Unmögliche Mission auf Planet Hubba Bubble - Andromeda Spice - E-Book

Unmögliche Mission auf Planet Hubba Bubble E-Book

Andromeda Spice

4,6

Beschreibung

Wir schreiben das Jahr 2569. Das Universum befindet sich kurz vor Ausbruch des Dritten Interstellaren Zickenkrieges. Nur ein blonder Held von der Peripherie der Galaxis und seine tapfere vierbeinige Begleiterin können die Welt vor Chaos, Anarchie und dem Vibrato der furchterregenden Franka Vaginatra retten.

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Seitenzahl: 502

Veröffentlichungsjahr: 2016

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»Ein bisschen weniger schlechter Geschmack hätte weder dem Massenappeal dieses komplett schwachsinnigen Machwerks noch dem unsäglichen Ego der hemmungslosen Spicecraft geschadet!«

Titten, Thesen, Temperamente

Für Lena und Thore,

deretwegen dieses Buch nur halb so unleserlich wurde,

wie alle immer befürchteten,

und für die echten Sechs Möpse:

Dies ist zwar nicht eure Geschichte,

aber ohne euch wäre sie nie geschrieben worden!

www.andromedaspice.info

Inhaltsverzeichnis

[Episode 1] Wie alles begann

#289#

#288#

[Episode 2] Wie es dann weiterging

#287#

#286#

[Episode 3] Shoobeeba-Wacky-Willy, I love you

#285#

#284#

#283#

#282#

#281#

#280#

#279#

[Episode 4] Ein Leben ohne Drogen

#278#

#277#

#276#

#275#

#274#

#273#

[Episode 5] Was nicht hätte geschehen dürfen

#272#

#271#

#270#

#269#

#268#

#267#

[Episode 6] Die unerträgliche Schleimheit des Seins

#266#

#265#

[Episode 7] Descha Wü / Im Schatten der Sterbenden Sonne

#264#

#263#

#262#

#261#

#260#

#259#

#258#

#257#

#25?#

#255#

[Episode 8] Mesminolo oder Das Leben ist eine Blase

#254#

#253#

#252#

#251#

[Episode 9] Tatuleda oder Wie Chaze und ich Wilma la Douce aus den Fängen des achtarmigen Oktopussoiden befreiten

#250#

#249#

#248#

#247#

#246#

#245#

#244#

#243#

#242#

#241#

[Episode 10] Welten zwischen Welten

#240#

#239#

#238#

#237#

#236#

#235#

#234#

#233#

#232#

Dank

[Episode 1]

Wie alles begann

#289#

Eine warme, rauhe Hundezunge leckte über meine Wange. Ich drehte mich zur Seite und zog die dünne Hanfdecke über den Kopf.

»Mösie, hör auf – nur noch einen Augenblick!«

Das Strohbett bewegte sich. Mösies Nase stieß an meinen e-regierten Schwanz.

»Jetzt reicht’s aber!«, schimpfte ich und schob sie weg. Ich öffnete mein rechtes Auge einen Spaltbreit. Gleißende Sonne hinter dem Bastvorhang. »Oh Shit!«

Mösie begann zu knurren und zog an der Decke.

Ich öffnete mein anderes Auge und schaute sie strafend an. »Du solltest dir endlich mal angewöhnen, meine Morgenlatte zu ignorieren.«

Sie ließ von der Decke ab und sprang vom Bett. Eilig hoppelte sie die Wendeltreppe hinunter ins Büro. Ich erhob mich, ging ans Fenster und schob den Vorhang zur Seite. Ein erhabener Anblick: Die Sonne hatte den allmorgendlichen Hochnebel vertrieben, die Kronen der Kokoabäume wiegten leicht im Wind; am tiefblauen Horizont erhob sich Kurudi Shamba, die einzige nennenswerte Erhebung auf unserem Planeten. Sein steiler Vulkankegel leuchtete schwarz über dem dichten Grün des Dschungels.

Ich streckte mich und ließ meine Hüfte zweimal kreisen. Dann folgte ich Mösie ins Büro. Sie saß schon erwartungsvoll vor dem Transmitter.

»Es wäre ein Wunder, wenn er heute funktionieren würde!« Ich schaltete den Transmitter ein. Ein graues Pixelrauschen flimmerte über den Schirm. »Hab’s dir doch gesagt.«

Sie schaute mich mit traurigen Hundeaugen an.

»Jetzt haben wir schon seit fünf Tagen keinen Kontakt zur Außenwelt.« Ich tätschelte das perlweiße, glatte Fell auf ihren Kopf. »Wenn wir es heute schaffen, die alte Thetawellenantenne wieder zu aktivieren, bekommen wir vielleicht im niederen Frequenzbereich ein Signal auf den Schirm.«

Mösie rannte die Wendeltreppe hoch in mein Zimmer und kam mit Boxershorts in ihrem Mäulchen zurück.

»Danke, meine Süße!«

Sie wedelte mit dem Schwanz. Ich ging in die Küche, goss mir ein Glas kalten Saba-Saba-Tee ein und trank es in großen Schlucken aus. Die Wanduhr zeigte noch zwei Stunden bis Sonnenuntergang. Warum drehte sich mein Planet nur so schnell? Kaum aufgewacht, nahte schon der Abend. Und nachts wagte man sich hier lieber nicht vor die Tür…

Im Bad warf ich einen kurzen Blick in den Spiegel. Meine Haare waren definitiv zu lang – ein dichter blonder Filz, an dem jeglicher Kamm scheiterte. Sie gehörten baldmöglichst auf ein handlicheres Maß gestutzt. Sobald meine Eltern von Balagán, dem nächstgelegenen Provinzplaneten, zurückkehren würden, sollte ich meine Mutter darum bitten. Ich strich mir übers Kinn. Der Bartwuchs ließ noch immer zu wünschen übrig. Aber wen juckte das schon? Auf unserem Planeten waren wir ohnehin die einzigen Siedler.

Ich zog die Boxershorts an. Mein Schwanz hatte sich weitestgehend entregt. Ich bog ihn nach oben, damit er in die Shorts passte. »Dann mal los!«

Ich griff mir Werkzeugkiste, stieg die Wendeltreppe hoch in mein Zimmer, das direkt unter dem Dach lag, fuhr die Leiter zur Dachluke aus, kletterte die Leiter hoch und öffnete die Luke. Ein Schwall schwülfeuchter Luft schlug mir entgegen. Unser unbewohnbarer Zwillingsplanet XLD-32a hing unbeweglich als fahle rote Sichel am Firmament, die Sonne brannte. Keine Wolke verwässerte das Monochromblau. Auf dem Dach saß ein junger Paragua-Affe, kaute an einer Guagua-Nuss und schaute mich neugierig an.

»Geh weg, du hast hier nichts zu suchen!«

Der Affe bleckte seine spitzen Zähne und zog sich an den Dachrand zurück, ließ sich aber sonst nicht stören und kaute weiter. Ich stieg auf die angerostete Wellblechverkleidung mit den angeschraubten Solarpaneelen. Den metallenen Querstreben folgend überquerte ich das Dach. Das Blech ächzte und gab unter meinem Gewicht ein wenig nach.

Die Parabolschüssel der Thetawellenantenne stand am hinteren Sims – ein Relikt vorvergangener Kommunikationstechnologie, das mich mit ein wenig Nostalgie erfüllte. In meiner Kindheit war diese Antenne unser einziger Kontakt zur Außenwelt gewesen. Ich inspizierte den Empfänger. Moos und bläuliche Flechten hatten sich auf ihm angesiedelt, eine dicke Schicht Kokoablätter füllte seine Wölbung. Eines der Verbindungskabel hing lose aus dem Transmitterkasten. Wahrscheinlich hatte sich ein Affe an der Technik zu schaffen gemacht.

Ich nahm eine Stahlbürste aus der Werkzeugkiste und befreite die Schüssel von Moos, Flechten und Blättern, dann öffnete ich die Transmitterbox mit Schraubenzieher und Zange. Das verwaiste Kabel hatte sich von der Kehl-Lotbrücke auf der Basisleiterplatte gelöst.

»Das sollte leicht zu beheben sein«, murmelte ich, aber niemand antwortete. Ich blickte mich um. Der Affe hatte sich aus dem Staub gemacht. Seltsam!

Mit dem Brazer lötete ich das Kabelende auf die Brücke. Funken sprühten. Das flüssige Metall zischte.

In diesem Augenblick begann Mösie wild zu kläffen.

»Was ist denn los, meine Süße?«, rief ich beunruhigt hinunter ins Baumhaus. Ich verschraubte schnell den Transmitterde-ckel und lief übers Dach zur Luke. Unten an der Leiter sah ich meine Hündin. Sie sprang aufgeregt an der ersten Sprosse hoch, stellte sich, als sie mich sah, auf ihre beiden Hinterpfoten und kläffte aufgeregt.

Wenn sie sich doch nur deutlicher artikulieren könnte!

Da hörte ich ein ungewöhnliches Brummen, wie von einem Raumschiff. Kehrten meine Eltern etwa verfrüht von Balagán zurück? Ich kniff die Augen zu und suchte den Himmel ab. Tatsächlich: ein schwarzer Punkt im Nordosten, der schnell größer wurde. Mösie bellte immer lauter.

Ich stieg die Leiter hinab. »Kannst du mir das Handteleskop bringen?«

Sie verstummte und rannte ins Büro. Bis ich zur letzten Sprosse geklettert war, kam sie schon wieder zurück. Mit dem Gurt aus Alligatorenleder in ihrem zarten Mäulchen zerrte sie das Teleskop hinter sich her.

»Brav, meine Süße«, lobte ich sie.

Die Alarmglocke unseres Orbit-Enquirers setzte ein und läutete schrill. »Wie immer viel zu spät«, murmelte ich.

Die Holzdielen unter meinen Füßen vibrierten, die Glascontainer meines Privatlabors klirrten. Das klang definitiv nicht nach unserem zahmen Frachtschiff. Jetzt bloß keinen Angriff der Hidalgo-Piraten! Ich schnappte mir Mösie, warf den Gurt des Handteleskops über die Schulter und kletterte die Leiter wieder hinauf. Ein Dröhnen erfüllte den gesamten Urwald. Der fremde Glider hielt direkt auf unser Baumhaus zu. Ich zückte das Teleskop. Im Gegenlicht konnte ich eine rundliche Silhouette erkennen, an deren Seiten zwei große Prionentriebwerke bläulich leuchteten. Eine heiße Brise wehte mir in Haare und Gesicht. Kokoablätter klatschten prasselnd aneinander. Äste knackten.

