass Michael Covet, seines Zeichens wohl ihr Vater, sich im März von einem schweren Schlaganfall nicht erholte. „Am einfachsten ist es, die Regelung der Erbangelegenheit, hier vor Ort, zu klären, bzw. sich erst einmal, mit den neuen Gegebenheiten 'anzufreunden'. Daher möchte ich sie bitten, sich ein paar Tage freizunehmen und nach Phoenix zu fliegen. Mir ist bewusst, dass es für sie ein Schock ist, sich mit dieser Situation konfrontiert zu sehen. Vielleicht ist es aber auch eine enorme Chance, offene Fragen zu klären, oder das Leben, ganz neu zu ordnen. Ich helfe ihnen gerne bei der Reiseorganisation, bezüglich Unterkunft, etc.“ „Mr. Hawkins, sie werden verstehen, dass wir Bedenkzeit benötigen. Wir wissen auch, dass es ihre Aufgabe ist, die Testamentsvollstreckung und den Willen Mr. Covets, zu erfüllen, aber wir benötigen Zeit! Ich schlage vor, wir telefonieren in drei Tagen erneut und können dann Näheres besprechen.“ „Selbstverständlich gewähre ich ihnen diese Bedenkzeit, Miss Bruch. Vielen Dank, dass sie sich so zügig auf mein Schreiben gemeldet haben. Auf Wiederhören!“ „Auf Wiederhören, Mr. Hawkins.“ Nea legte das Telefon beiseite und blickte Alenia überfordert und gleichzeitig überwältigt an.

*** ***

Mathew Hawkins fuhr angespannt über den langen Highway und nahm die Abzweigung zur Covet Ranch. Die Camelback Mountains ragten massiv und majestätisch in den Himmel, die Pferde grasten friedlich auf ihren Koppeln, während junge Kälber übermütig über die Weide tobten. Cookie, der schwarze Schäferhund, döste gemütlich auf der großen Veranda und hob schläfrig seinen Kopf, als das Auto des Notars vor dem Ranch-Haus hielt. Für Mathew war die Ranch ein zweites Zuhause. Wie oft hatte er hier bei seinem besten Freund, Alexander, übernachtet, Marshmallows über dem Lagerfeuer gegrillt und sich von Michael Gruselgeschichten erzählen lassen. Wie schnell war diese unbeschwerte Kindheit vergangen und heute kam er in seiner offiziellen Funktion, als Notar. Wie Molly, aber vor allem Alexander auf die Neuigkeit reagieren würde?

Als Michael Covet Mathew vor einiger Zeit gebeten hatte, den Brief zu verwahren und ihn als Testamentsvollstrecker einsetzte, fühlte Mathew, dass dahinter mehr steckte, als die Aufteilung von Wertsachen. Michael hatte spontan einen Termin in der Kanzlei vereinbart und er wirkte fahrig, erschüttert, ja gar nicht wie er selbst, als er in Mats Büro saß. Doch, dass er so zügig diese Handlung ausführen musste, damit hatte der junge Notar nicht gerechnet.

Für Mathew hatte die Angelegenheit einen bitteren Beigeschmack, als Freund der Familie, diese überraschende Neuigkeit, überbringen zu müssen.

Molly Bennett hatte ein Auto auf den Kieseln vor dem Haus vorfahren gehört, öffnete die Tür zur Veranda und erkannte Mathew Hawkins Fahrzeug. Sie kannte den Jungen seit seiner Geburt und fand es daher merkwürdig, als er ihr formell gekleidet und mit ernster Miene gegenübertrat. Er lächelte und küsste sie auf die Wange: „Hi, Molly. Wie geht es dir?“ „Hallo, Matty. Es muss, es bleibt uns ja nichts Anderes übrig.“, sagte sie traurig. „Komm, wir setzen uns in den Schatten auf die Veranda. Möchtest du eine Limonade?“ „Ist Alex nicht zu Hause, Molly?“ „Er ist bei den Pferden, müsste aber jeden Moment hier sein. Du siehst so ernst aus, Mathew.“ Der Notar lächelte gequält: „Deine Limonade ist mir die liebste, das weißt du doch. Wir sollten aber besser ins Haus gehen, wenn Alex kommt. Ich habe mit euch etwas zu besprechen.“ Wie aufs Stichwort, bog Alexander um die Hausecke. Sein brauner Cowboyhut war mit rotem Sand beschmutzt, davon war auch sein Gesicht betroffen, sowie seine hellblaue Jeans und seine dunklen Boots. Alex fluchte leise vor sich hin und klopfte sich den Staub aus der Kleidung. „Matty, alter Paragraphenreiter!“ „Wenn ich dich so sehe, dann bleibe ich auch lieber bei meinen Paragraphen. Dich hat es wohl aus dem Sattel gehoben! Nichts mehr gewohnt, was?“ Die jungen Männer klopften sich freundschaftlich auf die Schulter und lachten. „Goblin, der alte Sturschädel, wollte nicht durchs Gattertor und blieb aus vollem Galopp einfach stehen. Damit hatte ich natürlich nicht gerechnet und habe mir den roten Sand aus der Nähe angesehen.“ „Na, kommt Jungs, lasst uns ins Haus gehen. Matty möchte mit uns etwas besprechen.“

