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Was tut man nicht alles für seinen besten Freund? Dario begleitet Flurin nur unter größten Bedenken nach Nizza in den Urlaub. Die Aussicht auf Sonne und Strand ist zwar reizvoll, nicht aber das, was damit verbunden ist. Gekränkt in seinem Stolz, weil er kurz zuvor verlassen wurde, will Flurin unbedingt zwei wildfremde Begleiter mitnehmen und schaltet dafür eine Annonce. Kosten für Reise sowie Unterkunft sollen mit ‚Körpereinsatz‘ abgegolten werden. Die Interessenten sind zahlreich, aber wenig berauschend. Am Ende reicht die Zeit nicht mehr, um weiterhin wählerisch zu sein, und so nimmt man Malte sowie Oliver - zwei Kerle, die einen äußerst lockeren Lebensstil pflegen - beinahe ungesehen mit. Ob das gut gehen kann? Dario hegt da so seine Zweifel.
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Veröffentlichungsjahr: 2018
„Nun beeil dich schon. Wir kommen sonst noch zu spät“, wurde Dario barsch angehalten.
Flurin, sein bester Freund, unterstrich die Worte, indem er wild mit den Armen herumfuchtelte, um ihn schließlich ungeduldig am Ärmel zu packen und energisch hinter sich herzuziehen.
„Mir ist nicht wohl dabei“, versuchte Dario zum wiederholten Mal, seine Bedenken vorzubringen. „Wenn ich an die letzten Treffen denke, dann graust mir davor, was nun wieder auf uns warten könnte.“
„Die Hoffnung stirbt zuletzt, mein Schatz“, entgegnete Flurin im Brustton der Überzeugung und schritt unbeirrt weiter. „Außerdem verspreche ich dir, dass es keine weiteren Begegnungen dieser Art mehr geben wird. Die beiden Typen, die wir heute treffen, nehmen wir, was immer auch geschehen mag. Um weiterhin wählerisch zu sein, bleibt uns nämlich keine Zeit mehr, stimmt’s?“
Die Aussage entlockte Dario unweigerlich ein lautes Stöhnen, weil sich vor seinem inneren Auge ein Horrorszenario der übelsten Sorte abspielte. In dieser Vorstellung sah er sich zwei grottenhässlichen Typen, die Flurin und ihn lüstern musterten, gegenüberstehen. Wenig später wechselte das imaginäre Bild und die beiden Kerle, mit denen sie sich jeden Moment treffen würden, gaben sich erst charmant, um sich kurz darauf als mordende Psychopaten zu entpuppen.
„Weißt du eigentlich, wie gefährlich so etwas sein kann?“, versuchte er abermals, den Freund von seinen Vorbehalten zu überzeugen. „Wir kennen die Kerle doch gar nicht.“
„Na und? Das gilt es nun ja eben zu ändern“, entgegnete der andere schnippisch über die Schulter hinweg, wobei sich dessen Schritttempo kein bisschen verlangsamte. „Außerdem … Weißt DU eigentlich, wie lange ich mich auf diesen Urlaub gefreut habe? Nur weil mir Markus - das wohl weltgrößte Arschloch aller Zeiten - den Laufpass gegeben hat, werde ich bestimmt nicht darauf verzichten. Ich darf mit Fug und Recht behaupten, dass ich wie ein Löwe um den Urlaub in dieser abgefahrenen Luxusvilla gekämpft habe. Mein Plan war es von Anfang an, in allen Zimmern, im Pool und auf jedem verdammten Quadratzentimeter Rasen Sex zu haben. Da Markus nun nicht mehr zur Verfügung steht, muss eben ein anderer herhalten. Du weigerst dich ja vehement, mir deinen Arsch anzubieten.“
Abermals stöhnte Dario auf, diesmal jedoch vor Resignation. Wenn Flurin in dieser Stimmung war, konnte man nicht vernünftig mit ihm reden. Im Augenblick schien dieser einmal mehr dem Prototyp einer eingeschnappten, schwulen Diva, wie sie sich die breite Masse der Bevölkerung gerne vorstellte, entsprechen zu wollen. Gekränkt in seinem Stolz und vor allem darauf bedacht, Rache am Exfreund zu nehmen, fokussierte sich Flurin lediglich auf sein Vergnügen. Der Schein trog allerdings, denn machte man sich die Mühe, um hinter dessen Fassade zu blicken, erkannte man den sensiblen Mann mit den verletzten Gefühlen und die daraus resultierende Niedergeschlagenheit. Zugeben würde sein Freund dies allerdings nie. Flurin gehörte zu jener Gattung Mann, die stets darauf bedacht war, gegen außen hin keine tieferen Empfindungen preiszugeben, und so war sich Dario auch sicher, dass sein bester Freund dem Exlover nie zeigte, wie sehr ihm die unerwartete Trennung zusetzte.
