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Unterrichtsmanagement E-Book

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Beschreibung

Guter Unterricht will gut geplant und gut vorbereitet sein, mit messbaren Erfolgen umgesetzt und systematisch optimiert werden können. Dieser Band widmet sich daher all den didaktischen, pädagogischen, curricularen und institutionellen Herausforderungen einer guten Lehrpraxis vor, während und nach dem Unterricht. Zur Unterrichtsentwicklung, dem Unterrichtsmanagement und der Evaluation von Unterricht gehören umfassende Kriterien für die Qualität des Unterrichts und Indikatoren für seinen Erfolg, vielseitige Verfahren des gemeinsamen Managements sowie eine vertiefte Kenntnis von bewährten Prinzipien des Sprachenerwerbs, wie sie in einschlägige Qualitätsrahmen etwa im Auslandsschulwesen - eingegangen sind. Der Band eignet sich daher als grundlegende Einführung in das Management von erfolgreichem Fremdsprachenunterricht, als Grundlage für die Lehrplan- und Materialentwicklung und als Pflichtlektüre für alle Lehrkräfte und Institutionen, die sich für die Optimierung der Vermittlung von Sprachen interessieren in Deutsch als Fremd- und Zweitsprache, aber auch in allen anderen Sprachen.

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Unterrichtsmanagement

Jörg Roche / Ágnes Einhorn / Ferran Suñer

A. Francke Verlag Tübingen

 

 

© 2018 • Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen www.francke.de • [email protected]

 

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

 

E-Book-Produktion: pagina GmbH, Tübingen

 

ePub-ISBN 978-3-8233-0109-7

Inhalt

VorwortEinleitung: Die Reihe Kompendium DaF / DaZ1. Curriculum-Design1.1 Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen1.2 Die Anwendung des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen1.3 Curriculum- und Lehrplan-Design2. Planung einer Unterrichtseinheit2.1 Lehr- und Lernziele2.2 Aspekte der Unterrichtsplanung2.3 Binnendifferenzierung und Individualisierung3. Sprachtests im kommunikativen Fremdsprachenunterricht3.1 Ziele, Formen und Rolle der Leistungsmessung3.2 Qualitätsmerkmale von Sprachtests3.3 Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen in der Leistungsmessung4. Testaufgaben gestalten und sprachliche Leistungen bewerten4.1 Überprüfung der rezeptiven Fertigkeiten4.2 Überprüfung der produktiven Fertigkeiten4.3 Überprüfung der kommunikativen Sprachkompetenzen5. Bewertung und Beurteilung in der Unterrichtspraxis5.1 Fördernde Leistungsbewertung5.2 Klassentests5.3 Unterricht und Prüfungen – Zusammenhänge und Rückwirkungen6. Qualitätsmanagement und Unterrichtsführung6.1 Elemente und Werkzeuge im Qualitätsmanagement6.2 Qualitätskriterien6.3 Qualitätsmanagement im Sprachunterricht an Hochschulen7. Qualitätsverfahren im schulischen Alltag7.1 Maßnahmen der Qualitätssicherung7.2 Instrumente für das Qualitätsmanagement7.3 Weitere Instrumente zum Qualitätsmanagement8. Lehren Lernen8.1 Grundlagen der Erwachsenenbildung8.2 Merkmale und Formate der Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften8.3 Planung und Durchführung von Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen9. Literaturverzeichnis10. AbbildungsverzeichnisSachregister

Vorwort

Trotz vieler neuerer Bemühungen um Kompetenz-, Aufgaben- und Handlungsorientierung kommen in der Praxis der Sprachvermittlung weiterhin verbreitet traditionelle Verfahren zur Anwendung, beispielsweise bei der Festlegung der Lehrprogression, den Niveaustufen, der Fehlerkorrektur und der Leistungsmessung. Mit der Weiterentwicklung der kognitiven Linguistik und weiterer kognitiv ausgerichteter Nachbardisziplinen beginnt sich nun aber auch in der Sprachvermittlung in vieler Hinsicht ein Paradigmenwechsel zu vollziehen. Die kognitionslinguistischen Grundlagen dieses Paradigmenwechsels werden in dieser Reihe systematisiert und anhand zahlreicher Materialien und weiterführender Aufgaben für den Transfer in die Praxis aufbereitet.

Die Reihe Kompendium DaF/DaZ verfolgt das Ziel einer Vertiefung, Aktualisierung und Professionalisierung der Fremdsprachenlehrerausbildung. Der Fokus der Reihe liegt daher auf der Vermittlung von Erkenntnissen aus der Spracherwerbs-, Sprachlehr- und Sprachlernforschung sowie auf deren Anwendung auf die Sprach- und Kulturvermittlungspraxis. Die weiteren Bände behandeln die Themen Sprachenlernen und Kognition, Kognitive Linguistik, Berufs- und Fachsprachen, Sprachenlehren, Medien, Kultur, Mehrsprachigkeitsforschung, Propädeutik.

Durch die thematisch klar abgegrenzten Einzelbände bietet die Reihe ein umfangreiches, strukturiertes Angebot an Inhalten der aktuellen DaF/DaZ-Ausbildung, die über die Reichweite eines Handbuchs weit hinausgehen und daher sowohl in der akademischen Lehre als auch im Rahmen von Weiter- und Fortbildungsmaßnahmen behandelt werden können.

Die Reihe wird daher von (fakultativen) flexibel einsetzbaren Online-Modulen für eine moderne Aus- und Weiterbildung begleitet. Diese Online-Module ergänzen den Stoff der Bücher und enthalten Zusatzlektüre und Zusatzaufgaben (www.multilingua-akademie.de). Das Digitale Lexikon Fremdsprachendidaktik (www.lexikon-mla.de) bietet darüber hinaus Erklärungen der wichtigsten Fachbegriffe und damit einen leichten Zugang zu allen aktuellen Themen der Fremdsprachendidaktik und der Sprachlehr- und -lernforschung.

Möglich gemacht wurde die Entwicklung der Inhalte und der Online-Module durch die Förderung des EU Tempus-Projektes Consortium for Modern Language Teacher Education. Neben den hier verzeichneten Autorinnen und Autoren haben eine Reihe von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an der editorischen Fertigstellung des Manuskriptes dieses Buches mitgewirkt: Svenja Uth, Julia Bode, Patricia Boos, Eduard Arnhold, Daniel Echter und Kathrin Heyng (Gunter Narr Verlag). Ihnen allen gebührt großer Dank für die geduldige und professionelle Mitarbeit.

Einleitung: Die Reihe Kompendium DaF / DaZ

Jörg Roche

Der Bedarf an solider Aus-, Fort- und Weiterbildung im Bereich der Sprachvermittlung nimmt ständig zu. Immer stärker treten dabei spezialisierte Anforderungen zum Beispiel in Bezug auf Fach- und Berufssprachen, Kompetenzen oder Zielgruppen in den Vordergrund. Theoretisch fundiert sollten die entsprechenden Angebote sein, aber gleichzeitig praxistauglich und praxiserprobt. Genau diese Ziele verfolgen die Buchreihe Kompendium DaF / DaZ und die begleitenden Online-Module. In mehreren Modulen und Bänden soll hiermit eine umfassende Einführung in die Wissenschaft und in die Kunst des Sprachenlernens und Sprachenlehrens gegeben werden, weit weg von fernen Theorie- oder Praxiskonstruktionen und Lehr-Dogmen. Im Mittelpunkt des hier verfolgten Ansatzes steht das, was in den Köpfen der Lerner geschieht oder geschehen sollte. Sachlich, nüchtern, effizient und nachhaltig. Buchreihe und Online-Module sind eine Einladung zur Professionalität eines Bereichs, der die natürlichste Sache der Welt behandelt: den Sprachenerwerb. In diesen Materialien und Kursen werden daher Forschungsergebnisse aus verschiedenen Forschungsrichtungen zusammengetragen und der Nutzen ihrer Synthese für die Optimierung des Sprachenerwerbs und Sprachunterrichts aufgezeigt.

Warum Aus-, Weiter- und Fortbildung heute so wichtig ist

Wer sich etwas eingehender darum bemüht zu verstehen, welche Rolle die Sprache im weiten Feld des Kontaktes von Kulturen spielt – oder spielen konnte –, muss von den Gegensätzen, Widersprüchen und Pauschalisierungen, die die Diskussion in Gesellschaft, Politik und Fach bestimmen, vollkommen irritiert sein. Vielleicht lässt sich aus dieser Irritation auch erklären, warum dieser Bereich von so vielen resistenten Mythen, Dogmen und Praktiken dominiert wird, dass das eigentlich notwendige Bemühen um theoretisch fundierte Innovationen kaum zur Geltung kommt. Mangelndes Sprach- und Sprachenbewusstsein besonders in Öffentlichkeit und Politik führen ihrerseits zu einem ganzen Spektrum gegensätzlicher Positionen, die sich schließlich auch bis in die lehrpraktische Ebene massiv auswirken. Dieses Spektrum ist gekennzeichnet durch eine Verkennung der Bedeutung von Sprache im Umgang der Kulturen auf der einen und durch reduktionistische Rezepte für ihre Vermittlung auf der anderen Seite: Die Vorstellung etwa, die Wissenschaften, die Wirtschaft oder der Alltag kämen mit einer Universalsprache wie dem Englischen aus, verkennt die – übrigens auch empirisch über jeden Zweifel erhabenen – Realitäten genauso wie die Annahme, durch strukturbasierten Sprachunterricht ließen sich kulturpragmatische Kompetenzen (wie sie etwa für die Integration in eine fremde Gesellschaft nötig wären) einfach vermitteln. Als ineffizient haben sich inzwischen auch solche Verfahren erwiesen, die Mehrsprachigkeit als Sonderfall – und nicht als Regelfall – betrachten und daher Methoden empfehlen, die den Spracherwerb vom restlichen Wissen und Leben zu trennen versuchen, also abstrakt und formbasiert zu vermitteln. Der schulische Fremdsprachenunterricht und der Förderunterricht überall auf der Welt tendieren (trotz rühmlicher unterrichtspraktischer, didaktischer, struktureller, konzeptueller und bildungspolitischer Ausnahmen und Initiativen) nach wie vor stark zu einer solchen Absonderung: weder werden bisher die natürliche Mehrsprachigkeit des Menschen, die Sprachenökologie, Sprachenorganik und Sprachendynamik noch die Handlungs- und Aufgabenorientierung des Lernens systematisch im Fremdsprachenunterricht genutzt. Stattdessen wird Fremdsprachenunterricht in vielen Gesellschaften auf eine (internationale) Fremdsprache reduziert, zeitlich stark limitiert und nach unterschiedlich kompetenten Standards kanalisiert.

