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Frauen gehen voran – Beiträge zu einer erfolgreichen Unternehmensnachfolge Dieses Buch stellt über 40 beeindruckende Unternehmerinnen und ihre Geschichten vor, die für die Herausforderungen im Nachfolgeprozess sensibilisieren. In offenen Worten sprechen die Unternehmerinnen nicht nur über ihre Motivation und ihre Erfolge, sondern auch über Zweifel, Schwierigkeiten und Hindernisse – und was ihnen in diesen Situationen geholfen hat. Daneben geben Beraterinnen Tipps. Lesen Sie von Probezeiten und Probesterben, von Täuschungen und Enttäuschungen, davon wie frau sich in Männerdomänen erfolgreich aufstellen kann, und was hilft, um einen optimierten Nachfolge- bzw. Verkaufsprozess durchzuführen.
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Seitenzahl: 371
Veröffentlichungsjahr: 2023
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Claudia Rankers (Landesfrauenrat Rheinland-Pfalz)
Prof. Dr. Nadine Kammerlander (WHU – Otto Beisheim School of Management) (Hg.)
Frauen schaffen Zukunft
„Es kommt nicht darauf an, die Zukunftvorauszusagen, sondern darauf, auf dieZukunft vorbereitet zu sein.“
Perikles
© Fazit Communication GmbH
Frankfurter Allgemeine Buch
Pariser Straße 1
60486 Frankfurt am Main
Umschlag & Satz: Nina Hegemann
Druck: CPI books GmbH, Leck
Printed in Germany
1. Auflage
Frankfurt am Main 2023
ISBN 978-3-96251-172-2
eISBN 978-3-96251-187-6
Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, vorbehalten.
Frankfurter Allgemeine Buch hat sich zu einer nachhaltigen Buchproduktion verpflichtet und erwirbt gemeinsam mit den Lieferanten Klimazertifikate zur Kompensation des CO2-Ausstoßes.
Die Herausgeberinnen
Sarna Röser
VORWORT
Vanessa Weber
VORWORT
Nachfolge im Familienunternehmen – Herausforderung und Chance
EINFÜHRUNG
Brigitte Biffar
INS GELINGEN VERTRAUEN
Anneke Hines
NACHFOLGE DURCH EXIT – NUANCEN ZWISCHEN 0 PROZENT UND 100 PROZENT
Dr. Anke Klas
DIE ZUKUNFT GEHÖRT DEN ZAHNÄRZT:INNEN
Dr. Alexandra Kohlmann
ICH BIN MEHR ALS MEIN UNTERNEHMEN
Claudia Rankers
DOS & DON´TS BEI DER UNTERNEHMENSNACHFOLGE
Kerstin Altgassen
ZWISCHEN BEWÄHRTEM UND NEUAUSRICHTUNG – FINDE DEINE EIGENEN STÄRKEN
Astrid Schulte
TRANSFORMATION IST MENSCHEN BEWEGEN
Catharina Prym
DREI THESEN ZUM GESELLSCHAFTLICHEN KONTEXT DER NACHFOLGE
Christina Diem-Puello
VON DER FAHRRADMANUFAKTUR ZUR DIGITALEN NUMMER EINS: MEIN HUNDERTJÄHRIGES START-UP
Susanne Klier
PLÖTZLICH NACHFOLGERIN
Katharina Wahby
WÜRDE ICH ES WIEDER TUN?
Dr. Antje Eckel
ALLES AUF ZUKUNFT – FÜNF GEDANKEN ZUM UNTERNEHMENSERFOLG FÜR DIE NÄCHSTE GENERATION
Dominique C. Pontani
UNTERNEHMENSNACHFOLGE ZUR RECHTEN ZEIT GESTALTEN
Dr. Caroline von Kretschmann
DIE KUNST DES ÜBERGANGS ODER WIE MAN IM SPANNUNGSFELD VON GEFÜHL UND GESCHÄFT GEMEINSAM WACHSEN KANN
Sophia Adler
MACH DEINE HERAUSFORDERUNGEN ZU DEINEN STÄRKEN
Dr. Monika Susanne Börner
ENTSCHEIDEND IST NICHT DIE ENTSCHEIDUNG ALLEIN
Doreen Fritz und Barbara Eichelmann-Klebl
GENERATIONENWECHSEL IM VEREIN – NACHFOLGE MAL ANDERS
Anna Meusert
MEIN KALTSTART INS UNTERNEHMERTUM – MEINE LEARNINGS AUS DER NACHFOLGE
Laura Ludwig
NACHFOLGE ALS FACHFREMDE … IST DAS ÜBERHAUPT MÖGLICH?
Lena Schaumann
DIE ZWEI PHASEN MEINER NACHFOLGE
Dr. h.c. Brunhilde Schram und Ursula Oberhollenzer
NACHFOLGE IN EINEM NETZWERK, EINE SPEZIELLE HERAUSFORDERUNG
Julia Kasper
RAUM GEBEN & NEHMEN: WIE VERTRAUEN UND FLEXIBILITÄT ZU GUTEN NACHFOLGEENTSCHEIDUNGEN FÜHREN KÖNNEN
Donata Kollmar
MEIN WEG ZUR NACHFOLGERIN DER 7. GENERATION IN DIE FIRMA BELLMER
Nina Horbach und Martha Wettschereck
AUS DER PRAXIS
Isabel Grupp
JEDES UNTERNEHMEN HAT SEINE EIGENE DNA – KENNST DU DICH SELBST GUT GENUG?
Francine Destickere
VON DER AUSZUBILDENDEN ZUR GESCHÄFTSFÜHRENDEN GESELLSCHAFTERIN
Lina Elsner
WIE KANN DIE NACHFOLGE IM FAMILIENUNTERNEHMEN UNTER GESCHWISTERN FUNKTIONIEREN?
Dr. Kirsten Schubert
WENN DER PLÖTZLICHE TOD ZUR VERÄNDERUNG ZWINGT – 28 TAGE FÜR EIN GANZES LEBENSWERK!
Jeannette Peters
NACHFOLGE IST WIE GRÜNDEN, NUR KRASSER!
Julia Terdenge
SCHAFFE ICH DAS? – DAUERBAUSTELLE NACHFOLGE IM HANDWERK
Susanne Dahncke
DER NACHFOLGEPROZESS ALS ACHTERBAHNFAHRT
Mirja Gerlach
UNTERNEHMENSNACHFOLGE IN DER UNTERNEHMERFAMILIE – KEIN SELBSTLÄUFER
Martina Reischmann
KÖNNEN WIR ALLES HABEN? EIN DENKANSTOSS ZUM BALANCEAKT
Saskia Stella Gleitsmann
VIER GENERATIONEN GLEITSMANN KG – FAMILIENUNTERNEHMEN: DAS RAD DES LEBENS
Charlotte Otte
DER APFEL FÄLLT NICHT WEIT VOM STAMM
Heike Eberle
DIE FÜNF PHASEN MEINER UNTERNEHMENSNACHFOLGE
Nicole Jasmin Kassel
DIE 3 PHASEN DER NACHFOLGE – VON DER EUPHORIE BIS ZUR VOLLSTÄNDIGEN EMANZIPATION
Larissa Zeichhardt
SCHWESTERNWIRTSCHAFT
Julia Schittler
VON WEGEN EINHEIRATEN – SELBST IST DIE FRAU
Hannah Weitz
ENTSCHEIDUNGSFRAGE NACHFOLGE: JA? NEIN? VIELLEICHT!
Unterstützer:innen
Kontakt für Fragen und Anregungen
Claudia Rankers
Claudia Rankers, Ehrenvorsitzende vom Landesfrauenrat Rheinland-Pfalz und Geschäftsführerin vom Rankers Family Office.
