Unvergesslich, Sophie - Lois Lowry - E-Book

Unvergesslich, Sophie E-Book

Lois Lowry

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Beschreibung

Außergewöhnliche Freundschaftsgeschichte zwischen Jung und Alt – voller wunderbarer und trauriger Momente für Kinder ab 9 Jahren von einer der Meistererzählerinnen unserer Zeit Sophie liebt ihre Nachbarin und beste Freundin Sophie heiß und innig. Ganz egal, dass zwischen ihnen 77 Jahre Altersunterschied liegen! Denn Sophie mag dieselben Dinge wie sie, unter anderem und in keiner bestimmten Reihenfolge: Bananenbrot, clevere Wortspiele, Peter und der Wolf und Teekränzchen. In letzter Zeit macht sich Sophie aber Sorgen um ihre Freundin. Denn die ältere Sophie hat Gedächtnisprobleme. Sie vergisst den Kessel auf dem Herd oder welcher Wochentag ist. Alles nicht so schlimm! Schlimm ist jedoch, dass Sophies Sohn sie in ein Heim schicken will. Die jüngere Sophie kann das nicht zulassen, das wäre Entführung! Zusammen mit ihrem zweiten und dritten besten Freunden Ralphie und Oliver hilft sie dem Gedächtnis ihrer besten Freundin auf die Sprünge. Dabei erfährt sie überaus Kostbares, Wunderbares und Trauriges über Sophie. Geschichten, die sie wie einen Schatz hüten wird – für immer. - Warm und eindringlich erzählt von der zweifachen Newbery-Medal-Trägerin Lois Lowry - Eine generationsübergreifende Geschichte ab 9, die Familien Anlass gibt, über Demenz zu sprechen. - Für die extra Lesemotivation: Mit Lesequiz bei Antolin 

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Seitenzahl: 148

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Lois Lowry

Unvergesslich, Sophie

 

Aus dem amerikanischen Englisch von Anne Brauner

 

Über dieses Buch

 

 

Außergewöhnliche Freundschaftsgeschichte zwischen Jung und Alt – voller wunderbarer und trauriger Momente für Kinder ab 9 Jahren von einer der Meistererzählerinnen unserer Zeit

Sophie liebt ihre Nachbarin und beste Freundin Sophie heiß und innig. Ganz egal, dass zwischen ihnen 77 Jahre Altersunterschied liegen! Denn Sophie mag dieselben Dinge wie sie, unter anderem und in keiner bestimmten Reihenfolge: Bananenbrot, clevere Wortspiele, Peter und der Wolf und Teekränzchen. In letzter Zeit macht sich Sophie aber Sorgen um ihre Freundin. Denn die ältere Sophie hat Gedächtnisprobleme. Sie vergisst den Kessel auf dem Herd oder welcher Wochentag ist. Alles nicht so schlimm! Schlimm ist jedoch, dass Sophies Sohn sie in ein Heim schicken will. Die jüngere Sophie kann das nicht zulassen, das wäre Entführung! Zusammen mit ihrem zweiten und dritten besten Freunden Ralphie und Oliver hilft sie dem Gedächtnis ihrer besten Freundin auf die Sprünge. Dabei erfährt sie überaus Kostbares, Wunderbares und Trauriges über Sophie. Geschichten, die sie wie einen Schatz hüten wird – für immer.

 

 

Weitere Informationen finden Sie unter www.fischer-sauerlaender.de

Biografie

 

 

Lois Lowry wurde 1937 in Honolulu auf Hawaii, USA, geboren. Sie hat in Pennsylvania und Japan gelebt und wohnt heute in Boston. Sie ist verheiratet und hat vier mittlerweile erwachsene Kinder. Sie schrieb mehr als vierzig Bücher für Kinder und Jugendliche und erhielt unzählige Auszeichnungen, u.a. den wichtigsten amerikanischen Jugendbuchpreis, die Newbery Medal.

Impressum

 

 

Erschienen bei Fischer Sauerländer E-Book

 

Die amerikanische Originalausgabe erschien 2024 unter dem Titel Tree. Table. Book. bei Clarion Books, einem Imprint von HarperCollins Publishers, New York, USA.

Published by arrangement with HarperCollins Children’s Books, a division of HarperCollins Publishers.

© 2025, Fischer Sauerländer GmbH, Hedderichstraße 114, 60596 Frankfurt am Main

Published by arrangement with HarperCollins Children’s Books, a division of HarperCollins Publishers.