Interkulturelle Kommunikation im Zeitalter der Globalisierung

In unserer zunehmend globalisierten Welt gehört die Kommunikation zwischen verschiedenen Kulturen zu einem der wichtigsten sozialen, politischen und wirtschaftlichen Aufgabenbereiche. Die Globalisierung findet dabei auf verschiedenen Ebenen statt: lokal innerhalb multikultureller oder multikulturell werdender Gesellschaften, regional in multinationalen Institutionen und international in transkontinentalen Verbunden, Weltorganisationen (unter anderem für Wirtschaft, Gesundheit, Bildung, Sport, Banken) und im Cyberspace. Dabei sind all diese Globalisierungsbestrebungen gleichzeitig Teil einer wachsenden Paradoxie. Der Notwendigkeit, die großen sozialen und wirtschaftlichen Probleme wegen der globalen Vernetzung der Ursachen auch global zu lösen, stehen andererseits geradezu reaktionäre Bestrebungen entgegen, der Gefahr des Verlustes der »kulturellen Identität« vorzubauen. Einerseits verlangt oder erzwingt also eine Reduktion wirklicher und relativer Entfernungen und ein Überschreiten von Grenzen ein Zusammenleben und Kommunizieren von Menschen verschiedener Herkunft in bisher nicht gekannter Intensität, andererseits stehen dem Ideal einer multikulturellen Gesellschaft die gleichen Widerstände entgegen, die mit der Schaffung solcher Gesellschaften als überkommen geglaubt galten (Huntington 1997). Erzwungene, oft mit großer militärischer Anstrengung zusammengehaltene multikulturelle Gesellschaften haben ohne Druck keinen Bestand und neigen als Folge des Drucks vielmehr dazu, verschärfte kulturelle Spannungen zu generieren. Auch demokratisch geschaffene multikulturelle Gesellschaften benötigen meist viel Zeit und Energie, um sich aus der Phase der multi-kulturellen Duldung zu inter-kultureller Toleranz und interkulturellem Miteinander zu entwickeln. Die rechtspopulistischen Bewegungen in Europa und die ethnischen Auseinandersetzungen in Afrika und Asien zeigen, dass es zuweilen gewaltig unter der Oberfläche gesellschaftlicher Toleranz- und Internationalisierungspostulate rumort. Ethnozentrismus, Ausländer- und Fremdenfeindlichkeit, Rechtspopulismus, Rassismus, Diskriminierung, Terrorismus, Bürgerkrieg, Massen- und Völkermord sind durch politisch und wirtschaftlich bewirkten Multikulturalismus nicht verschwunden. Das verbreitete Scheitern von Multikulturalismus-Modellen zeigt, dass ein verordnetes oder aufgezwungenes Nebeneinander von Kulturen ohne Mediationsbemühungen eher Spannungen verstärkt, als nachhaltig Toleranz zu bewirken. Es mangelt an effizienten Verfahren der Vermittlung (Mediation) zwischen Kulturen. Den Sprachen kommt in dem Prozess der Mediation deswegen eine besondere Rolle zu, weil er mit der Kommunikation über kulturelle Grenzen hinweg anfängt und auch nur durch diese am Laufen gehalten wird. Die Sprache kann nicht alle Probleme lösen, aber sie hat eine Schlüsselposition beim Zustandekommen interkulturellen Austauschs, die weit über die Beherrschung von Strukturen sprachlicher Systeme hinausgeht. Diese Funktion hat mehr mit Kulturvermittlung als mit strukturellen Eigenschaften sprachlicher Systeme zu tun und sie kann kaum durch eine einzige Lingua Franca erfüllt werden. Das Lernen und Lehren von Sprachen ist in Wirklichkeit eines der wichtigsten politischen Instrumente im Zeitalter der Globalisierung und Internationalisierung. Sprachunterricht und Sprachenlernen werden aber von Lehrkräften und Lernern gleichermaßen oft noch als die Domäne des Grammatikerwerbs und nicht als Zugangsvermittler zu anderen Kulturen behandelt. Wenn kulturelle Aspekte im Fremdsprachenerwerb aber auf die Faktenvermittlung reduziert werden und ansonsten vor allem strukturelle Aspekte der Sprachen in den Vordergrund treten, bleiben wichtige Lern- und Kommunikationspotenziale ungenutzt. Dabei bleibt nicht nur der Bereich des landeskundlichen Wissens unterentwickelt, sondern es wird in erster Linie der Erwerb semantischer, pragmatischer und semiotischer Kompetenzen erheblich eingeschränkt, die für die interkulturelle Kommunikation essentiell sind. Wenn in der heutigen Zeit vordringlich interkulturelle Kompetenzen verlangt werden, dann müssen in Sprachunterricht und Spracherwerb im weiteren Sinne also bevorzugt kulturelle Aspekte der Sprachen und Kommunikation berücksichtigt werden. Dazu bedarf es aber einer größeren Bewusstheit für die kulturelle Bedingtheit von Sprachen und die sprachliche Bedingtheit von Kulturen. Diese müssen sich schließlich in kultursensitiven Lern- und Lehrverfahren manifestieren, die Mehrsprachigkeit nicht nur künstlich rekonstruieren und archivieren wollen, sondern die in Fülle vorhandenen natürlichen Ressourcen der Mehrsprachigkeit und Mehrkulturalität organisch, dynamisch und effizient zu nutzen wissen. Das Augenmerk der künftigen Lern- und Lehrforschung ist daher verstärkt auf Aspekte der Ökologie und Ökonomie des Sprachenerwerbs und Sprachenmanagements zu richten. Das bedeutet aber, dass die Spracherwerbs- und die Mehrsprachigkeitsforschung sich nicht nur eklektisch wie bisher, sondern systematisch an kognitiven und kultursensitiven Aspekten des Sprachenerwerbs und Sprachenmanagements ausrichten müssen. Diesen Aufgabenbereich zu skizzieren, indem wichtige, dafür geleistete Vorarbeiten vorgestellt werden, ist Ziel dieser Reihe.

Interkultureller Fremdsprachenunterricht

Als die Forschung begann, sich mit interkulturellen Aspekten in Spracherwerb und Sprachunterricht zu beschäftigen, geschah dies auf der Grundlage bildungspolitischer Zielsetzungen und hermeneutischer Überlegungen. Literarische Gattungen sollten den kommunikativen Trend zur Alltagssprache ausgleichen helfen und damit gleichzeitig frische, auf rezeptionsästhetischen Theorien basierende Impulse für das Fremdverstehen und die Fremdsprachendidaktik liefern (vergleiche Hunfeld 1997; Wierlacher 1987; Krusche & Krechel 1984; Weinrich 1971). Die anfängliche Affinität zu lyrischen Texten weitete sich auf andere Gattungen aus und verjüngte mit dieser Wiederentdeckung der Literatur im Fremdsprachenunterricht gleichzeitig das in den 1980er Jahren bereits zum Establishment gerinnende kommunikative Didaktikparadigma. Man vergleiche die Forderung nach einem expliziten interkulturellen Ansatz von Wylie, Bégué & Bégué (1970) und die bereits frühe Formulierung der konfrontativen Semantik durch Müller-Jacquier (1981). Für die auf Zyklen sozialisierte Zunft der Sprachlehre stand fest: das ist eine neue, die vierte Generation der Fremdsprachendidaktik, die interkulturelle, oder zumindest die Version 3.5, die kommunikativ-interkulturelle. Allerdings hat diese Euphorie nicht überall zu einer intensiveren, systematischen Reflexion interkultureller Aspekte in Bezug auf ein besseres Verstehen des Sprachenlernens und eine effizientere Ausrichtung des Sprachenlehrens geführt. Selbst in der Lehrwerksproduktion, deren Halbwertzeitzyklen seitdem immer kürzer werden, ist die Anfangseuphorie vergleichsweise schnell verflogen. Infolge des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GER) – und bereits seines Vorgängers, des Schwellen-Projektes (threshold level project) des Europarates – scheinen sich aufgrund der (oft falsch verstandenen) Standardisierungen die starken Vereinheitlichungstendenzen zu einer Didaktik der Generation 3 oder gar 2.5 zurück zu verdichten. Die Aufnahme der Fremdperspektive in Lehrwerken beschränkte und beschränkt sich oft auf oberflächlich vergleichende Beschreibungen fremder kultureller Artefakte, und die Behandlung der Landeskunde unterliegt nach wie vor dem Stigma der vermeintlich mangelnden Unterrichtszeit.

Ein kleiner historischer Rückblick auf die Entwicklung des Fremdsprachenunterrichts

Der Fremdsprachenunterricht ist traditionellerweise vor allem von den bildungspolitischen, pädagogischen, psychologischen und soziologischen Vorstellungen der entsprechenden Epoche und ihren gesellschaftlichen Trends beeinflusst worden. Diese Aspekte überschreiben im Endeffekt auch alle sporadischen Versuche, den Fremdsprachenunterricht an sprachwissenschaftlichen oder erwerbslinguistischen Erkenntnissen auszurichten. So verdankt die Grammatik-Übersetzungsmethode ihre Langlebigkeit den verbreiteten, aber empirisch nicht begründeten Vorstellungen von der Steuerbarkeit des Lerners, der Autorität des Inputs und der Bedeutung elitärer Bildungsziele. Mit den audio-lingualen und audio-visuellen Methoden setzt eine Ent-Elitarisierung und Veralltäglichung des Sprachenlernens ein. Die vorwiegend mit Alltagssprache operierenden Methoden sind direkte, wenn auch reduzierte Abbildungen behavioristischer Lernmodelle und militärischer Bedürfnisse ihrer Zeit. Der kommunikative Ansatz schließlich ist von den Demokratisierungsbestrebungen der Gesellschaften bestimmt. Sein wichtigstes Lernziel, die kommunikative Kompetenz, ist dem soziologischen Ansatz der Frankfurter Schule entlehnt (Habermas 1981). Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen stellt zwar keinen neuen didaktischen Ansatz dar, bildet aber über seine Ausrichtung auf den pragmatischen und utilitaristischen Bedarf eines zusammenwachsenden und mobilen europäischen Arbeitsmarktes den Zeitgeist des politisch und wirtschaftlich gewollten Einigungsprozesses in Europa ab und wirkt daher paradigmenbildend und auf den Unterricht stärker standardsetzend als alle didaktischen Ansätze zuvor. Er weist deutliche Parallelen zu den Proficiency-Guidelines des American Council of Teachers of Foreign Languages (ACTFL) auf, die ihrerseits – wie bereits die audiolinguale Methode – stark von den Bedürfnissen der Sprachschulen des US-Militärs beeinflusst wurden. Eine erwerbslinguistische oder stringente sprachwissenschaftliche Basis weist er nicht auf. Typisch für die zeitlichen Strömungen sind konsequenterweise auch all die Methoden, die in der Beliebigkeit des Mainstreams keine oder nur geringe Berücksichtigung finden können. Diese alternativen Methoden oder Randmethoden wie die Suggestopadie, Total Physical Response, Silent Way oder Community (Language Learning) Approach reflektieren die Suche des Sprachunterrichts nach zeitgemäßen Verfahren, die vor allem die vernachlässigte Innerlichkeit der Gesellschaft ansprechen oder die Kritik an ihrem Fortschrittsglauben ausdrücken sollen. Die gefühlte Wahrheit der Methoden bei gleichzeitigem Mangel an wissenschaftlich-kritischer Überprüfung der Annahmen ergibt ein inkohärentes Bild der Fremdsprachendidaktik und -methodik, das zwangsläufig zu vielen Widersprüchen, Rückschritten und Frustrationen führen muss. Die rasante Abkehr von der Sprachlerntechnologie der 60er und 70er Jahre, das Austrocknen der alternativen Methoden, die Rückentwicklung der kommunikativen Didaktik oder die neo-behavioristischen Erscheinungen der kommerziellen Sprachsoftware gehören zu den Symptomen dieses Dilemmas. Die anhaltende unreflektierte Verbreitung eklektischer Übungsformen der Grammatik-Übersetzungsmethode oder des Pattern Drills in Unterricht und Lehrmaterial illustriert, wie wenig nachhaltig offenbar die Bemühungen um eine theoretisch fundierte und empirisch abgesicherte kommunikative Didaktik waren. Mit dem Auftauchen der interkulturellen Sprachdidaktik und der »vierten Generation von Lehrwerken« (Neuner & Hunfeld 1993) schien sich eine Veränderung gegenüber den Referenzdisziplinen anzubahnen. Zunehmende Migration und Globalisierungstendenzen machten eine entsprechende Öffnung nötig. Aber auch diese anfänglichen Bestrebungen haben sich in der Breite des Lehrmaterials und des Sprachunterrichts genauso wenig durchgesetzt wie wissenschaftlich fundierte Modelle von Grammatik und Sprache. Stattdessen beschäftigt sich die Unterrichtsmethodik geradezu aktionistisch mit temporären Neuerungen (wie den neuen Medien, dem Referenzrahmen, der farbigen Darstellung grammatischer Phänomene) oder Wiedererfindungen bekannter Aspekte (wie dem Inhaltsbezug oder der Diskussion der Bedeutung mündlicher Texte), ohne sich ernsthaft mit den wissenschaftlichen Grundlagen der Didaktik zu beschäftigen. Ein kurzer Rückblick auf die Vorschläge von Comenius zum inhaltsbezogenen Lernen aus dem 17. Jahrhundert etwa oder der Sprachreformer früherer Jahrhunderte sowie die Modelle aus den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts würde der neueren Diskussion des Content and Language Integrated Learning (CLIL) eine erhellende Perspektive bieten. Comenius hält unter Bezug auf einen christlichen Gelehrten bereits 1623 fest:

