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VOM GLÜCK BESTIMMT
Lisa wünscht sich ein Kind - aber keinen Mann. Jared träumt von einem Sohn - aber nicht von einer Frau. Zufällig treffen sie sich in einer Klinik für künstliche Befruchtung. Durch einen "Unfall" wird nicht die von Jared ausgewählte Leihmutter, sondern Lisa von ihm schwanger. Kann das Baby die beiden zu einem Paar machen?
EIN KIND DER LEIDENSCHAFT
Ist eine künstliche Befruchtung wirklich für sie das Richtige? Caitlin, die sich sehnlichst ein Baby wünscht, fragt Jake, ihren Freund aus Kindertagen, um Rat. Er hält sich bedeckt, aber sein heißer Blick spricht Bände - kann es sein, dass sich Jake in sie verliebt hat und sich ihre geheimsten Träume doch noch erfüllen?
UM DIE HALBE WELT ZU DIR
Was bringt ein Citygirl aus London ins ferne Australien? In Clares Fall ist es ein Versprechen, das sie ihrer schwerkranken Schwester gegeben hat: Clare soll ihre Nichte Alice zu deren Vater bringen. Kaum in Mathison angekommen, fragt Clare sich entsetzt, wie man in dieser flirrenden Hitze und unendlichen Weite überhaupt leben kann! Bis sie von dem großen breitschultrigen Gray Henderson abgeholt wird. Zwar glaubt er nur zögernd, dass Alice die Tochter seines Bruders Greg ist. Doch auf seiner Ranch Bushman‘s Creek erkennt Clare, dass auch sie hier leben könnte - zusammen mit Gray, der ihr die Zärtlichkeit schenkt, die sie in ganz London vergeblich gesucht hat …
LIEBESREISE NACH ITALIEN
Traumhafte Tage der Liebe haben Claire und ihr Mann auf der Reise durch Italien erlebt. Trotzdem ist ihr größter Wunsch unerfüllt geblieben: ein Baby! Als Claire - wieder daheim in Australien - sieht, wie ihre Schwester heiß mit Adam flirtet, beginnt sie an seiner Liebe zu zweifeln. Verliert sie Adam, weil sie kein Kind bekommt?
ES IST NOCH NICHT ZU SPÄT
Als Laurel nach fünf Jahren ihre erste große Liebe wiedersieht, möchte sie nur eins: in Beaus Armen endlich glücklich werden. Wird es ihr gelingen, sein Vertrauen, das sie damals so schändlich missbrauchte, zurückzugewinnen? Kann Beau ihr verzeihen, dass sie ausgerechnet mit seinem Rivalen Buddy durchbrannte?
ZART ERBLÜHT DIE LIEBE
Die Chicagoer Anwältin Laura traut ihren Augen nicht: Wo kommt das süße Baby auf ihrem Bett plötzlich her? Zum Glück ist ihr Nachbar Justin sofort bereit, bei der Pflege der Kleinen zu helfen. Während Laura den sonst so unnahbaren Mann von seiner sanften, liebevollen Seite kennenlernt, fühlt sie sich immer mehr zu ihm hingezogen und findet wider Erwarten sogar Gefallen an ihrer neuen Familie". Allerdings gibt es da noch ein Problem: Wieso sieht das Baby Justin so ähnlich? Verschweigt er ihr etwas? Sind seine romantischen Gefühle - seine Küsse beim Gartenfest - womöglich bloß gespielt, damit sein Kind eine Mutter hat? "
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Seitenzahl: 1208
Veröffentlichungsjahr: 2019
Teresa Carpenter, Linda Randall Wisdom, Jessica Hart, Barbara Hannay, Marilyn Pappano, Hannah Bernard
Vater gesucht - es ist nie zu spät für das Glück 3
IMPRESSUM
Vom Glück bestimmt erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 1999 by Teresa Carpenter Originaltitel: „The Baby Due Date“ erschienen bei: Silhouette Books, Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe COLLECTION BACCARABand 172 - 2001 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Ursula Drukarczyk
Umschlagsmotive: Getty Images_Sam Edwards
Veröffentlicht im ePub Format in 07/2018 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733758042
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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Mit energischen Schritten ging Dr. Clarice Rubin auf den Empfangstresen der „San Diego Klinik für Künstliche Befruchtungen“ zu und hielt der Arzthelferin einen Zettel hin. „Hier, diese Notiz ist wohl versehentlich zwischen die anderen Unterlagen geraten, die Sie mir auf meinen Schreibtisch gelegt haben.“
„Vielen Dank.“ Die junge Frau nahm das Blatt Papier entgegen und warf einen flüchtigen Blick darauf.