Seit 1994 engagiert sich die Diplom-Bankbetriebswirtin ehrenamtlich im Bereich „Frauen und Beruf“. 2014 wird sie Vorstandsvorsitzende des Landesfrauenrats Rheinland-Pfalz. Ihr Erfolgsrezept: interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Gesellschaft. Best Practices und aktives Netzwerken sind weitere Erfolgsfaktoren und liefern konkrete Ergebnisse. 2016 wird sie in die Gründungsallianz und 2022 in das Startup Board des Wirtschaftsministeriums Rheinland-Pfalz berufen. 2022 wurde sie zudem Netzwerkpartnerin der Transformationsagentur Rheinland-Pfalz. Als Ehrenvorsitzende vom Landesfrauenrat Rheinland-Pfalz kümmert sie sich um die Themen Finanzen, Wirtschaft, Nachhaltigkeit und Impact. So hat Claudia Rankers u.a. ein Unternehmerinnennetzwerk und einen Think Tank gegründet. Sie ist Initiatorin des bundesweiten Preises „Erfolgreiche Frauen im Mittelstand“ der 2023 zum dritten Mal in Kooperation mit der WHU Otto Beisheim School of Management durchgeführt wird (www.frauen-im-mittelstand.de). Mit den Büchern „Nachhaltigkeit – Frauen schaffen Zukunft“ in 2021 und „Gründen – Frauen schaffen Zukunft“ in 2022 hat sie über 80 engagierte Wissenschaftlerinnen und Unternehmerinnen sichtbar gemacht. Im September 2023 erscheint das dritte Buch mit dem Thema „Unternehmensnachfolge – Frauen schaffen Zukunft“ – wieder über 40 Best Practices. 2021 wurde Claudia Rankers für 27 Jahre Ehrenamt mit dem Landesverdienstorden Rheinland-Pfalz ausgezeichnet.
Seit 2003 ist Claudia Rankers Inhaberin vom Rankers Family Office, einem Multi Family und Unternehmer Office, das sich um alle finanziellen betrieblichen und privaten Belange seiner Mandant*innen kümmert. Sie und Kooperationspartner*innen schätzen Claudia Rankers als pragmatische Visionärin mit Einsatz, Kreativität und Qualität. Unternehmertum ist ihre Leidenschaft! Claudia Rankers ist Expertin für Vermögensstrukturierung, Kapitalanlagen, Immobilienkäufe und Finanzierungen, Unternehmensgründungen, Kapitalbeschaffung, Wachstumsstrategien sowie Unternehmensverkauf. Darüber hinaus ist sie EFA European Financial Advisor, Certified Financial Planner (CFP), Certified Generation Advisor (CGA) und Certified Foundation and Estate Planner (CFEP). Zuvor war sie Direktorin und Führungskraft bei der Schweizer Bank UBS und der Deutschen Bank.
Claudia Rankers ist Herausgeberin, Autorin, Beirätin, Mitglied verschiedener Jurys und regelmäßig als Referentin und Podiumsteilnehmerin sowie für Podcasts gefragt. Claudia Rankers ist Mitglied im Expert:innenbeirat vom CSR-Dialogforum und Global Advisory Council der G100 als Advisory Member for Sustainable Development Goals (SDG).
Prof. Dr. Nadine Kammerlander
Professor Dr. Nadine Kammerlander ist seit 2015 Professorin an der WHU – Otto Beisheim School of Management. Dort verantwortet sie zudem als Prorektorin die Bereiche Nachhaltigkeit und Diversität. Zuvor war sie als Assistenzprofessorin an der Universität St. Gallen tätig. Nadine Kammerlander ist diplomierte Physikerin (TU München) und promovierte Betriebswirtschaftswissenschaftlerin (Otto-Friedrich Universität Bamberg). Mehrere Jahre arbeitete sie bei McKinsey & Company und beriet internationale Unternehmen der Automobil- und Halbleiter-Branche in Produktentwicklungsprojekten, vor allem in den USA und Mexiko.
In Lehre und Forschung beschäftigt sie sich mit den Themen Transformation, Mitarbeiter und Governance in Familienunternehmen und Family Offices. Ihre wissenschaftlichen Beiträge sind in internationalen Fachzeitschriften veröffentlicht und mit renommierten Forschungspreisen ausgezeichnet worden. Sie ist Mit-Herausgeberin der internationalen Fachzeitschriften „Family Business Review“ und „Journal of Management“ und Mitglied mehrerer Gutachtergremien. Zudem arbeitet sie in unterschiedlichsten Projekten mit Familienunternehmen und internationalen Forscherinnen und Forschern zusammen.
Professor Kammerlander ist zudem selbst Gründerin – gemeinsam mit ihrem Mann hat sie im Jahr 2023 die Zebracorn GmbH gegründet. Sie ist zudem Mitglied des Innovation Advisory Committee des DESY in Hamburg und hat den Vorsitz im rheinland-pfälzischen Zukunftsrat für Nachhaltige Entwicklung inne.
Claudia RankersEhrenvorsitzende vomLandesfrauenrat Rheinland-Pfalz undGeschäftsführerin vom RankersFamily Office
Prof. Dr. Nadine KammerlanderCo-Direktorin des Institutsfür Frauenunternehmen und Mittelstandan der WHU – Otto BeisheimSchool of Management
© Anne Großmann
SARNA RÖSER
Bundesvorsitzende vonDIE JUNGENUNTERNEHMER
Unternehmertum ist eine Leidenschaft. Es erfordert Mut und Risikobereitschaft, Disziplin, Zielstrebigkeit, Selbstreflexion und vor allem eins: Optimismus. Pessimistisch auf diese Welt zu schauen, passt für uns Unternehmer und Unternehmerinnen nicht. Wir wollen anpacken und uns einbringen. Wir wollen all den negativen Nachrichten entgegenstehen und Deutschland eine echte Perspektive als Wirtschaftsstandort der Zukunft geben.
Um die Nachfolge eines Unternehmens anzutreten, müssen wir positiv in die Zukunft blicken können. Ob Industrieunternehmen, Marketingagentur oder kleiner Metallbetrieb: Bis Ende 2026 streben rund 560.000 mittelständische Unternehmer und Unternehmerinnen eine Nachfolge an.1 Um diesen Nachfolgerinnen und Nachfolgern jedoch eine positive Zukunft zu ermöglichen, müssen wir – die Gesellschaft und die Politik – jetzt etwas tun, denn sie kommt nicht von allein.
Wer sich für die Zukunft einsetzt, bekommt in der Gegenwart häufig wenig Applaus, denn die Früchte der Arbeit sind noch nicht sichtbar. So ist es sowohl in Unternehmen als auch in der Politik: Um langfristig und über Generationen erfolgreich zu bestehen, müssen Entscheidungen getroffen werden, deren Erfolg sich häufig erst in der Zukunft zeigt. Unternehmen investieren deshalb zum Beispiel in Klimaschutzmaßnahmen, in Konzepte, um ihre Mitarbeitenden zu fördern und zu halten und in innovative Technologien. Politiker und Parteien hingegen müssen demokratisch ihre Wählerschaft halten und ausbauen und auf zukunftsfähige Weichenstellungen setzen. Unternehmen und Parteien/Parteikoalitionen sind, wenn es um ihren langfristigen Erfolg geht, also eigentlich gar nicht so unterschiedlich: Um Erfolg zu haben, müssen beide fähig sein, sich selbst zu reflektieren, richtige und falsche Entscheidungen zu erkennen und Lösungen zu erarbeiten. Unser dringender Appell als Unternehmer an die Politik ist, nicht in Legislaturperioden, sondern in Generationen zu denken – so wie wir Familienunternehmer.
Umso wichtiger ist es deshalb, als Unternehmerin Mut zu machen, den Finger immer wieder in die Wunde zu legen und aufzuzeigen, wie es besser gemacht werden kann. Deutschland braucht eine langfristige Perspektive. Denn die Hausaufgaben, die wir heute nicht machen, fallen den kommenden Generationen gleich doppelt auf die Füße. Dafür müssen wir endlich aus der Defensive gehen und mit Energie, Kreativität und einem starken Willen voranschreiten.
Denn Deutschland hat eigentlich beste Voraussetzungen. Wir haben ein Weltklasse-Institutionensystem mit unabhängigen Gerichten und Rechtssicherheit, eine hohe innere Sicherheit und eine gute Infrastruktur. Mit dem deutschen Mittelstand haben wir eine starke wirtschaftliche Basis und ein krisenresilientes wirtschaftliches Rückgrat. Aber alles hat natürlich seine Grenzen. Ohne die richtige Strategie frisst Deutschland seine starke Substanz nach und nach auf.