»Mösie, in Deckung!« Ich stieg die Leiter ein paar Sprossen hinunter und schloss die Luke bis auf einen schmalen Spalt. Mein Herz pochte. Zum Greifen nah schossen drei riesige Titten am Bug des bauchigen Flugobjekts über meinen Kopf. Darunter konnte ich vage eine Aufschrift erkennen: ein »M«, darunter ein weiteres »M«. Was mochte das wohl bedeuten? »MM«? Nutzten die Hidalgo-Piraten ein fremdes Schiff zur Tarnung? Oder war es meine geliebte Cousine Tusnelda Knups, die sich nur alle Schaltjahre in unseren Teil der Galaxis verirrte? Aber Tusnelda kam für gewöhnlich mit der HELIANE, ihrem eleganten Glider. Warum war gerade jetzt unser Kommunikationssystem ausgefallen?

Das Schiff dröhnte über mich hinweg. Vier kleinere Navigationsaggregate leuchteten bläulich, am Heck bildete sich ein Kondensstreifen aus weißgelben Arsidiumsulfatwolken. Ich hielt mir die Ohren zu. Meine Augen folgten der Bahn des Gliders. Er sank stetig ab und – wie ich zu meinem Schrecken feststellen musste – direkt auf unsere Plantage zu, die kaum einen Kilometer entfernt im Dschungel lag. Tusnelda würde niemals dorthin steuern, sie kannte unseren Landeplatz bestens!

Da war ein Angriff der übermächtigen Hidalgo-Piraten auf einem ihrer Beutezüge wahrscheinlicher! Letztes Mal hatten sie nicht nur die Ernte zerstört, sondern auch unser Baumhaus geplündert und verwüstet. Um Haut und Fell zu retten, mussten wir in den Dschungel flüchten – dorthin folgten sie nicht, weil sie sich nächtens vor den Alligatoren fürchteten. Fast hätten wir den nächsten Morgen nicht erlebt. Welche Qualen ich durchlitt, als ich die Reste der Plantage sah und meinen Elektronikschrott vom Dschungelboden auflas, bevor die Paragua-Affen ihn stibitzen konnten…

Der Wind ließ nach. Mösie befreite sich aus meinen Armen und lief wild kläffend ans Ende des Dachs. Ich folgte ihr. Der Glider sank auf Waldhöhe und mähte sich durch den Dschungel. Eine Schneise mit rauchenden, entkronten Kokoas blieb zurück. Die niedrigeren Ferrazzibäume fingen unter seinen Prionentriebwerken Feuer und loderten hell auf. Er schredderte ein paar letzte Meter auf der unebenen Urwaldbodenvegetation, bevor er dumpf gegen den uralten Drahobaum prallte, der den Rand unserer Plantage markierte, und zum Halten kam. Eine gräulich-ockerfarbene Rauchwolke stieg auf.

Hatten die Eindringlinge unser Baumhaus – vielleicht sogar Mösie und mich – zwischen den Wipfeln erspäht?

Ich stürmte die Wendeltreppe hinunter, stellte am Orbit-Enquirer die Alarmglocke ab und überlegte, wie wir uns im Fall eines Angriffs verteidigen könnten. »Mösie, hast du eine Idee?«

Sie lief zum Treppenabsatz, wo es weiter ins Untergeschoss ging, und schaute mich erwartungsvoll an. Ich erriet, was sie im Sinn hatte: »Du meinst, ich soll die Fleischvorräte aus dem Tiefkühlschrank schockdefrosten und im Dschungel platzieren?«

Sie nickte.

»Damit die Alligatoren zum Glider finden und fressen, wer immer auf unserem Planeten gelandet ist?«

Sie legte die Ohren an. Ich hatte richtig geraten.

»Meine Süße, du weißt doch, dass sie tagsüber viel zu faul sind, sich nur einen Schritt zu bewegen!« Ich erinnerte mich an unseren letzten Ausflug an die Taylor-Lagune, als sie sich vollgefressen im Schlamm suhlten und die Parasiten von Krummschnabelmeisen aus den Schuppen picken ließen. Die Alligatoren waren jedenfalls keine Erfolg versprechende Idee.

Ich öffnete die Tür zur Asservatenkammer, in der wir das gesamte Waffenarsenal unseres Baumhauses lagerten. Mösie folgte mir in die Kammer, hoppelte geradewegs zur Resonanzkanone, die in einer Ecke leicht angestaubt stand, und wedelte mit ihrem Schwanz. Mit der Kanone konnte man jegliche Form zellbasierten Lebens in Sekundenschnelle zum Platzen zu bringen.

Ich ging zu den Regalen mit Dschungelkleidung und schüttelte den Kopf. »Nein, das geht auch nicht!«

Eine Resonanzdetonation in unmittelbarer Nähe der Plantage würde die symbiotischen Maullarvenpopulationen eliminieren, die meine Grasbestände vor Wurmbefall schützten und mit dem magischen Pilzgeschmack versahen.

Vom Stapel meiner Tarnkleidung nahm ich ein grünbraunes Muskelshirt. Während ich es anzog, wies ich nach draußen auf die Schneise, die der Glider geschlagen hatte. »Außerdem würde die Detonation dir« – ich wies auf sie – »und mir« – ich wies auf mich – »einen mittleren Hörsturz zufügen.«

Sie ließ ihre Ohren hängen und schniefte.

Blieb noch die Guerilla-Taktik: Aus dem Hinterhalt gezielt angreifen und sofort wieder untertauchen. Gerade letzte Woche hatte ich im Dschungeldickicht geübt – aber dass es so schnell bitterer Ernst werden würde, hätte ich mir nicht träumen lassen! Mein Herz schlug ein wenig schneller.

Ich öffnete die Notfallbox, in der meine MagnusSchnellfeuerwaffe wie immer griffbereit lag.

{§SpaceNerd&} [Die von MagnusDefenceSystems entwickelte Schnellfeuerwaffe Magnus, übrigens der einschlagendste Erfolg des Konzerns, zerlegte im wahrsten Sinne des Wortes alle organische Materie (selbst siliziumbasierte) in ihre subzellulären Bestandteile, meist auf den Komplexitätsgrad niederer Aminosäuren, die ihrerseits wiederum Jahrmillionen und eine wohltemperiert stabile Umgebung mit konstanter hochexergetischer Energiezufuhr bräuchten, um von ihrem prävegetativen Säurestatus jenes emergente Fließgleichgewicht zu erreichen, das sich durch mentale Agilität und die kommerzielle Verfügbarkeit rauschinduzierender Substanzen charakterisieren ließe.] {&SpaceNerd§}

Ich steckte die Magnus in meine Shorts und blickte auf die Uhr. In nur anderthalb Stunden würde die Sonne wieder untergehen und die Alligatoren ihre Jagd beginnen.

#288#

»Wir treffen uns unten!«, rief ich Mösie zu, als ich auf die Stahlgitterterrasse vor unserer Haustür trat. Ich wählte den schnellsten Weg vom Baumhaus hinunter auf festen Grund: meine Spezialliane aus manustringverstärkter Kohlefaser, elastisch und von keinem Paragua-Affen zerbeißbar. Mit einem Ruck aktivierte ich den Elektromotor der Liane, nahm Anlauf und sprang in den Dschungel.

Nur für ein paar Sekunden das Gefühl des Fliegens! An meiner Liane hängend segelte ich quer zwischen den Wipfeln der Kokoabäume in die halbhohe Ferrazzivegetation, während meine Hündin die Eisentreppe am Hauptstamm hinunterhoppelte. Ich löste mich im Tiefflug von der Liane, um wie immer nach einer Querrolle elegant in der Hocke auf dem moosigen Waldboden zu landen, punktgenau am Beginn der fußläufigen Abkürzung zur Plantage.

Mösie erreichte mich.

»Still, meine Süße!« Ich legte meinen Zeigefinger auf ihre zarten Hundelippen.

Sie nickte: Wir waren bereit, Hab und Gut zu verteidigen!

Hinter uns summte der Elektromotor, zog die Liane zurück ans Baumhaus und wickelte sie auf, während wir den Pfad in Richtung Plantage einschlugen. Nach ein paar Schritten gelangten wir an den Rand der Schneise, die der Spaceglider in den Dschungel geschlagen hatte. An den Ferrazisträuchern hingen schwarzbraun verschrumpelte Blätter, Stämme staken wie Totempfähle aus dem verkohlten Grund, der beißende Geruch kleinerer Schwelbrände mischte sich mit Rückständen kondensierten Arsidiumsulfats – ungiftig, aber penetrant nach faulen Eiern stinkend.

{&spaceNerd§} [Arsidium ist das zuletzt gefundene chemische Element des Periodensystems. Es gehört zur Gruppe der Sehr Sehr Seltenen Erden und findet sich auf 99,6 Prozent aller bekannten Planeten nur in Nanogramm-Spuren, so dass bis zum Jahr 2167 an seiner Stelle im Periodensystem, um genauer zu sein, zwischen Scandium und Titan, eine Lücke klaffte. Auf rund einem Dutzend Planeten der bekannten Galaxis liegt es in abbaubaren Mengen vor, dann jedoch als komplexes Arsidiumnitritgitter, von dem es nur durch hydraulische Verschmelzung mit anschließender Katalyse-Oxidation gelöst werden kann. In der bemannten Raumfahrt setzte es sich im dritten Jahrhundert als Primärbrennstoff von Prionentriebwerken durch.] {§spaceNerd&}

Ich hielt meinen Arm schützend vor die Nase. Um unentdeckt zu bleiben, vermied ich die Schneise und schlug mich vorsichtig ins Gestrüpp der kniehohen Pelbofarne. Mösie folgte mir lautlos.

Inzwischen konnte ich das Heck des Spacegliders sehen. Die Bruchlandung hatte Teile der Außenhülle in Mitleidenschaft gezogen. Die drei hinteren Antriebsaggregate glühten immer noch nach. Dazwischen erkannte ich eine elliptische Ausstiegsluke, auf ihr das gleiche M-M-Symbol wie an der Unterseite des Schiffs. Wenn der vordere Hauptausgang durch den Drahobaum blockiert war – wovon ich ausging –, würde die Besatzung diese Luke wahrscheinlich zum Ausstieg nutzen.

