Unzertrennlich - Roni Loren - E-Book
SONDERANGEBOT

Unzertrennlich E-Book

Roni Loren

0,0
9,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 9,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Als die erfolgreiche Anwältin Rebecca Lindt auf dem Nachhauseweg mit der Waffe bedroht wird, werden schreckliche Erinnerungen an den Amoklauf vor 14 Jahren wach. Diesmal jedoch eilt ihr als Retter in der Not der attraktive Wes Garrett zu Hilfe.
Aber Wes ist für Rebecca kein Unbekannter, denn sie vertrat seine Ex-Frau während des Scheidungsprozesses - bei dem Wes alles verlor, was ihm wichtig war. Doch obwohl sie eigentlich alles trennt, ist die gegenseitige Anziehung stärker als alles andere ...

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 557

Veröffentlichungsjahr: 2020

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

CoverÜber dieses BuchÜber die AutorinTitelImpressumWidmungKapitel 1Kapitel 2Kapitel 3Kapitel 4Kapitel 5Kapitel 6Kapitel 7Kapitel 8Kapitel 9Kapitel 10Kapitel 11Kapitel 12Kapitel 13Kapitel 14Kapitel 15Kapitel 16Kapitel 17Kapitel 18Kapitel 19Kapitel 20Kapitel 21Kapitel 22Kapitel 23Kapitel 24Kapitel 25Kapitel 26Kapitel 27Kapitel 28Kapitel 29EpilogDanksagung

Über dieses Buch

Als die erfolgreiche Anwältin Rebecca Lindt auf dem Nachhauseweg mit der Waffe bedroht wird, werden schreckliche Erinnerungen an den Amoklauf vor 14 Jahren wach. Diesmal jedoch eilt ihr als Retter in der Not der attraktive Wes Garrett zu Hilfe.

Aber Wes ist für Rebecca kein Unbekannter, denn sie vertrat seine Ex-Frau während des Scheidungsprozesses – bei dem Wes alles verlor, was ihm wichtig war. Doch obwohl sie eigentlich alles trennt, ist die gegenseitige Anziehung stärker als alles andere …

Über die Autorin

Roni Loren schrieb ihren ersten Liebesroman im Alter von 15 Jahren, als sie feststellte, dass es einfacher war, über Jungs zu schreiben, als mit ihnen zu reden. Heute kann sie zwar auch nicht viel besser flirten, ist aber (hoffentlich) zumindest eine bessere Autorin. Sie hat einen Master in Sozialarbeit und viele Jahre als Therapeutin gearbeitet, bis sie sich ganz aufs Schreiben konzentrierte. Seitdem legt sie in ihrem gemütlichen Büro in Dallas, Texas nur noch ihre Figuren auf die Analysecouch. Sie ist zweifache Gewinnerin des RITA-Awards und eine New York Times- und USA Today-Bestsellerautorin.

Übersetzung aus dem amerikanischen Englischvon Anke Pregler

Vollständige E-Book-Ausgabe

des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Titel der amerikanischen Originalausgabe:

»The One You Can’t Forget«

Für die Originalausgabe:

Copyright © 2018 by Roni Loren

Originally published in the United States by Sourcebooks Casablanca, an imprint of Sourcebooks, Inc., www.sourcebooks.com

Für die deutschsprachige Ausgabe:

Copyright © 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Antonia Zauner

Umschlaggestaltung: ZERO Werbeagentur, München unter Verwendung von Illustrationen von© shutterstock: sripfoto | Chinnapong; © Getty Images: PeopleImages

eBook-Produktion: hanseatenSatz-bremen, Bremen

ISBN 978-3-7325-9484-9

www.luebbe.de

www.lesejury.de

Für die »Possum Posse«, weil das Schreiben ohne großartige Freunde wie euch ein sehr einsamer Job wäre (selbst für jemanden, der so introvertiert ist wie ich).

Kapitel 1

Es gibt einen Grund, warum Liebesfilme nur den Beginn einer Beziehung zeigen. Das ist der aufregende Teil, Nervenkitzel und Magie. Die scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten haben etwas unbestreitbar Verführerisches an sich. Wie wird ihr Leben nun werden, da sie einander gefunden haben?

Nun, Rebecca Lindt konnte es ihnen sagen. Zu einem Drittel hatten sie die Chance, bis an ihr Ende glücklich zu sein, zu einem weiteren Drittel, verheiratet zu bleiben, aber unglücklich damit zu sein, oder aber sie würden bei jemandem wie ihr enden und darum kämpfen, wer die Le-Creuset-Töpfe oder den Aufsitzrasenmäher behalten durfte, auch wenn niemand der beiden kochte oder seinen Rasen selbst mähte.

Im heutigen Krieg der Ex-Eheleute ging es um einen ganz normalen Pudel, der es irgendwie bis in das Büro und die Mediationssitzung geschafft hatte. Die Frau beanspruchte den Hund als ihren Offiziellen Emotionalen Begleiter (wobei diese Worte immer mit größtem Respekt und wie mit Großbuchstaben von ihrem Anwalt ausgesprochen wurden), weshalb das Tier bei ihr zu bleiben habe. Rebeccas Mandant Anthony bebte vor kaum unterdrücktem Zorn, als er der Mediatorin mit zusammengebissenen Zähnen zu erklären versuchte, dass seine Frau den Hund immer schon gehasst hätte und der Pudel deshalb bei ihm bleiben sollte.

Prince Hairy, das flauschige Wesen, um das es ging, schien sich für keinen der beiden besonders zu interessieren. Er wollte nur unter dem Tisch jagen und jeder Person, die an dem Treffen teilnahm, mit seiner feuchten Schnauze zwischen den Beinen herumschnüffeln. Rebecca schickte ein stilles Dankeschön zum Himmel, dass sie einen Hosenanzug trug, auch wenn das nichts daran änderte, dass sie jedes Mal leicht zusammenzuckte, wenn der Hund sich in ihre Richtung bewegte.

Die raue Zunge leckte über ihren Knöchel und ließ sie erschaudern. Sanft schob sie den Hund mit ihrem Schuh weg, wobei sie versuchte, nicht entsetzt, sondern professionell auszusehen. Doch Raul, der Anwalt der Gegenpartei, hob wissend die Braue. Sie hatte keinen Zweifel daran, dass er ihr später sagen würde, dass sie dem Hund mindestens einen Drink für ihr Verhalten schuldete.

»Prince Hairy ist schon bei uns, seit er ein Welpe war«, sagte die Ehefrau knapp, als ob sie die Wörter in der Mitte durchschnitt. »Ich habe ihm seinen Namen gegeben. Ich bin mit ihm zum Trimmen gegangen. Bei mir fühlt er sich zu Hause, während du auf der Arbeit bist. Mein Therapeut sagt, dass er Teil meiner Genesung ist. Er ist mein Offizieller Emotionaler Begleiter.«

»Emotionaler Begleiter«, spottete Anthony nun ungehalten. »Komm schon, Daphne. Dein emotionaler Begleiter war der verdammte Bauleiter, den du in meinem Bett gefickt hast!«

»Mr. Ames«, sagte die Mediatorin, und ein oberlehrerhafter, warnender Ton schwang in ihrer Stimme mit. »Sie beide haben sich für eine Mediation entschieden, um eine Gerichtsverhandlung zu vermeiden, doch damit das funktioniert, müssen Sie Ihre Behauptungen …«

Anthony schnaubte. »Behauptungen? Das sind keine Behauptungen, wenn sie stimmen.«

Rebecca legte Anthony die Hand auf den Arm, um ihn zum Schweigen zu bringen und gleichzeitig zu warnen. Ich habe verstanden. Beruhigen Sie sich.

Anthony atmete tief aus, und Rebecca übernahm. »Ich denke, Mr. Ames möchte damit sagen, dass es keinerlei schriftliches Zeugnis dafür gibt, dass Prince Hairy ihr Emotionaler Begleiter ist. Vielleicht ist er Mrs. Ames ein Trost, aber er ist kein offizieller Therapiehund.« Er war schlicht Daphnes bestes Druckmittel, da Anthony einfach völlig verrückt nach dieser hündischen Plage war. »Deshalb sollte dieser Punkt auch keine Rolle bei der Frage spielen, wo Prince Hairy leben wird. Der Hund wurde in Anthonys Namen angeschafft. Er ist mit ihm spazieren und zum Tierarzt gegangen. Da Mr. Ames beabsichtigt, im Haus zu bleiben, kann er dem Tier ein adäquates Umfeld bieten.«

»Was?«, schnappte Daphne, und von ihrer vorgeblichen Gelassenheit war nichts mehr zu spüren. »Bist du verdammt noch mal verrückt geworden? Du wirst nicht das Haus bekommen.«

Verdammt noch mal. Rebecca unterdrückte ein Lächeln. Sie hatten sich alle darauf geeinigt, sich während der Mediation mit ihrer Wortwahl zurückzuhalten. Offensichtlich hatte Daphne nicht die Absicht, sich daran zu halten, genauso wenig, wie sie es bei ihrem Eheversprechen getan hatte.

Die Mediatorin seufzte tief und fragte sich ganz offensichtlich, warum sie diesen Berufsweg überhaupt eingeschlagen hatte. An Freitagen tat man das schon mal, doch das hier schien ein ganz besonderer Freitag zu werden. »Mrs. Ames, wir hatten uns darauf verständigt, mit normaler Lautstärke zu sprechen.«

Doch Daphne schien das anders zu sehen. Ihre Lippen kräuselten sich, als hätte sie in eine Zitrone gebissen, und ihre blauen Augen schossen Blitze. Sie war wie eine Zündschnur, die lichterloh brannte.