Coverabbildung: Regina Kehn

ISBN 978-3-7336-0639-8

 

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Inhalt

Widmung

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Danksagung

Für Maggie, Nancy und Kay zur Feier unserer Freundschaft. Und für alle meine Herzensfreundinnen da draußen – und davon gibt es viele –, die siebenundsiebzig Jahre jünger sind als ich.

Kapitel 1

Gleich nenne ich dir drei Wörter. Ich suche sie völlig beliebig aus. Pass gut auf. Die werden später wichtig sein.

Haus.

Schirm.

Apfel.

Merk sie dir. Ich erklär’s dir später.

Kapitel 2

»Eins. Gestern habe ich nach dem Abendessen gekotzt, und die Aubergine kam mir zur Nase raus«, sagte mein Freund Ralphie Mariani.

Ich dachte darüber nach. »Okay«, sagte ich. »Nächste.«

»Zwei. Mein Vater stammt aus einem italienischen Dorf am Hang eines Vulkans, und einmal war sein Kinderwagen voller Asche.«

»Jep. Weiter.«

»Drei. Heute Morgen saß eine Riesenspinne im Zimmer meiner Schwester. Unsere Katze hat sie sich geschnappt und aufgefressen.«

Cool. »Eins«, sagte ich. »Eins ist gelogen. Viel zu leicht, Ralphie. Das mit dem Vulkan und deinem Vater habe ich schon tausendmal gehört. Und jeder weiß, dass Piccolina alles frisst. Eine Spinne würde sie niemals verschmähen. Also ist die Nasenkotze gelogen.«

»Ja, stimmt.« Ralphie zuckte mit den Schultern. »Ich muss mir bessere Wahrheiten ausdenken. Steht es jetzt unentschieden?«

»Nein. Ich habe einen fetten Vorsprung, Ralphie. Es steht achtzehn zu sieben.«

»Findest du, dass ich besser werde?«

»Ein bisschen vielleicht. Halt dich ran.«

Das ist so ein Spiel zwischen uns: zwei Wahrheiten und eine Lüge. Ralphie ist nicht sonderlich gut darin. In der Schule läuft es besser für ihn – wir sind in derselben Klasse –, aber, na ja, ich sag’s mal so: Wenn man Ralphies genetische Marker dem Alphabet nach durchginge, bis man beim Buchstaben N ankäme … dann würde man dort ein starkes Naturwissenschaftsgen finden, was nicht überraschend ist, da sein Vater Arzt und so etwas offenbar erblich ist. Außerdem würde man bei K ein Gen für Kleinheit entdecken, das er vermutlich ebenfalls geerbt hat. Dr. Mariani ist schätzungsweise eins siebzig groß und damit kleiner als meine Mutter, und Ralphie wiederum ist kleiner als ich. Wahrscheinlich wächst er noch, aber ein Basketball-Star wird er bestimmt nicht.

Allerdings würdest du kein Gen für Raffinesse finden – nicht bei Ralphie. Bei dem Spiel mit den zwei Wahrheiten und einer Lüge muss man ganz schön raffiniert sein.

Der Trick ist, bizarre, unglaubwürdige Wahrheiten zu sammeln. Hier, ich nenne dir ein Beispiel.

Eins: Ich werde an meinem nächsten Geburtstag zwölf, im September.

Zwei: Mein zweiter Vorname ist Henry, obwohl ich ein Mädchen bin.

Drei: Meine beste Freundin ist siebenundsiebzig Jahre älter als ich.

Nummer eins ist die Lüge. Ich hatte nämlich schon diesen Monat Geburtstag, vor einer Woche – am 22. Juli, um genau zu sein. Ich bin elf geworden. Wetten, dass du auf eine der beiden anderen Aussagen getippt hast? Weil sie so seltsam und unglaublich klingen.

Ich heiße tatsächlich Sophia Henry Winslow. Meine Eltern hatten sich irgendwie auf einen Jungen eingestellt, den sie aber nicht bekommen haben, und der Arzt hatte gesagt: keine weiteren Babys. Deshalb haben sie mir den Henry mitgegeben, auf den sie gesetzt hatten, und ich finde das eigentlich ganz gut.

Und es ist ebenfalls wahr, dass meine beste Freundin achtundachtzig Jahre alt ist. Meine beste Freundin heißt Sophie Gershowitz.

In dieser (wahren) Geschichte geht es (hauptsächlich) um sie und mich.

