Urlaub mit Gegenwind - Robert Maisert - E-Book

Urlaub mit Gegenwind E-Book

Robert Maisert

0,0

Beschreibung

Nach den Strapazen der Abiprüfungen freut sich Tom auf die Abifahrt nach Kroatien. Seine Vorfreude wird jedoch schnell getrübt, als ihm der Organisator der Fahrt zwei Tage vorher eröffnet, dass er das Ekelpaket Felix Fischhauser im Auto mitnehmen und auch noch das Appartement mit ihm teilen soll. Leider sind Toms Befürchtungen, dass Felix ihm gründlich die Reise verderben wird, nicht unbegründet. Und das ausgerechnet in diesem herrlichen Sommer, in dem Tom seinem heimlichen Schwarm Susi näherkommen will ...

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 185

Veröffentlichungsjahr: 2021

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Die Handlung der Geschichte ist frei erfunden. Ähnlichkeiten mit eventuell real existierenden Personen sind nicht beabsichtigt und wären rein zufällig.

Inhaltsverzeichnis

Viel freie Zeit

Getrübte Vorfreude

Abreise

Unterwegs in den Süden

Ankunft in Rovinj

Party, Party und nochmals Party

Katerstimmung

Die Hölle unter Palmen

Sommer, Sonne, Traurigkeit

Einsam an der Adria

Knistern

Riesenkrach

Die Rache des Fischkopfs

Romantik pur

Überführung

Letzter Tag

Aufbruch zu neuen Ufern

Viel freie Zeit

»So, die Prüfungszeit ist vorbei. Bitte legen Sie die Stifte weg, bleiben Sie noch sitzen, bis wir alle Aufgaben eingesammelt haben, und verlassen Sie ruhig das Gebäude, um den Unterricht der anderen Klassen nicht zu stören.«

Tom war erleichtert. Der monatelange Stress mit dem Abi gehörte endlich der Vergangenheit an. Nun konnte er tun und lassen, was er wollte, bis Mitte Oktober das Wintersemester an der Uni begann. Beschwingt verließ er das Schulgebäude und steuerte auf den Parkplatz zu, als ihm eine vertraute Stimme zurief: »Halt, hiergeblieben, Tom, du darfst dieses Gelände nicht verlassen, ohne vorher ein Bier mit uns getrunken zu haben!«

»Hi Armin! Ja gern, aber nur eins, ich muss noch fahren.«

Armin aus der Parallelklasse reichte Tom ein Bier aus dem Kasten, den er im Kofferraum seines VW Golf stehen hatte, und erhielt im Gegenzug eine Zigarette von Tom.

»Also, auf uns!«

Tom zog zufrieden an seiner Zigarette und nuckelte an seinem Bier, als ihn erneut jemand ansprach. Es war Lothar, ebenfalls ein Mitschüler aus der Parallelklasse.

»Hey Tom, wegen Dienstag weißt du Bescheid?«

»Servus! Na klaro. Ich fahr ja mit dem eigenen Wagen. Ich sag es dir, ich freu mich so richtig drauf, das Baby zum ersten Mal über die Autobahn zu jagen, meinen Audi A3.«

»Das glaub ich dir, ist ein neuer, oder?«

»Nicht ganz, ein Jahreswagen, aber ein super Schnäppchen, voll ausgestattet, hast ihn ja schon mal gesehen, oder?«

»Jo, geiles Teil. Gut, ich muss los, dann genieß die nächsten Tage noch ein wenig, wir sehn uns.«

»Alles klar, Dienstagmorgen acht Uhr hier auf dem Parkplatz!«

Am kommenden Dienstag stand die inoffizielle Abireise auf die kroatische Halbinsel Istrien auf dem Programm. Da die Langweiler aus der eigenen Klasse nichts in diese Richtung organisiert hatten, entschied sich Tom, mit der Parallelklasse zu verreisen, um nach den Strapazen der letzten Wochen ein wenig Spaß zu haben – Party sozusagen. Was ihn besonders freute: Die Susi, die er schon immer gern mochte, war auch dabei. Nun hätte er endlich die Gelegenheit, sie eventuell in ungezwungener Atmosphäre besser kennenzulernen, und wer weiß, vielleicht würde ja noch mehr daraus. Dass Tom eine ganze Suite zum Preis eines Einzelzimmers erhalten hatte, traf sich zudem sehr gut, man wusste ja nie, wozu er diese noch brauchen konnte. Nun freute er sich so richtig auf die gemeinsamen Tage im Süden.