„Ich denke nun einmal nicht dauernd nur an Sex. Die wenigen Erfahrungen, die ich im Darkroom machen durfte, haben völlig ausgereicht, um mir aufzuzeigen, dass One-Night-Stands nicht mein Ding sind.“
Wie oft er seinem Freund bereits zu erklären versuchte, dass er nicht zu den Kerlen, die Ficks als Sammelleidenschaft betrachteten, gehörte, vermochte er weiß Gott nicht mehr zu sagen. In diesem Punkt schien er bei Flurin, der nach dem Motto ‚Genieße das Heute, morgen schon könnte die Welt untergehen!‘ lebte, irgendwie auf taube Ohren zu stoßen. Natürlich mochte auch Dario Sex, allerdings nicht auf jene Weise, wie dieser nach Flurins Vorstellung abzulaufen hatte. Sein Freund bevorzugte wilden, heißen, geradezu akrobatischen Bettsport, der gerne auch in zügellose Spielchen bis kurz vor die Schmerzgrenze ausarten durfte, während er selbst die liebevolle, zärtliche Art mit gegenseitigem Verwöhnen vorzog. In dunklen Hinterzimmern einschlägiger Clubs fand man so etwas jedoch selten bis gar nicht.
„Du bist einfach zu verklemmt und musst unbedingt etwas lockerer werden. Die Sonne Südfrankreichs wird dich bestimmt entspannen, sodass du endlich auch einmal auf deine Kosten kommst.“
„Bestimmt nicht, wenn die Kerle hässlich wie die Nacht sind. Ich gelte zwar selbst nicht unbedingt als schönster Mann von ganz Westeuropa, dennoch sollte man auch mir zugestehen, ein paar Ansprüche stellen zu dürfen, oder etwa nicht?“
Flurin blieb unerwartet stehen, sodass Dario beinahe in ihn hineingerannt wäre.
„Ein Kerl, der hinter dir kniet, braucht doch gar nicht attraktiv zu sein. In dieser Stellung siehst du kaum etwas von ihm. Falls er dir einen blasen will, machst du einfach die Augen zu und stellst dir den heißesten Hengst, der dich des Nachts in deinen Träumen heimsucht, vor. Alles, was zählt, ist ein beachtlicher Schwanz und – falls es dich wider Erwarten zum Toppen drängt – ein knackiger Hintern. Sollten all diese Maßnahmen nicht helfen, dann erklär ihm, dass du ein kleines Spielchen machen möchtest und zieh ihm einfach eine Tüte über den Kopf.“
Fassungslos blickte Dario sein Gegenüber an. Er wusste natürlich, dass sein Freund nicht gerade wählerisch war, wenn es um Sexualpartner ging, aber dieser Vorschlag hatte nun wirklich etwas ungemein Degradierendes. Unweigerlich stellte er sich vor, wie er sich fühlen würde, sollte ein Kerl von ihm verlangen, das Antlitz zu verbergen, weil dieser ihn unattraktiv fand. Schaudernd begriff Dario, dass ihm in einem solchen Fall gewiss nicht mehr der Sinn nach Sex stehen würde.
„Du bist unmöglich. Ich könnte nie einen Menschen so abwertend behandeln.“
„Ach nein? Nun, dann bist du eben noch nicht oft genug auf die Schnauze gefallen. Man lernt dazu, wenn man immer wieder nur als Bückstück benutzt und anschließend wie Dreck weggeworfen wird.“
„Vielleicht solltest du endlich etwas kürzer treten und nach dem richtigen Partner suchen.“
„Habe ich das mit Markus etwa nicht getan?“
„Nein, bei ihm ging es dir doch lediglich ums Geld, weil er dir damit so manchen Wunsch erfüllen konnte.“
„Ich wäre dennoch länger mit ihm zusammengeblieben, hätte er nicht Schluss gemacht.“
„Aber nicht aus Liebe“, beharrte Dario auf seiner Meinung.