Die Kenntnis einer Sprache mache noch keinen Weisen, sie diene lediglich dazu, uns mit den anderen Bewohnern der Erdoberfläche, lebenden und toten, zu verständigen; und darum sei auch derjenige, welcher viele Sprachen spreche, noch kein Gelehrter, wenn er nicht zugleich auch andere nützliche Dinge erlernt habe. (Comenius 1970: 269)

Dabei verbindet Comenius bereits die Prozesse des Spracherwerbs und der allgemeinen Maturation (der Vision und des Intellekts des Kindes) und nimmt damit Jean Piagets Modell der kognitiven Entwicklung sowie die in der Spracherwerbsforschung etablierten, kognitive Entwicklungsphasen repräsentierenden Konzepte der Erwerbssequenzen vorweg. Darüber hinaus produzierte er bereits ein Lehrbuch (Orbis sensualium pictus), in dem er systematisch die Verwendung visueller Materialien beim Sprachenlernen und -lehren bedachte (Comenius 1981). Auch die Mitte des 19. Jahrhunderts im Kontext der industriellen und sozialen Umwälzungen entstandene, bildungspolitisch und methodisch motivierte Reformbewegung des Fremdsprachenunterrichts bildet zwar eine didaktische Brücke zwischen den Arbeiten von Comenius und den Elementen des inhaltsbezogenen und handlungsorientierten Lernens moderner didaktischer Ansätze, verfolgt jedoch keine wissenschaftlichen Ziele. Ihr geht es vielmehr darum: Fremdsprachen jedem zugänglich zu machen, anstatt sie einer exklusiven Elite vorzubehalten, den Fremdsprachenunterricht weit über den Unterricht klassischer Literatur hinaus zu erweitern, indem Inhalte des Alltags- und Berufslebens sowie schulischer Fächer in den Fremdsprachenunterricht aufgenommen werden sollten, zum Beispiel in verschiedenen Verfahren des immersiven Lernens.

Mitbegründer oder Anhänger dieser Bewegung wie Jesperson (1922), Passy (1899), Sweet (1899), Gouin (1892), Berlitz (1887), Viëtor (1882) prägten die Reformbewegung mit unterschiedlichen auf die Praxis ausgerichteten Ideen, Modellen und Unterrichtsverfahren. In seiner einflussreichen Einführung benennt Stern (1983) diese Phase wie folgt:

The last decades of the nineteenth century witnessed a determined effort in many countries of the Western world (a) to bring modern foreign languages into the school and university curriculum on their own terms, (b) to emancipate modern languages more and more from the comparison with the classics, and (c) to reform the methods of language teaching in a decisive way. (Stern 1983: 98)

Verschiedene Methoden sind in den 20er Jahren (bis in die 40er Jahre) des 20. Jahrhunderts als »praktische Antworten« auf die vorangehende Diskussion entwickelt worden: darunter die vermittelnde Methode (England), die Lesemethode (England) und BASIC English (British/ American / Scientific / International / Commercial), ein Versuch, das Sprachenlernen zu vereinfachen und zu rationalisieren. Mit diesen Methoden beginnen die ersten Ansätze, das Unterrichtsgeschehen, die sprachliche Basis, das Testen von Fertigkeiten und das Lern- und Lehrverhalten mittels verschiedener Pilotstudien systematisch zu untersuchen (unter anderem die Modern Foreign Language Study der American and Canadian Committees on Modern Languages 1924–1928, siehe Bagster-Collins, Werner & Woody 1930). Dieser Trend wurde in den 40er und 50er Jahren mit der Profilierung der Linguistik noch intensiviert. Hierzu gehören Schlüsselereignisse wie die Veröffentlichung von Psycholinguistics: A Survey of Theory and Research Problems, herausgegeben von Osgood, Sebeok, Gardner, Carroll, Newmark, Ervin, Saporta, Greenberg, Walker, Jenkins, Wilson & Lounsbury (1954), Verbal Behavior von Skinner (1957) und Lados erste systematische Erfassung der kontrastiven Linguistik Linguistics across Cultures: Applied Linguistics for Language Teachers (1957). The American Army Method, deren Errungenschaften später heiß umstritten waren, versuchte nachzuweisen, dass Sprachunterricht auch ohne die traditionellen schulartigen Methoden und mit wesentlich größeren Gruppen und in kürzerer Zeit effizient durchgeführt werden kann. Als Folge der behavioristischen Ideologie wurden besonders in den USA die audiolingualen und in Frankreich die audiovisuellen Lehrverfahren entwickelt, die lange Zeit den Sprachunterricht dominierten und unter anderem auch dem Vormarsch der Sprachlabortechnologie Vorschub leisteten und – trotz gegenteiliger empirischer Evidenz – bis heute dem konditionierenden Einsatz elektronischer Medien zugrunde liegen (zum Beispiel in Programmen wie Rosetta Stone oder Tell me more).

Die stetige Zunahme von linguistischen Studien und die Begründung der Psycholinguistik als ein interdisziplinäres Forschungsgebiet leisteten später einen wesentlichen Beitrag zur Identifizierung der aus den Methoden der behavioristischen Verhaltensformung entstehenden Probleme des Spracherwerbs (zum Beispiel Rivers einflussreiches Buch The Psychologist and the Foreign Language Teacher1964). Als Folge der zunehmenden Kritik an den intuitiven Methoden gewann schließlich das kognitive Lernen – bis heute weitgehend als das regelgeleitete, systematische Lernen missverstanden – in der Diskussion um angemessene Ansätze an Gewicht. Chomskys nativistische Theorie auf der einen Seite und soziolinguistische und pragmalinguistische Strömungen auf der anderen haben im Anschluss daran vor allem die Erwerbsforschung und die Entwicklung neuer methodischer Verfahren geprägt. Chomskys Ausgangshypothese zufolge haben Kinder eine angeborene Fähigkeit der Sprachbildung (in der Muttersprache, L1). Wenn Kinder zum ersten Mal die Sprache hören, setzten allgemeine Prinzipien der Spracherkennung und Sprachproduktion ein, die zusammen das ergäben, was Chomsky den Language Acquisition Device (LAD) nennt. Der LAD steuere die Wahrnehmung der gehörten Sprache und stelle sicher, dass das Kind die entsprechenden Regeln ableite, die die Grammatik der gehörten Sprache bildeten. Dabei bestimmten Verallgemeinerungen, wie die Sätze in der entsprechenden Sprache zu bilden seien. Im Zweitsprachenerwerb werde die Reichweite des LAD einfach auf die neue Sprache ausgedehnt. Nativistische Theorien des Spracherwerbs haben jedoch wenig Einfluss auf die Entwicklung von Erwerbs- und Unterrichtskonzepten für Fremdsprachen gehabt. Den stärksten Einfluss haben sie in der Erforschung und Formulierung von Erwerbssequenzen ausgeübt. In deutlichem Kontrast dazu haben sich seit den 1970er Jahren parallel verschiedene Forschungsrichtungen ausgebildet, die sich an die Valenzgrammatik, die Pragmalinguistik (Sprechakttheorie, Diskursanalyse), die funktionale Linguistik, die Textlinguistik und die Psycholinguistik und andere Kognitionswissenschaften anlehnen. Mit wenigen Ausnahmen ist es aber auch dieser Forschung nicht gelungen, nachhaltig auf die Lehr- und Lernpraxis einzuwirken. Unter den Versuchen einer systematischen Nutzung wissenschaftlicher Ergebnisse für die Entwicklung von Lehrmaterial und Lehrverfahren sind die folgenden zu nennen:

ein kurzlebiger Versuch, die Valenzgrammatik als Grundlage einer didaktischen Grammatik einzuführen (zum Beispiel das DaF-Lehrwerk Deutsch Aktiv)

die eklektische Nutzung von Elementen der pragmatischen Erwerbsforschung in der Lehrwerksproduktion (siehe die DaF-Lehrwerke Tangram, Schritte international)

die Berücksichtigung von Aspekten der Interkomprehensionsdidaktik in Lehransätzen (EUROCOMM)

die Gestaltung des Sprachunterrichts nach handlungstheoretischen und konstruktivistischen Prinzipien (Szenariendidaktik, fallbasiertes Lernen, Fachsprachenunterricht).

Fremdsprachenunterricht wird verbreitet noch als Domäne des Einzelerwerbs betrachtet. Die systematische Nutzung von Kenntnissen der Vorsprachen beim Erwerb weiterer Sprachen wird bisher nur ansatzweise bedacht und bearbeitet. In Begriffen wie Mehrsprachigkeitsdidaktik, Deutsch nach Englisch oder Interkomprehensionsdidaktik zeigen sich die Vorboten einer neuen Generation der Fremdsprachendidaktik, deren Grundlagen jedoch noch zu erarbeiten sind, wenn sie nicht bei kontrastiven Vergleichen verharren will.