Mir fiel ein, dass ich vor kurzem in unmittelbarer Nähe zur Plantage ein Schleppnetz mit Fangvorrichtung versteckt hatte, um allzu neugierigen Paragua-Affen eine Lektion zu erteilen und sie zum Gespött ihrer Artgenossen in luftiger Höhe baumeln zu lassen. Bislang war noch keiner der Affen in die Falle getappt, folglich musste das Netz einsatzbereit auf dem Boden ruhen.

Obwohl es einige Kokoabäume am Schneisenrand stark mitgenommen hatte, war der Baum mit meiner Fangvorrichtung weitestgehend unversehrt geblieben. Er stand zwischen uns und dem Schiff. Das Schleppnetz lag unsichtbar auf dem Waldboden, von angekokeltem Blattwerk überdeckt.

Ich duckte mich auf Höhe der niederastigen, dunkelrote Beeren tragenden Widgetsträucher und kroch in dieser Haltung in Richtung Glider. Hinter einem dichten Widget fand ich Schutz, während ich durch dessen Äste die Luke beobachten konnte. Zur Stärkung pflückte ich zwei Beeren und steckte eine in meinen Mund und die andere in Mösies Mäulchen. Sie knurrte leise.

»Pscht«, flüsterte ich ihr ins Ohr. Sie legte die Ohren flach und gehorchte. Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn. Die nachglühenden Triebwerke heizten die Umgebung auf.

Noch immer drang kein Geräusch aus dem Schiff. Nichts passierte. Wahrscheinlich lief der obligatorische AmbientScan ab. Ich kannte schon den Ausgang jenes Tests: keine lebensbedrohlichen Erreger, kein vulkaneruptives Weirdogas aus dem Plane-teninnern, das auf einen bevorstehenden Mantelkollaps hinweisen würde. Alles auf meinem Planeten war freundlich gesinnt – wenn man nicht ins Revier der Paragua-Affen kam, die handtellergroße, haarige Goyusspinne ignorierte und sich vor Einbruch der Nacht in Sicherheit brachte!

Ich drückte vorsichtig das Blattwerk des Widgetstrauchs vor mir nieder, legte meine Magnus an und schaltete die aufmontierte DigiCam ein. Mit leisem Summen aktivierte sich die Infraroterkennung. Ich bemerkte, wie in der rechten Ecke des Displays in rhythmischen Abständen ein rotes Batteriesymbol aufleuchtete.

Zum Teufel, hatte ich etwa vergessen, die Magnus nach der letzten Alligatorenjagd aufzuladen? Ich unterdrückte einen Fluch. Wie sollte ich mich denn mit einem leeren Akku gegen die Eindringlinge wehren?

Im Display konnte ich die Kontur der Bordluke erkennen. Ihre Hydraulik setzte sich in Gang. Der AmbientScan war offensichtlich abgeschlossen und die Biosphäre für unschädlich befunden. Am Glider zischte es, aus den Fugen des Ausgangs quoll eine Wolke Stickstoff. In der ixeldeïschen Atmosphäre kondensierte er sofort und vernebelte mir die Sicht. Der hydraulische Öffner stoppte.

Ich spannte meine Muskeln an und entsicherte die Magnus.

[Episode 2]

Wie es dann weiterging

#287#

Noch war durchs Display nichts zu sehen. Das Batteriesymbol der Magnus blinkte. Mein Herz pumpte.

»Die Analklappe ist am Arsch!«, hörte ich eine tiefe, rauchige Stimme aus dem Inneren des Schiffs. Mösie spitzte die Ohren.

Ein dumpfer Schlag ertönte, dann schepperte es. Ich sah im Display, wie sich die Luke ein Stück öffnete. Das Druckausgleichsaggregat entließ weiteren Stickstoff, Dampf hüllte das Schiff ein.

Da versagte die Batterie meiner Magnus. Das Display erlosch, und die Waffe fiel in Hibernationmodus.

»No way!«, entfuhr es mir. Mösie blickte vorwurfsvoll zu mir hoch. Ich versuchte, durch eine geeignete Tastenkombination das Gerät wieder anzuwerfen. Vergeblich. Auch die Solarstromversorgung funktionierte nicht. Unter dem dichten Blätterdach der Kokoabäume reichten die Sonnenstrahlen bei weitem nicht aus. Und der Nebel war zu dicht, als dass ich etwas erkennen konnte.

Ohne die Magnus war ich aufgeschmissen. Natürlich wäre es ein heroischer Akt, bei der Verteidigung meines Heimatplaneten als Held zu sterben – ganz bestimmt würde ich in den Abendnachrichten in der Sparte ›Panorama‹ auf StarSat Erwähnung finden. Vielleicht begäbe sich sogar ein ambitionierter Journalist auf den Weg in diesen entlegenen Teil der Galaxis, würde meine gramgebeugten, aber würdevollen Eltern in einem mehrstündigen Interview befragen, das dann im Vormittagsprogramm in einer Dreißigsekundensequenz meine Mutter zeigen würde, die Beherrschung verlierend und in den Armen meines Vaters zusammenbrechend. Welch posthume Erniedrigung, meine Erzeuger in einem dieser lausigen Tratschformate zu sehen, mit nichts als einer silbernen Urne pulverisierten Sohns in den Händen oder, schlimmer noch, auf dem Schlafzimmerregal!

Ein weiterer Schlag. »Das Scheißteil hat sich verzogen«, ertönte es aus dem Glider.

Die Hydraulik sprang an und röhrte asthmatisch, bis sie mit einem Schmatzen wieder verstummte. Jetzt sollte sich die Tür geöffnet haben. Etwas Schweres setzte auf dem moosigen Waldboden auf.

»Seid ihr bereit?«, fragte die rauchige Stimme. Dann musste sie von den Stickstoffdämpfen husten. »Verfickter Nebel!«

»Mädels, da muss ich mich zuerst schick machen! Wer weiß, auf wen wir hier treffen«, hörte ich eine hellere Stimme aus dem Bordinnern.

Ich atmete erleichtert auf. Das klang nicht nach einer feindlichen Attacke, und schon gar nicht nach den Hidalgos!

Die Kontur einer groß gewachsenen, üppig ausgestatteten Gestalt tauchte aus dem Nebel auf. Sie trat mit hochhackigen Plateauschuhen vor den Glider. Die prallen Ballonbusen bedeckte ein äußerst kurz geschnittener, silbrig-glitzernder Einteiler. Unter hochtoupiertem, wasserstoffblondem Haar verbarg eine abgetönte Sonnenbrille die komplette obere Gesichtshälfte. In ihrer Hand hielt sie eine überdimensionierte, ebenfalls silberne Handtasche wie eine Schusswaffe gezückt. Es musste sich um eines dieser neuartigen Multifunktionsgerä-te handeln, die über einen Minireaktor auf Phasertechnologie verfügten. Gleichzeitig konnte man, so hatte ich im Undernet gelesen, jene Handtaschen im Handbagging-Modus als direkte Nahkampfwaffe einsetzen.

Eine echte Universinautin war auf meinem Planeten gelandet!

Sie musterte aufmerksam die Umgebung. Dann drehte sie sich zur Luke um. Offensichtlich hatte sie uns nicht bemerkt. »Ich sag: Riecht zwar wie im Puff, aber die Luft ist rein, sag ich!«

»Wir kommen!«, hörte ich die hellere Stimme aus dem Schiff. Kurz darauf vibrierte der Boden, als eine zweite Person dem Glider entstieg. »Au, mein Fuß!«

Die Stickstoffwolke um die Luke begann sich zu lichten. Die zweite Universinautin hatte eine schlaksige Gestalt, steckte in einem violetten Kleid und trug weiße Handschuhe. Ihr dunkelbraunes Kunsthaar fiel in etwas ungeordneten Strähnen in ihr längliches Gesicht. Sie überragte die erste noch um ein paar Zoll. »Ich habe mich verknackst!«, konstatierte sie mit leidender Stimme und beugte sich vor, um ihren Knöchel zu massieren. Dann holte sie ein Tuch aus ihrer dunkelroten, aber ansonsten baugleichen Handtasche und tupfte sich damit die Stirn ab.

Mösie begann zu knurren.

»Was hast du denn? Nun beruhig dich doch!«, flüsterte ich ihr ins Ohr und kraulte ihr Fell. Aber ihr Knurren wurde lauter.

Eine dritte Person stieg aus dem Schiff. Sie hatte brünette Locken, war ganz in gold gekleidet und ein bisschen pummeliger und kleiner als die beiden anderen. Im Anschlag hielt sie eine golden glitzernde Handtasche, während sie skeptisch die umliegenden Bäume und meine Plantage dahinter inspizierte.

Jetzt wurde mir der Grund für Mösies Knurren klar: Um ihren Hals trug die Dritte etwas Weißes, Flaumiges. Meine Hündin erkannte mit ihrem Adlerblick und hochsensiblen Geruchssinn unmittelbar die Provenienz des feingewebten, plauschigen Utensils – eine Muffelboa! Mir schwante Unheil.