*** ***

„Verlieren wir nun die Ranch?“ Aufgebracht schritt Alexander durchs Zimmer, fuhr sich durch seine braunen Haare und sah von Molly zu Mathew. „Das sagt doch niemand, Alex. Die beiden Mädchen waren ebenso überrascht wie ihr, oder besser gesagt wie wir alle. Michael hatte erst vor ein paar Wochen verfügt, dass seine 'deutsche Familie' mit im Testament berücksichtigt wird. Bis zu diesem Zeitpunkt wusste anscheinend niemand von der Existenz dieser Menschen.“ „Das ist nicht richtig.“, ruhig und gefasst strich Molly den Tischläufer auf dem massiven Holztisch glatt. „Ich wusste von Anna Bruch und auch die Covets wussten von ihr. Nur von den Zwillingen hatte ich keine Ahnung und ich kann euch nicht sagen, in wie weit die Covets davon Kenntnis hatten.“ „Anna Bruch ist also DIE deutsche Frau, die Michael das Herz gebrochen hat? Von der er NIE etwas erwähnt hat, die aber nun Ansprüche für ihre Gören geltend macht.“ „Alexander Christopher Warren, jetzt ist aber mal Schluss!“, zornig erhob sich Molly vom Tisch und ihre Augen blitzten wütend, als sie in großen Schritten auf Alex zusteuerte. „Wenn ich dich noch einmal so respektlos sprechen höre, dann bekommst du von mir eins hinter die Ohren. Oder denkst du, dafür bist du mir zu groß?“ Wütend packte sie Alex am Arm. „Anna Bruch war für Michael die Liebe seines Lebens. Diese Frau verdient deinen Respekt und auch ihre Kinder. Mathew hat nicht gesagt, dass die Bruchs etwas einfordern. Es war Michaels Wunsch, dass seine Töchter und Anna bedacht werden.“ Mathew Hawkins räusperte sich unsicher: „Anna Bruch verstarb letzten September. Es gibt nur noch die beiden Töchter.“ Molly sah den Notar entsetzt an. „Dann haben die Mädchen in kurzer Zeit Mutter und Vater verloren und das, ohne von der Existenz, ihres Vaters zu wissen!“ Sie schlug Alex mit der flachen Hand auf die Brust. „Dann hast du noch weniger das Recht, über Anna und die Kinder zu richten. Schäm dich!“ „Au, Molly. Das tat weh! Das wusste ich doch nicht.“ Alexander rieb sich über die Stelle, auf der ihn Mollys Hand traf. „Aber, was bedeutet das exakt für uns? Für Molly? Für mich? Die Ranch?“ Fragend blickte Alexander seinen Freund an. Der Notar streckte seine langen Beine unter dem Esstisch aus, trank einen Schluck der kalten, erfrischenden Limonade und stellte sein Glas vorsichtig zurück auf den Tisch. „Alex, das kann ich dir auch nicht beantworten. Das liegt nicht in meiner Entscheidungsgewalt. Eure Zukunft liegt in euren Händen. Das müsst ihr mit Michaels Töchtern und den Covets klären.“ Molly setzte sich zurück an den Tisch und an ihren zusammengezogenen Augenbrauen sah man, dass ihr Gehirn auf Hochtouren arbeitete. „Aber wie und vor allem wo, soll das geschehen? Wissen die Covets schon Bescheid?“ „Ich habe morgen einen Termin mit Barbara Covet und hoffe natürlich, in Michaels Namen, dass es trotz der Differenzen, eine wohlgesinnte Reaktion auf die Neuigkeit gibt.“ Molly blickte aus dem Fenster und strich sich eine graue Strähne aus dem Gesicht. „Barbara Covet ist keine angenehme Frau und auch Michaels Bruder ist kalt wie eine Hundeschnauze. Ich kann mir definitiv etwas Schöneres vorstellen, als mich mit den Covets auseinanderzusetzen. Bleibt zu hoffen, dass Michaels Töchter nicht allzu viele Eigenschaften von dieser Seite der Familie mitbekommen haben.“ „Das werdet ihr bald herausfinden.“ Mathew grinste verlegen und kratzte sich hinter dem Ohr. „Um genau zu sein, schon am Wochenende!“ Alex stützte sich auf den Tisch und sah Mathew irritiert an. „Alenia und Nea Bruch kommen Samstag in Phoenix an und bleiben ein paar Tage, um die Formalitäten zu regeln und natürlich auch, um 'ihre' Familie kennenzulernen.“