Denn erfolgreich wirtschaften wird immer schwerer. Als Standort wird Deutschland zunehmend zu teuer, zu überreguliert und zu verkrustet. Wir schlittern von einer Krise in die nächste – und das meiste ist hausgemacht. Zu viel Staat, zu viel Bürokratie, zu viele Fehlentscheidungen und jede Menge ideologiegetriebene Debatten. Alles zusammengenommen ein ziemlicher Giftcocktail für unsere Volkswirtschaft. Und für alle, die in diesem Land etwas für Wohlstand und Wirtschaftskraft bewegen wollen.
Das darf so nicht weitergehen!
Mit Blick auf unsere Standortattraktivität haben wir international bereits einiges einbüßen müssen. Um wirtschaftlich nicht völlig abzurutschen, müssen wir deshalb einen neuen Kurs einschlagen.
Wir brauchen mehr Risikobereitschaft. Unternehmerisches Denken und Handeln muss gefördert werden. Statt nur zu verwalten, muss Deutschland endlich wieder anfangen zu gestalten. Was wir brauchen, ist mehr Eigenverantwortung und Wachstum statt Sozialromantik und Umverteilung. Wir brauchen den Detox bei den Staatsausgaben, denn wir haben definitiv kein Einnahmeproblem. Wir brauchen mehr Tempo bei der Digitalisierung, einen modernen Staat und eine moderne Verwaltung – warum kann man im Ausland Unternehmen mit einem Mausklick gründen, aber muss bei uns im Schnitt neun Amtsgänge erledigen? Und wir müssen Arbeit wieder attraktiv machen – anstatt immer höhere Abzüge vom Bruttogehalt in Kauf zu nehmen.
Diesem letzten wichtigen Punkt möchte ich besondere Aufmerksamkeit schenken. Gute Mitarbeitende zu finden, gehört zu den Hauptsorgen von Familienunternehmen in Deutschland. Wir spüren den Mangel an Fachkräften jetzt schon überall: Produktionen können nicht unter Volllast laufen, Aufträge müssen abgelehnt oder verschoben werden, und Mitarbeitende sind überlastet, weil Kollegen fehlen. Und der Fachkräftemangel spitzt sich weiter zu. Unsere Gesellschaft wird immer älter, mehr Leute gehen in Rente. Deswegen werden in den nächsten 15 Jahren fast fünf Millionen Arbeitskräfte fehlen. Das wird ein riesiges Problem für unseren Wirtschaftsstandort! Deswegen müssen wir alle etwas tun, die Probleme beim Namen nennen und anpacken.
Wir Familienunternehmer und Familienunternehmerinnen gehen voran. Wir schätzen und stärken unsere Mitarbeiter, sprechen mit ihnen direkt, bieten gute Löhne und moderne Arbeitsmodelle und achten auf eine gesunde Work-Life-Balance.
Die Politik hat aber auch einiges zu tun, zum Beispiel muss sie die Bildung in Naturwissenschaften und Technik stärken, Ältere länger auf dem Arbeitsmarkt halten, statt mit 63 in die Rente zu schicken, die Kinderbetreuung sicherstellen, mehr Arbeitskräfte aus dem Ausland anwerben und auf unserem Arbeitsmarkt alle Hebel in Bewegung setzen, dass jeder Arbeitssuchende Arbeit findet.
Hier spielt auch ganz entscheidend das Thema dieses Buchs mit hinein: Frauen schaffen Zukunft. Der Faktencheck verdeutlicht zwar, dass 74,5 Prozent der Frauen in Deutschland arbeiten, davon arbeitet allerdings jede Zweite in Teilzeit.2 Der Weg geht also in die richtige Richtung, wir sind jedoch noch lange nicht am Ziel. Um den Fachkräftemangel ein Stück weit zu lösen, insbesondere im Tech-Bereich, müssten wir also hier etwas verändern. Der internationale Vergleich zeigt: In einigen Ländern läuft es besser. Vorbilder sind zum Beispiel die Schweiz oder auch Finnland, Norwegen und Schweden. Die Rückkehr von Frauen in die Vollzeitbeschäftigung nach der Schwangerschaft ist hier üblicher. Die Betreuungsinfrastruktur ist besser ausgebaut und häufig gibt es flexiblere Arbeitszeitmodelle. Doch auch das gesellschaftliche Verständnis von Männern und Frauen ist offener.
Meine persönliche Erfahrung zeigt mir, genderspezifische Debatten, Zahlen und Quoten bringen uns letztlich nicht weiter. Der Staat muss für alle – Männer und Frauen – gute Rahmenbedingungen, die passende Infrastruktur und Netzwerke schaffen. Dass sich Karriere und Familie nicht ausschließen, muss für beide Geschlechter möglich sein. Dafür brauchen wir eine angepasste Arbeits- und Führungskultur, mehr Sichtbarkeit und Vorbilder. In vielen Unternehmen, in der Start-up Szene, aber auch in den Medien hat bereits ein Bewusstseinswandel eingesetzt, der gut und wichtig für die Zukunft unseres Wirtschaftsstandorts ist.
Besonders in jüngeren Unternehmen stelle ich immer wieder fest, dass immer häufiger Frauen an der Spitze stehen. Das ist eine positive Entwicklung. Lasst uns also positiv die Herausforderungen anpacken, immer wieder den Finger in die Wunde legen und eine generationengerechte, starke Zukunft schaffen.
Ihre Sarna Röser
1https://www.kfw.de/PDF/Download-Center/Konzernthemen/Research/PDF-Dokumente-Fokus-Volkswirtschaft/Fokus-2023/Fokus-Nr.-424-Maerz-2023-Nachfolge.pdf
2 Bundesagentur für Arbeit: „Die Arbeitsmarktsituation von Frauen und Männern 2021.“, Blickpunkt Arbeitsmarkt, Juni 2022, Seite 9f.
© Katrin Limes
VANESSA WEBER
CEO, Werkzeug-WeberGmbH & Co. KG
Als Now-Gen in einem Familienunternehmen in der vierten Generation liegt mir das Thema Nachfolge besonders am Herzen. Denn aus eigener Erfahrung weiß ich, wie entscheidend eine gelungene Übergabe an die nächste Generation für die Zukunft eines Unternehmens ist. Ich bin mit 18 Jahren ins kalte Wasser gesprungen und kann heute mit Stolz sagen, dass es eine Erfolgsgeschichte ist.
Mir hat nie das theoretische Wissen geholfen, sondern immer der Austausch mit Gleichgesinnten und so entstand die Idee zu diesem Buch. In diesem Buch werden wir uns gemeinsam mit unseren Autorinnen mit den Herausforderungen und Chancen der Nachfolge beschäftigen. Dabei geht es um Fragen wie die Entscheidungsfindung für die Nachfolge, die Vorbereitung auf die Übernahme und den Umgang mit Konflikten in der Familie. Darüber hinaus beleuchten wir die Erfahrungen und Best Practices erfolgreicher Nachfolgerinnen, um dir wertvolle Anregungen und Orientierung zu geben.
Unser Ziel ist es, dich für das Thema Nachfolge zu sensibilisieren und vor allem zu motivieren. Denn nur wenn die nächste Generation die Verantwortung für Familienunternehmen übernimmt, werden diese langfristig erfolgreich sein und ihre wichtige Rolle in Wirtschaft und Gesellschaft weiterhin erfüllen.
Ich bin sicher, die spannenden Beiträge werden dich motivieren. Lass dich von unseren Erfahrungen und Erkenntnissen inspirieren und nimm wertvolle Impulse für deine eigene Nachfolgeplanung mit.
Ich wünsche dir viel Freude und Inspiration bei der Lektüre unseres Buches.