{§derHund&} [Muffelboas wurden aus den zartrosa-flaumigen Zwirbelbart-haaren der Padanischen Muffelziege gewonnen. Diese einzigartige, alpinsedantä-re Ziegengattung war seit dem Eindringen nichtendemischer Säbelzahnfellinen auf ihrem Heimatplaneten Tradogembra vom Aussterben bedroht und nur von Eingeweihten in den Felsverstecken und unzugänglichen Bergmassiven des Planeten aufzuspüren. Geschäftstüchtige Textilfabrikanten aus dem Giuseppe-Vitiello-Outletgürtel entdeckten bei einem zufälligen Crash im Padanischen Zentralmassiv die spektakulär flaumige Qualität der Muffelziegen-Zwirbelbarthaare in den Ponchos der autosubsistent lebenden Tradogembrabewohner und zogen eine Massenproduktion von Muffelboas in Erwägung. So versuchten sie mit äußerst bescheidenem Erfolg, kleinere, unter schwierigsten Umständen eingefangene Ziegenpopulationen außerhalb ihres ureigensten Tradogembrabiotops zu züchten. Die einzige kommerziell erfolgreiche Stamm-Relokalisierung gelang jedoch nur temporär auf dem Gebirgsplaneten Merhadu, wo die Ziege sich so lange hielt, bis der gesamte Bestand an Hütligras bis zur Narbe abgefressen war und der Planet durch Erosion für Veterinärhaltung gänzlich unbenutzbar wurde. Die gravierendste ökologische Katastrophe verursachten jedoch illegal ausgesetzte Muffelziegen auf dem Kartoffelplaneten Hakuma Patata, wo sie das labile Räuber-BeuteGleichgewicht zwischen den flügellosen, kurzbeinigen Schweinedrachen und einer lokalen Gattung der Sabbernden Feuerkröte komplett außer Kraft setzten. Die Muffelziegenherden führten zu einer Nahrungsumstellung der Schweinedrachen auf die wesentlich geschmacksneutraleren und bekömmlicheren Muffelziegen, was wiederum in einer explosionsartigen Vermehrung der Feuerkröten und bis dato unvorstellbaren Übergriffen von Krötenrottungen auf die flugunfähigen, asthmatischen Drachen resultierte. Die letztendlich die Schweinedrachen überlebenden, wenigen Exemplare der Muffelziege auf Hakuma Patata wurden ebenfalls von den Feuerkröten vertilgt, so dass auch dieser Versuch einer kommerziellen Reproduktionsstrategie als gescheitert erklärt werden musste und sich die Vitiellodesigner auf die tradierten, zeitraubenden Zwirbelbartschermethoden der Tradogembrabewohner einer durch die Säbelzahnfellinen stark dezimierten, singulären Muffelziegen-Restpopulation verlassen mussten.] {&derHund§}

Auch in Mösies Adern pulsierte der Durst ihrer gesäbelten Artverwandten auf Padanisches Muffelziegenblut, wie ich bei einem der Besuche meiner Cousine Tusnelda Knups auf XLD-32b feststellen musste. Damals hatte mir Tusnelda ein selbstgeschneidertes Kostüm vorführen wollen und dabei unbedachterweise eine Muffelboa lasziv auf den nackten Schultern getragen, als sie die Wendeltreppe zu meinem Zimmer hochstieg. Ohne dass ich auch nur eine Sekunde Gelegenheit zu intervenieren gehabt hätte, sprang Mösie beim ersten Anblick der Boa mit unkontrolliertem Kläffen und phänomenaler Sprungkraft an Tusneldas Hals und riss ein beachtliches Stück Muffelflaum aus dem kostbaren Modeaccessoire. Obwohl Tusnelda die Contenance zu wahren wusste und Mösie sogar einige Fetzen des Flaums aus dem Mäulchen zog, war ich seitdem alarmiert, dass meiner Hündin in Muffelmomenten jegliches Kalkül verlorenzugehen schien.

»Ruhig, meine Süße«, flüsterte ich ihr beruhigend ins Ohr und klaubte Blätter und Zweige von ihrem sonst so blütenweißen Fell. Aber ihre Aufmerksamkeit galt nunmehr einzig der Boa, die – wie ich erstaunt bemerkte – frappierende Ähnlichkeit mit Tusneldas Boa aufwies. Mösie verfiel in ihren autistischen Tunnelblick, der keine Zweifel an ihrer Strategie zuließ. Ich klemmte ihren kleinen, aber immens willensstarken Körper sicherheitshalber unter meinen Arm.

»Gütige Göttin, ist das schwül hier!« Die lockige, dritte Uni-versinautin hatte ihre Inspektion beendet, zog sich mit ausladenden Bewegungen ihre Muffelboa aus und hängte sie lose über ihre Handtasche.

Mösie begann, vernehmbar zu knurren. Ich hielt ihr das Mäulchen zu.

Die erste, ballonbusige Universinautin wies mit einem grellrot lackierten, überlangen Fingernagel auf die Freifläche zwischen uns. »Da muss es langgehen!« Sie begann geradewegs auf den Widgetstrauch zuzustapfen, hinter dem ich mich versteckte. Unaufhaltsam näherte sie sich dem Fangnetz, das vor ihr auf dem Boden aufgespannt und mit Moos und Blättern überdeckt war. Merkte sie denn nichts? Nur noch wenige Schritte trennten sie von meiner Falle. Was konnte ich tun, damit sie nicht ins Netz tappte? Sie wusste ja nicht, dass ich es nicht für sie, sondern zur Abschreckung frecher Paragua-Affen angelegt hatte!

Ich gab mir einen Ruck, drückte den Widgetstrauch zur Seite, sprang mit der Magnus in der Hand und Mösie auf dem Arm über den Strauch und kam im gleißenden Nachmittagslicht zu stehen. Die Sonne blendete mich. Ich hob die Hand mit der Magnus vor die Augen, um noch etwas zu sehen, und rief: »Achtung! Keinen Schritt weiter!«

Die Vollbusige musterte mich perplex von oben bis unten, setzte einen ihrer hochhackigen Plateauschuhe ein Stückchen weiter in meine Richtung und brachte ihre Handtasche in Anschlag. Zu spät: Ihr Fuß war auf der Fangvorrichtung gelandet. Es klackte laut, als sich der Mechanismus aktivierte. In jeglichem anderen Moment wäre ich stolz auf meine Apparatur gewesen, aber jetzt war es äußerst ärgerlich, dass sie so gut funktionierte.

»Ein Hinterhalt!«, kreischte die Vollbusige mit rauchiger Stimme. »Scheiße, wir sind in einen Hinterhalt geraaaah – «

Das Schleppnetz schloss sich um sie und zog sie mit einem gespannten Bungeeseil drei Meter in die Höhe. Sie wehrte sich mit Händen und Füßen, aber die karbonfaserverstärkten, von mir eigenhändig verknoteten Schnüre hielten ihren Befreiungsversuchen stand. Einzig der Ast, an dem sie hing, schwang bedrohlich und ließ ein paar Blätter fallen.

Die beiden anderen Universinautinnen schauten erstaunt zuerst zu mir und dann hoch zu ihrer strampelnden Gefährtin.

»Ovo, was machst du da oben?«, fragte die Schlaksige.

»Was für eine bescheuerte Frage!«, kam es aus dem Netz zurück. Die Ballonbusige nannten die beiden anderen demnach Ovo.

»Das ist alles ein Missver– «, schaltete ich mich ein.

Die Magnus piepste. Sie hatte ausreichend Sonnenlicht absorbiert und begann ihr automatisches Reboot. Die lockige, etwas fülligere Universinautin brachte ihre Handtasche in Anschlag, die Schlaksige mit den zerzausten Haaren folgte ihrem Beispiel.

Ich wollte die Magnus unauffällig ausschalten und senkte meinen Arm ein wenig. »Eine Sekunde, das haben wir gleich!«

»Keine Bewegung!« Die Lockige entsicherte die Handtasche. »Nicht eine einzige!« Ihre Muffelboa rutschte ein Stück zu Boden. Mösie begann wild zu kläffen, nutzte meine Unachtsamkeit und entglitt meinem Arm. Ich versuchte sie zu ergreifen, aber sie sprang schon jenseits meiner Reichweite auf den Waldboden und sprintete in Richtung Muffelboa. Die Köpfe der beiden Universinautinnen drehten sich zu meiner Hündin; die Lockige verzog entsetzt ihr Gesicht.

Über uns hörte ich die ersten Maschen reißen. Vom Ast, an dem das Netz hing, brach ein Stück ab. Die Ballonbusige ließ einen Schrei fahren. Das Netz hatte ich für das Gewicht eines ausgewachsenen, satten Paragua-Affen ausgelegt – aber die überschritten niemals drei bis vier Fuß Körpergröße, keine stattlichen zwei Meter wie die wasserstoffblonde Drag Queen!

»Feindliche Kontaktaufnahme!«, schrie die Lockige hysterisch und wedelte mit ihrer Handtasche. »Geh weg, du Ungeheuer!«

Die Boa schwang wie ein flauschigweißer Muffelziegenschwanz vor ihr. Mösie hatte die Bewegungen genau verfolgt, steigerte ihre Geschwindigkeit nochmals und preschte durchs Moos direkt auf die Lockige zu.

Mir wurde klar, dass sich meine geliebte Hündin durch ihre gänzlich irrationale Muffelaversion gerade in größte Gefahr brachte, und befahl in strengstem Ton: »Mösie, komm sofort zurück!«

Aber sie kannte – wie immer – nur SIEG ODER TOD und setzte wild kläffend und mit unvorstellbarer Sprungkraft zu einem Satz an die Boa an. Ihr durch unsere Dschungelmarathone gestählter Körper warf sich im Steilflug in die Luft.

»Sofort paralysieren!«, rief die Ballonbusige von oben.

»Ich kann nicht«, stammelte die Schlaksige.

»Wilma, verdammt! Nun stell dich nicht so an!« Aus dem Schleppnetz schoss ein bläulicher Positronenimpuls hinunter und direkt auf Mösie zu.

»Nein!«, schrie ich.

Meine Hündin wurde vollständig vom Impuls erfasst. Er durchfuhr sie einmal von Schnauze bis Stummelschwanz. Sie erstarrte und blieb bewegungslos in der Luft hängen, das zarte Mäulchen noch im Muffelkläffen weit geöffnet, die rosa Zungenspitze zwischen den kariesfreien Zähnen hervorlugend. Die feinmanikürten Haare ihres weißen Fells standen elektrostatisch aufgeladen in alle Richtungen ab und emittierten kleine, bläuliche Blitze. Sie sah aus wie ein aufgespießter Kugelfisch aus der Taylor-Lagune, stumm, mit aufgerissenen Äuglein und igelartig aufgeblähtem Stachelfell.

»Mösie!«, rief ich verzweifelt. Wut stieg in mir auf. »Was habt ihr Mösie nur angetan?«

Ich stürmte auf meine bläulich leuchtende, regungslose Hündin zu und wedelte abwehrend mit der fiepsenden Magnus in der Hand.