Kapitel 3

Weißt du was? Es ist gar nicht so schwer, eine Geschichte zu schreiben. Man braucht halt das, was dazugehört: Figuren, einen Schauplatz, die Handlung (was ist passiert? Warum ist es passiert? Was passiert als Nächstes?) und natürlich ein Ende. Das ist es eigentlich schon. Einige in meiner Klasse stöhnen immer, wenn wir etwas Kreatives schreiben sollen. Ich nicht. Dafür bekomme ich locker eine Eins. Ich mixe einfach all diese Bestandteile, als würde ich Spaghettisoße kochen. Wenn das Rezept Kräuter vorsieht, dann streue ich ein paar Adverbien und Adjektive ein. Und das reicht – so schreibt man eine Geschichte.

Für den Anfang einer Geschichte gibt es viele Möglichkeiten.

Es war einmal.

Es war eine dunkle und stürmische Nacht.

»Wohin geht Papa mit der Axt?«

(Um nur ein paar zu nennen.)

Dennoch fand ich es schwierig, mit dieser Geschichte zu beginnen. Eine Autorin kam in unsere Schule und erzählte, wie sie ihre Bücher schrieb. Wir Schülerinnen und Schüler fragten sie Löcher in den Bauch und wollten zum Beispiel wissen, wie viel Geld sie verdient und ob sie Haustiere hat oder ob sie noch ein Buch schreiben würde. Ihre Antworten lauteten: »Nicht genug, haha.« Und: »Ja, einen Zwergpudel.« Und: »Ja, werde ich.« Ziemlich öde.

Aber dann fragte ein Mädchen, wie man am besten den Anfang eines Buches schreibt, und diese Antwort brachte mich zum Nachdenken. Die Autorin sagte nämlich: »Fangt an dem Tag an, der anders ist.«

Ich glaube, damit hat sie irgendwie recht. Eines Abends zieht Max sein Wolfskostüm an, macht allen möglichen Unsinn, und schwupps – dieser Tag ist wirklich anders und der Beginn von Wo die wilden Kerle wohnen. Ein Tag ist auch anders, weil ein Wirbelsturm über Kansas hinwegfegt, und ta-da! Schon haben wir den Zauberer von Oz. All diese Geschichten beginnen an einem Tag, der anders ist.

Aber ist nicht eigentlich jeder Tag anders? Sogar der normalste Tag der Welt ist anders als der davor. Am Sonntag habe ich zum Beispiel den ganzen Tag Flip-Flops getragen. Aber da es in der Nachrichtensendung 60 Minutes am Sonntagabend um Borreliose ging, bin ich nervös geworden und habe gestern, also am Montag, Sneakers angezogen und mir die Hosenbeine meiner Jeans in die Strümpfe gestopft, damit mich auch ja keine Zecke beißt. Der Tag war deshalb ein bisschen anders. (Noch dazu sehr heiß.) Außerdem habe ich ein Gespräch mit angehört, über das ich nachdenken muss.

Und heute? Es ist ein Dienstag. Ein normaler Tag, der mir nicht sonderlich anders erschien. Allerdings werde ich immer wütender, weil ich darüber nachdenke, was ich zuvor mit angehört habe. Und mache mir Sorgen. Ich denke über das leere Haus gegenüber nach – es ist verfallen, heruntergekommen und sogar ein wenig unheimlich, aber man könnte dort etwas verstecken. Etwas in Sicherheit bringen. Und seitdem ist es plötzlich teilweise wegen dieses hochgradig geheimen und hochgradig nervenaufreibenden Gedankens ein Tag geworden, der anders ist.

Und plötzlich beginnt diese besondere Geschichte.

Am Anfang stelle ich dir die Figuren vor: die beiden, die in der Geschichte vorkommen. Natürlich sind da auch noch andere. Aber die Hauptfiguren sind Sophie Gershowitz und ich.

Kapitel 4

Sophie Gershowitz wohnt nebenan und ist meine beste Freundin. Genau genommen meine erste beste Freundin. Ich habe viele Bekannte und auch Schulkameradinnen und Schulkameraden, und als ich klein war, habe ich mich mit anderen Kindern zum Spielen verabredet. Dennoch habe ich irgendwie nie eine wahre beste Freundin gefunden, die meinen Kummer verstand, sich mit mir freute und über dieselben Dinge lachte, die ich lustig fand. Jedenfalls nicht, bis ich Sophie getroffen habe.

Wir zwei haben viel gemeinsam, zum Beispiel denselben Vornamen. (Ein Golden Retriever, der in unserer Straße wohnt, heißt auch so, aber das zählt meiner Meinung nach nicht.) Ich kenne noch mehr Mädchen, die Sophie heißen, zum Beispiel gleich mehrere in der Schule. (Und Emmas! Bin ich froh, dass ich nicht Emma heiße!) Aber etwas Besonderes sind die alle nicht. Keine von denen hat mich so gern wie Sophie Gershowitz.