Zur kognitiven Ausrichtung

Um zu verstehen, wie die Sprache überhaupt in den Köpfen der Lerner entsteht und sich weiter verändert – und darum geht es in dieser Buchreihe – sind Erkenntnisse aus verschiedenen Nachbardisziplinen der Sprachlehrforschung erforderlich. Die Neurolinguistik kann zum Beispiel darüber Aufschluss geben, welche Gehirnareale während der Sprachverarbeitung aktiviert werden und inwiefern sich die Gehirnaktivität von L1-Sprechern und L2-Sprechern voneinander unterscheidet. Durch die Nutzung bildgebender Verfahren lässt sich die sprachrelevante neuronale Aktivität sichtbar und damit auch greifbarer machen. Was können wir aber daraus für die Praxis lernen? Sollen Lehrer ab jetzt die Gehirnaktivität der Lerner im Klassenraum regelmäßig überprüfen und auf dieser Basis die Unterrichtsinteraktion und die Lernprogression optimieren? Dabei wird schnell klar, dass eine ganze Sprachdidaktik sich nicht allein auf der Basis solcher Erkenntnisse formulieren lässt. Dennoch können die Daten über die neuronale Aktivität bei sprachrelevanten Prozessen unter anderem die Modelle der Sprachverarbeitung und des mehrsprachigen mentalen Lexikons besser begründen, die sonst nur auf der Basis von behavioralen Daten überprüft werden. Ähnlich wie die Neurolinguistik stellt die kognitive Linguistik eine Referenzdisziplin dar, deren Erkenntnisse zwar für die Unterrichtspraxis sehr relevant und wertvoll sind, sich aber unter anderem aufgrund des introspektiven Charakters ihrer Methoden nicht direkt übertragen lassen. Die kognitive Linguistik erklärt nämlich die Sprache und den Spracherwerb so, dass sie mit den Erkenntnissen aus anderen kognitiv ausgerichteten Disziplinen vereinbar sind. So dienen kognitive Prinzipien wie die Metaphorisierung oder die Prototypeneffekte der Beschreibung bestimmter Sprachphänomene. Der Spracherwerb wird seinerseits durch allgemeine Lernmechanismen wie die Analogiebildung oder die Schematisierung erklärt. Die kognitive Linguistik, die Psycholinguistik, die Neurolinguistik, die kognitiv ausgerichteten Kulturwissenschaften sind also Bezugsdisziplinen, die als Grundlage einer kognitiv ausgerichteten Sprachdidaktik fungieren. Sie sollen in den Bänden dieser Reihe soweit zum Tragen kommen, wie das nur möglich ist. Bei jedem Band stehen daher die Prozesse in den Köpfen der Lerner im Mittelpunkt der Betrachtung.

1.Curriculum-Design

Enikő Öveges

Guter Unterricht ergibt sich nicht aus zufälligen Ereignissen, auch wenn die Zusammensetzung einer Klasse, die Talente und Erfahrungen der Lehrkraft und vieles mehr immer einen Einfluss auf den gelingenden Unterricht haben. Guter Unterricht will aber auch gut geplant, gut vorbereitet, mit messbaren Erfolgen umgesetzt sein und systematisch optimiert werden können. Dieser Band widmet sich daher all den Herausforderungen einer guten Unterrichtspraxis, die sich in den Begriffen der Unterrichtsentwicklung und des Unterrichtsmanagements fassen lässt. Hierzu gehören Kriterien für die Qualität des Unterrichts und Indikatoren für seinen Erfolg. Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen bietet dafür den am weitesten verbreiteten Qualitätsrahmen. Deshalb wird er hier in seiner langjährigen Version, die immer wieder modifiziert wird, präsentiert. Hieraus lassen sich Indikatoren für die Fertigkeits- und Kompetenzbereiche ableiten, die inzwischen weitestgehend die Struktur von Lehrplänen und Lehrmaterialien bestimmen und Einstufungs-, Diagnose- und Leistungstests zugrunde liegen. Fairerweise muss gesagt werden, dass der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen mit all seinen Derivaten trotz seiner weiten Verbreitung durchaus umstritten ist, denn es fehlt an der wissenschaftlichen Validierung. Zu einem guten Unterricht gehört daher auch die Kenntnis und Anwendung von Prinzipien des Sprachenerwerbs. Solche Prinzipien sind in unterschiedliche Qualitätsrahmen eingegangen und liegen auch einem Qualitätsmanagementverfahren zugrunde, das im Rahmen eines deutsch-ungarischen Qualitätsentwicklungsprojektes entwickelt und erprobt worden ist. Dieses Verfahren wurde über verschiedene Managementinstrumente wie Checklisten, Portfolios, Unterlagen für die Unterrichtsplanung und das Design von Curricula sowie Rahmenpläne operationalisiert und wird in diesem Band ebenso dargestellt und bearbeitet wie deren Grundlagen. Wenn sich die Grundlagen von Unterricht und seine Durchführung grundlegend im Sinne eines systematischen Managements ändern, dann hat das konkrete Auswirkungen auf die Unterrichtsplanung, an der in der einen oder anderen Weise nicht nur die Lehrkräfte, sondern alle weiteren Akteure beteiligt sind und meist in Teams arbeiten. Sie benötigen dafür besondere Lehr- und Managementkompetenzen, die über eine entsprechend ausgerichtete Lehreraus- und -weiterbildung vermittelt werden müssen. Auch diese Aspekte werden in diesem Band ausführlich behandelt. Ziel dieses Bandes ist es also, Sprachlehrerinnen und Sprachlehrer für ein systematisches Management des Unterrichts zu sensibilisieren und sie mit allen dafür nötigen und bewährten Instrumenten auszustatten.

Sorgfältige Planung ist einer der wichtigsten Aspekte für den Erfolg des Sprachenunterrichts. Sprachenlehrer und -lehrerinnen müssen vor Beginn und im Verlauf ihrer Karriere viele Entscheidungen auf der Makro- und der Mikroebene treffen. Ihre unmittelbaren Entscheidungen (etwa zu Unterrichtsaktivitäten, verwendeten Textsorten etc.) treffen sie auf der Grundlage längerfristig ausgerichteter Entscheidungen (wie Ziele, Setting, Beurteilung etc.), wobei diese Entscheidungen wiederum von ihrem Ansatz für den Sprachenunterricht, von ihrem theoretischen und praktischen Wissen und von ihren Erfahrungen bestimmt werden. In diesem Kapitel haben Sie die Möglichkeit Ihren Entscheidungshorizont zu erweitern, indem Sie sich mit Theorien und Praxisbeispielen beschäftigen, die Sie je nach Bedarf in die Überlegungen einer professionellen Unterrichtsplanung einfließen lassen können. Der theoretische Hintergrund fokussiert den Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen (GER) (Europarat 2001), dessen Grundkonzepte und deren praktische Umsetzung im Sprachenunterricht umfassend vorgestellt werden. Die letzte Einheit in diesem Kapitel ergänzt die ersten beiden im Hinblick auf die weitere Konzipierung des Sprachplanungsprozesses mit einer Übersicht zur Theorie des Curriculum- und Lehrplan-Designs. Außerdem stellen wir Ihnen mit der Umsetzung des Kerncurriculums in Ungarn ein konkretes Anwendungsbeispiel vor.

1.1Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen

Diese Lerneinheit befasst sich mit dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen als grundlegendem Planungsdokument für den Sprachenunterricht. Wenn Sie sich mit seinen Grundkonzepten und seiner Philosophie auseinandersetzen, erhalten Sie als angehender Sprachenlehrer oder angehende Sprachenlehrerin eine theoretische Fundierung, anhand derer Sie ihre Planungsentscheidungen treffen können. Diese Einheit enthält einen kurzen Rückblick auf die Geschichte der einflussreichsten europäischen Veröffentlichung zur Sprachenausbildung, erklärt ihre Ziele und geht auf ihre wichtigsten Merkmale ein. Ein besonderer Fokus liegt auf dem Sprachverwendungsmodell, das in diesem Dokument beschrieben wird, auf den sechs Kompetenzniveaus des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens sowie auf den etablierten Deskriptoren und Skalen. Ein weiterer Abschnitt widmet sich dem Europäischen Sprachenportfolio und dient als eine Orientierungshilfe für die eigene Selbsteinschätzung sowie für die Einweisung anderer in die Nutzung von Selbsteinschätzungsintrumenten.

Lernziele

In dieser Lerneinheit möchten wir erreichen, dass Sie

den Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen, seine Ziele, seinen Ansatz und seine zentralen Merkmale skizzieren können;

verstehen können, wie mithilfe des Kompetenzniveau-Systems des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens die Sprachkompetenz beschrieben wird;

das System der kommunikativen Sprachaktivitäten und -strategien sowie Sprachverwendungskontexte, Kommunikationsmotive, kommunikative Aufgaben und Sprachprozesse beschreiben können, die im Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen eingeführt werden und auf diesen aufbauen;

die europäischen Ansätze zum Sprachenunterricht sowie ihre Umsetzung erläutern können;

Ihren eigenen Unterricht besser planen können;

die Rolle des Europäischen Sprachenportfolios und die Selbsteinschätzung erklären können.

1.1.1Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen: Ziele

Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für SprachenDer Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen (GER) (GER) wurde zwischen 1993 und 1996 entwickelt und vom Europarat (Abteilung Sprachenpolitik) veröffentlicht. Er wurde um eine Anleitung ergänzt, um die speziellen Anwendergruppen aus dem Berufsfeld der Sprachenlehre bei der Nutzung des Dokuments zu unterstützen (Bailly, Devitt, Gremmo, Heyworth, Hopkins, Jones, Makosch, Riley, Stoks & Trim 2003). Für Sprachenlehrer- und lehrerinnen enthält Kapitel 3 im ergänzenden Handbuch (Guidance to teachers and learners) die relevantesten Informationen, aber die anderen Sektionen sind ebenfalls hilfreich für ihre Arbeit.

Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen ist kein Grundsatzdokument, sondern eher eine Sammlung von Leitlinien, die alle Aspekte des Sprachunterrichts behandeln und reflektieren. Dadurch wird eine gemeinsame Basis zur Verbesserung der Gestaltung der Sprachpolitik auf der nationalen Ebene geschaffen. Wie der Name andeutet, ist das Dokument ein Referenzrahmen, der adaptiert und vervollständigt werden muss, damit er zum jeweiligen Unterrichtskontext passt. Mehrere Faktoren haben ihn notwendig gemacht, wie etwa (1) das wachsende Bedürfnis nach internationaler Kommunikation aufgrund der größeren Bedeutung persönlicher und professioneller Mobilität, (2) die rapide Entwicklung von Informations- und Kommunikationstechnologien, die ein rasches Übersetzen und Verständnis der Inhalte erforderlich macht und (3) die steigende Wichtigkeit des gegenseitigen Verständnisses und der Toleranz.