Nach dem kurzen Bier auf dem Parkplatz fuhr er in Richtung Heimat, um dort zu überlegen, was er an seinem ersten freien Tag nach langer Zeit noch machen würde. Tom lebte zusammen mit seiner Familie in Mühldorf am Inn, einer Kleinstadt in Oberbayern, wo man sehr zentral wohnte und die schönsten Ecken Bayerns oder auch Österreichs wie zum Beispiel Salzburg in kürzester Zeit mit dem Auto oder der Bahn erreichen konnte. Auch wenn er wusste, dass er des Studium wegen bald von hier wegziehen würde, und sich darauf auch freute, genoss er die Vorzüge eines Lebens in dieser Stadt.

Zu Hause angekommen musste er nun nur noch sein Auto sicher abstellen, seine Eltern und seinen ältesten Bruder verabschieden, die bereits selbst im Begriff waren, in ihren Urlaub an der Ostsee aufzubrechen, noch etwas Geld für die eigene Reise »erbetteln«, und dann konnten auch schon Nägel mit Köpfen gemacht werden. Toms Vater war sehr großzügig, er vertraute ihm seine Kreditkarte mit Geheimzahl an, damit er genügend Geld zur Verfügung hatte und auch zwischendurch mal etwas abheben konnte. Nun, nachdem seine Eltern abgereist waren, war alles erledigt und er hatte endlich sturmfreie Bude.

Es vergingen keine zehn Minuten nach der Abreise der Eltern, als plötzlich ein Auto um die Ecke gefahren kam. Es war der Wagen von Klaus und auf dem Beifahrersitz saß Jonas. Die beiden waren gute Freunde von Tom, keine Schulfreunde, sondern Bekannte seines Bruders, mit denen er sich im Laufe der Zeit angefreundet und schon viel unternommen hatte. Sie hatten Tom bereits im Vorfeld angedroht, dass nach den Prüfungen eine Überraschung auf ihn warten würde, aber er konnte sich keine Vorstellung machen, wie sie aussehen würde. Nun parkte das Auto vor dem Haus und die beiden stiegen aus.

»Überraschung!!! Hi Tom, wie is´ es gelaufen?«

»Hey, das ist ja toll, dass ihr da seid! Die Prüfungen waren okay, mal sehen, wie es wird.«

»Super! Wir dachten uns, wir wollen dir beim Feiern ein wenig Gesellschaft leisten«, antwortete Klaus.

»Das freut mich jetzt echt riesig, aber müsst ihr denn nicht arbeiten?«

»Wo denkst du hin? Es ist Freitag und da wird die Kanzlei mittags geschlossen, genau wie bei Jonas.«

»Wir haben etwas für dich«, zwinkerte Klaus.

Klaus öffnete den Kofferraum seines Opel Vectra und Tom traute seinen Augen nicht: Dieser war vollbeladen mit einer Kiste Bier, einer anscheinend gut gefüllten Kühlbox, einem großen Sack Holzkohle und einem Grill.

»Hey Jungs, das ist ja klasse, kommt rein, meine Eltern sind im Urlaub, wir haben also das Haus und den Garten für uns. Den Grill könnt ihr im Auto lassen, ich hab einen super Barbecuegrill, also herein.«

Der Grill wurde angeheizt, die ersten Biere geöffnet, Tom legte Partymusik im Garten auf und innerhalb kürzester Zeit herrschte ausgelassene Feierstimmung. Langsam brach die Dämmerung herein.

»Was hast du jetzt eigentlich die nächste Zeit so alles vor?«, wollte Jonas von Tom wissen.