„Liebe!“ Flurin sprach das Wort mit unverkennbarer Verachtung in der Stimme aus. „Wenn ich darauf warten wollte, wäre mein Schwanz längst zur unkenntlichen Schrumpelmasse verkommen. Nein, mein Schatz, ich bin jung und voller Tatendrang. Deshalb will ich auch unbedingt in diese Luxusvilla, die Markus für uns angemietet hat, um dort eine Woche lang haltlosen Sex der Superlative zu genießen. Wessen Schwanz dabei im Spiel ist, kann mir inzwischen egal sein. Hauptsache der Kerl versteht mit seinem besten Stück umzugehen und verfügt über eine leistungsfähige Zunge.“
Dario unterließ es, darauf zu antworten. Flurins Worte klangen falsch, denn so oberflächlich, wie sich sein Freund gerade gab, war dieser in Wirklichkeit gar nicht. Insgeheim suchten sie beide den Mann fürs Leben, doch wo zum Teufel fand man ein solches Exemplar überhaupt?
Bestimmt nicht im Internet, dachte er seufzend und rief sich noch einmal die Annonce, die Flurin vor bald vier Wochen auf einer Dating-Plattform eingestellt hatte, in Erinnerung: ‚Gesucht werden zwei fähige Typen für einen einwöchigen Urlaub in Südfrankreich. Kosten für Reise sowie Unterkunft können mit Manneskraft abgegolten werden‘. Der Wortlaut machte also unmissverständlich klar, dass Sex als Gegenleistung erwartet wurde.
Er fand die Idee von Anfang an bescheuert, behielt seine Meinung jedoch erst einmal für sich, weil er davon ausging, dass sich ohnehin kaum jemand auf das Inserat melden würde. Das Gegenteil war allerdings der Fall, denn seit gut einem Monat musste er nun Flurin dabei unterstützen, die möglichen Begleiter für ihren Urlaub genauer unter die Lupe zu nehmen. Noch immer schauderte er bei dem Gedanken, was ihnen da alles über den Weg gelaufen war. Von ungepflegten Alt-Hippies, über Gothic-Anhänger, die noch nicht einmal ein Geheimnis daraus machten, dass sie gerne die Peitsche schwangen, bis hin zu Nerds, zahnlosen Harz IV-Empfängern oder Männern, die locker ihre Väter hätten sein können, fand sich ein breites Spektrum von Kandidaten, die größtenteils alle eher abstoßend wirkten. Zugegeben, es gab auch die einen oder anderen Kerle, die nett zu sein schienen, aber es lag wohl mehr an Dario, dass diese einfach nicht infrage kamen. Keiner von ihnen vermochte zu überzeugen und Flurin ließ sich offenbar lange Zeit von Darios Widerwillen beeinflussen, denn er blieb ebenso unentschlossen in der Entscheidung, wer sie am Ende begleiten sollte.
Nun allerdings beabsichtigte sein Freund, Nägel mit Köpfen zu machen und die beiden Typen, die sie jeden Augenblick treffen würden, mehr oder weniger ungesehen auf ihren Frankreich-Trip mitzunehmen. Ihm schwante Böses, seine Einwände fanden jedoch kein Gehör. Natürlich hätte er sich weigern können, den Urlaub überhaupt anzutreten, aber der Gedanke, seinen Freund in dessen momentanen Verfassung alleine mit zwei Wildfremden losziehen zu lassen, wollte ihm noch viel weniger gefallen. Was, wenn die Typen pervers waren und Flurin zu ihrem Sex-Sklaven machten?
„Mir geht das alles gegen den Strich. Warum können wir denn nicht alleine ein paar ungezwungene Tage verbringen. Bestimmt gibt es in Nizza einen Schwulenclub, in dem du dir etwas zum Zeitvertreib aufreißen könntest“, versuchte er ein letztes Mal, Flurin von dem blöden Plan abzubringen.
„Auf keinen Fall. Ich sagte doch bereits, dass ich klare Vorstellungen habe, wie das Ganze ablaufen soll. Zügelloser Sex rund um die Uhr. Dafür brauche ich einen Sparringspartner, der mir zu jeder Tages- und Nachtzeit zur Verfügung steht. Es hat mich verdammt viel Überredungskunst gekostet, Markus davon zu überzeugen, dass er nach der Trennung die Buchung für die Villa nicht rückgängig macht und mir dieser Urlaub als Abschiedsgeschenk zusteht. Es ist Jahre her, seit ich verreist bin. Einem armen Studenten bietet sich schließlich nicht oft so eine Möglichkeit. Du bist ja bis heute auch nicht weiter als übers Wochenende an die Nord- oder Ostsee gekommen, also sei froh, dass ich diese Gelegenheit für uns aufgetan habe. Und nun hör endlich auf, dich zu beklagen und lass uns gehen. Irgendwie spüre ich, dass wir diesmal den Jackpot knacken.“
Dario hatte diesbezüglich nach wie vor Zweifel, ließ diese jedoch unerwähnt. Er wusste genau, wann er auf verlorenem Posten stand. Wohl oder übel musste er sich in sein Schicksal fügen und am kommenden Wochenende nach Südfrankreich reisen. Einzig der Gedanke, dass niemand von ihm verlangen konnte, dort auch wirklich Sex zu haben, wusste ihn ein wenig zu besänftigen. Sollte sich doch Flurin von den beiden Kerlen bedienen lassen. Er würde sich währenddessen die Gegend ansehen und die Sonne genießen.