North (2007) resümiert, dass der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen drei allgemeine Ziele verfolgt. Zunächst ging es um die Entwicklung einer Meta-Sprache, die in allen Bildungskontexten über nationale und sprachliche Grenzen hinweg angewandt werden kann, um Lernziele und die Sprachkompetenzstufen zu diskutieren. Dadurch konnten klare Leitlinien zur erwarteten Sprachleistung formuliert werden sowie zu ihrer Erbringung. Das zweite Ziel des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens bestand darin, den Lehrkräften im Bereich Sprachunterricht die Reflexion über ihre alltägliche Lehrpraxis zu ermöglichen und sie dabei zu unterstützen. Drittens formulierte das Dokument gemeinsame Referenzpunkte zur Beschreibung und Anwendung des Ansatzes, die in der Abteilung für Sprachenpolitik des Europarats entwickelt wurden.

Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen hat zur Etablierung eines kompetenzorientierten Referenzrahmens beigetragen und damit unseren Blick auf das Sprachenlernen und auf den Sprachenunterricht als komplexe und dynamische Systeme verändert. Er ist im Grunde ein Planungsdokument mit einem deskriptiven, das heißt nicht-normativen Rahmen für die Gestaltung des Sprachenunterrichts. Sein Ziel ist die Verbesserung der Vereinheitlichung bei gleichzeitiger Wahrung der nationalen Vielfalt. Die Publikation nimmt eine Vielzahl von Lern- und Lehrmethoden als Grundlage, die vor dem Hintergrund der jeweils relevanten theoretischen Ansätze reflektiert und erläutert werden. Ein wichtiges Ziel war die Entwicklung eines transparenten und einheitlichen Systems, das auf verschiedene Nutzergruppen, Bedürfnisse und Umstände anwendbar ist (multifunktional). Diese Ziele werden durch den offenen, dynamischen und nicht dogmatischen Umgang mit den verschiedenen Aspekten erreicht: Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen wurde ohne unnötige Komplexität oder die disproportionale Nutzung von Jargon formuliert (nutzerfreundlich). Abgesehen davon, dass er als Basis für nationale bildungspolitische Entscheidungen dient, wirkt sich der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen auch direkt auf den Unterricht aus. Er verlegt den Schwerpunkt von Noten auf Fähigkeiten und Können, hilft Lehrkräften und Lernern dabei, sich zu orientieren und realistische Ziele zu setzen; und er ermöglicht ein gemeinsames Verständnis, auf das sich der Prozess des Lehrens/Lernens stützen kann.

Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen fördert PlurilingualismusPlurilingualismus und verfolgt einen handlungs- und kompetenzorientierten AnsatzHandlungs- und kompetenzorientierter Ansatz. Plurilingualismus geht über die Mehrsprachigkeit hinaus: Das Konzept meint nicht nur, dass mehrere Sprachen in einem speziellen Setting angeboten werden und dass Spracherwerb von mehr als einer Fremdsprache unterstützt wird, sondern betont auch, dass der Spracherwerb kein klar abgegrenzter Prozess ist, sondern in Verbindung mit den gemachten Erfahrungen und dem erworbenen Wissen geschieht. Dieser Ansatz findet sich im Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen wieder: Die Sprachvermittlung sollte sich nicht das Ziel der Annäherung an das ideale Erstsprachensprecher-Modell setzen. Vielmehr sollten komplexere kommunikative Fähigkeiten gefördert werden, mit denen es den Lernern gelingt, die passenden sprachlichen Mittel in einem gegebenen Kontext einzusetzen. Im handlungs- und kompetenzorientierten Ansatz des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen sind Sprachverwender und -verwenderinnen und Sprachenlerner soziale Akteure, die Aufgaben erfüllen und dafür passende Strategien aktivieren, an Sprachaktivitäten und Sprachprozessen teilnehmen, um Texte zu Themen aus bestimmten Bereichen zu erzeugen und zu empfangen. Sie greifen dafür auf ihr Kompetenzspektrum zurück, das sich wiederum aufgrund der Leistung verbessert.

1.1.2Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen: Kompetenzniveaus und Skalen

Eines der Hauptziele des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen ist die Definition eines Kompetenzstufen-Systems, um Vergleiche zwischen verschiedenen Klassifikationen von Qualifikationen zu ermöglichen. Das Dokument stellt einen Rahmen mit sechs gemeinsamen und umfassenden KompetenzniveausKompetenzniveau vor. Die Stufen heißen Einstieg, Grundlagen, Mittelstufe, Gute Mittelstufe, Fortgeschrittene Kenntnisse, Exzellente Kenntnisse und sind insgesamt auf die klassische Unterscheidung zwischen Grundkenntnissen, Mittelstufe und Fortgeschrittenenstufe zurückzuführen (siehe Tabelle 1.1).

Klassische Kompetenzstufen

Kompetenzniveau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen

Grundkenntnisse

A1

Einstieg

A2

Grundlagen

Mittelstufe

B1

Mittelstufe

B2

Gute Mittelstufe

Fortgeschrittenenstufe

C1

Fortgeschrittene Kenntnisse

C2

Exzellente Kenntnisse

Tabelle 1.1: Sprachkompetenzniveaus des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens (Europarat 2001: 33ff)

Die Kompetenzniveaus werden in summativen Skalierungstabellen mit Deskriptoren in verschiedenen Versionen für unterschiedliche Zwecke beschrieben. Die erste Tabelle im Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen dient mit ihren holistischen Beschreibungen der einzelnen Gruppen als Orientierungsrahmen. Neben Tabellen mit Kurzzusammenfassungen der Erwartungen an das Sprachverständnis und an die Sprachproduktion der Lerner gibt es anschauliche Skalen für die Selbsteinschätzung nach einem kompetenzorientierten Ansatz sowie für die Beurteilung der Sprachkompetenz in Bezug auf den Umfang lexikalischer und grammatischer Ressourcen (Spektrum), die Korrektheit, die Flüssigkeit, die Interaktion und die Kohärenz. Diese Deskriptoren liegen in Form von Kann-BeschreibungenKann-Beschreibungen vor und jedes Kompetenzniveau greift die Fähigkeiten der darunterliegenden Stufe in der Skala mit auf. Die sechsstufige Struktur bietet Raum für die Erweiterung mit Zwischenstufen (A2+, B1+, B2+) und ermöglicht so eine weitere Differenzierung innerhalb der Gruppen. Die Unterscheidung zwischen den Kriterien auf jeder Stufe und den entsprechenden Plusstufen (besser als die Anforderungen an die entsprechende Gruppe, aber erfüllt noch nicht die der Folgegruppe) wird durch eine horizontale Linie in den Tabellen markiert. Die Referenzstufen können für die jeweiligen Unterrichtskontexte auf verschiedene Weisen und mit unterschiedlichem Detaillierungsgrad verwendet werden. Mit ihnen werden Transparenz und Kohärenz in der Planung und Umsetzung, sowie Verlässlichkeit und Vergleichbarkeit der Bewertung gewährleistet.

1.1.3Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen: Sprachverwendungsmodell

In Kapitel 4 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens finden Sie eine Art Checkliste mit Parametern und Kategorien, die definieren, was Sprachenlerner wissen sollten, um zu kompetenten Sprachverwendern und -verwenderinnen zu werden. Alle in diesen Prozess involvierten Akteure können diese Liste einsehen und verwenden: Lehrer und Lehrerinnen, Lerner, Kursdesigner, Lehrbuchautoren und -autorinnen oder Prüfer und Prüferinnen. Die Anleitungen in den verschiedenen Bereichen bilden kein festgelegtes „Menü“, sondern eine Grundlage für weitere und bedarfsorientierte Entscheidungen auf der Basis der Expertise von Lehrkräften, für die Beurteilung der Lehr-/Lernsituation (Bedürfnisse, Motivationen, Merkmale, Ressourcen der Lerner und anderer Interessengruppen) und nicht zuletzt nach eigenem Ermessen. Sie können direkt mit der Planung beginnen, indem Sie die Antworten auf die relevanten Fragen in Zusammenhang mit den unterschiedlichen Bereichen ausarbeiten. Die Fragen können zum Beispiel lauten:

Bedürfnisse: Welche Aufgaben sollen meine Lerner erfüllen? Mit welchen Themen müssen sie sich auseinandersetzen?

Motivationen: Warum möchten meine Lerner Englisch lernen?

Merkmale, Ressourcen: Wie steht es um die Fähigkeit zum Spracherwerb meiner Lerner? Welche Vorstellungen haben sie vom Sprachenlernen?

Eine wichtige Frage, die immer wieder gestellt werden sollte, lautet: „Wofür kann ich die Verantwortung übernehmen?“, da sie den Zuständigkeitsbereich des Sprachenlehrers oder der Sprachlehrerin genau umreißt. Das regt zu Vorabüberlegungen darüber an, worauf sich Lehrkräfte vorbereiten und welche Ziele sie sich setzen können. Gleichzeitig wird ersichtlich, dass die Planung für die tatsächliche Lehr-/Lernsituation ausgewählt, strukturiert und angepasst werden muss. Insofern strebt der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen einen lernerzentrierten Ansatz zum Sprachenunterricht an und leistet einen wesentlichen Beitrag zur Abkehr von inputzentrierten Ansätzen hin zu prozessbasiertem und kompetenzorientiertem, interkulturellem Spracherwerb.

Zur verwendeten Sprache gehören auch der Kontext, die Kommunikationsthemen, die kommunikativen Aufgaben und Zwecke, Sprachaktivitäten und -strategien, Sprachprozesse und die verwendeten Texte. Als Unterebenen des Sprachgebrauchsmodells des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens können kommunikative Sprachaktivitäten und -strategien in fünf Gruppen unterteilt werden: produktive, rezeptive, interaktive, sprachmittelnde und nonverbale Kommunikation. Die Sprachverwendung wird als die absichtsvolle Kommunikation von Bedeutung definiert, damit die Lerner ihre Ziele erreichen können. Der kommunikative, aufgabenbasierte Ansatz führt zu einem effektiveren Lehr-/Lernprozess.

Sprachverwendung hängt von den Merkmalen und den Gegebenheiten des Kontextes ab, in dem sie stattfindet. Die wesentlichen externen Elemente der Kontextparameter in Bezug auf Bereiche, Situationen, Bedingungen und Einschränkungen haben wir nachfolgend in Tabelle 1.2 zusammengefasst. Die Berücksichtigung der darin genannten Elemente in Verbindung mit der eigenen Sprachlernerfahrung kann Sprachenlehrern dabei helfen, die Bedürfnisse der Lerner besser wahrzunehmen und ihre Planung entsprechend anzupassen.