*** ***

Ihre blauen Koffer verschwanden auf dem Rollband des Nürnberger Flughafens. Alenia und Nea sahen zu, wie die Abtrennung, zum Gepäckbereich, die Koffer verschluckte. Schon einige Male ging es von hier aus in den Urlaub, doch diese Reise fand unter völlig anderen Voraussetzungen statt. Die Vorbereitungen waren nicht fröhlich und unbeschwert, aber deswegen auch nicht weniger aufregend. Die Anspannung war spürbar und erdrückend. Die vergangenen Nächte hatten die jungen Frauen schlecht und kaum geschlafen. Dies forderte ihren Tribut. Nachdem sie in Zürich den Flieger wechselten, um den Langstreckenflug über den Atlantik anzutreten, dauerte es nicht lange und das monotone Brummen der Triebwerke wirkte einschläfernd. Erst wenige Stunden vor der Landung in den USA wurden sie wieder wach.

Alenia beäugte Nea mit Besorgnis, denn auch wenn ihre Schwester von Haus aus ein ruhiger Mensch war, war sie die letzten Tage nur ein Schatten ihrer selbst. Sie aß kaum und zog sich in ihr seelisches Schneckenhaus zurück. Die Fragen, die beiden auf der Seele brannten, waren omnipräsent und qualvoll. Leni und Nea hofften, dass die Reise Klarheit und Antworten brachte. Alenia griff nach der Hand ihrer Schwester und Nea lächelte müde. „Ich hoffe, Mr. Hawkins vergisst uns nicht abzuholen.“ Alenia zuckte gleichgültig mit den Schultern: „Und wenn, dann nehmen wir uns ein Taxi.“

*** ***

Mathew Hawkins war trotz seiner notariellen, eigentlich neutralen Rolle, die er im Covet Erbe zu übernehmen hatte, mehr mit Kopf und Herz dabei, als er zugab. Er konnte die langjährige Freundschaft zu Alexander nicht auslöschen und auch die Verbundenheit zu Molly und Michael war tief verwurzelt.

Das Gespräch mit Michaels Mutter und Bruder gestaltete sich seltsam. Mathew wusste nicht, ob es je zu einer Einigung, oder gar Versöhnung der Parteien kommen würde. All diese Gedanken arbeiteten in ihm, als er mit langen Schritten aus dem Parkhaus des Sky Harbor Airport trat. Mat blickte nervös auf seine schlichte, silberbraune Armbanduhr und stellte erleichtert fest, dass noch genügend Zeit blieb, bevor der Flieger der Bruch-Zwillinge in Phoenix eintraf.

Er hatte sich gegen den steifen Anzug entschieden und war in eine legere, dunkelblaue Stoffhose und weißes Poloshirt geschlüpft, um die Geschwister nicht, durch sein spießiges Auftreten, einzuschüchtern. Das Stimmengewirr der Menschen, die in der Ankunftshalle herumstanden, hektisch umherliefen, oder sich begrüßten, schlug ihm sofort entgegen, als er das Gebäude betrat. Mat platzierte sich dicht an den Sperrbereich, der die Flugankömmlinge von der Ankunftshalle trennte. Er besah sich das Schild, mit den Namen der Schwestern, welches er sicherheitshalber angefertigt hatte. Jetzt hieß es warten!

*** ***

Müde zog Nea ihren blauen Koffer hinter sich her und auch Alenia steckte der lange Flug in den Gliedern. Es war 19.30 Uhr Ortszeit, also nach deutscher Zeit schon 03.30 Uhr am nächsten Morgen. Erschöpft schlurften sie Richtung Wartehalle und betraten unsicher das fremde Terrain. Alenia entdeckte einen jungen, blonden Mann, der in der Hand ein Schild hielt, auf welchem ihre Namen zu lesen waren. „Ist das der Notar?“ „Sieht ziemlich jung aus.“, sagte Nea überrascht. Der Mann ließ seinen Blick über die Ankömmlinge schweifen, aber auf die Geschwister achtete er nicht. Erst als Alenia ihn ansprach: „Mr. Hawkins? Wir sind Nea und Alenia Bruch.“ „Hallo! Ja, ich bin Mathew Hawkins.“ Er reichte ihnen die Hand und erkundigte sich: „Hatten sie einen angenehmen Flug?“ „Der Flug war schrecklich lang, aber ohne Zwischenfälle.“ „Darf ich ihnen ihr Gepäck abnehmen und sie zum Auto bringen. Auch wenn es hier noch früher Abend ist, denke ich, dass sie nach der langen Reise gleich ins Hotel möchten. Nicht wahr?“ Mathew Hawkins lächelte und dieses Lächeln war ehrlich und nahm den Schwestern die anfängliche Nervosität und Anspannung.