Der Ast über mir krachte und brach ein Stück. Die Ballonbu-sige schrie erneut auf. Ich schaute zu ihr hoch. Sie hatte ihre Handtasche direkt auf mich gerichtet – die Öffnung des Posit-ronenkumulators blinkte mich abschussbereit an. Da gab der Ast nach, der Impuls entlud sich und schlug neben mir mit einem bläulichen Blitz ins Moos. Eine Rauchsäule stieg auf. Schleppnetz und Inhalt landeten direkt vor mir. »Scheiße!« rief sie und versuchte, sich aus dem Netz zu befreien. »Tut doch mal was!«

Die Lockige hantierte an ihrer Handtasche und fuhr kleine, nippelartige Geschosse aus. Sie stellte sich breitbeinig hin und zielte auf mich. Ich warf die Magnus weit von mir auf den Boden und hob meine Hände. Unglücklicherweise fiel meine Schusswaffe direkt auf den Auslöser, so dass sich eine Pixelsalve beim Aufschlagen aus ihr löste und zwischen den beiden Universinautinnen in den nächsten Baum schlug. Die Lockige und die Schlaksige duckten sich erschreckt. Ich zuckte zusammen. Ein paar Paragua-Affen oben in den Baumwipfeln kreischten.

Die Lockige hatte sich wieder aufgerichtet. »Und... Feuer!«

Im nächsten Augenblick surrte etwas durch die Luft. Um meine Beine schlang sich ein Gummiband und zog sie zusammen. Ich strauchelte. Sie schoss erneut. Ein weiterer Gummi wand sich um Bauch, Brust und Arme. Er presste meine Eingeweide zusammen und ließ mich nicht mehr atmen. Ich japste, versuchte, mich zu drehen, merkte aber, dass ich mich dadurch nur noch mehr in die Gummis wickelte.

Selbst die Arme konnte ich nicht mehr heben. Meine Beine hatten sich komplett verfangen, die Gummis um meinen Rumpf gruben sich durchs Shirt in meine Haut. Schlagartig kam ich zum Stillstand. Ich verlor das Gleichgewicht, wankte und fiel seitwärts wie ein Besen zu Boden, direkt auf meine rechte Hand und den Arm.

»Au!«, stöhnte ich, rollte auf den Rücken und spannte meine Muskeln. Die Gummis dehnten sich, aber hielten stand.

Die Lockige und die Schlaksige traten näher an mich heran und schauten mir von oben herab bei meinen Befreiungsversuchen zu.

»Misty, pass auf! Der ist stärker, als er aussieht!«, rief die Ballonbusige.

Ich wand mich vergebens in der Umschlingung. Aber das Material kam mir irgendwie bekannt vor. Es roch nach Pfefferminze und leuchtete zartgrün. Ich fragte mich, ob es wohl bissfest wäre? Da realisierte ich, dass es sich um Kondome des Typs ›Herbal Pleasures‹ handeln musste, die ob ihrer Reißfestigkeit in der letzten Edition der Stiftung Galaxytest zum Bestplazierten mit einer fabelhaften Eins Minus gekürt worden waren. (das »Minus« nach der Eins hatten sie – übrigens völlig zu recht, wie ich jetzt feststellte – für die Auswahl der Duftnote kassiert).

Die Lockige – demnach Misty – sprach zu ihrer Handtasche: »Fixieren!« Die Gummibänder wechselten schlagartig von elastisch zu solide, härter als ein Stahlkorsett. Da lag ich wie ein umgestülpter Käfer und konnte mich keinen Deut mehr bewegen, weil ein paar preisgekrönte Präservative mein Gedärm einschnürten!

Ich japste nach Luft. »Das ist alles ein Missverständnis!«, versuchte ich die Situation zu klären.

»Du bist mal ganz ruhig, Kleiner!« Ovo, die Ballonbusige, hatte sich inzwischen aus dem Schleppnetz vollständig befreit, klopfte sich ihr silbernes Kleid von abgebrochenen Kokoa-zweigen ab und richtete die Frisur ihrer Fiffie.

»Könntest du uns bitteschön aufklären – und das in aller Vollständigkeit –, warum du mit einem geladenen Phaser auf uns zugerannt kommst?«, fragte Misty, die etwas pummelige Gelockte.

Mein Ellenbogen schmerzte. Die Stahlkondome schnürten mir die Lunge ein. »Deparalysiert sofort Mösie! Sie hat nur eine gänzlich irrationale Muffelboa-Aversion!«

Die drei Universinautinnen traten näher an mich heran. Aus der Käferperspektive wirkten ihre Beine geradezu furchterregend lang. Über mir baumelten die multifunktionalen Handtaschen. Weit oben konnte ich die Köpfe mit den hochtoupierten Fiffies erkennen.

»Wen bitte?«, fragte Misty.

»Mösie, sagte ich doch! Schaut sie euch an, wie sie wie ein Häuflein vom Blitz getroffenes Elend in der Luft hängt!«

Irgendetwas schien sie zu amüsieren. »Wie hast du das weiße Monster eben genannt?«

Hoch über mir hörte ich es lachen. Die ballonbusige Ovo hielt sich den Bauch und wieherte mit ihrem rauchigen Organ. Wilma, die Schlaksige, gluckste und wischte sich mit ihren Handschuhen ein paar Tränen aus den Augen.

»Was ist denn daran so komisch?«, fragte ich trotzig. »Ist doch besser als Ovo –« (ich blickte zur Ballonbusigen) »…oder Misty –« (die mich paralysiert hatte) »…oder Wilma!« Die Schlaksige, die nicht auf Mösie schießen wollte, schaute mich erstaunt an.

Misty hob ihre Augenbrauen. »Uhhh, der Kleine kennt schon unsere Namen! Du bist ja gar nicht so blond, wie du aussiehst!«

Mein Arm schmerzte. »Mösie und ich sind eine symbiotische Lebensform. Wenn es ihr schlecht geht, geht es auch mir schlecht!«

»Und im Augenblick geht es euch beiden so richtig beschissen!«, stellte Ovo mit Genugtuung fest. »Ich sag: Einen solch dilettantischen Angriff habe ich ja noch nie erlebt in meiner langen Karriere als Superagentin, sag ich!«

Ich schwieg beharrlich. Zuerst den Namen meiner geliebten Hündin zu verunglimpfen und dann noch meinen Angriff als dilettantisch abzutun: Das war zuviel! Ich versuchte mich zu rühren, aber die Kondome hielten mich fest wie eine ins Netz geratene Beute der handtellergroßen, haarigen Goyusspinne, die an der Taylor-Lagune in alten Baumstümpfen hauste.

»Lasst uns mal schauen, ob er eine Waffe bei sich trägt!«, schlug Ovo vor und beugte sich verdächtig weit über meinen Unterleib – dort wo ich durch die Totalarretierung meiner Brust keinerlei Überblick mehr hatte, was mit meinen unteren Gliedmaßen geschah.

»Nein!«, protestierte ich lauthals. »Das kommt gar nicht in die Tüte! Ich hab die Magnus doch schon weggeworfen!«

»Nun sei mal ganz ruhig, Kleiner!« Misty stemmte ihre Arme in die Hüften. »Wir haben jetzt das Kommando und bestimmen, wer bewaffnet ist und wer nicht!«

Ich begann, die Arroganz der Eindringlinge aufs Tiefste zu verabscheuen. Nur aufgrund ihrer den meinen meilenweit überlegenen Waffensystemen hatten sie eine temporäre Kampfesdominanz erzielen können! Aber welche Strategie konnte mich aus dieser Lage befreien? »Ihr seid verpflichtet, euch an die Vovgorod’sche Konvention zum Schutze von kohlenstoffbasierten Kriegsgefangenen zu halten!«

»Um das mal klarzustellen:« – Misty deutete gewichtig auf meine arme Hündin, die noch immer regungslos in der Luft hing – »bei einem bewaffneten Angriff ohne vorherige zweiein-halbmalige Warnung handeln wir gemäß Paragraph sechsundzwanzig A Absatz drei der Konvention sehr wohl im Rahmen jeglicher interstellarer Rechtmäßigkeit, wenn wir deine Versati-lität und latente Angriffsfähigkeit durchchecken wollen!« Misty schien der intellektuelle Kopf der Truppe zu sein.

Wilma, die Schlaksige, schaltete sich in die Konversation ein und nickte: »Paragraph sechsundzwanzig A, Absatz drei.«

»Aber ihr seht doch, dass ich unbewaffnet bin«, sagte ich etwas kleinlauter. Womöglich hatte sie sogar Recht? Bis zu Paragraph sechsundzwanzig A, Absatz drei der Konvention war ich bei allem Interesse für legale Angelegenheiten niemals vorgedrungen, sondern immer schon nach Paragraph zwölf C, Absatz eins ausgestiegen, der sich recht elegisch mit den Rechten von vierbeinigen Kleinsäugern beschäftigte.

»Das wollen wir mal sehen!« Ovo lehnte ihre immensen Brüste über mich. »Scheiße, er hat ja zwei verschiedenfarbige Augen!«

»Na und?«, entgegnete ich. »In der Familie meines Vaters haben alle ein grünes und ein blaues Auge.«

Die beiden bückten sich ebenfalls und fixierten meine Augen. Misty schüttelte ihren Kopf. »Faszinierend!«

»Sagt mal, sind wir im Zoo?«, fragte ich ungehalten zurück.

Ovo zog mein Muskelshirt ein wenig nach oben und begann, meinen Oberkörper abzutasten. »Aha, ein Sixpack.«

»Eigentlich ein Eightpack«, erklärte ich. »Das Überleben im Dschungel ist hart und unerbittlich, da muss man fit sein!« Mir fiel meine missliche Lage wieder ein. »Außerdem möchte ich nochmals betonen, dass ich es unerhört finde, was ihr mit mir anstellt!«

Ovos Hände rutschten ein wenig tiefer. »Und was für eine Waffe haben wir denn da?«

Sie begann, an meinen Shorts zu fingern. Ein Schweißtropfen fiel von ihrer Stirn herab und landete auf meinem Bauch.

»Hey, Pfoten weg!«, schnaubte ich entrüstet. Ihre Fingerkuppen kamen meinem Schwanz gefährlich nahe. Das war das erste Mal, dass überhaupt jemand – außer mir selbst und, illegitimerweise, Mösie – mein Heiligstes Körperteil berührte.

»Uhhh, die ist aber großkalibrig!« Ovo zog meine Shorts ein wenig nach unten. Ich bemerkte, wie sich trotz meines Zorns ein gewisses Wohlgefühl zwischen den Beinen breitmachte.

»Geladen?«, fragte Misty von oben herab.

»Voll geladen. Schussbereit und seeeeehr gefährlich!« Ovo lachte rauchig mit ihrer tiefen Stimme.