Mit dieser Aussicht erschien ihr Vorhaben nicht mehr ganz so trist zu sein, weshalb er nickte und sich dann dem eiligen Tempo seines Freundes anpasste, damit sie es doch noch rechtzeitig zu ihrer Verabredung schafften.
***
„Bist du sicher, dass du da nicht jemandem auf den Leim gegangen bist?“, fragte Malte grinsend an Oliver gewandt.
Sein Freund saß entspannt auf der Kunstledercouch der Bar und beobachtete interessiert die anderen Gäste. Er kannte diesen Blick, der nach willigen Kerlen, die man zu einem späteren Zeitpunkt auf dem Klo vernaschen konnte, Ausschau hielt.
„Bestimmt nicht“, meinte Oliver, ohne ihn dabei anzusehen. „Dieser Flurin hat mir sogar Bilder von der Luxusvilla geschickt. Wieso hätte er das tun sollen, wenn es ihm nicht ernst ist?“
„Diesen Netz-Bekanntschaften kann man doch nur selten trauen. Meist handelt es sich dabei um Mogelpackungen. Zumindest trifft das auf jene, die ich bis jetzt getroffen habe, zu.“
„Na und? Ich behaupte ja auch, dass die Villa und nicht etwa der Kerl ein Hingucker ist. Wen interessiert schon dieser Flurin?“
„Immerhin fordert man Sex als Gegenleistung, oder etwa nicht?“
„Davon gehe ich aus. Die Unkosten sollen mit Manneskraft durch fähige Typen abgegolten werden. Daraus schließe ich, dass man nach potenten Fickmaschinen sucht, was wir beide zweifellos ja auch sind, habe ich recht?“
„Na ja, kommt ganz darauf an, wie das Bückstück aussieht. Ich kriege nicht automatisch bei jedem Kerl einen hoch. Bei hässlichen Typen komme ich nicht unbedingt in Fahrt“, gab Malte zu Bedenken.
„Das halte ich für ein Gerücht. Du fickst doch jeden, sobald er dir auch nur schon ansatzweise schöne Augen macht. Dass du wählerisch bist, wäre mir also vollkommen neu.“
Malte lachte laut auf und nickte zustimmend. Es entsprach der Wahrheit, dass er sich über seine Libido gewiss nicht beklagen konnte. Sein bestes Stück arbeitete zuverlässig und hatte ihn noch nie im Stich gelassen, selbst wenn der Sexpartner keine Schönheit war.
„Hierbei geht es aber um etwas anderes. Zwischen den Zeilen dieses Inserates liest man eindeutig heraus, dass man wiederholten Sex wünscht. Einmal kann man ja bei einem hässlichen Typen noch die Augen zukneifen und die Sache durchziehen, aber wann hast du jemals einen solchen Kerl ein zweites Mal beglückt?“
„Ach komm schon, das kriegen wir doch locker hin. Leg das Fickfleisch einfach über einen Stuhl und sieh dir beim Bumsen den Sonnenuntergang Südfrankreichs an. Das sollte dich doch für ein paar Unannehmlichkeiten entschädigen“, meinte Oliver in seiner abgeklärten Art und Weise.