»Ach nichts Besonderes, ab Dienstag nur eine Woche nach Kroatien.«

»Das nennst du nichts Besonderes? Das ist ja voll cool, lass es da mal so richtig krachen. Wo bist du da genau und mit wem?«

»In Rovinj, Istrien.« Tom erzählte, wie es dazu gekommen war.

»Ja wie cool ist das denn? Rovinj, da kannst du es wirklich krachen lassen, da gibt es einiges zum Weggehen und so weiter, das wird dir gefallen!«

»Hoffen wir es.«

»Ach komm schon. Ich glaube, du musst wieder öfter weggehn, damit du auf den Geschmack kommst«, appellierte Klaus an Tom. »Komm, wir fahren jetzt in die Dancehall, damit du dich so richtig einstimmen kannst.«

Da Tom nichts Besseres vorhatte und der Abend zu jung war, um schon Schluss zu machen, war er einverstanden. Die drei Jungs bestellten sich ein Taxi und fuhren, bereits etwas angeheitert vom vielen Bier, in die Großdiskothek, die nur fünf Kilometer von Toms Zuhause entfernt war. Ihr erster Weg führte sie an die Bar, wo sie sich einen Pitcher mit Bier und drei Gläser orderten.

»Prost, Jungs, heute lassen wir es so richtig abgehen!«

»Jawoll, Tom, Prost! Sag mal, wie findest du denn die Dunkelhaarige da drüben?«, fragte Klaus.

»Die sieht schon scharf aus.«

»Komm, mach sie klar, trau dich!«, feuerten die beiden Freunde Tom an.

Enthemmt vom Alkohol ging Tom kurz entschlossen auf die Frau zu und versuchte einen kleinen Flirt zu beginnen. Mit einer kurzen Handbewegung winkte sie jedoch ab und forderte Tom auf, zu verschwinden, ohne dass er auch nur die geringste Chance hatte, ein Wort mit ihr zu wechseln. Äußerst deprimiert kam er zurück an die Bar.

»Was war das?«, wollte Jonas wissen.

»Das war nichts, ich hatte nicht einmal die Chance, sie zu begrüßen.«

»Na, mach dir nichts draus Tom, einen Versuch war es wert«, tröstete Jonas.

»Ich hab kein Glück bei Frauen«, lamentierte Tom.

»Ach, red doch keinen Unsinn«, erwiderte Klaus. »Freu dich doch lieber auf deine Abifahrt, was glaubst du, was da alles geht? Ich freu mich für dich, du wirst so viel Spaß haben und da ist sicher auch eine Hübsche und Nette für dich dabei, wirst sehen.«

»Hoffen wir es«, antwortete Tom.

»Aber sicher, komm, nun setz dich, trinken wir noch eine Runde!«, schlug Klaus vor und bestellte drei Gin Tonic.

Die drei blieben in der Disco, bis sie gegen fünf Uhr schloss. Es war bereits taghell, als sie mit dem Taxi bei Tom zu Hause ankamen. Da alle getrunken hatten, machte Tom seinen Gästen die Couch zurecht und ließ sich erschöpft, aber glücklich ins Bett fallen. Er schlief sofort ein, dieses Gefühl war herrlich, keine Verpflichtungen, einfach nur tun und lassen, worauf man Lust hatte. Am nächsten Tag sollte es weitergehn, ein kleiner Ausflug am Samstagnachmittag nach Salzburg zum Shopping stand auf dem Programm, denn schließlich musste sich Tom noch mit stylischen Klamotten und so weiter für die Reise eindecken und wollte außerdem die Atmosphäre der Stadt bei herrlichem Wetter genießen. Dass ihn hierbei seine beiden Freunde, die zudem sehr verkatert waren, nicht begleiteten, machte ihm nichts aus. Er unternahm zwischendurch auch mal gern Ausflüge ohne Gesellschaft, er konnte das genießen. Tom wusste, wie man sich das Leben angenehm gestaltete, wenn er genug Zeit und Geld zur Verfügung hatte. Seine Vorfreude auf Kroatien wurde größer, je näher die Reise rückte.