»Ich bekomme das Haus«, sagte Anthony schlicht.

Rebecca grinste innerlich. Und drei, zwei, eins …

Daphne stand auf, die manikürten Hände flach auf den Tisch gedrückt, während sich eine schwarze Locke aus ihrem Haarknoten löste. »Du wirst mir nicht mein Haus wegnehmen, du wertloses Stück Scheiße. Ich habe gerade zwei Jahre damit verbracht, es umzugestalten.«

»Und den Bauleiter zu vögeln.«

»Mr. und Mrs. …«

»Es ist meins!« Sie schlug mit der Handfläche auf den Tisch, was Prince Hairy aufbellen ließ. »Und ich habe mit Eric geschlafen, weil du mich vernachlässigt hast und nie zu Hause warst, und du … du …« Ihr Blick heftete sich auf Anthony, als sie ihre Waffe gefunden hatte. »Du warst schlecht im Bett!«

Anthony kochte, doch Rebecca verstärkte ihren Griff um seinen Arm und hoffte, dass er die Worte an sich abprallen ließ. Mit der richtigen Vorbereitung konnten die Menschen mit jeder Menge Beleidigungen während der Mediation oder vor Gericht klarkommen, doch Rebecca wusste auch, dass es da bei Männern eine Schwachstelle gab, und zwar, wenn man ihre Männlichkeit infrage stellte.

»Mrs. Ames«, mahnte die Mediatorin.

»Entschuldigung«, sagte Rebecca mit absolut ruhiger Stimme, was Daphne noch aufgebrachter wirken ließ. »Einen Augenblick bitte. Ich möchte gerne kurz unter vier Augen mit meinem Mandanten sprechen, und ich glaube, dass jeder hier eine Pause gebrauchen könnte.«

Resigniert ließ die Mediatorin die Schultern hängen und rückte sich die Brille gerade. »Fünf Minuten Pause. Danach bitte ich alle, sich höflich zu verhalten, oder wir müssen die Mediation abbrechen und die Angelegenheit von einem Gericht klären lassen.«

Daphne schnaubte, und Raul versuchte, sie mit leisen Worten zu besänftigen, und bot ihr eine kleine Flasche Mineralwasser an. Sie trank einen großen Schluck, während sie Anthony immer noch mit ihren Blicken zerfleischte. Raul nickte Rebecca zu. »Wir werden kurz spazieren gehen und Prince Hairy Gassi führen. In fünf Minuten sind wir zurück.«

»Danke.« Rebecca wusste, dass sie den Hund mitnahmen, um ihren Besitzanspruch deutlich zu machen – sich verhielten, als gehörte der Hund Daphne bereits –, doch Rebecca machte sich keine Sorgen. Alles lief genau so, wie sie es geplant hatte.

Als sich die Tür des Konferenzraums geschlossen hatte, drehte sich Anthony zu ihr herum. Sein zuvor perfekt gestyltes braunes Haar war zerwühlt, nachdem er sich mit den Fingern hindurchgefahren war. »Ich bin nicht schlecht im Bett. Sie lügt.«

»Anthony.«

»Frauen hatten immer Spaß mit mir, und Daphne ist jedes Mal, Sie wissen schon …« Verletzt ließ er den Satz unvollendet.

In Rebecca stieg Mitgefühl auf, obwohl ihre Bereitschaft zum Händchenhalten selbst an guten Tagen gering und nach einer gerichtlichen Auseinandersetzung an diesem Morgen und nun dieser Mediation hier am Nachmittag so gut wie nicht mehr vorhanden war. Anthony musste zweifellos der Kopf schwirren. War er schlecht im Bett? Hatte seine Frau ihre Lust nur gespielt? War das der Grund, warum sie fremdgegangen war?

Rebecca streckte die Hand aus und drückte sanft seine Schulter. »Anthony, Sie wissen doch, dass sie Ihnen diese Dinge nur an den Kopf wirft, um Sie zu provozieren. Ich habe Ihnen doch gesagt, dass sie die hässlichsten Sachen behaupten wird. Das ist absolut normal.«

Er blinzelte. »Wie meinen Sie das?«

»Der leichteste Weg, einen Mann aus der Bahn zu werfen, ist es, über seine Penisgröße oder seine Fähigkeiten im Bett herzuziehen. Männer scheinen ein angeborenes Bedürfnis zu haben, sich gegen solche Beleidigungen zu verteidigen.« Sie wusste, wovon sie sprach. »Gleichzeitig beleidigen Männer eine Frau, indem sie behaupten, sie sei frigide oder hässlich, würde dick oder alt werden. Wenn sich Menschen in die Ecke gedrängt fühlen, schlagen sie zurück, indem sie sich dieser Klischees bedienen, um ihr Gegenüber zu verunsichern. Das ist nicht besonders originell und die Taktik von jemandem, der weiß, dass er den Kampf verlieren wird. Es bedeutet, dass wir gewinnen.«

Anthony warf ihr einen ungläubigen Blick zu, als vermutete er, sie wolle ihn auf den Arm nehmen. »Gewinnen? Sie wird ihren Therapeuten dazu bringen, Prince als Therapiehund zu deklarieren. Sie hat den Kerl um ihren Finger gewickelt, indem sie ihm weit mehr bezahlt, als er wert ist. Sie werden sehen. Und dann werde ich auch noch Prince verlieren.«

Seine Stimme brach, und er schaute zur Seite, um die Tränen zu verbergen, die ihm bei dem Gedanken daran in die Augen schossen.

Rebecca runzelte die Stirn. Sie hatte nie ein Haustier besessen, weil ihr Vater es für unhygienisch und zeitaufwendig hielt, doch sie war regelmäßig überrascht darüber, wie viele Menschen alles für ein Haustier oder eine andere sentimentale Leidenschaft taten. Sie zog es vor, wenn dies bei ihren Mandanten nicht der Fall war. Sentimentalität ließ die Menschen irrational werden. Du kannst den Achtzigtausend-Dollar-Wagen haben, solange ich das gute Geschirr meiner Mutter behalte.

So etwas konnte sie nicht verstehen. Aber wenn die Mutter, die man zutiefst verehrt, ohne Vorwarnung die Familie verlässt, um eine neue Familie zu gründen, lernt man schon als Viertklässlerin, sich nicht zu sehr an irgendetwas zu hängen. Nichts gehörte einem auf Dauer.

Doch Anthony war ihr Mandant, und er hatte ihr ganz klar gesagt, dass der Hund Top-Priorität für ihn hatte. Er bezahlte Rebecca dafür, dass er bekam, was er wollte, und deshalb würde sie dafür sorgen, weil sie gut in ihrem Job war und ihr kein Urteil darüber zustand, ob ein Schritt-Schnüffler ein Haus im Millionenwert wert war.

Rebecca tätschelte Anthonys Arm. »Ich verspreche Ihnen, das hier wird genau so ausgehen, wie wir es uns wünschen. Solange es keine unerwarteten Komplikationen gibt, wird alles laufen wie geplant.«

Er sah hoch. »Unerwartete Komplikationen?«

»Ja, irgendetwas, das Ihnen viel bedeutet und von dem ich nicht weiß, dass es Sie einknicken lassen könnte.« Rebecca blickte zur Tür, um sicherzustellen, dass sie noch immer allein waren, erhob sich lässig von ihrem Stuhl und beugte sich über den Tisch, um durch Rauls Akte zu blättern. Sie las die ordentliche Handschrift auf dem Kopf. Es gab eine Liste mit Notizen und Dingen, über die es zu verhandeln galt. Sie konnte das meiste entziffern, und kaum etwas davon überraschte sie. Haus. Barvermögen, Autos, Möbel (Antiquitäten), Schmuck. Alles Dinge, über die sie mit Anthony gesprochen hatte. Doch ein Punkt am Ende der Seite erregte ihre Aufmerksamkeit.

Schnell klappte sie den Ordner zu und setzte sich wieder auf ihren Platz. Ihr Blick ging zu Anthony. »Erzählen Sie mir von der Schallplattensammlung.«

Seine Augen wurden groß. »Was?«

»Sie haben sie auf die Liste der zu verhandelnden Dinge gesetzt.«

»Sie haben was?« Anthonys Gesicht wurde rot vor Zorn. »Das sind meine gottverdammten Platten. Ich sammele sie, seit ich vierzehn bin.«

Uh-oh. »Haben Sie die Sammlung seit der Heirat vergrößert?«

»Ja, aber …«

Na, großartig. »Ist sie eine nennenswerte Summe wert, oder wäre es schwer, sie zu ersetzen?«

Er wurde blass. »Ich habe Originalausgaben. Einige sind signiert. Einige sind so gut wie nicht zu ersetzen. Daphne kann die Sammlung nicht haben. Sie ist … meine Kindheit.«

Rebecca hatte das Gefühl, einen Stein im Magen zu haben. »Der Hund oder die Platten, Anthony? Wenn Sie einen Tod sterben müssten, welcher wäre das?«

»Sie wollen, dass ich mich zwischen meinem Hund und einer Sammlung entscheide, die ich in zwanzig Jahren zusammengetragen habe? Das ist unmöglich.«

»Wir könnten die Sache vor Gericht bringen. Sie wissen, dass wir Oberwasser haben.« Das hatte Rebecca von Anfang an vorgeschlagen. Es würde für sie beide mehr Geld bedeuten, wenn sie vor Gericht gingen und die Schuld auf seine Frau schoben. Sie hatten Beweise. Daphne würde nicht gut dabei aussehen. Ein solcher Sieg würde Rebeccas Chancen erhöhen, Partnerin in der Kanzlei zu werden, und Anthony würde vermutlich alles bekommen, was er sich wünschte. Eine Win-win-Situation.