Herzliche Grüße
Vanessa Weber
Nachfolge im Familienunternehmen – Herausforderung und Chance
In Deutschland gibt es mehrere hunderttausend aktive Unternehmen mit Mitarbeitenden, etwa 90 Prozent werden von Familieneigentümern geführt. Wenn man davon ausgeht, dass diese ihr Unternehmen jeweils für eine Generation, also 20 bis 30 Jahre, führen, dann ergibt sich eine fünfstellige Anzahl von Unternehmen, die jedes Jahr übergeben werden will. Das Institut für Mittelstandsforschung ifM berichtet beispielsweise von 190.000 Unternehmen, die im Zeitraum von 2022 bis 2026 zur Nachfolge anstehen. Ganz schön viele für ein Phänomen, das normalerweise eher im Verborgenen liegt. Oft – dem DIHK-Report Unternehmensnachfolge 2022 zufolge sogar in 46 Prozent der Fälle – berichten die Übergebenden dabei, dass es gar nicht so einfach sei, junge Menschen für die Nachfolge zu begeistern. Dies verwundert etwas, da der Fokus oft immer noch auf Nachfolgern liegt, während der Pool der Nachfolgerinnen nicht ganz ausgeschöpft scheint. Studien der Allbright Stiftung sowie des Medienportals „Die Deutsche Wirtschaft“ zufolge liegt der Anteil von Frauen in Führungspositionen von Familienunternehmen immer noch bei unter 10 Prozent – doch leichte Besserung scheint in Sicht zu sein!
Fragt man Wissenschaftlerinnen, so werden diese bestätigen, dass Nachfolge eines der meistuntersuchten, da erfolgskritischsten, Familienunternehmens-Themen ist. Und jeder Unternehmer und jede Journalistin kennt eine Vielzahl an Anekdoten, bei denen die Nachfolge eben nicht erfolgreich gelaufen ist, sondern zum Scheitern verurteilt war.
Was aber macht die Nachfolge in Familienunternehmen so besonders und so herausfordernd? Zum einen ist das dem Überlappen mehrerer Systeme geschuldet. Das berühmte Drei-Kreise-Modell von John Davis beschreibt, dass in Familienunternehmen die drei Systeme Familie, Eigentum und Führung überlappen. Manche Individuen gehören allen drei Systemen an, wie die geschäftsführende Familiengesellschafterin. Manche gehören aber auch nur einem oder zweien der Systeme an, wie beispielsweise der Fremdmanager, oder aber die Next-Gen, die vielleicht noch gar keine Unternehmensanteile besitzt. Durch diese unterschiedlichen Positionen und ihre Dynamik über die Zeit können Konflikte entstehen. So fragen sich die Mitglieder des Systems „Familie“ oft schon in jungen Jahren: Was wird später von uns erwartet? Was können und dürfen wir? Wie wird mit den unterschiedlichen Bedürfnissen und Kompetenzen der Geschwister umgegangen? Aber auch im System „Management“ wirft die Nachfolge Fragen auf, und viele familienexterne Unternehmensmitglieder warten ungeduldig darauf, ob und wie die Nachfolge geklärt wird.
Als wäre das noch nicht genug, gibt es weitere Aspekte, die eine Nachfolge erschweren. Da sind zum einen die oft langen Zeiträume. Es ist wahrscheinlich, dass die letzte Unternehmensnachfolge bereits so lange zurückliegt, dass sich kaum noch jemand in Unternehmen und Familie daran erinnert. Und selbst wenn – die „Best Practices“ sind gegebenenfalls schon in die Jahre gekommen. Dass dann noch Führung und Eigentum oft gleichzeitig übergeben werden sollen, macht die Komplexität nicht geringer. Oft führt das zu einem Mangel an Planung. Gemäß einer Studie aus der Schweiz im Jahr 2013 nahmen sich weniger als die Hälfte der Familienunternehmer vor der Nachfolge ausreichend Zeit, um Kommunikations- und Trainingspläne zu erstellen.
Und dann sind da noch die emotionalen Faktoren. Man spricht vom „Prinz Charles“-Syndrom, wenn die Next-Gen schon in den Startlöchern steht, aber nicht zum Zug kommt, weil die Senioren auch 70-, 80, oder gar 90-jährig noch nicht an den Ruhestand denken. Von Seiten der Übernehmer kommen häufig die Fragen auf: Kann ich das eigentlich? Oder sind die Fußstapfen der Eltern zu groß? Und: Will ich das eigentlich? Oder liegt meine berufliche Passion doch ganz woanders?
Und ist man erstmal im Unternehmen, so kommt eine ganze Reihe weiterer Fragen für die „Neuen“ auf: Wie viel kann, soll und muss geändert werden? Was wird beendet? Aber was muss eventuell auch bleiben? Wie können Tradition und Innovation kombiniert werden? Wie viel soll man sich eigentlich noch von der Seniorgeneration sagen lassen – wann überwiegt der positive Effekt des Mentoring und wann der negative des Bremsens? Und wie kann man beispielsweise in einem Unternehmen, das von patriarchalischem Führungsstil geprägt ist, Agilität und New Work einbringen?
Doch trotz dieser vielfältigen Herausforderungen zeigt sich immer wieder: Nachfolge lohnt sich! Als Nachfolgerin ist man „Entrepreneur“ im eigenen Unternehmen. Die Möglichkeiten zur Verwirklichung – oder neudeutsch zum Impact – sind vielfältig: Innovation durch Digitalisierung und Nachhaltigkeit sind nur einige Aspekte. Anders als beim Start-up kann man dabei auf bestehende Ressourcen, Infrastruktur, Kunden und ein funktionierendes Geschäftsmodell bauen. Statistiken zeigen, dass die Erfolgswahrscheinlichkeit bei der Übernahme eines bestehenden Unternehmens natürlich viel höher ist als die bei der Unternehmensgründung.
Aus diesem Grund ist Unternehmensnachfolge nicht nur für die Kinder der Seniorgeneration spannend – sondern auch für Familienexterne, die das Unternehmen als neue Eigentümer:innen übernehmen wollen. Dieses Modell – auch „Entrepreneurship through Acquisition“ genannt – erfreut sich derzeit weltweit immer größerer Beliebtheit. Finanziert durch Darlehen oder sogenannte Search Funds steigen die jungen Übernehmer in Unternehmen ein, optimieren und wandeln das Geschäftsmodell – und erwerben im Erfolgsfall immer mehr Unternehmensanteile. So kann (fast) jede zur Familienunternehmerin werden.
Denn Nachfolge ist vielfältig: Manche Kinder steigen gleich nach der Ausbildung ins Unternehmen ein – andere erst nach einer langjährigen erfolgreichen Karriere außerhalb. Wieder andere entscheiden sich bewusst für eine Rolle als aktive Eigentümerin und beeinflussen dadurch die Geschicke ihres Unternehmens. In einigen Fällen rutscht die Nachfolgerin quasi ungeplant ins Unternehmen hinein und wird dort glücklich. In anderen Fällen jedoch scheitert die sorgsam geplante und ersehnte Nachfolge. Manche übernehmen allein, manche im Team, manche von den Großeltern und manche von anderen Familien.
Ziel dieses Buches ist es, die Nachfolge in möglichst all ihren Facetten abzubilden. Mit ihren Licht- und Schattenseiten. Durch die authentischen Berichte möchten wir die Abgebenden motivieren, die Nachfolge aktiv zu gestalten, einige Fehler zu vermeiden und Chancen zu nutzen. Wir wollen Lösungsmöglichkeiten aufzeigen und vor allem jungen Frauen Mut machen, ihren eigenen Weg im Unternehmen zu finden.
Lesen Sie über Probezeit und Probesterben, darüber, wie man aus seiner Kritikerin die beste Freundin macht und über Hürden, Leistungsdruck und Streben nach Perfektion, sowie darüber, wie die Nachfolge den Zusammenhalt in der Familie stärken kann. Auch der Platzhalter für die Nachfolge, Stolz und Freude, wie sich der Sprung ins kalte Wasser anfühlt, Transformationsprozesse, schlaflose Nächte und Mitarbeitende als Ass im Ärmel kommen nicht zu kurz.
Wir wünschen viel Spaß beim Lesen!