Dr. Rubin wollte sich schon wieder abwenden, als sie bemerkte, dass die Arzthelferin mit einem Mal ganz blass geworden war.
„Ach du meine Güte!“
„Was ist denn?“, fragte Dr. Rubin.
„Das ist Sarahs Handschrift. Sie hat mich vertreten, während ich Pause hatte. Es geht um eine Terminänderung. Da Mrs. Wentworth abgesagt hatte, haben wir den Termin mit Miss Langdon vorgezogen. Offensichtlich hat Sarah die Änderung vorgenommen, ehe sie nach Hause ging. Sie fühlte sich nicht wohl und muss wohl vergessen haben, mich von der Terminänderung in Kenntnis zu setzen …“
„Wentworth? Ist das nicht die Frau, die für eine künstliche Befruchtung mit Jared Steeles Samen vorgesehen war?“
„Genau. Mr. Steele war heute Nachmittag hier.“ Die junge Arzthelferin schlug eine Aktenmappe auf, die mit „Wentworth“ beschriftet war. „Wie ich befürchtet hatte: Alle Formulare sind von Lisa Langdon unterschrieben. Sie und Mr. Steele haben sich vorhin unterhalten, und ich dachte, sie gehören zusammen.“ Ihre Stimme überschlug sich fast vor Aufregung.
„Wollen Sie damit sagen, dass die künstliche Befruchtung von Miss Langdon nicht von einem anonymen Spender, sondern mit Mr. Steeles Sperma erfolgt ist?“
Die Sprechstundenhilfe nickte stumm.
„Das darf doch nicht wahr sein!“ Die verschiedensten Gedanken wirbelten in Dr. Rubins Kopf herum. Nicht auszudenken, wie Jared Steele reagieren würde, wenn er von der Verwechslung erfuhr. „Wie konnte das nur geschehen?“ Die Ärztin war fassungslos. „Wann hat Miss Langdon ihre Nachuntersuchung?“
Die Arzthelferin blätterte hastig in ihrem Kalender. „In zwei Wochen, am 18. April.“
„Dann werden wir diese zwei Wochen abwarten müssen. Sollten wir dann einen positiven Schwangerschaftstest erhalten, wird mir nichts anderes übrig bleiben, als Jared Steele persönlich anzurufen und ihm die Situation zu schildern.“
„Und Miss Langdon?“
„Ihr müssen wir natürlich auch reinen Wein einschenken. Und den Anwälten, die beide sicher einschalten werden. Das ist eine Katastrophe für den Ruf unserer Klinik! Ich kann dieses eine Mal nur hoffen, dass die Natur ein Einsehen hat und es nicht zu einer Empfängnis gekommen ist. Ich will mir gar nicht näher vorstellen, was passieren wird, wenn zwei sich völlig fremde Menschen herausfinden, dass sie beide das gleiche Baby wollen!“
„Herzlichen Glückwunsch, Lisa, Sie sind schwanger.“ Die Worte von Dr. Rubin hallten in Lisa Langdons Kopf wider, als sie die „San Diego Klinik für Künstliche Befruchtung“ verließ und in den strahlenden Apriltag hinaustrat.
Sie bekam ein Kind!
Vor lauter Freude hätte sie am liebsten getanzt und laut gesungen. Leichtfüßig lief sie auf ihren Nissan zu, schloss die Fahrertür auf und setzte sich hinter das Lenkrad. Wann war sie zuletzt so außer sich vor Glück gewesen, in einer solch überwältigenden Hochstimmung?