Zu diesem Zeitpunkt wusste er noch nicht, dass diesbezüglich eine böse Überraschung auf ihn wartete …

Getrübte Vorfreude

Das Handy klingelte. Tom, der noch im Bett lag, griff verschlafen auf seinem Nachttisch danach.

»Hallo?«

»Hey Tom, hier spricht Lothar.«

»Servus, was gibt es denn so Wichtiges, dass du am Sonntag schon um neun Uhr anrufst?«

»Du, wir haben ein Problem! Ich habe gestern mindestens viermal vergeblich versucht, dich zu erreichen.«

»Sorry, Lothar, aber wenn ich mal ein paar Stunden für mich sein will, schalte ich auch mal das Handy aus. Noch dazu war ich in Österreich und da muss ich ja dann auch zahlen, wenn ich angerufen werde. Egal, sag schon, was ist so wichtig?«

»Felix will jetzt doch mit auf unsere Abifahrt!«

»Hast du ihm nicht gesagt, dass das nix für ihn ist?«

»Ich hab es versucht, aber er lässt sich nicht davon abbringen, er meint, das sei eine Fahrt für die Klasse und da gehört er nun mal dazu, womit er ja auch wieder recht hat.«

»Aber wo liegt nun das Problem? Gut, ich bin nicht sonderlich scharf darauf, dass der jetzt auch mitfährt, aber ich werd ihm einfach aus dem Weg gehen.«

»Ja schon, aber er muss irgendwo schlafen und unsere Autos sind auch schon voll besetzt.«

»Ach, und da soll ich …?«

»Ja, du bist der Einzige, der noch Platz im Auto hat und der allein ein Appartement mit drei Betten belegt und dabei noch nicht einmal zu unserer Klasse gehört, bedenk das mal. Du hast schließlich das Zimmer sehr günstig bekommen und da wär es schon angebracht, dass du uns ein wenig entgegenkommst.«

»Nee, also das kannst du gleich mal knicken. Das habt ihr euch ja schön ausgedacht, mir diesen unangenehmen Kerl aufs Auge zu drücken, das kann doch nicht dein Ernst sein!«

»Ach, so ist das. Also, wenn es ein so großes Problem für dich ist, dann bekommst du die Wohnung eben nicht und bleibst daheim. Überleg es dir, ich geb dir bis heute Abend achtzehn Uhr Bedenkzeit, dann vergeb ich die Wohnung anderweitig und du kriegst deine Anzahlung zurück, wenn ich bis dahin nichts von dir höre. Ich hab auch noch andere Interessenten, denen ich deinetwegen zunächst abgesagt habe, also überleg es dir gut, tschüss!«

Na Mahlzeit! Er sollte den Felix, den Banknachbarn aus dem letzten Schuljahr, dem er den Spitznamen Fischkopf verpasst hatte, eine Abwandlung seines Nachnamens Fischhauser, im Auto mitnehmen und noch dazu bei sich wohnen lassen. Felix hatte Tom im Verlauf der zwei Schuljahre oft genug verärgert, außerdem wusste Tom genau, dass Felix ihn ebenso wenig mochte. Diesen Trottel sollte er jetzt also die gesamte Anreise über ertragen und auch noch die Suite mit ihm teilen. Wäre es nicht so kurzfristig gewesen, hätte Tom absagen und eine andere Reise buchen können, aber nun auf die Schnelle etwas Passendes zu vernünftigen Preisen zu finden war so kurz vor Beginn der Hauptsaison aussichtslos. Außerdem war es öde, allein zu verreisen. Und gerade jetzt nach den Abiprüfungen auf Urlaub zu verzichten ging schon mal gar nicht.