Claudia Rankers & Prof. Dr. Nadine Kammerlander
© Lutz Sternstein
BRIGITTE BIFFAR
Geschäftsführung derBiffar GmbH & Co. KG
Was hat dich daran fasziniert, Nachfolgerin zu werden?
Das Unternehmen im Familienbesitz zu halten und aus der Insolvenz zu führen, war die größte Motivation. Aus meiner Zeit als Marketingleiterin bei Biffar, als ich noch angestellte Mitarbeiterin war und nicht die Schwiegertochter des Gründers Oskar Biffar, wusste ich um die Stärke der Marke, die USPs der Produkte und ich kannte viele der Mitarbeitenden. Darin sah ich eine große Chance.
Was hat dich darauf vorbereitet, Nachfolgerin zu werden?
Wir waren nicht vorbereitet auf diese Situation. Mit meiner Entscheidung zur Nachfolge war ich plötzlich die Chefin – auch die meines Mannes. Unseren vier Kindern, die zwischen sechs und elf Jahre alt waren, stand ein kompletter Schulwechsel bevor, an die einzige Ganztagsschule, eine internationale, englischsprachige Schule in Neustadt. Sonst hätte ich nicht den ganzen Tag in der Firma sein können. Das waren große Veränderungen für unsere Familie.
Am meisten hat mir geholfen, dass ich selbst aus einem mittelständischen, schwäbischen Familienunternehmen komme. Das Vorbild der Eltern und Großeltern prägt einen unbewusst. Wenn ich meinen Kindern heute zuhöre, bin ich manchmal überrascht. Man darf nicht unterschätzen, was Unternehmerkinder beim Gespräch am täglichen Abendbrottisch alles mitbekommen. Mein Vater hat mich sehr geprägt, in Entscheidungen auch mutig zu sein.
Welches Wissen, das du nun hast, hättest du gerne bereits vor der Nachfolge gehabt?
Ich hätte gerne noch mehr Seminare zum Thema Mitarbeiterführung und gute Kommunikation besucht. Manchmal werde ich gefragt, wie man sich als Frau in dieser „Männerwelt“ Baubranche durchsetzt. Das war zum Glück in den seltensten Fällen notwendig. Ich habe sehr viel Umgang auf Augenhöhe erleben dürfen. Privat war mir erst später bewusst, dass solch gravierende Veränderungen auch immer eine Ehe gefährden. Das war mir in der angespannten Situation nicht bewusst. Mehr Achtsamkeit wäre gut gewesen.
Was ist deiner Meinung nach das Schwierigste bei der Nachfolge?
Für mich ist es der Übergang von Altem und Bewährtem beim Implementieren von Innovativem, das den Fortbestand des Unternehmens sichert. Das gilt für die Kommunikation mit der jungen 3. Generation, dem Umgang mit Mitarbeitenden wie auch für neue Produkte, die Digitalisierung und das Thema Nachhaltigkeit. Auch externe Beratung und Impulse helfen uns. Das wollen wir auch in der Zukunft noch stärker nutzen.
Die Möglichkeit einer Nachfolge bei Biffar wurde mir überraschend im Juni 2006 angeboten.
Biffar war Anfang der 1960er-Jahre von meinem Schwiegervater gegründet worden. Das Unternehmen entwickelte sich sehr gut und wurde 1994 an seinen Sohn Albrecht übergeben. Ich kam 1991 als Marketingleiterin ins Unternehmen, nachdem ich ein BWL-Studium abgeschlossen und zwei Jahre in den USA gelebt und gearbeitet hatte. Die Aufgabe, das Marketing für den Direktvertrieb der Marke Biffar zu verantworten, begeisterte mich. Mein neuer Job war sehr interessant und enorm vielseitig, gleichzeitig auch sehr arbeitsintensiv.
Der Umgang mit der Geschäftsführung und der Mitarbeitenden untereinander war typisch für einen mittelständischen Betrieb und ähnelte der Führungsstruktur unseres eigenen Familienunternehmens. Der Seniorchef hatte noch großen Einfluss auf die Entscheidungen.
Albrecht war als Geschäftsführer auch für das Marketing verantwortlich und so lernten wir uns schnell besser kennen und schätzen. 1993 heirateten wir und Ende des Jahres kam unser erster Sohn Lukas auf die Welt. Es folgten eineinhalb Jahre später unsere Tochter Lilli, zwei Jahre später Ludwig und weitere zwei Jahre darauf Paul. In meiner Mutterrolle war ich glücklich, auch wenn ich gerne zumindest in Teilzeit gearbeitet hätte. Mit vier kleinen Kindern war das damals so gut wie unmöglich. Ich kümmerte mich um Haus und Kinder und hielt, wie es üblich war, meinem Mann den Rücken frei.
Anfang der 2000er-Jahre verschlechterte sich die finanzielle Lage des Unternehmens. Es wurden zwar Maßnahmen ergriffen, trotz allem musste man schließlich im Januar 2006 Insolvenz anmelden. Der Insolvenzverwalter beauftragte einen Sanierer für ein detailliertes Sanierungskonzept. Nachdem die Banken eine weitere Geschäftsführung meines Mannes nicht zuließen, kam die Frage auf, ob ich aufgrund meiner Qualifikation als Geschäftsführerin des Unternehmens fungieren könnte. Mit dieser neuen Situation hatte ich überhaupt nicht gerechnet. Zwar kannte ich das Unternehmen, doch jetzt in so kurzer Zeit Verantwortung zu übernehmen war ein Gedanke, an den ich mich erst gewöhnen musste. Die Stärken der Marke, die ausgereiften Produkte, die in der Branche immer noch marktführend in ihrer technischen Ausführung waren und die hohe Loyalität der Mitarbeitenden sprachen dafür, es zu wagen.
Wir diskutierten Abende lang und kamen schließlich zu dem Entschluss, dass ein Neustart erfolgreich sein könnte. Die Finanzierung schien zunächst einfach, da zum einen Verbindlichkeiten bei den Banken übernommen werden mussten und der Rest des Kaufpreises über einen 10-tägigen Einbehalt der Einnahmen auf dem Firmenkonto durch den Insolvenzverwalter geregelt wurde. Aus heutiger Sicht würde ich mich darauf nicht mehr einlassen. Die Verbindlichkeiten bei den Banken waren langfristig geregelt und steuerbar. Der Insolvenzverwalter aber hielt sich nicht an die Abmachung. Die Einnahmen durch Zahlungen unserer Kund:innen, die nach dem 10. Tag weiterhin auf dieses Konto eingingen, immerhin eine 6-stellige Summe, wurden erst nach eineinhalb Jahren übertragen. In dieser Zeit hatte ich zum Ende jedes Monats manche schlaflose Nacht. Mir wurde klar, wie Insolvenzverwalter einfach Fakten schaffen, sich nicht an Abmachungen halten, selbst wenn sie schriftlich fixiert wurden. Der Neustart hätte um einiges leichter sein können.
In den ersten drei Jahren der Nachfolge war viel Arbeit auf mich zugekommen. Eine Achterbahnfahrt aus Herausforderung und Zuversicht, Fehlern und richtigen Entscheidungen und vor allem Mitarbeitende, die mich sehr unterstützten. Die Arbeit machte Spaß, es ging voran im Unternehmen, die Stimmung war gut! Jeder Euro, der erwirtschaftet wurde, wurde reinvestiert in neue Maschinen, neue Entwicklungen, neue Märkte.
Das Team der Führungskräfte, das diese Zeit mit mir meisterte, unterstützte mein Vorhaben. Die große Verantwortung für meine und deren Familien war der Motor für alle Anstrengungen und die Motivation für mein Tun.
Die Anzahl der Mitarbeitenden, die in den Zeiten der Sanierung halbiert wurde, nahm langsam wieder zu, die Vertriebsteams in den 20 eigenen Ausstellungen, den Biffar-Studios, waren motiviert und erfolgreich im deutschen Markt. Ein kleiner schon bestehender Exportmarkt in Taiwan für große Türportale mit einer Oberfläche aus handgetriebenem Kupfer ermutigte mich, auch die ersten Schritte in den chinesischen Markt zu wagen.