Es war ein langer Weg gewesen, ehe sie sich mit ihrem Kinderwunsch an die Klinik gewandt hatte. Vorher hatte Lisa diese Entscheidung mit all ihren Konsequenzen lange und sorgfältig durchdacht. Natürlich waren da auch das unüberhörbare Ticken ihrer biologischen Uhr und der Wunsch, ihre Einsamkeit zu beenden, mit eingeflossen. Doch ausschlaggebend waren tiefere Bedürfnisse. Sie hatte einem Kind so viel mit auf den Weg zu geben: Intelligenz, Begabung und – Liebe.
Liebe im Übermaß.
Seit sie ihren Entschluss gefasst hatte, war ihr endlich der Sinn des Lebens mit aller Deutlichkeit klar geworden. Und sie wusste, sie würde ihrem Kind eine gute Mutter sein.
„Ich bin schwanger.“ Mit zitternder Stimme sprach Lisa die Worte zum ersten Mal laut aus. „Ich werde Mutter!“
Sie zwang sich, ganz langsam und tief ein- und auszuatmen, um sich wieder ein wenig zu fassen. Minuten vergingen, ehe sie sich in der Lage fühlte, ihr Auto zu starten. Beim Ausparken ging ihr ein oft gehörter Ausspruch ihrer verstorbenen Mutter durch den Kopf: „Jeder Tag ist ein neuer Beginn.“ Die Hoffnung und Zuversicht, die dieser Satz beinhaltete, durchströmte sekundenlang ihr ganzes Sein.
Plötzlich ließ ein Gefühl von Furcht Lisa kurz erschauern. Doch sie weigerte sich, diesen ganz besonderen Augenblick von den anderen – beunruhigenden – Neuigkeiten, die Dr. Rubin ihr eröffnet hatte, überschatten zu lassen …
Jared Steele legte den Telefonhörer auf und sank, von Gefühlen übermannt, zurück in seinen Schreibtischstuhl. Natürlich war er in gewisser Weise auf Dr. Rubins Nachricht vorbereitet gewesen. Dennoch hatte er in den letzten beiden Wochen immer ungeduldiger auf diesen positiven Bescheid gewartet.
Er würde Vater werden!
Jared fuhr sich mit der Hand durchs Haar, als ihm bewusst wurde, was das bedeutete. Zwiespältige Gefühle machten sich in ihm breit. Einerseits fühlte er sich unendlich erleichtert, andererseits jedoch sah er voller Unbehagen den unvermeidlichen Problemen entgegen, die auf ihn zukommen würden. Freudige Erregung machte Furcht, Wut und dem beängstigenden Gefühl Platz, die Dinge nicht kontrollieren zu können.
Er sprang aus seinem Sessel hoch, um den Aufruhr in seinem Innern durch aktives Handeln in den Griff zu bekommen.
„Ich möchte sofort mit Zack reden“, bat er seine Sekretärin.
Während er wartete, lief er ungeduldig zwischen Fenster und Schreibtisch auf und ab.
Wie hatte es nur zu dieser fatalen Verwechslung kommen können? Er hatte alles so sorgfältig bis ins kleinste Detail hinein geplant. Und doch war die Sache nun gründlich schief gelaufen.
„Du wolltest mich sprechen?“ Zack Farrell betrat das Büro.
„Wo hast du bloß so lange gesteckt?“, fuhr Jared ihn an.
„Unten in der Halle.“ Der Chef des Sicherheitsdienstes schloss die Tür hinter sich. „Wo brennt es denn?“
„Du kannst dir nicht vorstellen, was passiert ist.“
„Erzähle.“ Umständlich zog sich Zack einen Stuhl heran.
Jared blieb am Fenster stehen und wartete, bis sein alter Freund Platz genommen hatte. „Sitzt du auch bequem?“, fragte Jared bissig, wobei er es gleichzeitig selbst ziemlich ungerecht fand, seine schlechte Laune an anderen auszulassen.