„Ich weiß nicht …“, entgegnete Malte nachdenklich. „Sex sollte doch Spaß machen. Was ist, wenn sich der Kerl als Enttäuschung herausstellt. Da können sieben Tage zu einer unerträglich langen Zeit werden.“
„So, wie ich es verstanden habe, nimmt Flurin noch einen Freund mit. Sollten sich beide Typen als Reinfall herausstellen, dann begleiten wir sie einfach nach Nizza, ficken sie einmal durch und gehen danach unserer Wege. Wer will uns das denn verbieten? Sieh uns an. Der Kerl, der uns die Stirn bieten kann, muss erst noch geboren werden.“
Zweifelnd ließ sich Malte die Worte durch den Kopf gehen. Es stimmte natürlich, dass sowohl Oliver als auch er über ansehnliche Muskeln verfügten. Dank ihrer Arbeit auf dem Bau würde es rein körperlich keiner so schnell mit ihnen aufnehmen können. Dennoch gingen sie mit diesem Frankreich-Trip eine Art Vertrag ein, oder etwa nicht? Er blieb nur ungern jemandem etwas schuldig und machte sich deshalb Gedanken, ob er den Anforderungen wirklich gerecht werden konnte.
„Und was ist, wenn man von uns eine etwas härtere Gangart verlangt? Ich stehe nicht so auf Schläge. Zudem widerstrebt es mir, einen Fremden an meinen Hintereingang zu lassen. Ich mag es zwar gelegentlich, auch einfach nur bedient zu werden, aber ich traue nicht jedem x-beliebigen Kerl das nötige Können zu.“
„Jetzt werde mal nicht gleich panisch. Wir haben uns noch für nichts entschieden. Lass uns die Typen erst begutachten. Sollten sie sich tatsächlich als unfickbar herausstellen, lehnen wir dankend ab, wenngleich mir der Gedanke nicht unbedingt gefallen will. Ich bin noch nie weiter als in den Schwarzwald gereist und denke, dass ich auch in nächster Zeit nicht dazu kommen werde. Sollte ich keine unerwartete Erbschaft machen, dürfte ich mir so einen Trip wohl nie leisten können. Die Jobs auf dem Bau geben einfach nicht genug Knete her, stimmt’s?“
„Leider nur allzu wahr“, bestätigte Malte seufzend.
„Mich macht die Aussicht auf Sonne, Strand und etwas Luxus jedenfalls rattenscharf und in diesem Zustand bin ich meist sehr freigiebig, was meine Zuwendungen anbelangt. Ein wenig Pflichtübung scheint mir für ein paar entspannte Urlaubstage angemessen, zumal man selbst ja auch abspritzen kann. Wen interessiert da schon das Loch, in dem man seinen Saft deponiert?“
Wieder entlockten ihm Olivers harsche Worte ein Lachen. Sein Freund sprach stets, wie ihm der Schnabel gewachsen war, was nicht bei allen gut ankam. Ihn störte es jedoch nicht. Ehrlichkeit konnte eben zuweilen unangenehm sein, dennoch zog er sie jeder heuchlerischen Lüge vor.
„Aber …“ Sein Satz blieb unbeendet, weil Oliver ihn plötzlich anstieß und grinsend zum Eingang der Bar zeigte.
„Das müssen sie sein. Flurin sagte, er würde eine weiße Jeans und eine hellbraune Lederjacke tragen, was ich ehrlich gesagt oberschwul fand, aber der Kerl sieht darin gar nicht mal so schlecht aus, was?“
Unschlüssig blickte Malte zu den neu eingetroffenen Gästen, die sich nun auf Olivers auffälliges Winken hin auf sie zubewegten. Es traf zu, dass sie bestimmt schon hässlicheren Typen begegnet waren, trotzdem fiel ihm vor allem der verkniffene Gesichtsausdruck von Flurins Begleiter auf. Ob hier jemand ebenfalls nicht sonderlich von der Idee eines Urlaubs mit Wildfremden begeistert war?
„Oliver?“, fragte Flurin, kaum dass dieser an ihrem Tisch angelangte.
Maltes Freund nickte, setzte sein allseits bekanntes Gewinnergrinsen auf und spreizte gleichzeitig die Beine, um daraufhin mit einer Hand aufreizend über den Oberschenkel in Richtung Körpermitte zu streichen. Mein Gott, wie abgedroschen diese Geste doch wirkte, dennoch schien sie ihr Ziel nicht zu verfehlen. Flurins Gesichtsausdruck bekundete eindeutiges Interesse, während er schamlos auf Olivers Ausbuchtung zwischen den Beinen starrte und sich genüsslich über die Lippen leckte.
„Wenn das mal keine angemessene Begrüßung ist. Aber lasst uns erst mal eine ordentliche Vorstellungsrunde abhalten. Ich bin Flurin und das ist mein Freund Dario“, erklärte der schlanke Mann, welcher mit den blonden Locken und den hellblauen Augen tatsächlich ein recht ansehnliches Exemplar seiner Gattung war.