Mithilfe einer Beratungsfirma aus München gelang es uns dann, den ersten Händler in Peking zu gewinnen. Mehrere andere Händler in Shanghai, Shenzhen, Souzhou und weiteren Millionenstädten kamen später hinzu, sodass ich bis zu sechs Mal im Jahr eine Woche in China unterwegs war. Es gab einige Wettbewerber, aber keiner der Eigentümer hatte den gleichen Familiennamen wie seine Firma. Ein unschätzbarer Vorteil für mich. Hinzu kam, dass Frauen in der chinesischen Kultur im Geschäftsleben gleichwertig anerkannt sind. Die Bauträger fühlten sich geehrt, wenn ich als Eigentümerin selbst zu den Verhandlungen mit unseren Händlern kam. Das macht bis heute einen großen Teil unseres Erfolges dort aus.
In den Wochen, in denen ich in Edenkoben arbeitete, versuchte ich bis 16.00 Uhr alles Wichtige zu erledigen. Danach holte ich die Kinder von der Schule ab und fuhr sie zum Hockey- und Fußballtraining. Auch die Wochenenden verbrachte ich überwiegend auf Sportplätzen und -hallen. Es blieb mir nur wenig Zeit für eigene Hobbys. Trotzdem würde ich alles genauso wieder machen. Gerade in der Zeit der Pubertät war ich froh, dass die Kinder feste soziale Bindungen in den Sportteams hatten und jedes Wochenende ein interessantes Sportprogramm mit ihren Freund:innen.
Das Thema Schule entwickelte sich auch sehr gut. Durch das eigenständige Lernen in der Internationalen Schule waren Schulthemen, Hausaufgabenkontrolle und das Lernen für Tests völlig vom Tisch. Wir haben irgendwann aufgehört uns auszurechnen, was wir in diese Schule investiert hatten, einfach weil es keine Alternative mit Ganztagsbetreuung zu dieser Zeit gab, weil wir sahen, wie selbstbewusst sich die Kinder auf dieser Schule entwickelten und wie selbstverständlich die englische Sprache für ihr Leben wurde. Auch diesen Schritt würde ich heute wieder so gehen. Im Vergleich zum deutschen Schulsystem, das ich vorher erleben durfte, hat mich das System der Internationalen Schule gelehrt, wie wichtig es ist, die positiven Seiten und Stärken jedes Kindes zu unterstützen, immer zu ihm zu stehen und es stark zu machen in allem, was es besonders gut kann.
Schwieriger gestaltete sich die Situation zwischen meinem Mann und mir, als er in die Verantwortung in Form einer Geschäftsführung zurück wollte. Da ich aus verschiedenen Gründen dem nicht zustimmen konnte, trennten wir uns 2011 beruflich und privat.
Inzwischen sind weitere zwölf Jahre vergangen, in denen ich mit großer Freude die Firma führe. Vor drei Jahren haben wir zusätzlich einen Fensterbetrieb mit 110 Mitarbeitenden erworben, der ganz in unserer Nähe zum Verkauf stand. Dort ist ein angestellter Geschäftsführer eingesetzt, mit dem die Zusammenarbeit sehr gut klappt. Dies war ein wichtiger Schritt in unserer Strategie, uns breiter aufzustellen.
Auch meinen eigenen Nachfolgeprozess haben wir letztes Jahr begonnen. Zwei der Kinder, unsere Tochter Lilli und der jüngste Sohn Paul, haben sich für ein Medizinstudium entschieden. Zwei der Jungs, Lukas und Ludwig, haben sich entschlossen, ins Unternehmen zu kommen. Über diese Entscheidung freue ich mich sehr, denn ich habe immer versucht, keinen Druck zu machen. Die Herausforderung, die neuen Ideen und die Energie der beiden zu integrieren und gleichzeitig Bewährtes zu wahren, ist manchmal ein schmaler Grat.
Über den Verband der Familienunternehmer bekamen wir verschiedene Empfehlungen für ein Coaching. Hier legen wir zum einen fest, wie wir emotional verletzungsfrei kommunizieren, gerade wenn wir unterschiedlicher Meinung sind. Wir lernen, Muster in der Kommunikation zu erkennen, um rechtzeitig gegenzusteuern. Besonders hilft es uns aber, feste Tage zu vereinbaren, an denen wir an unseren Ideen für die gemeinsame Zukunft arbeiten und wichtige Themen besprechen können.
Wir sind uns einig, dass beide Söhne langsam in die Gesamtverantwortung wachsen sollen. Lukas ist mit seinen 29 Jahren aktuell verantwortlich für den Vertrieb in unserem Showroom in München, verkauft selbst und führt dort drei Mitarbeitende im Team. Ludwig ist verantwortlich als Teamleiter in der Einführung unseres neuen ERP-Systems und hat hier mit allen Mitarbeitenden im Unternehmen zu tun. Die Verhandlung mit der IT-Firma führt er eigenständig, was für ihn mit seinen 26 Jahren auch eine große Herausforderung ist. Wichtig war uns, dass es eigenständige Bereiche sind, in denen sie wirken und die auch messbar sind.
Wenn ich heute zurückschaue, denke ich, es ist gut, dass man vorher nicht weiß, was auf einen zukommt. So kann man Schritt für Schritt seinen Weg gehen. Wichtiger noch als die richtige Ausbildung war für mich auf jeden Fall immer ein positives Mindset: ins Gelingen zu vertrauen. Dabei versuche ich meine Söhne mitzunehmen und ihnen vorzuleben, ruhig mutig zu sein, wenn das Bauchgefühl stimmt. Vielleicht ist das meine „Masterarbeit“, an der ich die nächsten Jahre arbeiten und lernen darf, um in ein paar Jahren mit gutem Gefühl unser Family Business loslassen zu können. Darauf freue ich mich von ganzem Herzen.
© Christian o Bruch/Laif
ANNEKE HINES
Partnerin Sollors & Co.(GmbH & Co. KG) –Corporate Finance – AssetManagement
Was hat dich daran fasziniert, Nachfolgerin zu werden?
Als ich die Chance von den beiden geschäftsführenden Gesellschaftern in unserem Unternehmen erhielt, Teil des Gesellschafterkreises zu werden, musste ich nicht lange überlegen. Ich bin Partnerin und Gesellschafterin in einem Unternehmen geworden, in dem ich fast seit Gründung dabei bin und das ich mit aufgebaut habe. Ich bin Teil eines Partnerkreises, der sich lange kennt und arbeite in einer positiven Unternehmenskultur, zu der jede Kollegin und jeder Kollege beiträgt. Ich freue mich, die Zukunft des Unternehmens mitzugestalten. Für mich ist der Schritt ein Zeichen des Vertrauens und der Wertschätzung in beide Richtungen.
Wer war deine wichtigste Mentorin bzw. dein wichtigster Mentor?
Zu Beginn meiner Karriere war mein wichtigster Mentor mein erster Chef. Er hat mich immer gepusht, an mich und meine Fähigkeiten geglaubt und mich regelmäßig motiviert, meine Komfortzone zu verlassen. Ein weiterer wichtiger Mentor ist eine Person, die mir immer wieder Türen zu neuen Räumen aufgemacht hat und durch die ich Erfahrungen auch einmal rechts und links von meinem Pfad gemacht habe, die ich als sehr wertvoll und bereichernd ansehe.
Außerdem lebt er mir ständig die Energie davon vor, alles – gerade auch die eigenen Entscheidungen – immer wieder zu hinterfragen und nie den Status quo als gegeben anzunehmen.
Wenn auch kein Mentor, möchte ich eine Person erwähnen, da ich von ihm die Bedeutung von Kommunikation – in egal welcher zwischenmenschlichen Beziehung – gelernt habe.
Was ist deiner Meinung nach das Schwierigste bei der Nachfolge?
Aus meiner Sicht sind es zwei Themen, die beide mit Vertrauen zu tun haben. Das erste ist, die richtige Lösung oder die richtige Person bzw. die richtigen Personen frühzeitig für die Nachfolge zu identifizieren. Das zweite ist die Emotionalität entlang des Prozesses. Dies ist gerade in Familien mit der Vielschichtigkeit der unterschiedlichen Rollen der einzelnen Personen und dem potenziellen Auseinandergehen von Interessen der Generationen zentral.