Der Fischkopf war ein Ekelpaket durch und durch. Er war sehr klein von Gestalt und hatte eine ziemlich hohe, unangenehm klingende Stimme. Sein Gesicht mit dem zynischen Grinsen war so richtig zum Reinhauen. Aber sein Aussehen war nicht das Hauptproblem, sondern seine undankbare, arrogante Art. Arm war er in finanzieller Hinsicht ganz und gar nicht. Sein Vater hatte als Sohn eines Landwirtes gemeinsam mit seinen Geschwistern ein großes Stück Land geerbt, das sie gewinnbringend verkaufen konnten, und hatte somit eigentlich neben seinen Einkünften aus seiner Arbeit als Busfahrer genug Geld für sich und seine Familie zum Leben. Trotzdem war er zu knauserig, sich ein ordentliches Auto zu kaufen. So fuhr er einen alten Fiat, der schon fast auseinanderzubrechen drohte, und war zudem ziemlich schrullig und altmodisch gekleidet. Diese Einstellung hatte er offenbar auch an seinen Sohn vererbt, was sich darin äußerte, dass Felix seinen Mitschülerinnen und Mitschülern ständig vorspielte, wie arm er doch war, und bei jeder Gelegenheit bei ihnen schnorrte. Er verstand es, seine Mitmenschen mit extrem ausgeprägtem Selbstmitleid einzuwickeln. Ständig jammerte er, wie schlecht es ihm gehe, wie benachteiligt er doch sei, weil ihn keiner mochte, und war der Meinung, jeder müsse ihm helfen. Aber jeder, der sich seiner zu intensiv annahm, bereute es bald, denn sobald sich der Fischkopf sattelfest fühlte, wurde er frech und behandelte sein Umfeld wie Dreck. Er schien noch dazu ein Frauenhasser zu sein, obwohl sich einige von ihnen sehr um ihn bemühten und ihn nett behandelten. Dies äußerte er, indem er häufig obszöne Witze und anderweitige abfällige Bemerkungen über Frauen machte. So brachte er zum Beispiel mal eine Mitschülerin, die sich unbewusst im Schritt kratzte, in eine schrecklich peinliche Situation, indem er sie fragte, ob es sie an der Muschi juckte. Ebenso verklickerte er seinen Mitschülerinnen, dass sie von bestimmten Dingen keine Ahnung hätten, da sie sich zum Pinkeln hinsetzen müssten. Offenbar merkte er nicht einmal, dass er niemandem mit seinen blöden Sprüchen imponierte und lediglich bei seinen Mitmenschen aneckte. Niemand außer ihm fand seine Kommentare witzig. Vielleicht war es ihm auch völlig egal und empfand es als Genugtuung, wenn er seine abfälligen Bemerkungen äußerte und so jeder wusste, wie er dachte. Er fühlte sich offenbar als absoluter Außenseiter durchaus wohl.

Tom hingegen sah sich als sympathischen, intelligenten jungen Mann. Man konnte auch nicht gerade sagen, dass er hässlich war. Er war ziemlich groß und schlank. Bei der Wahl seiner Kleidung versuchte er immer mit der Mode zu gehen. Man sah ihn meist in Jeans und modischen Hemden, seine Haare gelte er immer ein wenig und bei sonnigem Wetter trug er meist eine angesagte Markensonnenbrille. Sein neues Auto, welches er erst vor knapp drei Wochen bekommen hatte, war sein ganzer Stolz. Schon immer wollte er einen schwarzen Audi A3 mit Sportausstattung haben. Diese beinhaltete sportliche Fünfsternalufelgen, schwarz getönte Heckscheiben, ein tiefergelegtes Fahrgestell und noch einiges mehr. Da er sowieso ein neues Auto brauchte, zudem kürzlich eine größere Summe Geld von seinem leider zu früh verstorbenen Onkel geerbt hatte, konnte er nun die Gelegenheit wahrnehmen und sich seinen Traum erfüllen. Und trotzdem, auch wenn er ein nicht gerade hässlicher junger Mann war und in materieller Hinsicht alles besaß, was er brauchte und ihm sein Leben angenehmer machte, war er häufig unzufrieden mit seinem bisherigen Leben. Mit seinen 20 Jahren war er immer noch Single, außer einer kurzen Romanze hatte er bisher kein Glück bei den Frauen gehabt. Ähnlich war es mit seinem Freundeskreis. Auch wenn es durchaus einige gab, die ihn mochten, war er nicht unbedingt der Typ, der bei jedem gleich gut ankam. Dies lag vielleicht auch daran, dass er, gerade in Bezug auf seine Klassenkameraden, bereits viel reifer war als die meisten von ihnen. Tom konnte zwar nicht verstehen, warum ihn viele ablehnten, aber es war leider nun einmal so, dass er von vielen einfach nur als komisch eingestuft wurde, als jemand, mit dem man sich nicht umgeben wollte. Aufgrund dieser Tatsache war er häufig traurig und deprimiert, was er jedoch niemals an anderen Personen ausließ. In der Regel behandelte er die Menschen höflich und zuvorkommend, was vor allem die reiferen Generationen sehr an ihm schätzten. Aber was nützte ihm das, er wollte ja überwiegend Kontakte mit Gleichaltrigen beziehungsweise Jüngeren pflegen, nicht mit älteren Personen.