Sophie sagt, ursprünglich hieß sie Shlomit. Sie kommt aus einem anderen Land, nämlich Polen, wo sie aus komplizierten Gründen eine Zeit lang Zofia genannt wurde. Schließlich wurde ihr Name, als sie in die USA kam, amerikanisiert, was wahrscheinlich gut war. Hätte sie weiterhin Shlomit oder Zofia geheißen, wäre sie bestimmt geärgert worden.

In New York gibt es eine Bar namens Sophie’s, in der man Billard spielen kann (hab ich auf Yelp nachgesehen), aber da war ich noch nie. Es gibt ein Buch mit dem Titel Sophies Entscheidung, das verfilmt wurde, aber ich habe es nicht gelesen und auch den Film nicht gesehen. Außerdem heißt eine berühmte Geigerin Anne-Sophie Mutter. Ich habe sie gegoogelt, weil ich alle Sophies google, und etwas derart Köstliches über sie gefunden, dass ich es mir manchmal leise vorsage, weil es mich zum Lächeln bringt. Und zwar:

Anne-Sophie Mutter hat eine Tochter namens Arabella Wunderlich.

Was würde ich für so einen Namen geben! Aber dann würde ich natürlich nicht so heißen wie meine allerbeste Freundin Sophie Gershowitz.

Ich bin siebenundsiebzig Jahre jünger als Sophie Gershowitz, die achtundachzig ist.

Jetzt könnte ich sagen rechne mal, aber wozu? Ich habe dir ja schon erzählt, dass ich elf bin.

Kapitel 5

Eigentlich wollte ich direkt zu den verschiedenen Handlungssträngen und Nebenfiguren übergehen: Nachbarschaft, Häuser, Teekessel, Ralphie, Spiele, Oliver und vieles andere. Aber wenn man eine Geschichte erzählt (oder schreibt), hält man das Publikum erfahrungsgemäß besser bei Laune, wenn es zwischendurch zur Sache geht. Also beschleunige ich die Handlung jetzt ein bisschen.

Action: Vorhin bin ich in die Küche gegangen und habe mir ein Käsesandwich gemacht. Dann habe ich eine Telefonnummer gewählt, die ich auswendig kann. Ich habe nämlich Ralphie angerufen.

Moment, jetzt muss ich doch kurz unterbrechen und Ralphie einführen. Klar, ich habe ihn bereits erwähnt, aber jetzt werde ich erklären, was er hier macht.

Ralphies Familie, die Marianis mit ihren sechs Kindern, wohnt gegenüber. Sophie sagt, dass italienische Familien immer groß sind. Weil sie katholisch sind und Katholiken anscheinend viele Kinder bekommen sollen. Wir verstehen das nicht. Sophie und ich haben unsere Zweifel, was diese katholischen Regeln angeht, obwohl wir sie selbstverständlich respektieren.

Ralphie hat zwei ältere Schwestern – eine auf dem College und eine in der Highschool –, einen Bruder beim Militär und zwei kleine Brüder in der zweiten und dritten Klasse. Dazu noch eine Katze und ein paar Goldfische.

Dr. Mariani ist Kinderarzt, und deswegen mag er Kinder vermutlich, was vielleicht noch ein Grund dafür ist, dass sie zu sechst sind, und der Grund hat nichts mit der katholischen Kirche zu tun. Außerdem kann er ihre Vitamine sicher gratis besorgen.

Ralphies Mom ist eine fantastische Köchin. Leider kann ich das von meiner Mutter nicht behaupten. Im Büro meiner Mutter hängt die Urkunde ihres College-Abschlusses, aber sie glaubt, dass Thunfisch aus der Dose gemischt mit Fertig-Champignonsuppe und Fertig-Röstzwiebeln obendrauf einen anständigen Auflauf ergeben. Nicht dass ihr mich falsch versteht – ich liebe meine Mom. Letztes Jahr habe ich ihr ein Kochbuch von Fernsehköchin Ina Garten zu Weihnachten geschenkt, das ich bei der jährlichen Bücherbörse der Bibliothek gekauft habe, und dieses Buch wurde vorher nicht ein Mal aufgeschlagen, so makellos sah es aus. Und ich habe auf einen Geschenkanhänger geschrieben, wie sehr ich mich freuen würde, wenn sie ihre Familie mit einigen Speisen beglücken würde – insbesondere mit der Schokoladen-Pekannuss-Baisertorte auf Seite 183. Aber keine Chance. Sie hat sich kurz das Bild angesehen, aber nicht einmal die Zutatenliste gelesen.