2022 haben wir unseren Partnerkreis im Unternehmen von den bisher zwei geschäftsführenden Gesellschaftern zu nun fünf Personen erweitert. Der Schritt war das Resultat aus einem gemeinsamen Prozess, in dem wir die Grundsteine für unsere auf Langfristigkeit angelegte Rolle in dem Unternehmen gelegt haben. Die Erweiterung ist die Vorbereitung des Generationsübergangs und basiert auf dem Vertrauen zwischen Personen, die alle seit mittlerweile über einer Dekade zusammenarbeiten.
Während wir noch den ersten Generationswechsel in Angriff nehmen, möchte ich hier von einem Fall aus meiner Berufspraxis berichten, von einem Unternehmen, das bereits sehr weit entlang des Prozesses ist. Seit 19 Jahren berate ich bei Fusionen und Übernahmen, davon die letzten fast 14 Jahre mit Fokus auf Unternehmen im gehobenen deutschen Mittelstand. Hierbei spielt das Thema Nachfolge durch Exit eine wichtige Rolle.
Es gibt viele Fälle, bei denen weder in der Familie noch im Unternehmen selber die Nachfolge möglich ist. Hier kommt häufig ein Exit, also die Veräußerung des Unternehmens, infrage. Aber es muss nicht immer 100 Prozent oder 0 Prozent sein. Es gibt auch Nuancen dazwischen. In dem hier beschriebenen Fall geht es um das schöne Beispiel einer Familie, die sehr schlau ihre Rolle als Gesellschafter neu definiert hat.
Kernpunkte dabei waren die Diversifikation des Vermögens und eine gemeinsame Vision davon, wo man als Familie in der Zukunft gemeinsam neben der Gesellschaft unternehmerisch aktiv sein möchte. Im Ergebnis hat die Familie einen neuen Mitgesellschafter aufgenommen und parallel ein unternehmerisch investierendes Family Office mit einem Fokus auf Nachhaltigkeit aufgebaut. Entlang des Weges hat man gemeinsame Ziele entwickelt, mit denen sich die Familie identifiziert und alle entlang des Weges mitgenommen, während gleichzeitig viel Flexibilität für die Wünsche eines jeden Einzelnen gelassen wurde. Zudem ist es ein finanzwirtschaftlich spannendes Modell.
Die Ausgangslage
Die Familie ist Gesellschafter eines international agierenden Unternehmens mit ca. 30.000 Mitarbeitern in 4. Generation mit 16 Gesellschaftern. Das Management wurde zunächst durch familienexterne Personen ergänzt, seit der vorangegangenen Generation ist es vollständig extern besetzt. Die Familie ist im Beirat, u. a. über den Vorsitz, vertreten.
Strukturen und Governance anpassen
In einem intensiven gemeinsamen Prozess haben die Gesellschafter eine Familiensatzung mit einer klaren Rollendefinition innerhalb der Familie entwickelt. Hierbei wurde u. a. ein Sprecher, der ebenfalls Vorsitzender des Beirats des Unternehmens ist, gewählt.
In diesem Prozess hat sich die Familie auch mit ihrer Gesellschafterrolle und den gemeinsamen Zielen diese betreffend auseinandergesetzt. Dabei hat man sich klar für die langfristige aktive Rolle in der Steuerung als Gesellschafter sowie dem gemeinsamen Unternehmertum bekannt. Gleichzeitig hat man den Wunsch nach einer Diversifikation des Familienvermögens durch Freisetzung von Kapital für unternehmerische Investitionen formuliert. Es wurde entschieden, das erste Mal in der Unternehmensgeschichte einen externen Investor aufzunehmen. Es folgte ein Prozess mit zwei Strängen.
Strang 1: Aufnahme Mitgesellschafter und Weiterentwicklung des Wachstums-Cases
Nach der Entscheidung wurde der Auswahl des richtigen Partners viel Aufmerksamkeit geschenkt. Es wurde ein Mitgesellschafter mit einem signifikanten Anteil aufgenommen, ohne dass die Familie in eine Minderheitsposition rutscht und somit die Kontrolle aufgibt. Das Unternehmen profitiert von einer Kapitalinjektion zur Finanzierung von weiterem Wachstum in ausgewählten Märkten und davon, dass der neue Mitgesellschafter einen strategischen Mehrwert mitbringt. Mit dem Investor wurde vor Abschluss der Transaktion ein gemeinsamer Plan mit klar definierten Zielen entwickelt. In der neuen Struktur wird das Wachstum des Unternehmens aus Sicht der Familie gehebelt. Und damit auch der Wert des weiter bestehenden maßgeblichen Anteils.
Strang 2: Aufbau eines unternehmerischen Family Offices für gemeinsame Investitionen der Erlöse
Für die Zuflüsse an die Familie aus dem Verkauf der Anteile hat man gemeinsam in einem Parallelprojekt zu der Transaktion ein gemeinsames Investmentvehicle entwickelt. Es gab eine Einladung an alle Familienmitglieder, an der Ausgestaltung und Entwicklung mitzuwirken, der weitreichend gefolgt wurde. Jeder Einzelne konnte entscheiden, ob er sich beteiligt. Im Ergebnis hat ein Großteil der Familie die Erlöse aus dem Verkauf der Anteile wieder eingebracht und investiert weiter gemeinsam unternehmerisch.
Bei der Entwicklung wurden in einer Reihe von Workshops die Governance, der Investmentfokus und das Ziel definiert. Daneben liefen die steuerlichen und rechtlichen Vorbereitungen, bei denen die individuellen Bedürfnisse der einzelnen Personen berücksichtigt wurden.
Die Definition des Investmentfokus ist aus zwei Gründen wichtig. Zum einen leitet sie die Entscheidung bzgl. der Investition in individuelle Investmentopportunitäten für das Family Office. Zum anderen ermöglicht sie aber auch eine klare Positionierung am Markt. In einer Zeit, in der Kapital im Überfluss vorhanden ist, wird es immer wichtiger, sich als Investor gegenüber Kapitalsuchenden von anderen Marktteilnehmern zu differenzieren.
Die Erfahrungen aus der Branche sollten somit einen Mehrwert für ein Unternehmen geben, in das neu investiert wird. Auch wollte man sich entlang von Megatrends für die Zukunft ausrichten. Weiter identifiziert sich die Familie stark mit Nachhaltigkeitsthemen. Hieraus wurde der Investmentfokus abgeleitet, der heute die Investitionen bestimmt.
So hatte die Erarbeitung des Investmentfokus einen weiteren Effekt: die Identifikation der Gesellschafter mit dem Family Office und eine weitere Quelle für den unternehmerischen Zusammenhalt innerhalb der Familie außerhalb des angestammten Unternehmens.
Perspektive mit Flexibilität
Die Perspektive für die Gesellschafter ist vielschichtig. Aus der Corporate-Finance-Sicht kann man sich mehrere Folgeschritte vorstellen.
Durch den Mitgesellschafter wird ein Hebel auf die Wertsteigerung des Unternehmens erzeugt und damit auf den Wert des Anteils der Familie in der Zukunft. Die Optionen für die Familie reichen von dem Rückkauf der Anteile, dem Erhalt des Status quo, über die Abgabe von weiteren Anteilen, einem Börsengang bis zu einem Komplettverkauf. Welche dieser Optionen in der Zukunft zum Tragen kommt, wird auch dann wieder mit Blick auf die Bedürfnisse der nachfolgenden Generation und gemeinsam entschieden werden.
Erfolgsfaktoren
Was waren wesentliche Erfolgsfaktoren?
Über die Nachfolge sollte frühzeitig nachgedacht werden, damit ohne Zeitdruck Strukturen angepasst und Rollen geschärft werden können. Das galt in diesem Fall auch für die Rolle der Familie als Gesellschafter. An den langfristigen Zielen ausgerichtet hat man ebenfalls die Governancestruktur definiert.