Anthony schüttelte den Kopf und presste sich die Finger gegen die Stirn. »Ich glaube nicht, dass ich das will. Aber mein Hund oder meine Platten?«

Rebecca schüttelte den Kopf, ihre Stimme klang ernst. »Ich werde mich bemühen, beides zu bekommen. Doch für den Fall, dass ich auf eine Sache verzichten muss, um die andere zu bekommen, muss ich wissen, welche das ist.«

Die Tür öffnete sich, bevor er antworten konnte, und die anderen kamen wieder herein. Raul und Daphne sahen selbstgefällig aus, als sie den Hund zurück ins Büro führten. Prince Hairy spazierte unter den Tisch und ließ sich zu Anthonys Füßen fallen.

Anthony warf Rebecca einen traurigen Blick zu.

Sie hob eine Braue, und er nickte.

Der Hund gewinnt.

Die Mediatorin nahm Platz. »In Ordnung, dann lassen Sie uns anfangen, nachdem alle zur Ruhe gekommen sind.«

Rebecca faltete die Hände auf dem Tisch und streckte den Rücken. Zeit zu pokern. »Ich habe mit meinem Mandanten gesprochen, und ich glaube, wir haben einen annehmbaren Kompromiss anzubieten. Mr. Ames gibt Mrs. Ames den Hund, die alten Schallplatten, den Mercedes und ihre antike Puppensammlung im Austausch für das Haus und den SUV.«

Anthony erstarrte, und Rebecca konnte fühlen, wie er im Stillen fragte: Was zum Teufel machen Sie da? Doch sie blickte nicht in seine Richtung.

Daphnes Augen wurden groß wie bei einer Comicfigur. »Meine Puppensammlung? Die gehört doch sowieso mir.«

»Sie wurde während der Ehe erworben.« Rebecca sprach mit professionell unbeteiligter Stimme.

»Die Puppensammlung steht nicht zur Debatte«, sagte Raul ruhig.

Rebecca machte sich eine Notiz. »Dann gilt das Gleiche für die Plattensammlung.«

»Gut.« Daphne nickte. »Nimm deine beschissenen Platten.«

Raul runzelte die Stirn, als ihm die Sentimentalitäts-Karte, die er ausspielen wollte, abhandenkam.

Rebecca unterdrückte ein Grinsen. Ein Punkt erledigt. »In Ordnung, Ms. Ames, dann bekommen Sie Prince Hairy und werden allein für seinen Unterhalt und die Tierarztrechnungen aufkommen. Mr. Ames erhält das Haus und wird Sie für Ihre Hälfte auszahlen. Einverstanden?«

»Nein«, sagte Daphne und sah ihren Anwalt an, als wollte sie sagen: Tun Sie doch etwas. »Ich werde hier nicht ohne das Haus weggehen. Ich habe jede Wandfarbe ausgesucht, jede Kachel, jedes Möbelstück. Es ist meins.«

»Du könntest wieder zu deinen Eltern ziehen, Daph«, sagte Anthony beiläufig und spielte seine Rolle weiter. »Bis du etwas anderes gefunden hast.«

Sie wurde weiß im Gesicht. »Lieber bringe ich mich um, als bei ihnen zu wohnen. Ich werde mein Haus nicht verlassen.«

Anthony stützte das Kinn auf seiner Faust ab, als ob er es sich für einen richtig guten Film gemütlich machte.

Rebecca versuchte, nicht das Gesicht über Daphnes Kommentar zu verziehen. Sie würde sich nie daran gewöhnen, wie leicht die Menschen mit dramatischen Worten um sich warfen. Selbstmorddrohungen und Mordankündigungen kamen ihnen unablässig über die Lippen, besonders bei Scheidungsmediationen. Rebecca wusste, dass es Übertreibungen waren, doch als sie noch auf der Highschool war, hatten zwei Personen solche Drohungen ausgestoßen und sie dann wahr gemacht. Niemand hatte ihnen zugehört. Alle hatten geglaubt, dass es eine Übertreibung war. Sie hatten sich getäuscht. So sehr getäuscht.

Ihr Magen überschlug sich, und sie trank einen Schluck Wasser, während sie versuchte, die Erinnerungen abzuschütteln, die sie wie Fahrstuhlmusik durch ihr Leben begleiteten, niemals wirklich im Hintergrund und immer bereit, lauter zu werden. Sie spannte den Kiefer an und versuchte, einen neutralen Gesichtsausdruck beizubehalten. »Ich glaube, wir befinden uns in einer Sackgasse.«

»Mr. und Mrs. Ames«, sagte die Mediatorin. »Wenn wir hier keine Lösung finden, wird die Angelegenheit vor Gericht entschieden. Versuchen Sie sich daran zu erinnern, dass Kompromisse keine Niederlagen sind. Etwas nur aus Rache durchzudrücken fühlt sich im ersten Moment gut an, doch es wird den Prozess hinauszögern, Sie mehr Geld für Ihre Anwälte kosten und Ihnen auch mehr Stress bereiten. Außerdem werden Sie dann noch eine lange Zeit miteinander zu tun haben. Doch wenn wir hier zu einem Ergebnis kommen, können Sie aus diesem Raum marschieren und brauchen einander nicht mehr zu sehen.«

»Nun, das ist ein Vorteil«, murmelte Anthony.

»Ich habe keine Angst, vor Gericht zu gehen, um mein Haus zu bekommen«, sagte Daphne mit frostiger Stimme.

Rebecca legte den Stift hin und richtete ihre Aufmerksamkeit auf Daphne. »Mrs. Ames, ich bin mir sicher, dass Ihr Rechtsbeistand Sie gewarnt hat, dass Sie vor Gericht womöglich mehr verlieren würden als bei einer Einigung hier. In Texas ist die Schuldfrage bei Scheidungen zulässig. Wir haben Beweise für Ihre Affäre. Details dazu würden vor Gericht offengelegt.«

Daphne fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, und in ihrer Kehle arbeitete es.

Rebecca hob die Augenbraue auf eine Weise, von der sie sich folgende Botschaft erhoffte: Ja, all die schmutzigen Details, die Ihnen gerade wieder durch den Kopf gehen, werden dann vor Gericht ausgebreitet. Und niemand wird danach noch auf Ihrer Seite stehen, weil niemand eine Ehebrecherin mag.

Sie hatte das belastende Video bei Anthony zu Hause gesehen, weil sie über alles Bescheid wissen wollte, es sich aber nicht allein anschauen wollte. Daphne hatte die Sicherheitskameras vergessen, die ihr Mann draußen neben dem Pool installiert hatte, und eines Abends, als Anthony in der Stadt gewesen war, hatte sie mit dem Bauleiter eine absolut nicht jugendfreie Show hingelegt. Bei der Deutlichkeit des Videos hatte sich Rebecca gleichzeitig unwohl und fasziniert gefühlt. Sie selbst hatte definitiv noch nie so intensiven Sex gehabt. Sie hatte noch nie das Bedürfnis gehabt, jemandem buchstäblich die Kleider vom Leib zu reißen. Offen gestanden war ihr nicht bewusst gewesen, dass Menschen so etwas außerhalb von Filmen machten. Sie konnte sich nicht vorstellen, so … wild auf irgendwen zu sein.

Anthony hatte sich übergeben müssen, als er die Aufnahme sah, und da hatte Rebecca die Wahrheit begriffen.

Der Mann hatte seine Frau aufrichtig geliebt, und in diesem Moment war seine Welt entzweigerissen worden. Er hatte geglaubt, in einer Art Film zu sein, und war dann in einem ganz anderen geendet. Er war nicht der Held. Er war der Dummkopf. Er war im faschen Drittel der Statistik gelandet.

Deshalb hatte Rebecca keine Bedenken, Daphne in die Knie zu zwingen. Ehebrecher hatten nichts anderes verdient. Und zu Daphnes Pech war das Rebeccas Spezialität.

»Sie versuchen, mich einzuschüchtern«, sagte Daphne schließlich.

Rebecca lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück, kreuzte die Beine und genoss das Gefühl ruhiger, überlegener Kontrolle, das sie in diesem Moment im ganzen Körper spürte. »Ich halte nur die Fakten fest, Mrs. Ames. Fragen Sie Ihren Anwalt, ob er glaubt, dass ich übertreibe. Wenn wir vor Gericht gehen, werden Sie als Schuldige dastehen, und das wird sich dann ganz sicher auch im Vergleich niederschlagen.«

Raul faltete die Hände auf dem Tisch. Auch seine Miene war undurchdringlich. »Wir sind bereit, falls nötig vor Gericht zu gehen. Was das Haus angeht, wird meine Mandantin nicht einknicken.«

»Mr. Ames, wie könnte ein Kompromiss bezüglich des Hauses aussehen?«, fragte die Mediatorin. »Wenn es keinen gibt, sollten wir die Sache vor Gericht fortsetzen.«

Anthony setzte sich auf seinem Stuhl zurück und verschränkte mit einem selbstgefälligen Gesichtsausdruck die Arme. Rebecca wollte jubeln. Er hatte endlich begriffen, wie das Spiel funktionierte. Er spielte seine Rolle und zuckte mit den Schultern. »Hört sich an, als sollte ich lieber vor Gericht ziehen. Auf diesem Weg würde ich das Haus, diese lächerlichen Puppen, den besseren Wagen und meinen Hund bekommen. Und du würdest wieder zu Hause bei deinen Eltern landen. Du kannst ja Eric anrufen, damit er die beschissene Siebziger-Jahre-Ranch deiner Eltern und dein Zimmer dort nett herrichtet.«

In Daphnes Kiefer arbeitete es, und Raul legte ihr die Hand auf den Unterarm, als ob er ahnte, was gleich geschehen würde, doch es war zu spät. Sie hatte bereits den Mund geöffnet. »Also gut. Nimm den dummen Hund! Ich weiß, dass es dir um ihn geht. Er ist schmutzig, dämlich und sowieso nur eine Platzverschwendung.«

Unter dem Tisch hob Prince Hairy den Kopf und winselte, als hätte er ihre Worte verstanden und fühlte sich nun beleidigt.