Externe Kontextaspekte

Beispiele, Erläuterungen

Bereiche: Handlungssphären oder Problembereiche

Persönlich

Zum Vergnügen lesen, Tagebuch schreiben

Öffentlich

Als Mitglied einer Organisation handeln

Beruflich

Einen Beruf ausüben: berufliche Literatur lesen, Informationen aus dem Berufsfeld präsentieren

Bildung

An organisiertem Lernen teilnehmen: eine Aufgabe lösen, sich auf eine Prüfung vorbereiten

Situationen können beschrieben werden in Form von

Ort, Zeit

Wann und wo etwas geschieht

Institutionen, Organisationen

Kontrollstruktur und Prozeduren

Beteiligte Personen

Ihre sozialen Rollen in ihrer Beziehung zu dem Sprachverwender oder der Sprachverwenderin

Objekte

Lebendige oder nichtlebendige in der Umgebung

Ereignisse

Die währenddessen stattfinden

Tätigkeiten

Die von den beteiligten Personen durchgeführt werden

Texte

Die in der Situation vorkommen

Bedingungen und Einschränkungen

Körperliche Verfassung

Sprechen: Klarheit der Aussprache, Störungen …

Schreiben: mangelhafte Kopie einer Drucksache …

Soziale Verhältnisse

Soziale Beziehungen der Teilnehmer und Teilnehmerinnen untereinander …

Druck

Zeit: vorgegebenes Zeitlimit …

Sonstige: stresserzeugende Situationen …

Tabelle 1.2: Externe Kontextaspekte auf Basis des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens (Europarat 2001: 52ff)

Neben den externen Faktoren gibt es andere wichtige Parameter, die die Sprachverwendung beeinflussen. Sie beziehen sich auf den mentalen Kontext des Lerners, der die oben genannten Elemente interpretiert und filtert. Zu diesen internen Überlegungen gehören die Intentionen des Lerners, Gedankengänge, Erwartungen, Reflexionen, Bedürfnisse, Tatkraft, Motivationen, Interessen oder seine Geisteshaltung, auf die kognitive und affektive Prozesse einwirken können (etwa Gedächtnis, Wissen) und vor allem Vorwissen, Werte und Überzeugungen. Auch der mentale Kontext des Gesprächspartners prägt die Sprachverwendung. Denken Sie daran, dass der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen erwachsene Lerner fokussiert; deshalb müssen Aspekte wie die Themen und die Textsorten für die tatsächliche Zielgruppe angepasst werden (zum Beispiel für Schüler).

Die Themen, die in den verschiedenen Diskursformen abgedeckt werden, heißen im Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen Kommunikationsthemen. Das nachfolgende Beispiel in Tabelle 1.3 wurden aus dem Werk Mittelstufe übersetzt (Ek & Trim 1990), die Klassifikation umfasst Thema, Unterthemen und Vorstellungen (Notionen).

Thema

Unterthemen

Notionen

Freizeit und Unterhaltung

Sport

1. Orte: Feld, Gelände, Stadion

2. Institutionen und Organisationen: Sportart, Team, Club

3. Personen: Spieler

4. Objekte: Karten, Ball

5. Ereignisse: Rennen, Spiel

6. Tätigkeiten: zuschauen, spielen (+ Name der Sportart), um die Wette rennen, gewinnen, verlieren, unentschieden spielen

Tabelle 1.3: Beispiel für ein Kommunikationsthema, übersetzt aus dem Werk Mittelstufe (Ek & Trim 1990: 67ff)

1.1.4Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen: Deskriptoren

Abgesehen von den Sprachkompetenzniveaus sind die wahrscheinlich bekanntesten Teile des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens die anschaulichen Skalen mit den Kann-Beschreibungen für bestimmte verbale Sprachaktivitäten und -strategien, die gemäß den sechs allgemeinen Kompetenzniveaus des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens unterteilt sind. In der nachfolgenden Tabelle erhalten Sie einen Überblick über die Aktivitäten und Strategien, die zu den Subskalen des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens gehören.

Kommunikative Fähigkeiten

Untergeordnete Sprachlernaktivitäten

Untergeordnete Sprachlernstrategien

Produktiv

Sprechen

Mündliche Produktion allgemein

Zusammenhängendes monologisches Sprechen: Erfahrungen beschreiben

Zusammenhängendes monologisches Sprechen: Argumentieren (z.B. in einer Debatte)

Öffentliche Ankündigungen/Durchsagen machen

Vor Publikum sprechen

Planung

Kompensation

Planung und Reparaturhandlungen

Schreiben

Schriftliche Produktion allgemein

Kreatives Schreiben

Berichte und Aufsätze schreiben

Rezeptiv

Hören

Hörverstehen allgemein

Gespräche zwischen Muttersprachlern verstehen

Als Zuschauer/Zuhörer im Publikum verstehen

Ankündigungen, Durchsagen und Anweisungen verstehen

Radiosendungen und Tonaufnahmen verstehen

Absichten verstehen und Schlussfolgerungen ziehen

Lesen

Leseverstehen allgemein

Korrespondenz lesen und verstehen

Zur Orientierung lesen

Information und Argumentation verstehen

Anleitungen lesen

Audiovisuelle Rezeption

Filme und Fernsehsendungen ansehen

Interaktiv

Gesprochen

Mündliche Interaktion allgemein

Muttersprachliche Gesprächspartner verstehen

Konversation

Informelle Diskussion (unter Freunden)

Formelle Diskussion und Besprechungen

Zielorientierte Kooperation

Transaktionen: Dienstleistungsgespräche

Informationsaustausch

Interviewgespräche

Das Wort ergreifen

Kooperieren

Um Klärung bitten

Geschrieben

Schriftliche Interaktion allgemein

Schriftverkehr

Notizen, Nachrichten und Formulare

Sprachmittlung

Mündlich

Zum Beispiel Simultandolmetschen

Zum Beispiel

Verfeinern durch Heranziehen von Wörterbüchern

Schriftlich

Zum Beispiel literarische Übersetzung

Tabelle 1.4: Überblick über Sprachlernaktivitäten und -strategien in Anlehnung an den Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen (Europarat 2001, Kapitel 4)

Für textbezogene Aktivitäten wurden zwei zusätzliche Skalen entwickelt: der schriftliche Output als Gegenstück zum mündlichen und schriftlichen Input; das heißt, sich Notizen zu machen (in Vorlesungen, Seminaren) und Texte zu verarbeiten. Kann-Beschreibungen können auch produktiv im Unterricht verwendet werden. Bitte beachten Sie, dass diese Deskriptoren allgemein gehalten sind und sich hauptsächlich auf Erwachsene als Zielgruppe beziehen; das heißt, dass Sprachenlehrer und -lehrerinnen diese Deskriptoren an die Bedürfnisse und Merkmale ihrer Lerner in Bezug auf das Niveau, Alter, die Interessen und Ziele anpassen müssen.

1.1.5Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen: Curriculum-Design

Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen steht für einen curricularen Ansatz auf Basis des Plurilingualismus und des Plurikulturalismus als zentrale Grundlagen. Dabei ist es nicht nur wichtig, dass jede Sprache in Zusammenhang mit den anderen gelehrten Sprachen unterrichtet wird, sondern dass Sprachwissen, Fähigkeiten und das Lernvermögen gleichermaßen als transversal und als zwischen ihnen übertragbar verstanden werden. Über das tatsächliche Curriculum hinaus sollten Lerner außerdem die Kategorien von Kompetenzen kennen, ihre dynamische Wechselbeziehung und den theoretischen Ansatz des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens. Da das Sprachenlernen auch außerhalb der Schulstunde oder sogar außerhalb des Schulunterrichts insgesamt stattfindet, müssen die Curricula die Lerner auf die Sprachentwicklung außerhalb des Unterrichts vorbereiten. Curriculum-Designer und Sprachenlehrer und -lehrerinnen sind daher dafür verantwortlich, (1) den plurilingualen und plurikulturellen Kontext während des gesamten Lehr-/Lernprozesses zu wahren; und (2) bei den Lernern ein Bewusstsein für und ein Vertrauen in ihre Kompetenzen und Ressourcen zu schaffen. Der Ansatz des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens hat sich stark auf die nationale Sprachenpolitik ausgewirkt: Seine Prinzipien wurden in Struktur und Inhalte der Curricula integriert; und die Anforderungen an den Output wurden gemäß des Stufensystems des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens angepasst, sowohl in Bezug auf die Planung als auch die Beurteilung der Sprachkompetenz.

1.1.6Das Europäische Sprachenportfolio

Ein wichtiges Werkzeug zur Einführung des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens im Unterricht ist das Europäische SprachenportfolioDas Europäische Sprachenportfolio. Es umfasst eine Sammlung der formalen und informellen Sprachlernerfahrungen des Einzelnen mit drei Hauptkomponenten: (1) Sprachenpass: ein Überblick zur Sprachkompetenz (Fähigkeiten, formale Qualifikationen, Beurteilung), (2) Sprachenbiographie: die Reflexion und Bewertung des Sprachlernprozesses und der Erfahrungen durch den Lerner; (3) Dossier: Aufzeichnungen zur Dokumentation der Erfolge und Erfahrungen aus (1) und (2). Das Europäische Sprachenportfolio wurde zu mehreren Versionen für die unterschiedlichen Altersgruppen der Sprachenlerner weiterentwickelt: für junge Lerner, Schulkinder und Erwachsene. Es dient zwei Zwecken: Einerseits soll es den Lernern dazu verhelfen, den eigenen Sprachlernhintergrund zu dokumentieren, und andererseits die Sprachreflexion und -bewusstheit und damit auch die Verantwortung und das Engagement des Lerners für die eigene Sprachentwicklung zu steigern. Das Europäische Sprachenportfolio nutzt die Niveaustufen und die deskriptiven Skalen des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens. Lehrkräfte können das Europäische Sprachenportfolio im Unterricht verwenden, da die Vorstellungen, Ansichten und Ziele in diesen Dokumenten klar beschrieben sind und diese Daten eine mehr auf die Lernerbedürfnisse zugeschnittene Planung des Prozesses ermöglichen. Die Portfolios wurden in den verschiedenen Ländern auf Basis der allgemeinen Struktur entwickelt, die vom Europarat festgelegt wurde; Anleitungsdokumente unterstützen ihre Nutzung. Das European Centre for Modern Languages (ECML) hat eine spezielle Seite für Lehrkräfte veröffentlicht, die diese Stufen erklärt.

1.1.8Zusammenfassung

Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen ist ein wichtiges Sprachplanungsdokument zur Unterstützung der Richtlinien im Sprachenunterricht auf nationaler Ebene. Die Zielsetzung, der Ansatz und die wichtigsten Merkmale des Dokuments bilden eine solide theoretische Basis für sprachliche Vielfalt.

Die sechs Kompetenzniveaus des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens verbessern die Transparenz bei der Bewertung der Sprachkompetenz. Die Skalentabellen mit den anschaulichen Deskriptoren bieten dafür zusätzliche Unterstützung.

Einen weiteren wichtigen Beitrag leistet der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen durch die Differenzierung nach kommunikativen Sprachaktivitäten und -strategien, Sprachnutzungskontexten, Kommunikationsthemen und kommunikativen Aufgaben und Prozessen.

Die europäischen Ansätze zum Sprachenunterricht sowie die Lehrpraxis wurden auf der Basis und unter Berücksichtigung des Europäischen Sprachenportfolios und der Selbsteinschätzung entwickelt.

All diese Maßnahmen stellen Orientierungshilfen für die entsprechenden Unterrichtsmaßnahmen dar.

1.1.9Aufgaben zur Wissenskontrolle

Nennen Sie fünf Eigenschaften, die den Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen charakterisieren und erklären Sie diese.

Fassen Sie den handlungsorientierten Ansatz des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens zusammen.

Skizzieren Sie das Kompetenzniveau-System des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens einschließlich der Einsatzmöglichkeiten, für die es angewandt werden kann.