»Da kann ich gar nicht hinschauen!«, murmelte Wilma über mir und richtete ihren Blick auf meine Hose. Plötzlich fing sie an, hektisch zu atmen. »Da! Die einäugige Schlange bewegt sich!«

Drei mir unbekannte Universinautinnen fingerten gerade an meiner Boxershort! »Hey, ihr interveniert in meine Intimsphäre! Mit Sicherheit ist das laut Vovgorod’scher Konvention nicht erlaubt!«

Ich versuchte, mich nochmals zu befreien. Hoffnungslos. Vielleicht konnte ich wenigstens meine Beckengegend mit autogenem Training beruhigen. Ich atme langsam aus und meine Glieder werden schwer und warm. Mein Schwanz schien immun gegen jeglichen autosuggestiven Ich-lasse-jetzt-los-und-fühle-mich-frei-Versuch und wuchs munter vor sich hin. Die Hose spannte. Warum konnte ich ihn nur so wenig unter Kontrolle halten?

Mir kam der rettende Einfall: meine persönliche Primzahlenreihe! Als Notanker bei drögen Talkshows oder zum Einschlafen in feuchtheißen Monsunnächten bestens geeignet. Letzter Stand war 787649… die nächste Zahl musste dann, ich überlegte… 787651 sein –?

Ovo hatte die Shorts mit ihren Fingern verlassen und fuhr langsam die Oberschenkel entlang. Mein Schwanz wollte sich nicht beruhigen.

»Gar nicht hinschauen!« Wilma atmete immer noch hektisch.

Nein, Schwachsinn! 41 mal 19211 ergab doch 787651, wie könnte ich das nur übersehen? Ich suchte weiter. Ja, 787667!

Der penetrante Geruch des süßlich-blumigen Parfüms einer der Eindringlinge verstopfte meine Nasenschleimhäute. Ich musste niesen. »Hatschi!«

»Grundgütige Göttin, Wilma hat einen erektophobischen Anfall!«, herrschte mich Misty an. »Siehst du nicht, wie sie leidet? Das ist alles einzig und allein deine Schuld!«

Anstatt meine jugendliche Unschuld an einen muskulösen Universinauten zu verlieren, wippten über meinem Unterleib zwei megalomanische Silikonbrüste und eine Blondinenperücke! Womit hatte ich das verdient?

Endlich war Ovo mit der Leibesvisitation fertig. Sie erhob sich, verschränkte die Arme und bemerkte zu ihren Gefährtinnen: »Man glaubt gar nicht, was man am Arsch der Welt so findet, sag ich!«

»Arsch der Welt?«, rief ich erbost. »Ihr hattet wahnsinniges Glück, dass ihr hier gelandet seid und nicht auf unserem Zwillingsplaneten XLD-32a! Dort hättet ihr ein paar siliziumbasierten Amöben bei vierhundert Grad Celsius die Hand schütteln können!«

»Es war ja auch nicht im Allerferntesten ein Zufall, Kleiner, dass wir hier gelandet sind!«, sagte Misty. »Wir wollten eigentlich nur wissen, ob dies der Planet ist, auf dem eine bestimmte Familie Knups siedelt?«

#286#

Ich wurde hellhörig. »Knups? Wieso sollte euch das interessieren?«

Mein Schwanz beruhigte sich langsam und kam wieder brav in seinem Körbchen zum Liegen.

»Eine gute Freundin von uns erzählt immer von Verwandten, die auf diesem verflucht unhygienischen Planeten wohnen sollen.« Misty wischte sich den Schweiß von der Stirn.

Ich witterte eine Chance, mich aus dieser misslichen Lage doch noch befreien zu können. »Dazu kann ich euch erst Auskunft geben, wenn ihr mich befreit und meine arme Mösie entparalysiert habt!« Ich presste die Lippen fest zusammen und schwieg.

»Mach die Klappe auf, Blondie!«, forderte Ovo.

Ich schüttelte entschlossen den Kopf und presste die Lippen weiter fest zusammen.

»Na gut, wir können auch anders!«, sagte Misty.

»Oh nein!« Wilma schlug die Hände vorm Gesicht zusammen. »Bitte nicht foltern!«, flehte sie.

Mir traten trotz der Nachmittagshitze kalte Schweißperlen auf die Stirn. Foltern – hatte ich richtig gehört? Jetzt musste ich standhaft bleiben! Koste es, was es wolle!

Misty öffnete ihre Handtasche, kramte darin und zückte schließlich eine lange, bunte Vogelfeder. Meine schlimmsten Befürchtungen wurden war: Sie wollten mich der härtesten und ultimativsten aller galaktischen Martern aussetzen, die ich mir vorstellen konnte – dem qualvollen

KITZELTOD!

Ich begann, heftig zu zittern.

Misty und Ovo knieten sich mit entschlossenen Mienen auf den moosigen Boden. Ovo schob mein T-Shirt bis zur ersten Umschlingung des Stahlkondoms hoch, während Misty das Folterinstrument ansetzte.

»Nein-nein!« Ich ruckte an meinem Korsett.

»Wenn du nicht hören willst, Kleiner, musst du fühlen!«, sagte Misty. Ovo lachte brünftig.

Ich schloss die Augen und spürte, wie die Federspitze meinen Bauchnabel umkreiste. Meine Bauchmuskulatur begann nervös zu zucken. Die Feder berührte meinen Nabel. Ich warf meinen Kopf hin und her und begann zu schreien.

»Nun sag schon!« Misty ließ die Feder an meinen seitlichen Bauchmuskeln entlanggleiten.

Ich schüttelte entschlossen den Kopf. Die Feder strich an meinem Hüftlendenmuskel in Richtung Shorts. Tränen füllten meine Augen. Das war zuviel!

»Ja-ja«, prustete ich, »ich sag euch alles!«

Misty ließ augenblicklich von mir ab. »Wir hören?«

»Tusnelda ist die Enkelin meines Großonkels Theobald Knups«, keuchte ich.

»Das heißt, sie ist eine Cousine zweiten Grades deinerseits?«, konstatierte Wilma messerscharf.

»Moment mal, Kleiner,« – Misty hob ihre Augenbrauen und rammte ihren spitzen Zeigefinger in mein Sonnengeflecht –»möchtest du damit etwa andeuten, dass du ungehobeltes Provinzgewächs mit unserer hochgradig kultivierten, teuren Freundin Tusnelda Knups in einem verwandtschaftlichen Verhältnis stehst?«

»So ist es«, nickte ich und ruckelte ein wenig an meinem Quetschverband. »Könntet ihr mich endlich aus diesen Scheißkondomen befreien?«

»Nur wenn du uns hilfst, von hier wieder wegzukommen!«, insistierte Misty.

»Nur wenn ihr meine arme Mösie aus ihrer Schockstarre erlöst!«, entgegnete ich.

Misty sprach zu ihrer Handtasche: »Kondome defixieren!«

Augenblicklich entspannten sich die Gummibänder. Ich atmete auf und versuchte mich aufzurichten, fiel aber wieder rücklings ins weiche Moos. Wilma bückte sich und half mir, mich aus den Kondomen zu befreien. Sie surrten zurück in die Handtasche. »Danke, Wilma!«, sagte ich.

Sie lächelte. Sie schien mit Abstand die sympathischste der drei Universinautinnen zu sein.

Misty verstaute die Feder in ihrer Handtasche und deutete auf Mösie. »Aber dieser aggressive Kleinsäuger bleibt dort, wo er ist!«

Ich erhob mich, schob mir das Muskelshirt wieder über den Bauchnabel und zog die Shorts nach oben. Dann streckte ich mich. Meine Füße fühlten sich taub an.

Ich bemerkte, wie die drei Universinautinnen mich musterten. »Was schaut ihr denn so? Mösie ist eine ganz liebenswerte und brave Hündin, wenn nicht gerade jemand eine Muffelboa vor ihr schwenkt!« Ich blickte mitleidig zu ihr, wie sie da noch immer kugelfischgleich in der Luft hing, mit aufgeblähtem Stachelfell und dem rosa Zünglein zwischen den kariesfreien Zähnen.

Ovo zückte ihre Handtasche. »Ich sag: Wäre dein Drecksköter nicht auf die beiden losgestürmt, hätte ich ihn nicht paralysieren müssen!«

Misty hob warnend ihren Zeigefinger. »Ovo, untersteh dich, die Bestie zu befreien!«

»Nun stell dich verdammt nochmal nicht so an! Pack deine Muffelboa in die Tasche – die Hitze hier ist eh’ nicht zum Aushalten. Wenn das weiße Würstchen wieder wild wird, paralysiere ich es halt noch einmal!«

»Oh!« Misty hielt sich die Hände an die Schläfen. »Ich glaube, ich bekomme eine Migräne.« Sie seufzte tief, nahm die Muffelboa von ihrer Handtasche und entfernte mit spitzen Fingern ein paar Klettnesseln, die sich an die Boa geheftet hatten.

Mein Blick fiel auf eine Stelle am Rand, die anders gewebt schien. Ich erkannte das eingefügte Stück Muffelflaum, wo meine Hündin mit ihren scharfen Zähnchen gewütet hatte. Die Muffelboa sah nicht nur aus wie jene, die mir Tusnelda vorgeführt und die Mösie so aus ihrem emotionalen Gleichgewicht gebracht hatte – sie war es!

»Es ist mir völlig unerklärlich«, imitierte ich Mistys Stimme, »weshalb meine hochgradig flugversierte Cousine Tusnelda Knups in einem freundschaftlichen Verhältnis zu euch konven-tionsverächtenden Bruchpilotinnen stehen sollte!«

Misty stopfte die Muffelboa grummelnd in ihre Handtasche und verschloss sie. »Tsja, dann haben wir wohl etwas gemeinsam!«

Ovo drückte ein paar Knöpfe auf ihrer Handtasche. »Ich sag, Freiheit für die weiße Wurst!«

Misty wich einen Schritt zurück und schüttelte ihren Lockenkopf. Ovo ließ sich nicht stören, richtete die Handtasche auf Mösie und feuerte einen erneuten Positronenimpuls auf sie ab. Ein blauer Blitz durchfuhr meine Hündin. Wilma zuckte zusammen. Mösie löste sich aus ihrer Starre und strampelte für einen Augenblick hilflos in der Luft hängend, bevor sie von der ixeldeïschen Schwerkraft erfasst wurde. Mit einem verwirrten Kläffen fiel sie hinunter und landete auf dem elastischen Moosboden. Die Arme blickte sich orientierungslos um.