Daphne machte eine wegwerfende Handbewegung. »Nimm ihn und alles, was du sonst von deinem Müll willst. Gib mir nur das Haus, meine Möbel und meinen Wagen. Dann brauchst du mich niemals wiederzusehen. Ich bin fertig mit dem Mist hier.«

Rebecca setzte ein Mona-Lisa-Lächeln auf.

Anthonys Sessel quietschte, als er sich mit siegessicherem Gesicht vorbeugte. »Einverstanden. Wir haben einen Deal.«

Raul schloss die Augen und schüttelte den Kopf.

Doch die Mediatorin schlug die Hände in einem stummen Klatschen zusammen. »Fantastisch. Gut gemacht. Ich bin so froh, dass Sie beiden zu einer Lösung gefunden haben. Jetzt folgt noch die schriftliche Fassung der Vereinbarung, und dann sind wir mit allem hier durch.«

Eine weitere Liebesgeschichte, die mit einer Unterschrift auf einer gepunkteten Linie endete.

Daphne griff nach ihrer Tasche und stand auf. Ihr Stuhl rollte nach hinten weg und knallte gegen die Wand. »Du bist so ein selbstgefälliges Arschloch, glaubst, dass du so viel besser wärst als ich. Hättest du mich nicht so behandelt …«

»Es reicht, Mrs. Ames«, sagte Rebecca. »Sie hatten die Möglichkeit zu sprechen.«

Die Frau richtete ihre Aufmerksamkeit auf Rebecca. »Und es kümmert mich nicht, dass Sie eine berühmte Überlebende oder was auch immer sind. Sie sind ein hochnäsiges, besserwisserisches Miststück!«

»Daphne …«, warnte Raul.

Doch Rebecca lächelte weiter höflich, und die Worte perlten an ihr ab wie Regentropfen an einer Windschutzscheibe. Sollte Daphne ruhig ihren Wutanfall haben. Die Menschen hatten alle möglichen vorgefassten Meinungen über Rebecca, wenn sie herausfanden, dass sie die Rebecca Lindt war, die das Long-Acre-High-Massaker überlebt hatte, die Schießerei beim Abschlussball der Schule – das weinende rothaarige Mädchen aus den Spätabendnachrichten vor zwölf Jahren, das blutend auf einer Trage herausgerollt worden war. Häufig beinhalteten diese Meinungen strahlendes Licht und Engelschöre oder den Glauben, dass Rebecca irgendein geheimes Rezept für ein bedeutungsvolles Leben kennen würde. Doch für all diese Menschen hatte sie eine Nachricht: Nur weil man eine Tragödie überlebte, besaß man keine magischen Fähigkeiten. Man wurde nur zäher. Sie war nichts Besonderes. Hatte nur Glück gehabt. »Ich wünsche Ihnen einen guten Tag, Mrs. Ames.«

Daphne gab einen angewiderten Laut von sich und stolzierte zur Tür hinaus, ohne sich zu verabschieden. Ihr »Emotionaler Begleiter« hob nicht einmal den Kopf. Raul sah Rebecca entschuldigend an. »Tut mir leid. Sie muss das alles … erst verarbeiten.«

Rebecca verzog das Gesicht. »So kann man es auch nennen. Aber keine Sorge, ich bin schon Schlimmeres genannt worden. Wahrscheinlich sogar irgendwann mal von Ihnen.«

Grinsend schob er seine Unterlagen in die Aktentasche. »Nur wenn ich verliere. Und selbst dann voller Respekt.«

Sie rollte mit den Augen, war Raul jedoch nicht böse. Schließlich bezeichnete sie ihn regelmäßig als kriecherischen Bastard. Rebecca hob dankend eine Hand Richtung Mediatorin, als diese aus dem Raum flüchtete, um vermutlich die nächste Bar anzusteuern.

»Ich habe gehört, Ihr Vater bewirbt sich für einen Sitz im Senat«, sagte Raul, als Rebecca ihn zur Tür begleitete. »Können Sie nicht seinen Platz in der Kanzlei einnehmen, wenn er gewählt wird?«

Rebecca zuckte mit den Schultern. »Wer weiß. Ich muss mir hier genauso meine Stellung als Partnerin verdienen wie jeder andere auch, also liegt diese Entscheidung nicht in meiner Macht. Doch mein Nachname steht bereits auf dem Gebäude, also wäre es ökonomisch, ihn nicht ändern zu müssen.«

Er lachte. »Stimmt. Sie würden denen also einen Gefallen tun. Und ich wette, Sie hätten das Zeug dazu, auch ohne Vitamin B. Sagen Sie Ihrem Vater, dass ich ihm viel Glück bei den Wahlen wünsche.«

»Danke, das werde ich tun. Schönes Wochenende noch.«

Sie schüttelten sich die Hände, und Raul folgte der Mediatorin nach draußen.

Als Rebecca die Tür schloss und sich zu ihrem Mandanten umdrehte, schob Anthony den Stuhl zurück, stieß einen knappen Siegesschrei aus und klopfte sich dann auf die Schenkel. »Komm her, Junge.«

Der Hund rappelte sich hoch und sprang fröhlich auf Anthonys Schoß. Der Pudel war viel zu groß für einen Schoßhund, doch das schien Anthony nicht zu kümmern. Er vergrub das Gesicht im kupferfarbenen Fell des Hundes, das wirklich die gleiche Farbe wie Prince Harrys Haar hatte, und überhäufte das Tier mit einer ganzen Flut von Koseworten.

Prince leckte seinem Herrchen über das Gesicht und gab glückliche Hundelaute von sich. Rebecca verschränkte die Arme vor dem Körper und schüttelte den Kopf, als sie amüsiert näher trat. »Ich hätte noch eine Menge mehr Geld und das Haus für Sie herausholen können.«

Anthony blickte auf, während er dem Hund den Hals kraulte. »Ich weiß.«

»Aber der Hund ist es wert?«

»Natürlich ist er das. Sehen Sie ihn sich an.« Anthony legte die Hand um Prince Hairys Schnauze.

Rebecca schaute skeptisch auf das große Fellknäuel. »Nun, wenn Sie glücklich sind, dann bin ich es auch.«

»Nun, glücklich ist nicht das richtige Wort, aber erleichtert«, sagte Anthony. »Vor Gericht zu gehen wäre zu hart gewesen.« Er sah zu dem Hund, als könnte er Rebecca nicht in die Augen schauen. »Jedes Mal, wenn ich Daphne ansehe, trotz all meiner Wut, sehe ich da dieses Mädchen, in das ich mich einmal verliebt habe. Ich kann nichts dagegen machen.«

Rebecca legte den Kopf schräg. »Selbst wenn sie Sie ein Arschloch nennt?«

»Ja. Ich weiß, dass diese Version von ihr, die ich geliebt habe, nicht mehr da ist, doch ich kann mich immer noch an das Gefühl erinnern, als wir zusammengekommen sind. Dieses Hochgefühl. Die Liebe endet, aber sie hinterlässt … ich weiß nicht, Spuren in einem. Als ob die Person, die ich einmal war, immer noch die Person liebt, die sie einmal war. Ich will sie nicht vor Gericht sehen und dort vorführen. Ich kann dieses Video nicht noch einmal sehen. Es würde sich anfühlen, als würden mir wieder die Eingeweide aus dem Leib gerissen. Als ob ich bei etwas versagt hätte, von dem ich glaubte, nicht versagen zu können.«

Rebecca blickte ernst. »Das tut mir leid.«

»Mir auch.« Mit müdem Blick lehnte er sich auf seinem Stuhl zurück und kraulte Prince. »Kennen Sie diesen Wunsch, einfach in der Zeit zurückgehen und etwas anders machen zu können? Ich frage mich, wie mein Leben heute aussehen würde, hätte ich Daphne nicht an dem Tag, als wir uns kennenlernten, meinen Regenschirm angeboten. Wenn ich einfach weitergegangen wäre.«

Einen Augenblick, den sie ändern würde? Rebecca schob sich das Haar hinter die Ohren, ihr wurde der Brustkorb eng, und sie drohte, die Fassung zu verlieren. »Alle Wunder dieser Welt können die Vergangenheit nicht ändern.«

Der Hund sprang von Anthonys Schoß und legte sich zu seinen Füßen hin, offensichtlich erschöpft von der Scheidungsmediation und dem philosophischen Gespräch. Geistesabwesend strich Anthony Hundehaare von der Leine. »Ich weiß, und man sagt, dass wir uns auch nicht wünschen sollen, irgendetwas zu verändern. Der Schmetterlingseffekt und verblassende Fotos aus Zurück in die Zukunft und all das. Aber würden Sie irgendeinen Moment ändern, wenn Sie es könnten?«

Rebecca konnte nicht verhindern, dass ihr eine Reihe von Erinnerungen durch den Kopf schoss wie ein blutiger Film. Unbedachte Worte. Ein Junge, der vor Wut schäumte. Wegen ihr. Blut. Schreie. Schüsse. Sie schluckte hart gegen die Trockenheit in ihrer Kehle an und ignorierte den Phantomschmerz in ihrem Bein. »Ja, einen Moment gibt es.«

Anthony nickte ernst, als wären sie Kampfgefährten. »Ich auch. Ich würde an Daphne vorbeimarschieren, sodass sie im Regen nass bis auf die Knochen wird.«

Rebecca strich sich die Falten ihrer Hose glatt und versuchte, sich wieder zu fassen und die hässlichen Gedanken zu verdrängen. »Wenn Sie an ihr vorbeigegangen wären, hätten Sie heute vielleicht nicht Prince.«

Auf Anthonys mitgenommenem Gesicht erschien ein Lächeln. »Sie haben recht. Und er ist der Beste.«

»Das sollte er auch sein«, sagte sie mit einem knappen Lächeln.