Zack zuckte jedoch mit keiner Wimper. „Ich arbeite jetzt seit sieben Jahren für dich, und befreundet sind wir schon seit unserer Jugend“, meinte er gelassen. „Wenn ich deine miese Stimmung schon zu spüren bekommen muss, kann ich es mir doch vorher wenigstens etwas gemütlich machen.“
Jared runzelte die Stirn, ließ sich aber auf keine weitere Diskussion ein. Zack hat ja recht, dachte er. Und wenn er die große Neuigkeit erst erfahren hat, wird er auch meine Gereiztheit verstehen.
„Die Leihmutteragentur hat vorhin angerufen“, begann er. „Diese Wentworth hat gekniffen. Sie ist überhaupt nicht in der Klinik aufgetaucht, sondern hat sich mit dem Vorschuss aus dem Staub gemacht.“
„Pech. Willst du jetzt eine andere Frau anheuern?“
„So einfach ist es leider nicht. Die Oberärztin, Dr. Rubin, hat auch angerufen. Als die Wentworth der Klinik absagte, hat irgendeine Krankenschwester ihren Termin einer anderen Frau gegeben. Leider hat sie niemanden über die Änderung informiert, ehe sie nach Hause ging.“
„Soll das heißen, dass …?“
Jared nahm einen tiefen Atemzug, ehe er mit einem schiefen Grinsen antwortete: „Ich werde Vater.“
Zack stand auf, drückte seinem Freund fest die Hand und schlug ihm dann lächelnd auf den Rücken. „Glückwunsch, alter Kumpel!“
„Danke.“ Jared setzte sich auf die Schreibtischkante. „Aber da ist noch etwas.“
„Was denn? Werden es etwa Zwillinge?“
Angesichts dieser albernen Frage konnte Jared nur verständnislos den Kopf schütteln. „Quatsch! Aber irgendwo da draußen läuft jetzt eine fremde Frau mit meinem Kind unter dem Herzen herum!“ Genau diese Tatsache irritierte ihn. Nicht, dass seine Pläne durchkreuzt worden waren, und er die Situation nicht mehr unter Kontrolle hatte, sondern der Gedanke, dass ein von ihm gezeugtes Kind existierte – und ihm womöglich der Zugang zu diesem Kind verwehrt werden würde.
Das konnte er unter keinen Umständen hinnehmen, niemals wieder!
„Beruhige dich, Jared, die Chancen …“
„Verdammt noch mal, komm mir jetzt bloß nicht mit Statistiken. Ich will wissen, was ich tun soll.“
„Das fragst du mich?“
„Ich bin total verzweifelt.“ Tief seufzend fuhr sich Jared mit den Fingern durch das dichte dunkle Haar.
„Vergiss es einfach“, riet ihm Zack. „Mach einen Termin mit der Leihmutteragentur aus und fang noch einmal bei Null an.“
„Bist du verrückt?“, fuhr Jared seinen Freund an. „Ich kann doch nicht den Rest meines Lebens in dem Wissen verbringen, dass da irgendwo ein Kind von mir existiert. Würdest du das etwa fertig bringen?“
„Nein, aber hier geht es auch nicht um mich. Meiner Meinung nach wäre die einfachste Lösung, diese ganze Sache so schnell wie möglich zu vergessen.“
Ungeduldig stieß sich Jared von der Schreibtischkante ab und setzte sich in seinen Chefsessel. „Hast du mich je die einfachste Lösung wählen sehen?“
„Es gibt immer ein erstes Mal.“
„In diesem Fall aber nicht. Mir ist völlig schleierhaft, wie du mir ernsthaft raten kannst, die Existenz meines eigenen Kindes zu ignorieren. Damit würde ich ja selbst die Motivation für meinen Kinderwunsch infrage stellen.“
„Ehrlich gesagt habe ich deine Gründe dafür ohnehin nie recht verstanden. Glaubst du nicht, du hättest den ewigen Verkuppelungsversuchen deiner Mutter ein Ende bereiten können, auch ohne ihr gleich einen Enkel zu präsentieren, der durch künstliche Befruchtung entstanden ist?“
Mit hochgezogenen Augenbrauen musterte Jared seinen Freund. „Hast du etwa vergessen, was sich am letzten Samstag abgespielt hat?“
Ein flüchtiges Grinsen erhellte Zacks Gesicht. „Du kannst den beiden jungen Damen wirklich keinen Vorwurf machen. Sie waren überzeugt, die Einladung käme von dir. Um künftige Verwicklungen zu vermeiden, solltest du deiner Mutter klarmachen, dass es ziemlich ungünstig ist, zwei Frauen für dieselbe Nacht zu buchen.“ Er konnte sich ein Kichern nicht verkneifen.