»Mösie!«, rief ich und lief zu ihr. Sie hörte meine Stimme, erkannte mich sofort mit ihrem messerscharfen Adlerblick und stürmte auf mich zu. Ich nahm sie in die Arme. »Meine Süße, geht es dir gut?«

Sie leckte mit ihrem rosa Zünglein über meine Wange. Ich glättete ihr das immer noch ein wenig elektrostatisch stachelige Fell. »Wenn wir wieder zu Hause sind, werde ich dich kämmen!«, versprach ich ihr.

Aus dem Augenwinkel sah ich, wie sich Wilma unauffällig mit ihrem Taschentuch über die Augen wischte. Dann strich sie sich über die braunen Strähnen ihrer Fiffie. »Ich bin ja ganz zerzaust.«

Erst jetzt rückten die drei Universinautinnen in die Wahrnehmung meiner Hündin. Sie begann zu knurren.

»Ha, ich hab’s euch ja gesagt!«, meldete sich Misty aus sicherer Entfernung. Mösie blickte in Richtung Misty. Ihr Knurren wurde lauter.

»Ganz ruhig, alles unter Kontrolle«, flüsterte ich ihr ins Ohr, »es sind Freundinnen von Tusnelda.« Das schien sie zu beruhigen.

»Eine scheißtapfere Hündin hast du da!«, meinte Ovo.

»Für Mösie gibt es nur eins«, erklärte ich stolz, »SIEG ODER TOD! Egal ob sich ihr ein dreibeiniger Alligator in den Weg stellt oder ein Paragua-Affe die Araseife stibitzt, sie würde bis auf den letzten Blutstropfen kämpfen!«

Mösie wackelte zustimmend mit ihrem Köpfchen.

Wilma traute sich als erste, uns näherzukommen. »Als ich jung war, hatte ich auch eine Hündin. Aber die hatte keinen so schön behaarten Schwanz!«

Mösie hatte blitzgescheit gemerkt, dass sich die Konversation um sie drehte, und begann erfreut mit der betroffenen Ext-remität zu wedeln.

»Nein, das ist ja fast unanständig!«, rief Wilma mit einer Mischung aus Faszination und Abscheu.

»Nun beruhig dich doch!«, sagte Misty. »Das Biest freut sich über irgendeine Lappalie!«

Wilma winkte Mösie heran. »Komm her, meine Kleine!«

»Wilma, pass auf! Solche Kleinsäuger sind hochgradig infektiös«, warnte Misty. »Sie schlunzen giftige Wurmlarven und zerfleischen permanent Säbelzahnratten.«

Wilma beugte sich über Mösie. Ob der Größe Wilmas schrak meine Hündin zuerst zurück, aber dann begann sie, mit ihrem Schwanz vorsichtig zu wedeln. Wilma tätschelte ihr den Kopf. »Du bist aber eine ganz Hübsche! Was hat sie denn da für ein seltsames Piercing im Ohr? Das ist ja ein ›L‹!«

»Das ist kein Piercing, sondern ein Peilsender«, erklärte ich. »Damit können Mösie und ich uns immer finden!«

Auch Ovo kam näher heran und schaute sich den Peilsender an. Nur Misty blieb ein Stück weit entfernt stehen. »Und wofür steht das ›L‹?«, fragte sie.

»›L‹ wie Ludovic. Aber alle nennen mich Ludo.«

Ich nahm Mösie auf den Arm. »Nun müsst ihr mir erklären, was ihr zum Teufel mit Tusnelda zu tun habt?« Man wusste nie, welche obskuren Verflechtungen die Galaxis bereithielt!

»Tusnelda näht unser Outfit für die Superlola!«

Das klang plausibel. Tusneldas Textilkünste halfen auch meiner Mutter, wenn die Nähte eines ihrer Kleider aufgrund der reichhaltigen ixeldeïschen Diät zu platzen drohten.

»Ihr wollt zur Superlola?«, fragte ich erstaunt, »nach Hubba Bubble? Da habt ihr euch aber ein wenig verfahren!«

»Du kleiner Klugscheißer!«, knurrte Ovo. »Wir haben seit Eintritt in deinen beschissenen Quadranten jeglichen Kontakt zum Rest der Galaxis verloren!«

»Ja, ich weiß«, nickte ich, »irgendetwas stimmt seit Tagen mit den Frequenzen nicht. Aber gerade als ihr in unsere Atmosphäre trudeltet, gelang es mir, den alten Thetawellenemitter – «

Schlagartig wurde mir bewusst, was die Universinautinnen mir gerade mitgeteilt hatten: Sie waren auf dem Weg nach

– dem legendären, organischen Partyplaneten, auf dem in wenigen Tagen die nächste Superlola stattfinden sollte!

{&spaceNerd§} [Organische Planeten betreiben wie Pflanzen Photosynthese und bauen sich im Laufe ihrer Lebenszeit eine dünne Atmosphäre aus Sauerstoff und verschiedenen inerten Gasen auf. Sie sind Zwitter und befruchten sich selbst, bevor sie den sogenannten Sternenstaub – eigentlich temperaturresistente Sporen – ins All ausschütten, rund 42 Milliarden Sporen, wenn man den Simulationen der Planetologen Glauben schenken darf. Dieser Vorgang wird gemeinhin als Superlola bezeichnet. Die Sporen werden mit dem Erektil, Hubba Bubbles planetarem Fortpflanzungsorgan, ins All geschleudert und lassen sich noch in den entferntesten Winkeln, ja sogar am Nebligen Hintern der Galaxis, nachweisen. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Spor in die für seine Entwicklung förderliche, stabile Umlaufbahn um eine Sonne gerät, etwa im Umfeld eines anderen Planeten oder Mondes, wird auf ebenfalls rund eins zu 42 Milliarden berechnet. Hubba Bubble ist in den erforschten Teilen der Galaxis der einzige bekannte organische Planet. Er entstand in der kosmischen Ära des frühen Spastikums, sein Alter wird auf etwa dreißig Millionen Jahre geschätzt. Im Verhältnis zur möglichen Lebenszeit eines organischen Planeten steht er damit gerade erst am Beginn seiner Geschlechtsreife. Versuche verschiedenster Forschungseinrichtungen, Planetenfarmen einzurichten, in denen organische Planeten unter geschützten Laborbedingungen heranwachsen können, sind bislang allesamt gescheitert.] {§spaceNerd&}

» – zu reparieren«, beendete ich meinen Satz.

»Was hat er denn, der Kleine?« Misty schaute mich zweifelnd an. »Sieht ja fast so aus, als würde er nachdenken!«

Weiter als bis zum langweiligen Provinzplaneten Balagán war ich noch nie in meinem Leben gekommen. Ehrlich gesagt brannte ich darauf, die Milchstraße jenseits unseres Quadranten zu erkunden: In die Sternhaufen des Inneren Quantengürtels zu fliegen, die Dyson-Sphäre der Kardashev-Typ-Zwo-Zivilisation auf Minopperes Dufixzett anzusteuern, und einmal auf der Kaldäischen Hochlandebene eigenhändig den famosen Kaldäischen Hochlandsenf zu ernten – ja womöglich in unerforschte Areale des Nebligen Hintern der Galaxis vorzudringen und ein kleines aber feines Exoplanetensystem mit meinem Namen zu zieren!

Am meisten jedoch hatte mich schon immer gereizt, Hubba Bubble zu besuchen, den Partyplaneten mit seinen Tanzblasen und den unzähligen synthetischen Drogen und der besten Musik der Galaxis! Noch dazu, wo ich im Undernet gerade vor ein paar Tagen diesen aufreizend hübschen Leo kennengelernt hatte, der dort nachtein-nachtaus feierte und sich fabelhaft zu amüsieren schien.

Da flogen die drei Universinautinnen geradewegs hin! Wenn das nicht eine einmalige Gelegenheit war, meiner beschränkten i-xeldeïschen Existenz zu entkommen, wann dann?

Ich ließ Mösie von meinem Arm. Sie hoppelte munter über die Lichtung, schnüffelte an den Pelbofarnen und schnappte erfolglos nach einem buntgescheckten Aloha-Schmetterling, der vor ihr sensibles Mäulchen flatterte.

Ach, wie einfach ein Leben als Hündin doch wäre!, dachte ich mir. Keine Sorge, wie die nächste Ernte ausfallen würde, belastete Mösies sonniges, unbekümmertes Gemüt. Sie lebte jeden Tag, als wäre er der erste. Kannte sie doch gar nicht die unzähligen Freuden des Universums, hatte noch nie einen Hunde-manikürsalon von innen gesehen oder mit einem Gefährten ihrer eigenen Spezies gespielt! Bei den belanglosen Unterhaltungen in Talkshows verlor sie schnell das Interesse. Berichte über fremde Planeten fand sie zwar spannender, aber ihre Äuglein ermüdeten rasch mit der 3D-Brille auf ihrem Schnäuzchen. Und meine Versuche, sie gehobener Unterhaltung näherzubringen, waren ebenfalls bislang gescheitert – einzig dadaistische Gedichte und die ersten Staffeln Desparate Housedogs erheiterten sie ein wenig.

»Ihr Hund möchte in die Galaxis – Sie auch?«

hatte mich neulich ein Werbejingle aus dem Undernet überrumpelt und sich in meinem Ohr festgebissen. Obgleich ich mich ärgerte, dass dies nur ein plumper Marketingtrick war, fühlte ich mich schmerzvoll erinnert, wie das Leben dort draußen ohne uns ablief – und wir hier sorglose, aber ein wenig ereignisarme Tage verbrachten, dreibeinige Alligatoren jagend und genervt von Paragua-Affen, die die Araseife stibitzten. Einzig die virtuellen Freuden des Undernet und mein Cruise-Kill-Onlinespiel verbanden uns mit der Restwelt. So mochte mein Leben die nächsten Jahre wie ein endloses, monochromblaues Band an mir vorüberziehen. Oder wir – meine Hündin und ich – würden den Absprung wagen, mit allen Horizonten brechen und eines fernen, nahen Tages in die mir unbekannten Weiten des Universums vordringen. Du lebst nur einmal, Ludo, ein einziges Mal! Und nur dieses!

»Davor müssen wir aber so schnell wie möglich nach Epítomo«, riss mich Misty aus meinen Gedanken.