Nennen Sie je drei Sprachlernaktivitäten für alle Fähigkeiten.

Stellen Sie kurz das Europäische Sprachenportfolio vor.

1.2Die Anwendung des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen

Diese Lerneinheit baut auf den theoretischen Erkenntnissen über den Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen auf, die Sie in der vorherigen Einheit gewonnen haben, und dient mit einer ausführlichen Einführung in das Kompetenzmodell für Lerner des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens der weiteren Vertiefung. Wir befassen uns mit der Rolle und den Vorteilen des Dokuments für die Sprachausbildung im Allgemeinen und im Speziellen für den Sprachenunterricht. Diese Einheit verfolgt einen praxisorientierten, direkten Ansatz zum Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen sowie zu seiner Anwendung auf den Sprachenunterricht. Interkulturelles Bewusstsein, aufgabenbasiertes Unterrichten und Bewerten werden erläutert, um die Verbindung zwischen dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen und dem Unterricht zu verstärken. Diese Einheit bildet die Grundlage für die nachfolgende Einheit, in der die Sprachplanung stärker in den Fokus rückt.

Lernziele

In dieser Lerneinheit möchten wir erreichen, dass Sie

das Kompetenzmodell des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens sowie seine Einzelkomponenten erläutern können;

die Relevanz und das Auftreten dieser Kompetenzen im Sprachenunterricht erkennen können;

diejenigen Aspekte des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens verstehen können, die auf den Fremdsprachenunterricht direkt angewandt werden können;

bei der Anwendung der unterrichtsbezogenen Bereiche des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens die Entwicklung eines interkulturellen Bewusstseins, das aufgabenbasierte Unterrichten und die damit verbundenen Rahmenbedingungen sowie die Kriterien der Leistungsmessung angemessen berücksichtigen können.

1.2.1Lernerkompetenzen im Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen

Das Modell des Sprachverwenders und der Sprachverwenderin (Sprachverwender/Lerner-ModellSprachverwender/Lerner-Modell des GER) im Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen umfasst zwei große Kompetenzbereiche: (1) allgemeine und (2) kommunikative Sprachkompetenzen. Die zweite Kategorie ist in drei Untergruppen aufgeteilt: (1) linguistische, (2) soziolinguistische und (3) pragmatische Kompetenzen, die wiederum weiter in Teilkompetenzen aufgegliedert sind. Sprachverwender und -verwenderinnen rufen diese Kompetenzen zwecks der Teilnahme an kommunikativen Situation ab, was wiederum zur Verbesserung der Kompetenzen führt. Das Modell des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens verfolgt einen komplexen Ansatz der kommunikativen Kompetenz, das heißt, es berücksichtigt alle menschlichen Fähigkeiten, nicht nur die notwendigen sprachlichen Kompetenzen. Die Klassifikation ist in der nachfolgenden Tabelle 1.5 abgebildet und ihre Beschreibung erfolgt über Deskriptorenskalen im Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen. In unserem Text konzentrieren wir uns auf die kommunikativen Sprachkompetenzen. Bitte beachten Sie, dass die verschiedenen Komponenten im Dokument klar getrennt sind (Grammatik versus Semantik oder Diskurs versus Höflichkeitskonventionen). Das ist zwar hilfreich für das Verständnis, spiegelt aber eine nicht integrative und daher weniger passende Perspektive auf den Sprachenunterricht wider.

Kompetenzen des Sprachverwenders im GER

Allgemein

Deklaratives Wissen (savoir)

Weltwissen

Soziokulturelles Wissen: das tägliche Leben, Lebensbedingungen, interpersonale Beziehungen, Werte, Überzeugungen und Einstellungen, Körpersprache, soziale Konventionen, rituelles Verhalten

Interkulturelles Bewusstsein

Fertigkeiten und prozedurales Wissen (savoir-faire)

Praktisch: soziale, alltägliche, berufliche, freizeitbezogene Fertigkeiten

Interkulturelle Fertigkeiten

Persönlichkeitsbezogen (savoir-être)

Einstellungen, Motivationen, Wertvorstellungen, Überzeugungen, kognitiver Stil, Persönlichkeitsfaktoren

Lernfähigkeit (savoir-apprendre)

Sprach- und Kommunikationsbewusstsein

Allgemeines phonetisches Bewusstsein und phonetische Fertigkeiten

Lerntechniken

Heuristische Fertigkeiten

Kommunikative Sprachkompetenzen

Linguistisch

Lexikalisch

Grammatisch

Semantisch

Phonologisch

Orthografisch

Orthoepisch

Soziolinguistisch

Sprachliche Kennzeichnung sozialer Beziehungen

Höflichkeitskonventionen

Redewendungen, Aussprüche, Zitate und sprichwörtliche Redensarten

Registerunterschiede

Varietäten

Pragmatisch

Diskurs

Funktional

Schema

Tabelle 1.5: Kompetenzsystem im Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen (basiert auf Europarat 2001: 103ff)

Gemäß den Kompetenzniveaus aus dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen umfasst die kommunikative Sprachkompetenz die folgenden Teilkompetenzen: linguistische Kompetenzen (zum Beispiel allgemeine sprachliche Reichweite, Vokabular, grammatikalische Fehlerfreiheit); soziolinguistische Kompetenz (zum Beispiel soziolinguistische Angemessenheit); pragmatische Kompetenzen (zum Beispiel Flexibilität, Sprecherwechsel, Themaentwicklung).

1.2.2Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen im Unterricht und im Lehrberuf

Zahlreiche Aspekte des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens können direkt im Sprachenunterricht angewandt werden. Der Rahmen dient als Orientierungshilfe für die Kompetenzen, die Fertigkeiten und die Strategien, die Sprachenlerner erlernen oder erwerben sollen. Die Anforderungen wurden entsprechend den aufeinanderfolgenden Kompetenzniveaus skaliert. Somit können Lehrkräfte den Fortschritt des Lerners in den jeweiligen Bereichen mit konstruktivem Feedback begleiten und beurteilen. Die Skalen sehen auch die Integration und Anwendung von Selbsteinschätzung im Sprachenunterricht vor. Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen hat Plurilingualismus und plurilinguale Kompetenzen in den Vordergrund gerückt und damit das vormals übliche Konzept des Multilingualismus erweitert. Auch der handlungs- und kompetenzorientierte Ansatz wurde in den Sprachenunterricht integriert. Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen geht davon aus, dass Sprachenlehrer und -lehrerinnen eine entscheidende Rolle für den Sprachentwicklungserfolg der Lerner spielen: Lehrer sind Vorbilder, deren Handlungen und Einstellungen die Sprachlernumgebung entscheidend beeinflussen. Die wichtigsten werden in den nachfolgenden Abschnitten zusammengefasst.

Interkulturelles und plurikulturelles BewusstseinInterkulturelles und plurikulturelles Bewusstsein meint das Verständnis für Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen der eigenen Welt des Lerners und den Zielkulturen, ohne dass diese auf potenzielle Stereotype nationaler Identitäten reduziert werden. Wenn Sprachverwender und -verwenderinnen kommunizieren, haben sie bei der Übertragung von Informationen ein Bild der sozialen und kulturellen Identität des Gesprächspartners im Kopf. Deshalb müssen Sprachverwender und -verwenderinnen andere Kulturen mit ihren einzigartigen Merkmalen verstehen und akzeptieren und die Interaktion als eine bereichernde Erfahrung für die persönliche Entwicklung ansehen. Sprachenunterricht mit einem interkulturellen Fokus ermöglicht es den Lernern, die linguistischen Kompetenzen für die orale oder schriftliche Kommunikation zu erwerben; und gleichzeitig wird dabei die interkulturelle Kompetenz gefördert: die Fähigkeit der Lerner, Verständnis für Menschen mit unterschiedlichen sozialen Identitäten zu entwickeln, und ihre Fähigkeit, mit Menschen aus anderen Kulturen zu interagieren.

Es liegt in der Verantwortung des Fremdsprachenlehrers oder der Fremdsprachenlehrerin, das Wissen der Lerner über die Fertigkeiten, Haltungen und Werte der Adressaten zu verbessern. Zur interkulturellen Kompetenz gehören (1) Haltungen: Neugier, Offenheit und die Bereitschaft, die eigenen Werte aus der Perspektive von anderen zu sehen; (2) Wissen: Praktiken, allgemeine Prozesse gesellschaftlicher und individueller Interaktion; (3) die Fähigkeit zur Interpretation und zur Bezugnahme: zum Beispiel ein Dokument oder ein Ereignis vor dem eigenen kulturellen Hintergrund; (4) die Fähigkeit zur Entdeckung und Interaktion: die Fähigkeit, relevantes neues Wissen zu erwerben und es in der Kommunikationspraxis anzuwenden; (5) kritisches kulturelles Bewusstsein: die Bewertung von Handlungen und Prozessen in der eigenen und in der Zielkultur. Insgesamt besteht die Rolle des Sprachenlehrers oder der Sprachlehrerin darin, die Entwicklung der oben genannten Elemente zu unterstützen: Fertigkeiten, Haltungen und das Bewusstsein für die Werte und das Wissen über eine bestimmte Kultur oder ein bestimmtes Land.

Wichtig ist auch, dass eine Lehrperson kein Experte für die Kultur des Ziellandes sein muss oder die Sprache des Ziellandes auch nicht unbedingt seine Erstsprache sein muss; viel wichtiger sind Offenheit und die Möglichkeit, sich in die Materie einzuarbeiten. Eine Lehrkraft kann (1) Aktivitäten in den Unterricht einbinden, die es Lernern ermöglichen, ihre eigenen Erfahrungen mit der Zielkultur zu diskutieren; (2) faktische Informationen zu den damit zusammenhängenden Problemen liefern; (3) stets zum Vergleich zwischen den behandelten Kulturen ermutigen (Byram, Gribovka & Starkey 2002). Weitere Aspekte wie die Mediation zwischen Kulturen können aufgegriffen werden. Als methodologische Werkzeuge können Präsentationen, Projektarbeit, Rollenspiele oder Simulationen verwendet werden. Alle Themen eignen sich für Diskussionen aus einer interkulturellen Perspektive und dieser Ansatz kann für den Unterricht zur Förderung aller kommunikativen Fähigkeiten verwendet werden. Die verwendeten Texte sollten authentisch sein (zum Beispiel Karten, Cartoons, Fotografien), wobei ihr Kontext und ihre Absicht eindeutig angegeben sein sollten; und die Aktivitäten können alle Fertigkeiten abdecken (Lesen, Schreiben, Hörverstehen und so weiter). Der Ansatz ist nicht autoritativ, denn die Lerner sollen dazu ermutigt werden, Sichtweisen zu analysieren und zu kontrastieren. Das Internet ist eine ergiebige Materialquelle dafür, aber die Arbeit mit den eigenen Erfahrungen, Souvenirs oder Realien der Lehrkraft und der Lerner ist ebenfalls möglich.