Auch den Fischkopf behandelte er zunächst, als er ihn noch nicht so gut kannte, mit dem nötigen Respekt, was dieser jedoch nicht honorierte und lediglich ausnutzte. Auch wenn er Toms Hilfen sehr gern in Anspruch nahm, hielt er nicht wirklich viel von ihm, ganz im Gegenteil, für ihn war er nur ein Trottel, welchen er jedoch zur Erfüllung seiner Zwecke benötigte. Als Tom das herausbekam, wollte er den Kontakt zu Felix in diesem letzten Schuljahr auf ein Minimum reduzieren, nicht zuletzt aufgrund der Erfahrungen, die er in letzter Zeit mit diesem Menschen gemacht hatte.

So rief Felix ihn zum Beispiel einmal in den Sommerferien an, er würde gern mal zum Grillen vorbeikommen, da sonst die Ferien vorbei wären, bevor sie irgendetwas zusammen gemacht hätten. Tom glaubte zunächst an nichts Böses und lud ihn also zum Grillen ein. Was er zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnte, der einzige Zweck dieser Zusammenkunft war es, Tom für eine Geschäftsidee, ein sogenanntes Direktmarketing, zu gewinnen, woran er jedoch keinerlei Interesse hatte und dies Felix am Telefon auch bereits gesagt hatte. Er dachte also, die Sache wäre erledigt, und machte sich an die Vorbereitung für das Grillen, schnitt Holz mit der Motorsäge klein, um ein schönes Feuer im Gartenkamin anzuzünden, stellte Getränke kühl, machte Salat und würzte das Grillfleisch.

Als nun der Abend gekommen war, erschien der Fischkopf jedoch nicht allein, sondern gemeinsam mit seinem geldgierigen Vater, der ebenfalls für die Briefkastenfirma tätig war. So saßen sie nun alle drei am Tisch und »Vater und Sohn« versuchten Tom für eine absolut unseriöse Geschäftsidee, eine Art Pyramidensystem, zu gewinnen. Bei dieser Sache ging es darum, neue Agenten zu finden, die sich im Vertrieb von Haushaltswaren engagierten und wiederum neue Agenten warben. Was Tom ärgerte, die beiden wollten ihn wirklich für blöd verkaufen, unterstellten ihm, nicht zu wissen, was die IHK war, obwohl er mit seiner abgeschlossenen Banklehre selbst über einen IHK-Abschluss verfügte, und glaubten, er würde dieses betrügerische System nicht durchschauen. Sie versprachen ihm das große Geld und andere Prämien, wie zum Beispiel eine Reise in die USA für die besten Agenten. Tom bemerkte schon bald, dass die beiden ihn für absolut unterbelichtet hielten. Als er kurz ins Haus ging, um das Grillbesteck zu holen, hörte er deutlich, wie Felix und sein Vater über ihn lästerten und der Vater hämisch dazu lachte.