Mrs Mariani dagegen! Absolut kein Vergleich. Hin und wieder gibt es ein Nachbarschaftsfest – zum Beispiel vor ein paar Wochen am Unabhängigkeitstag. Zufällig hängt an einer Wand in meinem Zimmer ein Schaubild mit der Ernährungspyramide. In der vierten Klasse hat unsere Lehrerin den Materialschrank aufgeräumt und wollte es wegwerfen, weil es nicht mehr ganz aktuell war, aber dann durfte ich es mit nach Hause nehmen. Ehrlich gesagt, dachte ich damals, es ginge um Ägypten (wegen der »Pyramide« – klar, oder? Ich hatte nicht so genau hingesehen). Damals interessierte ich mich sehr für Mumien. Als es mir dann auffiel, habe ich mir das Schaubild trotzdem aufgehängt und gelernt, dass Essen fast genauso interessant ist wie Mumien. Seitdem hab ich großen Appetit auf Fakten zum Thema Ernährung.

Aber in den Ferien darf man eine Ausnahme machen, und wenn man an Ostern nur Schokohasen und Marshmallows essen will, ist das auch okay.

Zurück zum Nachbarschaftsfest am Unabhängigkeitstag: Da wurde ordentlich aufgetischt. Ralphies Mutter hat eine gigantische Lasagne gemacht, dazu einen Riesensalat mit mindestens vier verschiedenen Blattsalaten und einen Kuchen mit sechs verschiedenen Schichten und Tiramisucreme zwischen jeder einzelnen Schicht. Unsere Nachbarin Margaret Voorhees hat selbst gebackene Brownies mitgebracht, die ihr Sohn Oliver so genau ausgemessen und zugeschnitten hatte, dass jeder Brownie exakt drei Komma acht mal drei Komma acht Zentimeter groß war. Sophies Beitrag bestand aus einer Götterspeisenmousse (ein Rezept aus der Lokalzeitung … okay, nicht sonderlich lecker, aber alle haben so getan). Andere aus der Nachbarschaft stellten Hotdogs und gebackene Bohnen und Kartoffelsalat auf den Tisch. Meine Mutter war die Einzige, die gar nichts selbst gemacht hatte. Meine Mutter steuerte eine Upside-down-Ananastorte aus dem Supermarkt bei.

Aber – das glaubst du jetzt nicht: Ralphie fand sie superlecker. Die Lasagne seiner Mutter hat er nicht einmal probiert. Er hat halbherzig einen Hotdog gegessen und sich dann vier Stücke vom Ananaskuchen reingezogen. Wie ich bereits sagte, kann man in den Ferien ernährungstechnisch mal fünf gerade sein lassen, aber vier Stücke Kuchen, der nicht einmal selbst gebacken war? Echt jetzt. Ich habe Ralphie ein paarmal »Junkfood!« zugeflüstert, aber das hat nichts genützt. Er hat auch unglaublich viel Cola getrunken. Seine Eltern hatten nichts dagegen.

Dabei sollte man meinen, dass Dr. Mariani seinen Kindern aufgrund seiner medizinischen Ausbildung genau vorschreiben würde, was sie essen sollen: zum Beispiel grünes Blattgemüse. Ralphie hat den Blattsalat seiner Mutter nicht angerührt. Ich könnte den Marianis eine entsprechende Broschüre in den Briefkasten werfen, aber das wäre fast so, als würde ich einen Brief schreiben, ihn aber nicht unterzeichnen, und davon halte ich gar nichts.

Ralphie Mariani ist ein sehr enger Freund von mir (nicht mein bester, das ist ja schon Sophie Gershowitz), und er ist sehr gut in der Schule, aber er weiß nicht besonders viel über gute Ernährung. Außerdem übertreibt er manchmal ganz schön.

(Selbstverständlich übertreiben wir alle hin und wieder. Mein Vater hat mir erzählt, dass er einmal seinen Lieblingsfilm Lawrence von Arabien auf Netflix entdeckt hat, und obwohl er ihn schon dreimal im Kino gesehen hatte, hat er ihn damals auf Netflix geschaut, und dann – und hier hat er es endgültig übertrieben –, obwohl es schon ein Uhr nachts war und meine Mutter schon zwei Stunden zuvor ins Bett gegangen war, hat er von vorn angefangen und sich den ganzen Film noch ein zweites Mal angesehen.)

Kapitel 6

Aber egal: zurück zum Dienstag. Ich habe Ralphie angerufen, um ihn um einen Gefallen zu bitten.