Er rieb dem Hund über den Kopf. »Um ehrlich zu sein, ist er alles, was ich brauche. Ich wäre lieber pleite, als zurück in ein leeres Zuhause zu kommen. Die letzte Woche, in der Prince bei Daphne war, war hart für mich. Nichts ist deprimierender, als zu wissen, dass zu Hause niemand auf einen wartet. Dass es für niemanden eine Rolle spielt, ob man sich blicken lässt oder nicht.«

Die Worte klangen schrill in Rebecca nach und trafen sie an Stellen, mit denen sie sich lieber nicht genauer auseinandersetzen wollte. Sie zwang sich zu einem Lächeln. »Stimmt.« Dann stieg sie über den Hund, der sofort seine Nase zwischen ihre Beine schieben wollte. Sie machte einen großen Schritt zurück. »Nun, ich denke, dieser Kerl hier ist definitiv glücklich, wenn er Sie am Ende des Tages sehen kann.«

»Ja. Ich möchte nicht angeben, aber meine Weichteile sind ihm die liebsten.«

Rebecca grinste. »Eine große Ehre.«

»In der Tat.« Anthony tätschelte Prince, damit sich dieser erhob, und stand dann selbst auf, um Rebecca die Hand zu schütteln. »Danke für alles. Ich würde nicht sagen, dass es Spaß gemacht hat, aber wenigstens war es schnell vorbei.«

Das könnte man auch über die meisten meiner Dates sagen.

»Gern geschehen. Tut mir leid, dass wir uns unter diesen Umständen kennengelernt haben«, sagte sie und begleitete Anthony nach draußen. Das war ihre Standardverabschiedung, doch diesmal meinte sie es ehrlich. Die Menschen hofften immer, niemals jemanden wie sie zu brauchen, und sie fand es ein wenig deprimierend, dass selbst dieser offenbar anständige Kerl, der seine Frau geliebt hatte, bei ihr gelandet war.

Aber solche Geschichten sah sie jeden Tag. Anthony hatte auf das Modell des Verliebtseins gesetzt, das allen als »wahre Liebe« verkauft wurde. Traut diesem Rausch der Endorphine und der anfänglichen Anziehungskraft, und alles wird okay sein. Es wird keine Rolle spielen, ob diese Person eine komplett unmögliche und unpassende Wahl ist. Glaubt den Gefühlen. Es ist Magie am Werk.

Doch Gefühle logen, und Magie gab es nicht.

Rebecca hatte ihre Highschool-Jahre als hoffnungslose Romantikerin verbracht, die in ihren besten Freund verliebt war und geglaubt hatte, dass das Schicksal sie füreinander bestimmt hätte und sie zu diesen besonderen Mädchen gehörte, die ihr Happy End bekamen. Sie hatte sogar zusammen mit ihren Freundinnen aus dem Abschlussjahr einen Brief für eine Zeitkapsel verfasst, in dem sie die perfekte, spielfilmreife Romanze ihrer Träume beschrieb. Sie würde für ihren Schwarm sein wie Sally für Harry, Joey für Pacey, Rachel für Ross. Nur hatte sich herausgestellt, dass sie wie Duckie war. Oder Dawson. Oder schlimmer noch, wie die Streberin mit dem Unterwäsche-Fetisch aus dem Jugendfilm Das darf man nur als Erwachsener. Finn, der Junge, auf den sie all ihre Hoffnungen gesetzt hatte, hatte die ganze Zeit über eine andere geliebt. Tat es noch.

Sie hatte mit der Sache abgeschlossen und ihm alles Gute gewünscht, doch sie hatte ihre Lektion gelernt. Und jeden Tag im Büro wurde sie wieder daran erinnert: Liebe war nicht nur ein Risiko. Sie hatte auch äußerst geringe Erfolgschancen. Müsste sie vor Gericht für die Liebe eintreten, würden die Beweise so eindeutig dagegen sprechen, dass es keine Chance gäbe, den Fall zu gewinnen. Eine dauerhafte, liebevolle Ehe war wie eine Nadel im Heuhaufen. Und derjenige, der in einer Beziehung am innigsten liebte – der Romantiker, der Idealist –, war derjenige, dem am Ende die Eingeweide herausgerissen wurden. Nein, danke.

Nachdem Anthony gegangen war, blieb Rebecca im Flur stehen und sah auf die Uhr. Es war kurz vor sechs, und sie war versucht, für heute Schluss zu machen, doch Anthonys Bemerkungen darüber, wie es war, in ein leeres Zuhause zurückzukehren, pulsten wie ein Kopfschmerz durch ihr Gehirn. Vielleicht sollte sie ausgehen. Einen Drink in einer Bar nehmen. Vielleicht eine ihrer Freundinnen anrufen und sie fragen, ob sie mitkommen wollte. Dieses kribbelnde Gefühl abschütteln, das die Worte in ihr hervorgerufen hatten.

Sie kehrte zurück in ihr Büro, um ein letztes Mal ihre E-Mails zu checken und sicherzustellen, dass sie alles erledigt hatte. Die letzte Mail war als dringend markiert. Alle Mails ihres Vaters waren dringend. Sie öffnete sie mit einem Klick.

Rebecca,

die Spende des Unternehmens für karitative Zwecke ist für dieses Steuerjahr noch nicht zugewiesen worden. Ich übertrage dir diese Aufgabe. Such bis Ende nächster Woche eine Wohltätigkeitsorganisation aus, die gut zu meiner Kampagne passt. Etwas, was jeden anspricht. Nichts, was mit Tieren zu tun hat. Nichts Kontroverses. Es soll mit Menschen und dem Gemeinwesen zu tun haben. Letztes Jahr haben wir den Long-Acre-Fonds unterstützt, also können wir das nicht wieder tun. Bethany kann sich um die Abwicklung kümmern, sobald du etwas gefunden hast.

Gruß

W. L.

Seine Initialen, nicht Dad, denn auf der Arbeit waren sie nicht Vater und Tochter.

Rebecca stöhnte. Es machte ihr nichts aus, ihrem Vater zu helfen, doch das Letzte, was sie brauchte, war ein weiteres Projekt, um das sie sich kümmern musste. Vor allem nicht, wenn es nur um die PR ging und nicht um das Wohltätigkeitsprojekt selbst. Doch sie würde sich nicht davor drücken können. Anwälte, die Partner werden wollten, mussten Extraaufgaben übernehmen. Und die Tochter von William Lindt beklagte sich erst recht nicht über zusätzliche Verpflichtungen. Das hatte man ihr schon früh beigebracht.

Mit einem Seufzer stand sie auf, goss sich eine Tasse Kaffee ein und verabschiedete sich von ihren Plänen für den Abend. Wenn sie nächste Woche Zeit für ihre Suche nach einem passenden Projekt brauchte, musste sie sich noch heute Abend um ihre reguläre Arbeit kümmern, sonst würde sie das nicht hinbekommen.

Sie begann damit, Anmerkungen in die Ames-Akte zu schreiben. Zweimal ertappte sie sich dabei, wie sie auf die Screenshots der Videos schielte. Sie konnte nicht viel von Daphne sehen, außer ihrem verklärten Gesichtsausdruck, doch das Muskelspiel des so gut wie nackten Bauleiters zog ihre Blicke an. Normalerweise fühlte sich Rebecca mehr von Männern im Anzug angezogen, Männern, die einen gewissen Schliff hatten, doch vielleicht hatten auch Männer, die rauer waren und mit den Händen arbeiteten, ihren Reiz.

Die Liebe konnte ein schlechtes Geschäft sein, aber Sex mit einem heißen Kerl … Das hörte sich nicht so schlecht an.

Sie rollte die Augen über ihre nicht ganz jugendfreien Gedanken und zwang sich dazu, weiterzuarbeiten. Wenig später warf der Sonnenuntergang tief orangefarbenes Licht auf ihren Schreibtisch und erinnerte sie daran, dass sie nach Hause gehen sollte.

In ihr leeres Apartment.

Wo niemand auf sie wartete.

Und sich niemand zusammen mit ihr auszog.

Sie stöhnte, lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und rieb sich die Nasenwurzel. Was war heute Abend mit ihr los? Sie durfte Anthonys Worte und diese Fotos nicht an sich heranlassen.

Sie hatte ein geschäftiges Leben, war gut in ihrem Job, hatte Freunde. Sie fühlte sich wohl damit, allein zu sein. Und wenn sich mal sexuelle Frustration in ihr anstaute, wusste sie, wie sie allein damit klarkam. Um ehrlich zu sein, im Vergleich zu ihren wenigen, unbeholfenen Versuchen mit Männern war es befriedigender, sich selbst um ihre Bedürfnisse zu kümmern. Und es bewahrte sie davor, die hässlichen, tiefen Narben auf ihrem Bein erklären zu müssen – kein spaßiges Thema. Ihr Leben war gut so, wie es war.