Toms Eltern, welche zunächst nicht hatten dazustoßen wollen, setzten sich, als sie mitbekamen, wie genervt ihr Sohn von den Gästen war, nun doch dazu und machten so die Atmosphäre des Abends etwas erträglicher. Aber damit war die Sache noch nicht beendet. Als die beiden »Vermittler« merkten, dass ihr Gegenüber kein Interesse an ihren Geschäften hatte, begann Felix, Tom auf eine andere Weise zum Idioten abzustempeln. Er lenkte das Gespräch auf die Prüfungen für das Fachabitur, welches die beiden in diesem Sommer wenige Wochen vor diesem Treffen geschrieben und auch bestanden hatten. Er lobte sich selbst, wie gut er in Mathe und Wirtschaft war, sein Versagen in Deutsch rechtfertigte er damit, dass die Prüfungsaufgaben so schwer zu verstehen gewesen seien, aber dann kam er auf Toms Ergebnisse zu sprechen. Er erklärte, dass er ehrlich gesagt nicht damit gerechnet hätte, dass Tom das Fachabitur bestehen würde, da er doch während des Schuljahres vor allem in Mathe immer grottenschlecht gewesen sei. Nach diesem Kommentar war der Ofen endgültig aus. Hatte dieses Ekelpaket doch die Frechheit, ihn als Idioten abzustempeln, noch dazu im Beisein seiner Eltern – dass er sich nicht schämte! Nach dieser Unverschämtheit hätte Tom seinen ungeliebten Besuch am liebsten sofort rausgeworfen, aber das war nun einmal nicht seine Art.

Nach dem Essen jedoch machte sich die Familie Niederhuber gemeinsam daran, ihren Gästen indirekt klarzumachen, dass es nun Zeit für sie wäre, nach Hause zu gehen. Es wurde nichts mehr nachgeschenkt, als die Gläser der beiden leer waren, obwohl noch genug Getränke vorhanden gewesen wären, der Tisch wurde im Beisein der Gäste abgeräumt und gesäubert, anderweitige Aufräumarbeiten wie zum Beispiel das Säubern des Grills wurden begonnen, und die Freundlichkeit dem unangenehmen Besuch gegenüber reduzierte sich stark, was zum Beispiel daran zu erkennen war, dass sie bei den folgenden Gesprächen sehr kurz angebunden waren. Gegen 21.30 Uhr brachen die beiden endlich auf, sodass der angenehme Teil des Abends beginnen konnte.

Als Konsequenz auf dieses Ereignis beschloss Tom, diesem ungehobelten Kerl samt seiner Familie künftig so weit wie möglich aus dem Weg zu gehen. Noch Wochen danach ärgerte er sich über die Frechheiten, die sich der Fischkopf an diesem Abend erlaubt hatte.

Doch es kam noch schlimmer. Im Laufe des darauffolgenden Schuljahres, in welchem nun das allgemeine Abitur bevorstand, bekam Tom an einem Samstagvormittag völlig unerwartet einen Anruf von einem Agenten einer Versicherungsagentur, die von Felix Fischhauser den Tipp bekommen hatte, dass Tom über eine abgeschlossene Banklehre verfügte und deshalb der ideale Mann für die dubiosen Geschäfte der Agentur wäre. Natürlich versprach man ihm wie immer, dass er die Chance hätte, innerhalb kürzester Zeit viel Geld zu verdienen. Zufällig wusste Tom, dass der Fischkopf seit einiger Zeit für diese Agentur als nebenberuflicher Vermittler tätig war, obwohl er keine Ausbildung in diesem Bereich und von der Materie auch nicht die geringste Ahnung hatte. Wie es aussah, hatte ihn der Bengel ein zweites Mal über den Tisch ziehen wollen. Er hielt sein »Opfer« wohl für derart naiv, dass er die unseriöse Geschäftspraxis solcher Agenturen nicht durchschauen würde, die einen schuften ließen, um ihren Schrott an gutgläubige Kunden zu verkaufen, die auf der Suche nach der richtigen Absicherung und Anlagestrategie waren, und diese um ihr Vermögen zu bringen. Noch dazu wurden die angeworbenen Vermittler häufig mit unseriösen Arbeitsverträgen um einen Großteil ihres Lohnes betrogen.

Dass der Fischkopf diesen Schwindel nicht durchschaute, sah Tom als sein