„Sehr witzig! Ich kann mich aber nicht erinnern, dass du auch nur halb so laut gelacht hast, als Mutter dir am Samstag die Aufgabe übertrug, dich um die zweite Lady zu kümmern.“
„Weil mir der Ausdruck in ihren Augen nicht gefiel. Was ist eigentlich in letzter Zeit mit deiner Mutter los, Jared? Vor einem Jahr noch wäre ihr ein solcher Fehler nicht unterlaufen.“
„Ach Zack …“ Jared seufzte und schüttelte ratlos den Kopf. Er war immer so stolz gewesen auf seine schöne, lebenslustige Mutter. Umso mehr betrübte ihn, dass ihre Energie seit Kurzem rapide nachzulassen schien. Nachdem seine Schwester von zu Hause ausgezogen war, wurde dies von Woche zu Woche offensichtlicher. „Dr. Rubin nannte es ein ‚Leeres-Nest-Syndrom‘.“
„War das vor oder nach eurer Diskussion über moderne Methoden der Fortpflanzung?“
Zacks Frage brachte Jared wieder auf sein gegenwärtiges Problem zurück. Er runzelte die Stirn. „Mein Entschluss, auf diesem Weg Nachwuchs zu bekommen, hat nichts mit meiner Mutter zu tun. Obwohl ich zugegebenermaßen hoffte, ein Enkelkind würde sich vorteilhaft auf ihre Psyche auswirken. Nein, der wahre Grund ist, dass ich niemals heiraten werde.“
Nicht nach dem entsetzlichen Fehlschlag seiner Verlobung, nachdem er betrogen und verlassen worden war. Jared hatte seine Lektion wahrlich gelernt. „Soll ich aber deshalb ganz ohne Familie leben müssen?“, fügte er hinzu. „Ich habe einem Kind viel zu geben, ganz abzusehen davon, dass diese Firma kein schlechtes Erbe sein wird.“
Und darüber hinaus hoffte er, damit endgültig das Gefühl der Leere und der Schuld zu besiegen, das ihn so lange schon quälte.
Jared sah seinem Freund offen in die Augen, wohl wissend, welchen Dienst er von ihm verlangte. „Ich möchte dich um einen Gefallen bitten. Finde heraus, wer diese Frau ist, die mit meinem Kind schwanger ist. Ich will alles über sie wissen, Zack: Name, Adresse, Beruf, Alter, welche Zahnpasta sie benutzt. Einfach alles.“
Zacks Miene war ausdruckslos.
Jared hielt seinem Blick stand. Ein Gesetzesbruch kümmerte ihn nicht, dazu lag ihm die Angelegenheit viel zu sehr am Herzen. Und als ehemaliger Agent der Regierung verfügte Zack über Mittel und Wege, alle möglichen Informationen über diese Frau einzuholen.
„So wichtig ist dir die Sache?“, fragte Zack.
„Ja.“ Jared hasste es, seinen Freund um diesen Gefallen zu bitten. Dass er es dennoch tat, zeugte vom hohen Grad seiner Verzweiflung.