Anthony hatte nicht allein sein wollen, und was hatte es ihm eingebracht? Eine schmutzige Scheidung und Tränen um seinen Hund. Auf so ein Drama konnte sie gerne verzichten.

Mit neuer Entschlossenheit klappte sie die Akte zu, an der sie gearbeitet hatte, und räumte alles zusammen. Es war eine gute Woche gewesen. Sie hatte zwei Fälle gewonnen. Sie hatte ein paar Dinge für die Kampagne ihres Vaters erledigt bekommen. Eigentlich hätte sie in ihrem Büro feiern, nicht grübeln sollen.

Schnell kam ihr eine neue Idee. Sie würde sich im Laden ein Stück die Straße hinunter ihren Lieblingswein kaufen, sich im neuen italienischen Restaurant etwas zu essen und Nachtisch mitnehmen und sich dann einen Film mit einem nett anzusehenden Kerl ausleihen.

Sie sehnte sich nicht nach einem Date. Sie sehnte sich nach einer Auszeit und ein wenig Genuss. Doch dafür brauchte sie niemanden sonst. Sie würde sich allein darum kümmern.

Das tat sie schon ihr ganzes Leben lang.

Warum jetzt damit aufhören?

Kapitel 2

Wes Garrett warf durch den Türspalt einen Blick in das Apartment und sah eine Gruppe von Frauen, die lachten und Champagner tranken. Eine trug einen Partyhut mit einem großen beleuchteten Schwanz darauf. Er schloss die Tür und lehnte sich gegen die Wand im Flur. »Ich kann nicht glauben, dass ich es auch nur in Betracht ziehe.«

Suzie grinste ihn verschmitzt an, und ihr Lippenring glitzerte im Schein der Flurlampe. »Sei nicht so prüde, Garrett. Was ist aus dem wilden Kerl geworden, den ich früher mal kannte und der alles wenigstens einmal probieren wollte?«

Sein Kiefer arbeitete. »Fragst du mich das wirklich?«

Sie machte eine wegwerfende Handbewegung. »Du weißt, was ich meine. Ich will nicht dein postapokalyptisches Ich. Das war einfach furchtbar.«

»Findest du?«

Sie rollte mit den Augen. »Ich spreche darüber, wie du warst, bevor alles den Bach runterging. Inzwischen hast du dich zu sehr ins Gegenteil verkehrt.« Sie zuckte die Achseln. »Als unbescholtener Bürger zu leben heißt nicht, keinen Spaß mehr zu haben, weißt du, oder keinen Sinn für Humor.«

»Suze …«

»Das ist ein guter Auftrag.« Sie durchbohrte ihn mit ihrem Blick. »Dreihundert Mäuse für zwei Stunden. Alles, was du tun musst, ist, betrunkenen Hühnern zu zeigen, wie man ein paar einfache Dinge zubereitet. Du gibst jeden Tag Kochunterricht. Das hier ist nichts anderes.«

Er sah sie vielsagend an. »Ich bringe Teenagern bei, wie man kocht. Dabei trage ich meine weiße Kochkleidung. Ich muss nicht nackt kochen.«

»Argh. Du wirst doch gar nicht nackt sein. Das wäre ein zu großes Risiko in der Küche. Nur … ohne Hemd. Und hey, mit deinen ganzen Tattoos bist du doch irgendwie immer bedeckt.«

Jesus. Was war nur aus seinem Leben geworden? Erst Vier-Sterne-Restaurants und nun das hier? Er hatte geglaubt, dass der Unterricht in einem außerschulischen Programm ein tiefer Fall wäre, nachdem er sich schon als Chefkoch mit eigenem Restaurant gesehen hatte. Doch das hier fand auf einer ganz neuen Stufe statt. Nämlich ganz unten. Bei den Jugendlichen konnte er sich wenigstens einbilden, er würde zukünftige Küchenchefs ausbilden. Doch hier wäre er der Appetithappen des Tages. »Ich weiß nicht.«

Sie griff nach seiner Hand, und ihr Gesicht unter den leuchtend pinkfarbenen Ponyfransen war ernst. »Komm schon, Wes. Mein Kollege hat mich hängen lassen. Oben-ohne-Köche sind gerade total angesagt. Wenn ich ohne auftauche, werde ich in den Online-Besprechungen zerrissen, und mein Geschäft ist am Ende, bevor es richtig angelaufen ist. Du hast fachlich das Zeug dazu. Und du hast dieses Blonder-Bad-Boy-Ding an dir, das sie umhauen wird. Und es gab eine Zeit, in der du die Ladys um den kleinen Finger wickeln konntest, also weiß ich, dass du das hier kannst. Außerdem hast du gesagt, dass du das Geld brauchst. Es ist leicht verdient. Win-win.«

Wes verzog das Gesicht. Er hasste es, dass er das Geld brauchte. Hasste es, dass er fast wieder dort war, wo er vor langer Zeit gewesen war, als er jeden verdammten Cent hatte umdrehen müssen. Er hatte geglaubt, das alles lange hinter sich gelassen zu haben, und dann – boom – war das Leben explodiert. Aber brauchen war auch nicht das richtige Wort. Mit dem Lehrer-Job verdiente er genug, um davon leben zu können. Er wusste, wie er lange mit wenig auskommen konnte. Doch er brauchte das Geld für eine verrückte Idee. Für etwas, mit dem er seine Zeit nicht vergeuden sollte. Seine Familie würde ihn in den Hintern treten, wenn sie wüsste, dass er auch nur darüber nachdachte.

Dennoch konnte er nicht anders, als die Augen zu schließen und sich den heruntergekommenen Schulbus vorzustellen, den ihm sein Freund Devin letzte Woche gezeigt hatte. Der alte Bus sah aus, als wäre er eine steile Felswand hinuntergestürzt und in Flammen aufgegangen. Doch unter der ramponierten Oberfläche hatte Wes das Potenzial gesehen, aus diesem Bus einen Foodtruck zu machen. Wes hatte wieder dieses Kribbeln, das er zu ignorieren versuchte, seit er alles verloren hatte. Dieses Was-wäre-wenn.

Er hatte bei seiner Bank nach einem Kredit gefragt. Doch er hatte die Antwort schon vorher gewusst. Und er hatte die Fühler bei seinen Freunden ausgestreckt und sie gebeten, ihn anzurufen, wenn es einen zusätzlichen Catering- oder Kochauftrag gab.

Selbstverständlich hatte er auch Suzie angerufen, doch sie hatte ihm nicht erzählt, wie genau ihr neues Privatkoch-Konzept aussah, und ihm auch erst den Namen der Agentur verraten, als er schon vor Ort war. Sie war klug genug, um zu wissen, dass er sonst sofort die Flucht ergriffen hätte.

Doch nun war er hier, und sie brauchte seine Hilfe. Und, verdammt, er wollte das Geld. Er lehnte den Kopf gegen die Wand in seinem Rücken und schloss die Augen. »Was soll ich ihnen beibringen?«

Als sie nicht sofort antwortete, hob er den Kopf und sah, wie sie auf ihrer Lippe kaute.

»Suze.« Seine Stimme klang warnend.

Sie hielt die Handflächen hoch. »Hass mich nicht, okay? Es gibt Rezepte für Bruschetta und ein Bourbon-Nuss-Krokant, die du lieben wirst. Doch ein Teil der anderen Sachen ist … themenorientiert.«

Resigniert ließ er die Schultern hängen. »Ich werde Gerichte in Penisform machen, oder?«

»Hm …« Sie zog die Nase kraus. »Es mag da Rezepte wie prall gefüllte Eier und Leckmuscheln geben.«

»Ich hasse dich, ehrlich.«

Sie grinste und trat vor, um ihm die Wange zu tätscheln. »Du bist der Beste, Garrett. Wenn ich nicht vermeiden wollte, das Inventar mit Lippenstift zu beschmieren, würde ich dich jetzt küssen.«

»Du sagst wirklich die nettesten Dinge, Suze, ich fühle mich mit Zuneigung und Komplimenten überhäuft.«

»Wirklich?« Sie kniff ihm in die Hüfte. »Nun geh da rein, sei nett und sieh hübsch aus.«

Er warf ihr einen Blick zu. »Behandelst du alle deine Angestellten wie Vieh?«

Sie streckte ihm die Zunge raus. »Nur meine Freunde, die mich nicht verklagen würden.«

Müde atmete er aus. »Ich verklage dich nicht, aber wenn du irgendwem davon erzählst …«

»Das werde ich nicht.«

»Ich könnte meinen Job verlieren.« Abgesehen von dem letzten Rest Würde.

Sie tat, als verschlösse sie ihre Lippen, und warf dann den imaginären Schlüssel fort. »Dein Geheimnis ist sicher. Das schwöre ich.«

»Gut. Dann gehe ich jetzt da rein.«

Sie klatschte stumm in die Hände, doch dann verblasste ihr Lächeln ein wenig. »Und du kommst auch ganz sicher damit klar, dass das eine Party mit Alkohol ist? Ich weiß, dass ich dich zu der Sache dränge, aber wenn dieser Teil ein Problem ist …«

»Ich hab dir gesagt, dass es okay ist«, schnitt er ihr das Wort ab und spürte, wie er zornig wurde. »Heute Abend ist das mein kleinstes Problem.«

Sie presste die Lippen zusammen und nickte. »Okay. Gut.«

Resigniert fuhr er sich mit der Hand durch die Haare. »Bringen wir es hinter uns.«

Sie machte eine ausladende Handbewegung Richtung Tür. »Viel Glück, mein Freund.«

Ein letztes Mal holte er tief Luft, dann ging er an ihr vorbei und drückte die Tür auf. Alle Augen richteten sich auf ihn, und die blonde Frau mit dem Penis grinste breit und klatschte in die Hände. »Oh, habt ihr mir einen Stripper besorgt?«

Fast hätte Wes auf der Stelle umgedreht. Drei. Zwei. Eins. Und durch die Tür nach draußen. Doch er biss die Zähne zusammen und marschierte weiter.