Für die Verhandlungen wurde ein Sprecher benannt, der ein klares Mandat von seinen Mitgesellschaftern erhalten hat. In Verhandlungssituationen mit mehreren Gesellschaftern kann auch eine Gesellschaftervereinbarung Klarheit bringen.
Von zentraler Bedeutung war trotz dieser Funktion das Mitnehmen aller Familienmitglieder entlang eines Prozesses mit wichtigen und auch für die zukünftigen Generationen mit getroffenen Entscheidungen. Eine Verantwortung, der sich alle bewusst waren und die von allen angenommen wurde. Die Nachfolge bringt immer emotionale Elemente mit sich. Die Bedeutung für den Erfolg sollte man nicht unterschätzen und ihnen genügend Raum geben.
Auch in unserem Unternehmen haben wir bei der Erweiterung des Partnerkreises unsere Rollen definiert und damit auch bestimmte Zuständigkeiten, die z. T. schon implizit gelebt wurden, explizit gemacht. Dies hat zu mehr Verantwortungsgefühl und Identifikation geführt. Wichtige Entscheidungen treffen wir einstimmig. Wenn auch in einer anderen Größenordnung, so haben auch wir einen Grundstein für die Zukunft gelegt. Ich bin gespannt und freue mich auf das, was kommt.
DR. ANKE KLAS
Selbstständige Zahnärztinin Einzelpraxis (Inhaberin)
Welche Fragen hast du dir gestellt, um über die Nachfolge zu entscheiden?
Grundsätzlich ist es wichtig, dass das Unternehmen, in meinem Fall die Praxis, im Gesamtbild zur Nachfolgerin oder zum Nachfolger passt. Dazu zählen die fachliche Qualifikation, genügend Erfahrung im jeweiligen Bereich und soziale Kompetenz. In der heutigen Zeit ist ein zunehmendes Bewusstsein für Nachhaltigkeit und Corporate Social Responsibility von großer Bedeutung. Die gewisse Leidenschaft und Motivation, auch für Veränderungen, sind dann das i-Tüpfelchen bei der Entscheidungsfindung. Und natürlich letztendlich auch die finanzielle Fähigkeit, das notwendige Kapital aufzubringen.
Wer war deine wichtigste Mentorin bzw. dein wichtigster Mentor?
Ich mir selbst. Gerne sauge ich alle Informationen zum Thema auf, das meist aus Fachbüchern oder durch Erfahrungsberichte beim Networking. Ich analysiere und erstelle Tabellen mit Vor- und Nachteilen. Vorgehen und Entscheidungen im Prozess treffe ich selbst. Dabei hilft mir auch meine langjährige Berufserfahrung und Menschenkenntnis. Das innere „Ich“ muss zufrieden sein. Die letzte Absprache findet immer mit meinem Lebenspartner statt.
Welches Wissen, das du nun hast, hättest du gerne bereits vor der Nachfolge gehabt?
Eigentlich schreibe ich aus der Sicht der Unternehmensabgeberin, aber ich kann mich nur zu gut an die Zeit meiner Nachfolge erinnern und da gab es ein signifikantes Thema: „Personal“, mit seinen Facetten Findung und Bindung sowie Personalmanagement. Diesen Bereich habe ich damals absolut unterschätzt. Ich musste mir eine Strategie aneignen, um sicherzustellen, dass die Angestellten motiviert und engagiert bleiben. Außerdem war ich anfangs völlig überfordert mit Konflikten zwischen Mitarbeiter:innen. Mittlerweile weiß ich, dass Kommunikation eine große Schlüsselrolle bei allen Problemen spielt.
Was ist deiner Meinung nach das Schwierigste bei der Nachfolge?
Es gibt meiner Meinung nach zwei Dinge. Zum einen den „passenden Deckel auf den Topf“ zu finden, d. h. die richtige Nachfolgerin oder den richtigen Nachfolger zu finden. Der Deckel symbolisiert die perfekte Passform und Komplementarität zwischen Abgeber:in und Nachfolger:in. Eine gute Projektbeschreibung ist hier hilfreich. Zum anderen die richtige Ausformulierung der Verträge. Das beinhaltet auch die Preisfindung. An dieser Stelle sollte professionelle Hilfe beauftragt werden.
Bei meinen Überlegungen zur „Unternehmensnachfolge“ in der Zahnmedizin war ich zunächst leicht irritiert. Aber was verunsicherte mich? Zahnärzt:innen sind Freiberufler:innen, d. h. keine Gewerbetreibenden! Ist meine Praxis ein Unternehmen? Wir Zahnärztinnen und Zahnärzte unterliegen dem ärztlichen Ethos, welches sich auf moralische Grundsätze und Verhaltensweisen im Berufsalltag bezieht. Es beinhaltet Aspekte wie Patientenorientierung, Verantwortung, Vertraulichkeit, Integrität mit dem Ziel, eine hohe Qualität der medizinischen Versorgung zu gewährleisten, ohne wirtschaftlichen Fokus. Das heißt, wir Zahnärztinnen und Zahnärzte sind nicht profitorientiert und haben die Patienten im Blick. Doch wie passen Unternehmertum und Medizin zusammen, mit immer höher werdenden Praxis-Investitionskosten, steigendem Bürokratieaufwand und fehlendem Personal? Macht es eigentlich noch Sinn, in eine Praxis zu investieren? Finde ich überhaupt eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger? Wie sieht die Zukunft aus? Dies beschäftigt nicht nur mich als potenzielle Praxisabgeberin, nein, auch die Nachfolger:innen.
In meiner fast 25-jährigen Selbstständigkeit habe ich viele Entwicklungen miterlebt. Doch die auffälligste war und ist die demografische Entwicklung sowie die damit einhergehende Feminisierung der Zahnmedizin. Heute sind zwei Drittel der Studienanfänger:innen im Fach Zahnmedizin weiblich, Tendenz weiter steigend. 2020 machte der Frauenanteil unter den zahnärztlich Berufstätigen in Deutschland 46,8 Prozent aus. In den Anfängen der 1950er-Jahre waren es lediglich ca. 13,5 Prozent. Das Berufsbild hat sich massiv verändert. Bundes- als auch landesweit prolongiert der Trend, dass der Anteil der angestellten Zahnärztinnen und Zahnärzte weiter wächst und die Zahl der Niederlassungen ortsabhängig stagniert bzw. sogar rückläufig ist. In den nächsten fünf Jahren werden viele Praxen abgegeben, wobei immer weniger Zahnärzt:innen bereit sind, diese zu übernehmen. Diese Entwicklung hat multiple Faktoren: die geänderte Einstellung zur Work-Life-Balance, die Angst vor der Selbstständigkeit und die vermeintliche Sicherheit des Angestelltenverhältnisses. Parallel zu dieser Entwicklung, die sich seit 2007 abzeichnet, tut sich zu wenig in der männlich dominierten Standespolitik. Zwar wurde das Vertragsrecht für mehr Flexibilität der Anstellung geändert, aber weitere berufspolitische Maßnahmen wären notwendig, um den damit verbundenen Veränderungen für den Berufsstand und des Gesundheitssystems zu begegnen. Aus ihrer Lebenssituation heraus haben Frauen völlig andere Ansprüche an die Gestaltung des Berufsfeldes, da sie Beruf und Familie in Einklang bringen müssen. Diese erschweren die Aufgabenerfüllung der Selbstverwaltung, z. B. der Sicherstellung der zahnärztlichen Versorgung. Jetzt kommen wir zu einem Punkt, der mich dazu gebracht hat, mich standespolitisch als Präsidentin im Verband der ZahnÄrztinnen plus e.V. zu engagieren. Dabei spielte das Thema Unternehmensnachfolge bzw. Praxisnachfolge eine große Rolle. Dies dient durchaus auch meinem eigenen Interesse, denn meine Praxis steht früher oder später zum Verkauf. Und die Frage steht im Raum: Wie finde ich eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger und was sind deren Anforderungen und Ansprüche?
Ich habe festgestellt: Unsicherheit ist die größte Hürde für den Schritt in die Selbstständigkeit.