„Mein Name ist Malte und ich bin sein Freund.“ Er wies auf Oliver, der Flurin noch immer wie ein Beutetier, das es demnächst zu verschlingen galt, musterte.
Sie schüttelten sich die Hände, was ihm die Gelegenheit bot, Dario näher in Augenschein zu nehmen. In Anbetracht dessen, dass Flurin und Oliver bereits eindeutige Schwingungen zu empfangen schienen, würde ihm vermutlich nichts anderes übrigbleiben, als sich diesem Mann zuzuwenden. Zugegebenermaßen hätte er es schlimmer treffen können. Dario schien zwar nicht von derselben extrovertierten Art wie sein Freund zu sein, aber er sah zumindest ebenso passabel aus. Vergleichen ließen sich die beiden Typen allerdings nicht wirklich, da sie rein optisch das Gegenteil darstellten.
Dario wirkte ein klein wenig untersetzt. Maltes Kennerblick bemerkte sofort die gut kaschierten Extrapfunde, die rund um die Hüften da und dort das Hemd ein wenig strafften. Man konnte ihn allerdings nicht als dick bezeichnen, höchstens vielleicht etwas weicher als es ein Mann nach dem gängigen Schönheitsideal sein sollte. Der Attraktivität tat dies jedoch keinen Abbruch, denn Dario bestach vor allem durch sein schön geschnittenes Gesicht und die ausdrucksstarken dunkelbraunen Augen, die durch die unverschämt dichten Wimpern in den Vordergrund traten. Ein Blick auf den schwarzen Haarschopf beschwor in Malte augenblicklich das verdammt aufregende Bild eines Blowjobs, bei dem dieser Mann mit den vollen Lippen eine Hauptrolle spielte, herauf. Mit diesem Kerl mehr als einmal Sex zu haben, schien plötzlich nicht länger undenkbar.
„Nun denn, wie sieht es aus? Habt ihr nächste Woche Zeit für eine Woche Urlaub in Südfrankreich?“, fragte Flurin, der sich zu Oliver gesetzt hatte und diesem bereits in vertraulicher Manier auf die Pelle rückte, indem er sich an ihn schmiegte.
„Tatsächlich sind wir für diesen Zeitraum noch nicht anderweitig verplant. Ich bin nach einem Kreuzbandriss am Knie noch immer arbeitsunfähig geschrieben, aber dennoch voll einsatzfähig …“ Oliver wackelte mit den Augenbrauen, wodurch er Flurin zu verstehen gab, dass Sex zu keiner Zeit ein Problem darstellen würde. „… und Malte hat sich freigenommen. Wir arbeiten beide als befristete Angestellte im Baugewerbe, wodurch wir eine gewisse Freiheit genießen.“
„Und da könnt ihr einfach so auf einen Job pfeifen?“, meldete sich Dario das erste Mal zu Wort. „Das scheint mir mächtig leichtsinnig bei der heutigen Arbeitsmarktsituation.“
„Die Arbeit auf der Baustelle war ohnehin zu Ende, sodass ich der Vermittlungsfirma mitteilte, dass ich erst übernächste Woche wieder zur Verfügung stehe. Eine Festanstellung erhält man in unserer Berufssparte nicht mehr so einfach. Gerade das Baugewerbe ist ein saisonales Geschäft. Es ist heutzutage für eine Firma bedeutend lukrativer, Fachkräfte lediglich für einen gewissen Zeitraum anzustellen, als einen Mitarbeiter während der mauen Wintermonate ohne Aufträge bezahlen zu müssen. Wenn wir Pech haben, sind wir immer nur für ein paar Wochen beim selben Arbeitgeber unter Vertrag. Dennoch hat wohl auch unsereiner ein Anrecht auf etwas Urlaub, oder etwa nicht?“, erklärte Malte und ärgerte sich maßlos darüber, dass er sich dazu veranlasst sah, sich gegenüber einem Wildfremden zu verteidigen.
Oliver schien seinen Unmut zu bemerken, denn er nahm den Arm, der bis dahin um Flurins Schultern lag, weg und fragte argwöhnisch: „Soll das hier etwa ein Eignungsinterview werden? Wenn ja, dann frage ich mich, was unsere Jobs dabei für eine Rolle spielen? Ich dachte, es ginge lediglich um einen kostenlosen Urlaub, bei dem von unserer Seite her ein wenig Körpereinsatz gefragt ist.“
„Das ist auch so. Hört einfach nicht auf Dario. Er ist und bleibt eben ein eingefleischter Schreibtischtäter, weshalb er es einfach nicht lassen kann, alles bis ins kleinste Detail zu hinterfragen und zu analysieren.“
„Und du tust das nicht?“, wollte Oliver scheinbar wieder besänftigt wissen.