Auch die Art und Weise, wie die Lehrperson den Begriff Aufgabe auffasst und diese letzendlich im Unterricht umsetzt, beeinflusst die Sprachentwicklung der Lerner. Im Kontext des GER werden Aufgaben als wesentliche Bestandteile unseres Lebens beschrieben, deren Erfüllung durch die absichtsvolle Aktivierung der notwendigen Kompetenzen in Übereinstimmung mit ihrer Domäne, ihrem Ziel und Ergebnis erfolgt. Dazu können unterschiedliche Sprachaktivitäten gehören. Kommunikation ist immer essenziell, wenn wir an Rezeption, Produktion, Interaktion oder Mediation teilnehmen. Demzufolge sind Aufgaben wesentliche Elemente im Unterricht. Aufgaben im Unterricht können (1) realitätsnah sein, indem sie die tatsächlichen Bedürfnisse und Ziele der Lerner abbilden und (2) pädagogisch sein: Aufgaben in der Unterrichtssituation für die Entwicklung sinnvoller Kommunikation, die nur indirekt reale Aufgaben abbilden (Nunan 1991a). Bei allen Aufgaben im Unterricht wird erwartet, dass die Lerner Bedeutung verstehen, aushandeln und ausdrücken, um ein kommunikatives Ziel zu erreichen beziehungsweise die Aufgabe erfolgreich zu erfüllen. Die Lehrkräfte dürfen jedoch nicht ignorieren, wie Bedeutung kommuniziert wird, das heißt, in der Abfolge der Aktivitäten muss eine Balance zwischen Bedeutung und Form gewährleistet werden. Die erfolgreiche Durchführung von Aufgaben kann mit entsprechender Vorbereitung deutlich verbessert werden, indem die passenden Schritte des Lernprozesses dafür mit einbezogen werden. Zuerst können die Kompetenzen und Fertigkeiten der Lerner aktiviert werden (zum Beispiel Vorwissen der notwendigen sprachlichen Elemente abrufen). Darüber hinaus können aufgabenbezogene Anpassungen vorgenommen werden (zum Beispiel kann derselbe Input zu verschiedenen Ergebnissen oder Antworten der Lerner führen, oder der Input kann verschiedene Informationsmengen oder Hilfestellungen zur Erfüllung der Aufgaben umfassen). Ein prinzipientreuer und kohärenter Ansatz zur Auswahl und Abfolge von Aufgaben sollte die Kompetenzen, Merkmale, Absichten und den Lernstil der Lerner berücksichtigen.

Das letzte Kapitel des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens fokussiert die Beurteilung der Kenntnisse des Sprachverwenders beziehungsweise der Sprachverwenderin mit zwei Zielen: Es möchte als eine Orientierungshilfe für die (1) Auswahl und die (2) Entwicklung angemessener Testmethoden dienen, wobei beide Aspekte für praktizierende Sprachenlehrer und -lehrerinnen von großer Bedeutung sind. Alle Sprachentests beurteilen die Kenntnisse, aber es gibt andere Formen der Beurteilung (zum Beispiel die Wahrnehmung der Lehrer, Selbsteinschätzung). Auch wenn sie keine schwerwiegenden Konsequenzen herbeiführen und eventuell einen informellen Charakter haben, ist die Qualität der Tests ausschlaggebend für deren Aussagekraft in Bezug auf die Fähigkeiten des Lerners. Die entsprechenden grundlegenden Konzepte werden ausführlich in Kapitel 3 besprochen.

Ziel der Skalen aus dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen ist es, die Beschreibung der Kompetenzniveaustufen zu vereinfachen, die bereits als Qualifikationen erworben wurden und die Vergleichbarkeit zwischen den Systemen zu verbessern. Lernleistungen werden so transparent, was zu einer besseren Vereinbarkeit nationaler und institutioneller Rahmen beiträgt. Durch den Bezug auf die Kategorien und Kompetenzniveaus des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens lassen sich die Ziele verschiedener Prüfungen und Kurse zudem klar abbilden. Die Konstruktion eines Tests hängt primär von seinem Zweck ab, bei dessen initialer Bestimmung der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen auch klare Leitlinien festsetzt. Diese ermöglichen es Sprachenlehrkräften, informelle formative Beurteilungen mit klar vorformulierten und kommunizierten Kriterien zu erstellen und zu regulieren. Beachten Sie jedoch, dass die direkte Anwendung der Testkonstruktion des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens nur eingeschränkt möglich ist. Die Empfehlungen wurden zum Beispiel für erwachsene Lerner formuliert und müssen deshalb angepasst werden, um den Anforderungen des tatsächlichen Prüfungskontextes zu entsprechen.

1.2.3Zusammenfassung

Im Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen gibt es viele Aspekte und Teile, die direkt im Sprachenunterricht verwendet werden können.

Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen kann Sprachenlehrer und -lehrerinnen in verschiedenen Bereichen unterstützen, dazu zählen unter anderem: die Entwicklung eines interkulturellen Bewusstseins, aufgabenbasiertes Unterrichten und der dazugehörige Rahmen und die Beurteilung.

Das Kompetenzmodell, das im Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen herausgebildet und eingeführt wurde, ist über die linguistische Kompetenz hinaus erweitert worden: es umfasst zwei große Komponenten (allgemeine und kommunikative Kompetenz) und mehrere Unterkompetenzen, die mit Hilfe von Skalierungstabellen ausgeführt und beschrieben werden.

1.2.4Aufgaben zur Wissenskontrolle

Skizzieren Sie kurz das Kompetenzmodell des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens.

Was bedeutet interkulturelles Bewusstsein im Ansatz des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens?

Was kann ein Sprachenlehrer oder ein Sprachlehrerin tun, um das interkulturelle Bewusstsein der Lerner zu verbessern?

Wie kann eine Sprachenlehrkraft die Komplexität reduzieren?

Inwiefern kann der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen Sprachenlehrer und -lehrerinnen bei ihren beurteilungsrelevanten Entscheidungen anleiten?

1.3Curriculum- und Lehrplan-Design

In dieser Einheit werden die grundlegenden Konzepte der Sprachplanung wie Sprachcurriculum und Lehrplan definiert. Sie erhalten einen Überblick zu den wichtigen Phasen und Voraussetzungen ihrer Erstellung und erfahren mehr über ihre Rolle und Bedeutung für den Sprachenunterricht. Nach der Erläuterung der Konzepte und Prozesse folgt die Beschreibung ihrer Umsetzung im ungarischen dreistufigen curricularen System, in dem in unterschiedlichem Maße zentralisierte Dokumente zu verschiedenen theoretischen Ansätzen und zahlreiche praktische Überlegungen Verwendung finden. Die vorliegende Lerneinheit dient als theoretische Vertiefung der vorangehenden Einheiten über den Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen, welcher eines der wichtigsten Sprachplanungsdokumente ist. In dieser Einheit haben Sie also die Möglichkeit sich mit den Grundlagen der Sprachplanung vertraut zu machen, indem Sie anhand authentischer Beispiele einen Einblick in die entsprechenden Entwicklungsprozesse gewinnen.

Lernziele

In dieser Lerneinheit möchten wir erreichen, dass Sie

die Begriffe Curriculum und Lehrplan verstehen und voneinander differenzieren können;

die wichtigsten Aspekte des Prozesses der Curriculumsentwicklung und des Lehrplan-Designs beschreiben können;

sich am Beispiel der Richtliniendokumente für das ungarische Curriculum ein umfassendes Verständnis über diese theoretischen Begriffe verschaffen können.

1.3.1Curricula und Rahmenbedingungen für die Entwicklung eines Curriculums

CurriculaCurriculum bilden den gesamten Wissensvorrat ab, den Kinder im Schulkontext erwerben sollen: Dazu gehören die Ziele, die Mittel und die Evaluationskriterien für alle Fachgebiete. Laut McLaren & Madrid (2004) sollen Curricula (1) die erzieherischen Ziele eines Programms angeben; (2) die Lehrprozesse, die Inhalte und die Lernerfahrungen, um diese Ziele zu erreichen; und (3) die Möglichkeiten zur Beurteilung des Erreichens der vorab festgelegten Ziele. Nunan (1988a) betont, dass Curricula eine geplante Intervention in den Ausbildungsprozess darstellen, sich aber in den dafür verwendeten Kriterien und Grundprinzipien voneinander unterscheiden. Die Curriculumtheorie befasst sich mit (1) den Hauptelementen des Curriculums und (2) mit den Prozessen, wie sie konzipiert, umgesetzt und beurteilt werden.

SprachencurriculaSprachencurriculum fokussieren die Entwicklung der Fremdsprachenkenntnisse. Sie stützen sich ebenfalls auf drei Hauptkomponenten: (1) Inhalte, (2) Methodologie und (3) Beurteilung. Diese beziehen sich hier im Speziellen auf den Sprachenunterricht. Die Grundbausteine der sprachlichen Inhalte können Vokabular, Grammatik, Funktionen, Notionen und Text- oder Aufgabentypen sein. Zur Methodologie gehören die Lernaktivitäten, die Prozesse und die Techniken, die von den Lehrkräften angewandt werden; und die Lernergebnisse zeigen, welche Fähigkeiten die Lerner am Ende eines Unterrichtszeitraums erworben haben. Die Evaluation als drittes Element kann je nach gültigem Curriculum sehr unterschiedlich ausfallen: Sie kann in Form eines anvisierten Erfüllungsgrades auf einer Kenntnisskala oder bei einem standardisierten Test vorliegen, oder die Fähigkeit meinen, effektiv an verschiedenen kommunikativen Situationen teilzunehmen.

Bei der Entwicklung eines Sprachencurriculums wird ein Rahmen für die Entscheidungsfindung erstellt, der eine Vielzahl zusammenhängender Prozesse zu Planung, Überprüfung, Einsatz und Beurteilung von Sprachenprogrammen umfasst. Es gibt mehrere Ansätze für die Phasen und die Abfolgen des Entwicklungsprozesses, aber sie alle stimmen in der Integration wesentlicher Bestandteile überein. Dazu gehören Zielbestimmung, Bedarfsanalyse, Selektion und die Erstellung von Lehrmaterialien oder Evaluation, die Nunan (1988b) wie folgt kategorisiert: initiale Planungsprozeduren, Auswahl und Einstufung der Inhalte, Methodologie und fortlaufende Überprüfung. In einigen theoretischen Rahmenplänen werden sie um weitere Elemente ergänzt: Bei McLaren & Madrid (2004) gibt es zum Beispiel eine sprachpolitische Entscheidungsphase und Storey (2007) bezieht eine Planungsphase für effektives Unterrichten mit ein. Auf Basis der unterschiedlichen Ansätze können wir die erforderlichen Phasen für die Entwicklung eines Curriculums als Liste wie folgt zusammenfassen:

Bedarfs- und Situationsanalyse;

Sprachpolitische Entscheidungen: Festlegung der übergeordneten Ziele, Erfüllung nationaler oder lokaler Bedürfnisse und Interessen;

Zielsetzung: Festlegung allgemeiner und spezifischer Ziele, die mittels des Unterrichts von den Schulen erreicht werden sollen;

Entsprechende Planung und Vorbereitung der Lehrinhalte;

Entsprechende Planung und Vorbereitung der Lehr- und Lernmaterialien;