*** ***

Sie bogen auf eine der mehrspurigen Straßen außerhalb des Flughafen Geländes. Alenia, die auf dem Beifahrersitz platzgenommen hatte, unterhielt sich mit dem Notar. Nea saß auf dem Rücksitz und folgte dem Gespräch eher passiv. Ihre Aufmerksamkeit wurde zu sehr von all den neuen Eindrücken in Anspruch genommen und sie wusste gar nicht, wo sie zuerst hinsehen sollte.

„Wir fahren jetzt ca. 15 Minuten Richtung Norden, in das sogenannte Paradise Valley. Dort befindet sich ihr Hotel, welches ihnen hoffentlich zusagt.“ „Paradise Valley! Das klingt hübsch!“, freute sich Alenia. Mathew strahlte: „Das klingt nicht nur so!“ „Hast du gehört, Nea?“ „Mhm.“

Die Sonne sank langsam hinter die Berge und tauchte die Umgebung in ein warmes Licht, als sie auf den Parkplatz des Hotels einbogen.

Alenia und Mat hoben die Koffer aus dem Wagen, während Nea ihr Gesicht gedankenverloren, in Richtung der letzten Sonnenstrahlen des Tages reckte. Sie gähnte und fuhr sich durch ihre langen, glänzenden Haare. „Vielen Dank, dass sie uns vom Flughafen abgeholt haben. Den Rest denke ich, schaffen wir jetzt alleine.“ „Dann wünsche ich ihnen eine erholsame Nacht und willkommen in Phoenix.“ „Danke, gute Nacht!“, grummelte Nea. Die Schwestern liefen Richtung Hoteleingang, als Mathew Hawkins ihnen hinterhereilte: „Ladys, wegen morgen. Schlafen sie sich aus und frühstücken gemütlich. Ich rufe sie im Laufe des Vormittags an, um ihnen mitzuteilen, wann ich sie abholen werde, um sie auf die Ranch ihres Vaters zu bringen. Wenn sie vorher etwas benötigen, haben sie meine Handynummer. Jetzt aber wirklich – gute Nacht!“ „In Ordnung. Danke, für ihre Hilfe!“, Nea quälte sich nun doch ein Lächeln ab. Sie wusste, Mathew Hawkins trug an der Situation keine Schuld!

Alenia und Nea betraten die Hotellobby und sahen den Notar vom Parkplatz fahren. Alenia blickte geistesabwesend dem Wagen nach.

Erschöpft kuschelten sich die Geschwister in das breite Hotelbett und Nea war schon fast eingeschlafen, als Alenia meinte: „Er wirkt gar nicht wie ein Notar. Was denkst du, wie alt er ist?“ „Keine Ahnung, Leni. Eigentlich ist mir das auch total egal.“ „Mir nicht!“, gähnte Alenia. „Das habe ich befürchtet!“, murmelte Nea.

*** ***

Molly hatte vor Aufregung rote Flecken auf Dekolleté und Gesicht. Sie trat auf die Veranda, um kurz darauf wieder im Haus zu verschwinden. Cookie, der schwarze Schäferhund, setzte sich auf und schien sich zu fragen, was denn heute los war. Er spitzte seine großen Ohren, legte seinen Kopf schräg und musste erkennen, dass es keine Streicheleinheiten gab. Gerade, als er sich wieder auf die sonnengewärmten Dielen niederließ, erschien Molly wieder, stemmte die Arme in die Hüfte und richtete den Blick auf einen Punkt am fernen Horizont. Cookie setzte sich vor Molly und sah mit seinen braunen Knopfaugen zu ihr hoch, stupste sie mit der Schnauze an und gab ein kurzes, tiefes Bellen von sich. „Sch... Cookie!“, grimmig schaute Molly auf den Hund. „Du musst dich heute von deiner besten Seite zeigen. Wir bekommen Besuch!“ Schnell streichelte sie über seinen Kopf, wischte ihre Hände an der dunklen Jeans ab, seufzte laut und ging zurück ins Haus. Cookie folgte ihr, doch bevor er mit hineinschlüpfen konnte, fiel die Tür ins Schloss.

Wenige Augenblicke später betrat Alexander das Haus und hörte Molly in der Küche: „Alex, bist du's?“ Das Wasser lief ihm im Mund zusammen, als sich die feinen Aromen, von gebratenem Steak und frischem Apfelkuchen, in seiner Nase festsetzten. Mit großen Schritten betrat Alexander die geräumige Küche und sah, wie seine Ziehmutter Puderzucker auf dem Gebäck verteilte. „Mmmh, Molly! Das