Ich schluckte. Epítomo, ein ehemals industriell genutzter Supersteroid in der Nachbarschaft des Windstarsystems, lag zwar in unserem Quadranten und nur läppische achtzehn Parsec von meinem Heimatplaneten entfernt, aber der kürzeste Weg dorthin führte quer durch den Asteroidenkonvolut Pax Drei. Eine verdammt gefährliche Passage, die ich erst zweimal als Kopilot an der Seite meines Vaters durchquert hatte! Hunderte erratisch schlingernder Asteroiden, dazwischen Kieselsteroiden und Kartoffelsteroiden – selbst für einen überragenden Piloten wie meinen Vater war die Durchquerung des Konvoluts eine echte Herausforderung. Bei beiden Passagen stand ihm Schweiß auf der Stirn, als er unser Schiff navigierte. Er unterbrach sogar seinen ungezügelten Redefluss, um sich aufs Steuern zu konzentrieren. Beim zweiten Mal wären wir fast an einem besonders heimtückischen Geschiebemergelsteroid zerschellt, den mein Vater anschließend den ›Cerberus‹ taufte. Meine Mutter hatte uns hiernach verboten, nochmals nach Epítomo zu fliegen – selbst wenn uns damit lukrative Geschäfte mit jenem Kunden entgingen, den wir das Phantom nannten, weil wir ihn niemals zu Gesicht bekamen…

»Ludolein, ist etwas nicht in Ordnung?«, fragte Wilma teilnahmsvoll. »Du bist so blass!«

Verflucht! Wilma hatte meine Sorgen sofort erkannt. Irgendwie musste ich die Universinautinnen von meinen Bedenken ablenken. »Sagt mal, wie schnell fliegt eigentlich eure Schrottschüssel?«

»Das ist keine Schrottschüssel, das ist die MILLENIUM MOPSUM!«, korrigierte mich Wilma mit leicht verletztem Unterton.

»Wie heißt diese Rostlaube?«

»MILLENIUM MOPSUM«, erwiderte Misty stolz. »Und wir sind die Sechs Möpse.«

Ich blickte die drei Drags an. Jetzt hatte ich die Fassung wiedergewonnen. »Sechs? Möpse? MOPSUM? MILLENIUM? Ihr wollt mich wohl verscheißern!«

»Wer seine Hündin Mösie nennt, sollte sich nicht über andere Namen wundern«, meinte Wilma etwas beleidigt. »Hast du etwa noch nie von uns gehört?«

Wahrheitsgemäß schüttelte ich den Kopf. »Ich dachte, ihr seid Superagentinnen, mit diesen Handtaschen!«

»Ja, das auch, Kleiner. Aber vor allem Celebrities der allerersten Sahne!«, erklärte Misty.

»Sozusagen Doppelagentinnen«, fügte Wilma an und richtete sich in ihrer imposanten Größe auf. »Unsere Auftritte sind legendär!«

»Dafür lebe ich wahrscheinlich zu weit an der Peripherie«, seufzte ich. »Von den wirklich wichtigen Dingen in der Galaxis bekommt man einfach nichts mit!« Ich besann mich wieder auf meine Ausgangsfrage: »Also, wie schnell fliegt eure MILLENIUM MOPSUM?«

Ovo streckte vier Finger mit grellrot lackierten, überlangen Fingernägeln in die Höhe. »Wenn der Scheißarsidiumreaktor nicht bockt, erreichen wir Hyperaktivitätsmodus ADHS-4.«

Ich kalkulierte, wie lange die Sechs Möpse unterwegs sein würden. »Naja, dann liegt ihr ja noch einigermaßen im Plan.«

»Au!« Misty schlug sich mit der flachen Hand auf ihren Nacken. »Mich hat etwas gebissen!«

Wilma erschrak, trat dann näher und inspizierte mit ihren Satinhandschuhen Mistys Nacken. »Stimmt! Da – ein roter Fleck! Sie hielt triumphierend eine daumennagelgroße Stechpalpe in die Höhe. »Hier ist der kleine Sauger!«

» Ekelerregend! Hoffentlich bekomme ich jetzt nicht ein unheilbares Düsenfieber«, klagte Misty, »oder irgendwelche Parasiten setzen sich in meiner Leber fest und zerfressen mein Gedärm!«

»Shit!« Ich hatte völlig aus den Augen verloren, wie tief die Sonne schon stand. »Das sind die ersten Stechpalpen – bald wird es hier ziemlich ungemütlich.« Ein Blick in die Baumwipfel genügte, um zu wissen: Höchste Zeit, ins Baumhaus zurückzukehren, bevor die Dämmerung anbrach. »Ich würde vorschlagen«, schlug ich vor, »ihr kehrt auf euer Schiff zurück, Mösie und ich gehen nach Hause, und wir reden morgen weiter!«

Misty rieb sich den Nacken. »Mein werter Ludovic«, fing sie mit säuselnder Stimme an, »seit wir in deinen Quadranten eingetreten sind, spielt unsere Navigation verrückt. Wir hofften, dass wir hier jemanden finden, der uns sicher nach Epíto-mo geleiten kann.«

Ich hatte es gewusst! Natürlich benötigten die Möpse einen erfahrenen Piloten, um sie durch den Konvolut zu navigieren. Meine eigenen Flugkünste in allen Ehren (und meine Eltern waren, ebenso wie Mösie und auch ich selbst zu Recht stolz auf mein Geschick) – aber für mein erstes richtiges Weltraumabenteuer hätte ich mir keine solcherart halsbrecherische Aktion gewünscht!

»Du bist der einzige«, fuhr sie fort, »der sich in diesem Quadranten auskennt. Für uns ist die Region terra incognita!«

Das mochte ja sein! Selbstredend kannte ich mich besser als die Sechs Möpse in meinem Quadranten aus. Aber das hieß noch lange nicht, dass ich schwuppdiwupp durch den Konvolut steuern konnte!

Ovo nickte. »Weil das Scheiß-Navigationssystem im Arsch ist.«

Leo tauchte prompt vor meinem inneren Auge auf: In seiner letzten Nachricht, die mich von Hubba Bubble erreichte, bevor das Undernet zusammenbrach, hatte er mit eindeutigen Bewegungen signalisiert, wie sehr er auf mich wartete. Verflucht nochmal, mit achtzehn Jahren war ich immer noch Jungfrau (wenn man mal die gesammelten virtuellen Entjungferungen meiner Undernetbekanntschaften ignorierte)! Ein an sich und für sich unhaltbarer Zustand, der schnellstmöglich behoben werden musste!

Ich gab mir einen Ruck. Da musste ich jetzt durch. »Aber überhaupt kein Problem!«, sagte ich leichthin, pflückte einen Pelbofarn und zerzwieselte ihn zwischen meinen Fingern. »Die Passage bin ich schon x-mal selbst geflogen!«

Mösie unterbrach ihre Hoppelei, setzte sich hin und kratzte sich an ihrem Bauch. Warum musste sie immer merken, wenn ich log?

Auch Misty runzelte ihre Augenbrauen. »Sag mal, flunkerst du uns da gerade etwas vor?«

Mein Herz begann, lauter zu schlagen.

»Könnte es nicht sein«, fuhr sie mit einem scharfen Unterton in der Stimme fort, »dass deine Mutter oder dein Vater oder Weiß-der-Himmel-wer-zum-Kuckuck das Steuer in der Hand hielten?«

Mösie stand auf und schnupperte an ihren Beinen. Misty machte eine abwehrende Handbewegung, als wolle sie Ungeziefer verjagen. »Geh weg!«

Ich warf den zerzwieselten Farn ins Gesträuch. »Wie kommst du denn darauf? Das ist eine meiner Lieblingsrouten! Mein Vater lässt mich die immer steuern.«

Auch in Ovos Gesicht erschienen jetzt leichte Zweifel. »Blondie, können wir mal mit deinen Eltern reden?«

Ich zuckte mit den Achseln. »Die sind weg und kommen erst in ein paar Tagen zurück. Das ist für euch definitiv zu spät! Entweder mit mir – oder auf eigene Gefahr!«

Wenn sie mir nicht glaubten, musste ich wohl meine Strategie ändern. Ich begann, in Richtung des Baumhauses loszulaufen. »Nun hört mal zu. Morgen früh kann ich euer Navigationssystem rekonfigurieren und euch die Flugroute erklären. Damit schafft ihr es auch problemlos ohne mich nach Epítomo«, erklärte ich mit betonter Gleichgültigkeit. »Und wir werden heute Nacht nicht aufgefressen, weil wir uns im Dschungel verzetteln.«

Misty stapfte hinter mir her. »Ludovic, die Lage ist ernster, als du dir in deiner jugendlichen Einfalt vorzustellen vermagst!«

Es klappte! Ich blieb stehen und drehte mich um. »So?«

»Hast du auf deinem unhygienischen Peripherieplaneten etwa nicht mitbekommen, dass die Galaxis am Abgrund steht?«

»Nie-nie-niemals war die Situation dramatischer!«, schaltete sich Wilma ein und kam ebenfalls über den moosigen Boden gestackst.

»Sprecht ihr vom Ausbruch des Dritten Interstellaren Zickenkriegs?« Seit Wochen war der Krieg das Topthema in diversesten Undernetforen. Spätestens seitdem bekannt geworden war, dass sich die furchterregende Phallodonia und ihre Phallodonischen Landsmänninnen mit der im Exil auf Nikoplotomos im Nikopleistischen Areal lebenden abgesetzten Kaiserdynastie der zu Wirsings gegen die Herrscherfamilie der Flumanoffs verbündet hatten und kurz davor standen, eine neuartige, niemals zuvor in der bekannten Galaxis eingesetzte Superwaffe zu aktivieren, schien das übliche strategische Machtgeklüngel einer hochexplosiven Gemengelage zu weichen, die nicht nur die alten, verfeindeten Kaiserfamilien Flumanoff und zu Wirsing in einen Strudel der Aggression und Gegenaggression hineinzuziehen schien, sondern die gesamte Galaxis in Chaos und Anarchie zu stürzen drohte…

»Noch können wir den Dritten Interstellaren Zickenkrieg verhindern!«, betonte Misty.

»Wer? Ihr?«, fragte ich ungläubig. »Die Sechs Möpse? Mit der MILLENIUM MOPSUM?«