»Noch besser«, sagte eine große Frau mit dunklen Augen neben ihr. »Er zieht sich nicht nur aus. Er kocht für uns!«

»Lecker!«, warf eine andere Frau aus der Gruppe ein, und Wes hätte nicht sagen können, ob es sich auf ihn oder sein Essen bezog.

»Hallo, Ladys.« Wes zwang sich zu einem charmanten Lächeln und knöpfte dann seine schwarze Kochjacke auf, während in ihm ein kleiner Teil seiner Selbst starb. »Wer hat Lust, ein wenig selbst Hand anzulegen und etwas zu lernen?«

Eifrig reckten die Frauen ihre Arme in die Luft und lachten, als sie hinüber zur langen Küchentheke gingen. Dort standen Wes’ Zutaten schon bereit, denn Suzie hatte sich im Vorfeld um das Mise en Place gekümmert. Außerdem lag ein Stapel Rezeptkarten vor jedem Stuhl an der Theke, neben farbenfrohen Jelly-Shots und Champagnerkelchen.

Wes holte tief Luft, als er das festliche Arrangement betrachtete, und versuchte, seine Mitte zu finden.

Das hier war eine Party. Eine der Frauen würde heiraten, und das war der Junggesellinnenabend mit ihren Freundinnen. Vielleicht war es ihr letzter spaßiger Abend, wenn ihre Ehe so laufen würde wie seine eigene. Die Frauen brauchten kein mürrisches Arschloch, das ihnen den Abend verdarb.

Er versuchte, daran zu denken, als er die Jacke über einen Stuhl hängte und in seinen Nacken griff, um sich das T-Shirt auszuziehen.

Die Ladys gaben wohlwollende Laute und Kommentare von sich, als er die kühle Luft auf seiner nackten Haut spürte. Die Reaktionen hätten sein Ego streicheln sollen. Wäre er noch sein jüngeres Selbst gewesen, hätte er die Aufmerksamkeit genossen, die Frauen noch angestachelt und das Spiel weitergespielt. Wäre er noch der Kerl von damals gewesen, hätte er sich neben sie an die Theke gestellt und einige der Shots hinuntergekippt, sich eine heiße Single-Frau unter ihnen ausgesucht und sie für die Nacht in sein Bett geholt.

Aber als er nun all die hübschen Gesichter und interessierten Blicke sah, war der Alkohol das Einzige, was sein Interesse weckte. Seit seiner Scheidung war dieser Teil in ihm gestorben. Wenn er nun eine Frau sah, war alles, was er sah, Ärger, Drama und drohende Katastrophen.

Nein, danke.

Eine der Ladys beugte sich vor und goss ihm ein großes Glas Champagner ein. »Wie ist dein Name, Hübscher?«

Ich bin Chefkoch Wesley Garrett. Ich habe bei der bekannten Meisterköchin Amelia St. John gelernt, und für eine halbe Sekunde habe ich das Restaurant meiner Träume besessen und stand kurz davor, es zum angesagtesten Laden der Stadt zu machen. »Roman.«

»Oh, hübscher Name. Sprichst du Italienisch?«

»Nein. Spanisch.« Weil das die Sprache seiner Adoptivmutter war, und weil die Hälfte seines früheren Küchenteams Spanisch gesprochen hatte. Doch er wollte verflucht sein, es ihnen wie einen Zirkustrick vorzuführen. »Allerdings ist es ziemlich eingerostet.«

»Ist schon in Ordnung, Schätzchen«, sagte eine ältere Lady am anderen Ende der Theke. »Wir haben dich nicht zum Reden engagiert.«

Einige von ihnen lachten, und seine Nackenmuskeln spannten sich an. Der Geruch des Champagners zog ihm in die Nase, und obwohl er nie ein Champagnertrinker gewesen war, wurde seine Kehle trocken. Für eine Sekunde schloss er die Augen, atmete tief gegen das Verlangen an und fokussierte sich darauf, warum er hier war.

Denk an die Bezahlung. Denk an die Bezahlung.

Er nahm ein Messer in die Hand, setzte ein Lächeln auf und schnappte sich eine Schüssel mit hart gekochten Eiern. »Also gut, ran an die Eier!«

Kapitel 3

Der von dem Take-away-Essen aufsteigende Knoblauchgeruch ließ Rebeccas Magen knurren, als sie mit klappernden Absätzen über den unebenen Bürgersteig ging. Sie hätte nicht so lange arbeiten sollen, ohne etwas zu essen. Ihr schlimmes Knie schmerzte, doch sie hatte vergessen, ihre Schuhe mit den flachen Absätzen einzupacken. Ihr Hinken würde morgen zu sehen sein, zumal sie sich nun auch noch beeilte, aber wenigstens würde sie nicht am Samstag im Büro herumhumpeln müssen. Außerdem waren es nur noch wenige Blocks bis zu ihr nach Hause, auch wenn sie so ausgehungert war, dass sie ernsthaft daran dachte, sich eine Bank zu suchen und dort über ihr Essen herzufallen.

Sie widerstand der Versuchung, denn auch wenn dieser Teil von Austin nicht gefährlich war, war es spät und ruhig geworden, und die Geschäfte, die die Straße säumten, hatten bereits geschlossen. Rebecca hatte einen anderen Weg als sonst gewählt, um in dem Restaurant vorbeizuschauen, doch nun vermisste sie die geschäftige Straße mit ihren Bars und Läden, auf der sie normalerweise heimging. Sie nahm den Beutel mit der Weinflasche in ihre andere Hand und fischte sich ein Stück Brot aus der Tasche mit dem Essen. Ohne stehen zu bleiben, nahm sie einen großen Bissen, und der buttrige Geschmack ließ sie aufstöhnen. Je schneller sie nach Hause kam, desto früher würde sie sich über ihr Marsala-Hühnchen hermachen können.

Doch als sie eine weitere Straße überquerte, hörte sie etwas hinter sich. Nicht direkt Schritte, doch etwas Leichtes und Schnelles. Ihr Körper spannte sich an, und sie drehte sich um, bereit, jemandem die Weinflasche über den Kopf zu hauen, stattdessen erwiderte ein verwahrloster schwarzer Hund von der Größe eines Labradors, aber mit flauschigerem Fell, ihren Blick.

Erleichtert atmete sie aus, trat aber gleichzeitig einen Schritt zurück, für den Fall, dass der Hund nicht freundlich war. »Hast du mich vielleicht erschreckt, Junge.«

Der Hund sah auf ihr Brot und hechelte leicht, während ihm die Zunge aus dem Maul hing. Sein Gesichtsausdruck sah aus, als wollte er sagen: Na, wie geht’s?

»Oh nein, das wirst du nicht tun«, warnte sie ihn. »Das ist nicht für dich.«

Er trottete näher und sah dabei eher albern als aggressiv aus. Dennoch traute sie ihm nicht. Er trug kein Halsband, und obwohl er nicht abgemagert war, sah er aus, als würde er bereits seit einer Weile auf der Straße leben. Er senkte den Kopf und tippte damit gegen den Take-away-Beutel.

»Nein«, sagte sie und zog den Beutel weg von ihm. »Das ist teures italienisches Essen. Vermutlich verträgst du es nicht einmal.«

Er kam näher und schnüffelte an ihrem Knöchel, als würde er in ihrem Hosenbein nach Gold suchen.

»Argh, du nicht auch noch. Für heute reicht es mir mit tierischen Übergriffen.« Wahrscheinlich konnte er Prince Hairy an ihr riechen. Sanft schob sie ihn mit dem Schienbein weg. »Komm schon, Herumtreiber. Ich muss jetzt nach Hause.«

Er bellte – ein sanftes Wuff, das aus tiefster Brust zu kommen schien –, dann sah er sie mit großen, schwarzen Augen an.

Sie seufzte laut. »Verdammt. Du hast so einen Hundeblick, als wüsstest du genau, wie man jemanden um sein Abendessen bringt, was?«

Er ließ sein Hinterteil zu Boden sinken und hechelte mit der Hundeversion eines Lächelns auf dem Gesicht.

Sie stöhnte. »Gut. Du hast gewonnen.«

Rebecca warf ihm das Brot zu. Er öffnete das Maul, um es in der Luft zu fangen, doch es traf ihn an der Schnauze und fiel dann auf den Bürgersteig. Er schien sich nicht an ein bisschen Schmutz zu stören. Mit zwei Bissen schlang er es hinunter, setzte sich dann wieder hin und sah zu ihr auf.

»Das ist alles, was ich für dich habe, Kumpel. Das Hühnchen ist für mich.«

Er bellte.

»Das ist keine Verhandlungssache. Ich bin hungrig. Ich muss auch essen, und zu Hause ist nichts im Kühlschrank.« Sie sah hoch zu den Sternen und schüttelte den Kopf. »Ich streite mich mit einem Hund.« Dann blickte sie wieder zu ihm hinunter. »Du solltest das gar nicht erst bei mir versuchen. Ich bin eine sehr gute Anwältin. Ich werde gewinnen.«

Wieder schien der Hund zu lächeln.