„Ich analysiere auch gerne, allerdings nicht unbedingt jene Dinge, die Dario zu interessieren scheinen“, antwortete Flurin und wackelte bedeutsam mit den Augenbrauen.
„Aha, dann muss ich wohl damit rechnen, dass du vor der Abreise noch meine Fähigkeiten testen willst?“
„Hättest du denn etwas dagegen?“
Malte gab es auf, den beiden zuzuhören. Es lag auf der Hand, wohin dieses Geplänkel führen würde. Es dürfte vermutlich keine Viertelstunde mehr dauern und die beiden würden in Richtung Klo verschwinden, denn so lief es doch immer bei seinem Freund ab. Der Kerl hielt wenig davon, sich erst mit einem Typen bekanntzumachen, bevor er den Schwanz in dessen Arsch steckte. Im Prinzip hielt es Malte da meist auch nicht anders, doch diesmal schien es ihm irgendwie angebracht, etwas mehr von ihren künftigen Reisegefährten zu erfahren.
„Du … arbeitest also im Büro?“, wandte er sich an Dario, um sich an einer unverfänglichen Konversation zu versuchen.
Den Blick seines Nebenmannes konnte er damit allerdings nicht auf sich ziehen, denn dessen ganze Aufmerksamkeit galt einzig den beiden Männern, die ihnen gegenübersaßen und inzwischen in eine wilde Knutscherei verwickelt waren.
„Mhm“, kam ziemlich zeitverzögert von Dario als Antwort, während die schnellen Schluckbewegungen an dessen Hals darauf hinwiesen, dass ihn das Schauspiel, welches ihre Freunde gerade zum Besten gaben, entweder anmachte oder aber unangenehm zusetzte.
„Willst du auch?“, fragte Malte, ohne weiter nachzudenken.
Er wollte auf keinen Fall als Klemmschwester dastehen. Ein Eindruck, den man neben Oliver schnell hinterlassen konnte, da dieser in gewissen Dingen ein Tempo vorlegte, mit dem man nur schwerlich mitzuhalten vermochte.
Endlich sah ihn Dario direkt an und schüttelte scheinbar erstaunt – oder war es eher fassungslos? – den Kopf. Offensichtlich hatte Malte bei diesem Kerl doch noch nicht gepunktet, denn sein Gegenüber verzog nun ziemlich angewidert den schönen Mund.
„Nur damit das klar ist … Die Idee, fremde Kerle in den Urlaub mitzuschleppen, ihnen den Aufenthalt zu finanzieren und im Gegenzug ein paar Gefälligkeiten zu verlangen, ist nicht auf meinem Mist gewachsen. Ich halte nicht viel von solch oberflächlichen Begegnungen, aber es scheint mir notwendig, meinen Freund vor irgendwelchen Dummheiten zu bewahren. Du siehst ja selbst, dass er in seinem aktuellen Stimmungstief zu allem bereit ist.“
Oha, da hatte er tatsächlich ins Wespennest gestochen, denn Dario mutierte gerade zu einer Dramaqueen, wie sie im Buche stand. Ein Teil von ihm amüsierte sich zwar darüber, der andere empfand es jedoch als einen Affront, dass sein Angebot in dieser abfälligen Art und Weise verschmäht wurde.
„Wenn ein Stimmungstief von Flurin so aussieht, dann möchte ich wissen, was er in seiner Bestform zu bieten hat“, entgegnete er bemüht gelassen. „Was die Knutscherei anbelangt, so wollte ich dich bloß nicht leer ausgehen lassen. Man ist ja schließlich ein Menschenfreund, nicht wahr? Aber keine Sorge, mir sagt das ebenso wenig zu wie dir, vor allem weil sich mir bei schnödem Druckabbau der Sinn dabei entzieht. Außer man benutzt den Mund für einen geilen Blowjob. Sollte dir das also mehr zusagen, dann …“
Er ließ den Satz unbeendet, setzte ein fieses Grinsen auf und nickte in Richtung seines Schrittes, um anzuzeigen, dass sich Dario gerne bedienen durfte. Die Entrüstung, welche er mit seinen Worten von dem offensichtlich etwas verklemmten Kerl erntete, war köstlich, was seine Laune gleich wieder hob. Er würde in der kommenden Woche – falls sie denn wirklich gemeinsam verreisen würden – vielleicht keinen Sex bekommen, dafür dürfte ihm im Gegenzug aber eine spaßige Zeit bevorstehen. Dario ließ sich scheinbar leicht aus der Fassung bringen und Malte wusste ein gutes Streitgespräch durchaus zu schätzen.
„Arschloch“, entgegnete sein Gegenüber in diesem Moment konsterniert, was bewies, dass dieser seine Anspielung verstanden hatte.
Malte lachte laut auf.
„Kein sehr einfallsreiches Schimpfwort unter schwulen Männern. Ist es doch gerade das, wonach wir alle insgeheim lechzen, stimmt‘s?“
„Wichser“, wurde er als Nächstes tituliert, was ihm abermals ein Lachen entlockte.
„Das sehe ich eher als Kompliment, denn darin bin ich echt ein Weltmeister.“
„Blödmann.“
„Das werte ich ebenfalls als Schmeichelei, denn dumm fickt ja bekanntlich gut.“
„Hey, was geht denn hier ab?“, meldete sich Oliver, der sich anscheinend endlich von Flurins Lippen hatte lösen können, zu Wort. „Steht der Kleine etwa auf Dirty Talk? Wie geil ist das denn?“
Nun konnte Malte sich nicht länger zurückhalten und brach prustend in noch lauteres Lachen aus, was vor allem dem entgeisterten Gesichtsausdruck von Dario geschuldet war. Ihr kleiner Schlagabtausch hatte bestimmt keinem sexuell anturnenden Geplänkel ähneln sollen, doch wider Erwarten hinterließ er genau diesen Eindruck.
„Ich wusste ja gar nicht, dass dich so etwas heißmacht“, brachte nun auch Flurin seine Verwunderung zum Ausdruck, woraufhin Dario stöhnend die Augen schloss und den Kopf sichtlich geschafft auf das Rückenpolster der Bank fallen ließ.
„Hey, mach dir nichts draus. Mir hat es gefallen und ich freue mich sehr, mehr davon zu hören“, sagte Malte so laut, dass es ihre Freunde problemlos mitbekommen konnten.
„Dann ist die Sache also abgemacht? Ihr kommt mit und versüßt uns den Urlaub?“, wollte Flurin daraufhin begeistert wissen und erntete sowohl von Oliver als auch von Malte ein zustimmendes Nicken.
Nur Dario sagte erst einmal gar nichts dazu. Er öffnete langsam wieder die Augen und blickte seinen Freund für eine ganze Weile nachdenklich an. Fast schien es, als ob sich dieser gegen die Sache aussprechen wollte, doch schließlich willigte er ebenfalls seufzend ein. Die Sache war somit beschlossen.
***
„Eine Familienkutsche?“, hörte Dario Malte spöttisch fragen, als sie am ausgemachten Treffpunkt, von dem aus ihre Reise nach Nizza starten sollte, vorfuhren.
Er machte sich nicht die Mühe, um auszusteigen, doch da Flurin bereits rausgesprungen war, kaum dass sie am Straßenrand parkten, hatte er die abfällige Bemerkung durch die geöffnete Beifahrertür natürlich mitbekommen.
„Und dann noch eine Reisschüssel“, pflichtete Oliver unnützerweise lachend bei.
„Ich zwinge niemanden zum Mitfahren“, rief er den Idioten laut zu, umklammerte das Steuer fester und blickte demonstrativ zur Windschutzscheibe hinaus.
Um 5 Uhr in der Früh war Dario als unverbesserlicher Morgenmuffel für solche idiotischen Späßchen bestimmt nicht zu haben. Außerdem liebte er seinen Hyundai, auf den er lange gespart hatte. Über Jahre hinweg verzichtete er auf zahlreiche Kino- oder Restaurantbesuche, um sich endlich einen Gebrauchtwagen leisten zu können.
„Hey, entspann dich mal wieder. Das war doch gar nicht so gemeint“, sagte Malte einlenkend, als er sich auf den Beifahrersitz schob, und schenkte ihm ein einnehmendes Lächeln.
Flurin und Oliver kümmerten sich derweil ums Gepäck und verstauten es im Kofferraum, um dann gemeinsam auf der Rückbank Platz zu nehmen. Klar, wollte sein Freund jede freie Minute mit dem Kerl, auf den er offenbar heiß bis zum Abwinken war, auskosten, aber musste er deshalb Malte den Sitz neben Dario überlassen?
„Das hat sich aber anders angehört.“