»Gut.« Sie griff nach dem letzten Stück Weißbrot in der Tüte. »Du hast recht. Du hast gewonnen. Und jetzt geh.« Sie warf das Brot weit weg auf den Gehweg und sah dem Hund nach, als der ihm hinterherjagte. Sie drehte sich um und ging schnell in die andere Richtung weiter, bevor er sie noch einmal mit diesen Hundeaugen bedrängen konnte. Sie musste dringend nach Hause. Sie konnte nichts mehr für ihn tun. Doch ein Gefühl der Schuld machte sich in ihr breit, und frustriert stöhnte sie auf. Wenn sie nach Hause kam, würde sie das Tierheim anrufen, ihnen den Hund beschreiben und seinen Aufenthaltsort nennen, sodass sie ihn abholen konnten.

»Halten Sie nach einem Hund mit buttrigem Knoblauch-Atem Ausschau«, murmelte sie vor sich hin.

Der Hund folgte ihr nicht, und so ging sie für ein paar Minuten allein weiter, während sie der Musik aus Autoradios in der Ferne lauschte und die kühle Abendluft genoss. Sie war nicht mehr weit von zu Hause entfernt, als sie ein Schlurfen hinter sich hörte. Sie spürte ein Kribbeln im Nacken. Sie blieb stehen, wollte sich umdrehen und ein ernstes Wort mit dem Hund reden, doch bevor sie es konnte, packte sie jemand von hinten.

Sie erstarrte, und alles fiel ihr aus den Händen. Die Weinflasche zerbrach auf dem Bürgersteig, doch das Geräusch wurde durch die Tragetasche gedämpft. Sie öffnete den Mund, um zu schreien, als sich etwas Kaltes und Hartes an ihre Schläfe drückte. Die Worte blieben ihr in der Kehle stecken.

»Ein Mucks, und ich drück ab«, sagte jemand an ihrem Ohr mit zittriger Stimme, doch festem Griff.

Die Waffe wurde entsichert, und das unverwechselbare Geräusch legte einen Schalter in ihr um, und eiskalte Angst machte sich in ihr breit. Eine vertraute Angst. Klick. Bumm. Klick. Bumm. Sie kannte die Geräuschfolge und konnte sie immer noch in ihren Albträumen hören. Nur würde die Kugel dieses Mal nicht in ihrem Bein stecken bleiben. Dieses Mal würde es keinen Finn geben, der sich mit seinem Körper schützend zwischen sie und die Kugel warf. Sie würde landen, wo sie landen sollte.

Klick. Bumm.

Wieder würde sie in den Nachrichten zu sehen sein. Diesmal mit einem Tuch über dem Gesicht. Der Straßenräuber sagte etwas an ihrem Ohr. Etwas Zorniges. Forderndes. Sie hörte nichts als ein paar unzusammenhängende Worte. »Töten … jetzt … Schlampe.«

Doch seine Stimme verzehrte sich in ihrem Kopf. Wurde zu der eines anderen. Sagte andere Worte.

Du glaubst, dass du so viel besser bist als ich. Du bist so verdammt jämmerlich. Ich kann nicht glauben, dass ich dich mal mochte, verflucht. Du bist genau wie der Rest von ihnen. Ein hohlköpfiges Schaf.

Klick. Bumm. In ihren Ohren klingelte es, als wäre die Waffe bereits losgegangen.

Sie schloss die Augen, und alles in ihr wurde ganz ruhig. Es gab keine Angst mehr. Keine Panik. Nur noch … ein Gefühl der Unvermeidlichkeit. Natürlich hatte es so kommen müssen. Sie war davongekommen, obwohl sie an der Reihe gewesen war. Nun war es an der Zeit, ihre Schulden zu begleichen.

»Hörst du mir zu?« Der Kerl schüttelte sie und drückte den Lauf seiner Waffe fester an ihre Schläfe.

Doch sie hatte nicht zugehört. Sie konnte nicht. Alles, was sie hörte, waren Schreie und Kugeln, die an Spinden abprallten, Schüsse, die auf Fleisch trafen, Stimmen, die Auf den Boden! Auf den Boden! Auf den Boden! schrien.

»Was zur Hölle stimmt nicht mit ihr?«, fragte eine zweite Stimme.

Oh. Sie waren zu zweit.

Natürlich waren sie das. Wie hätte es anders sein können?

Eine Hand riss am Riemen ihrer Tasche und zerrte sie ihr von der Schulter. »Her mit deiner Uhr, oder du bist tot, Schlampe.«

Sie rührte sich nicht. Konnte es nicht. Ihre Muskeln hatten vergessen, wie. Einer der Angreifer stieß sie zu Boden. Hart schlug sie auf den Asphalt, und Schmerz schoss durch ihr wiederhergestelltes Knie. Für einen kurzen Moment drang der Schock darüber durch den Nebel ihrer Gedanken. Sie musste reagieren, den Männern geben, was sie verlangten, doch sie konnte ihre Glieder einfach nicht bewegen. Die Waffe drückte sich in ihren Rücken.

Sie würden es tun. Würden sie mitten auf dieser Straße erschießen, um an das Firmengeschenk zu ihrem Jahrestag zu kommen, eine Uhr von TAG Heuer, die sie nur selten trug, und sie schaffte es nicht, sich zu bewegen.

Klick. Bumm. Klick. Bumm.

Sie schloss die Augen, machte sich bereit, doch stattdessen war plötzlich ein anderes Geräusch zu hören.

Ein drohendes Knurren zerriss die Luft, und die Waffe verschwand von ihrem Kopf. Die Angreifer riefen sich gegenseitig etwas zu, fluchten, und Rebecca rollte sich gerade rechtzeitig herum, um einen großen, schwarzen Fellball zu sehen, der sich auf einen hochgewachsenen, dünnen Angreifer stürzte. Der gutmütige Hund von vorhin war verschwunden. An seine Stelle war ein wildes Tier mit gefletschten Zähnen und Wolfsblick getreten. Es warf den Kerl mit der Waffe zu Boden.

Der andere flüchtete die Straße hinunter, wobei seine Baseballkappe hinter ihm zu Boden fiel. Der mit der Waffe lag flach auf dem Boden. Außerhalb ihres Blickfelds kämpfte er darum, den Hund abzuschütteln, und schrie auf, als ihm das Tier die Zähne in den Arm grub.

Rebecca versuchte, sich hochzudrücken, wollte dem Hund helfen, doch Schmerz durchfuhr sie, als ihr eine Glasscherbe von der Weinflasche in den Ellbogen schnitt.

»Hey!«, rief eine tiefe, männliche Stimme aus der Entfernung. Kräftige Schritte waren zu hören.

»Waffe!«, schrie Rebecca laut. Sie musste denjenigen warnen, der sich da näherte. Sie durfte für keinen weiteren Tod verantwortlich sein.

Sie kroch vorwärts, doch bevor sie das Gerangel erreichte, war ein knallender Schuss zu hören. Das Geräusch hallte in Rebeccas Ohren wider, drang bis tief in ihre Knochen und ließ sie in den furchtbarsten Erinnerungen versinken. Doch das hohe, laute Winseln des Hundes holte sie in die Wirklichkeit zurück. Ihr drehte sich der Magen um. »Nein!«

Ihr Angreifer – ein dünner weißer Kerl mit einem Hoodie – konnte sich befreien und lief stolpernd davon. Der Hund brach zusammen, während sich um ihn herum bereits eine Blutlache bildete. Panisch kroch Rebecca an seine Seite.

Wer auch immer da gerufen hatte, war endlich bei ihr und dem Tier. Sie hörte, wie er neben ihnen zum Stehen kam. »Herr im Himmel.«

Rebecca presste die Hand auf den Kopf des winselnden Hundes. Tränen sprangen ihr in die Augen, und nachdem sich bislang alles scheinbar in Zeitlupe abgespielt hatte, nahm das Geschehen um sie herum plötzlich Fahrt auf und leuchtete in allen Farben. »O Gott. Nein, nein, nein.«

»Verdammt.« Der Mann trat näher, und der Rand seiner schwarzen Vans berührte das Blut. Er atmete heftig nach der Anstrengung des Sprints. »Sie bluten. Wir müssen Sie …«

Sie schüttelte den Kopf, versuchte zu sprechen.

»Ma’am, ich glaube, dass Sie angeschossen wurden. Ich werde Hilfe rufen. Warten …«

»Nein. Nicht ich«, sagte Rebecca, der es endlich gelang, die Worte über die Lippen zu bekommen. »Der Hund.«

»Der Hund?«

»Er stirbt.« Sie konnte ihre Stimme nicht wiedererkennen. Sie hörte sich hysterisch an, dabei war sie nie hysterisch. »Tun Sie etwas!«

»Wir müssen die Polizei rufen. Diese Kerle …«

Sie griff nach seinem Bein, das in einer Jeans steckte. »Nein!«

»Aber …«

»Er hat mich gerettet.« Endlich sah sie hoch und blickte in zwei haselnussbraune Augen, die sie voller Sorge anstarrten. »Wir müssen ihm helfen. Jetzt.«

Der Mann hockte sich neben sie und stützte sich mit den Armen auf den Oberschenkeln ab, wobei unter seinen aufgerollten Ärmeln bunte Tattoos zum Vorschein kamen. Er atmete tief aus. »Okay. Zuerst der Hund. Mein Bruder ist Tierarzt. Ich versuche, ihn zu erreichen. Dann rufe ich die Cops.«

»In Ordnung.«

Er ging auf die Knie, zog sich das schwarze Button-down-Hemd aus, das er über einem T-Shirt trug, und reichte es ihr. »Wenn Sie die Wunde finden können, drücken Sie das hier fest darauf.«