„Ich werde sehen, was ich tun kann“, erwiderte der Sicherheitschef nach einem Moment des Zögerns. „Hast du irgendwelche Anhaltspunkte für mich?“
„Wenige. Ich bin der Frau in der Klinik begegnet. Sie ist mittelgroß und schlank, hat blondes, langes Haar. Hübsche Augen in einem ungewöhnlichen Bernsteinton. Außer ihr habe ich dort niemanden gesehen, also kann nur sie die betreffende Person sein.“
„Ziemlich genaue Beschreibung für eine Zufallsbegegnung. Wieso ist sie dir überhaupt aufgefallen? Scheint doch gar nicht dein Typ zu sein.“
Jared hob die Schultern. „Sie hat mich angesprochen. Als ich sie dabei ertappte, wie sie mich unverblümt anstarrte, entschuldigte sie sich und erklärte, sie wäre Künstlerin. Sie sagte, ihr gefiele meine Nase.“
„Deine Nase?“
Ein vernichtender Blick traf Zack. „Auf jeden Fall gehört sie zu der Sorte Menschen, die man nicht vergisst.“
„Warum das?“, fragt Zack interessiert.
„Weil sie einem direkt in die Augen sieht, und weil ihr Lächeln ehrlich ist und von Herzen kommt.“ Jared durchforschte jeden Winkel seines Gedächtnisses nach weiteren Einzelheiten. „Sie sagte übrigens, dass Dr. Rubin eines ihrer Bilder besitzt.“
Mit betont langsamen Bewegungen erhob sich Zack aus seinem Sessel. „Nicht schlecht für den Anfang. In einer Woche hörst du von mir.“ Er ging zur Tür.
„Zack?“ Jared wartete, bis sein Freund sich umgedreht hatte. „Danke.“
„Ashley, Ashley, stell dir nur vor, es hat geklappt!“ Während Lisa den Telefonhörer mit beiden Händen umklammerte, kuschelte sie sich tief in ihr Sofa. Sie wünschte nur, ihre beste Freundin und Agentin Ashley Todd möge hier bei ihr in San Diego und nicht gerade in New York sein, damit sie sich ihr in die Arme werfen könnte.
„Ich freue mich so für dich, kleine Mama. Sobald ich zurück bin, feiern wir, okay? Wissen es die Mitarbeiter in der Galerie schon?“
„Nein, ich will noch ein wenig warten, bis die Schwangerschaft weiter fortgeschritten ist.“ Lisa lachte. „Schließlich liegen noch achteinhalb Monate vor mir. Nur du als meine beste Freundin sollst vorläufig davon wissen.“ Sie schluckte und versuchte, die unheilvollen Gedanken daran beiseite zu schieben, dass es womöglich noch jemanden gab, der Anspruch auf ihr Baby erheben könnte. „Wahrscheinlich bin ich einfach nur abergläubisch und will nichts zerreden.“
„Stimmt etwas nicht, Lisa?“
„Doch, doch, alles ist bestens.“ Sie versuchte, ihre Stimme zuversichtlich klingen zu lassen, um sich selbst und auch ihre Freundin davon zu überzeugen. „Ich kann es kaum erwarten, dich zu sehen und mit dir zu feiern.“
„Mir geht es ganz genauso. In einer Woche bin ich spätestens zurück in San Diego. Pass inzwischen gut auf dich und das Kleine auf, hörst du?“
„Keine Sorge, das werde ich. Es gibt nichts Wichtigeres für mich auf dieser Welt als dieses Baby!“
Jared starrte auf die Ledermappe, die Zack ihm vor wenigen Minuten übergeben hatte. Endlich! Fast eine Woche hatte es gedauert – sechs Tage und Nächte, von denen ihm jede Sekunde wie eine Ewigkeit erschienen war.
Mit gemischten Gefühlen zog er den Schreibhefter hervor und schlug die erste Seite auf. Lisa Langdons Gesicht starrte ihm entgegen. Er nahm das Foto in die Hand, um es aus der Nähe zu betrachten. Der Fotograf hatte gute Arbeit geleistet; soweit Jared sich erinnern konnte, war die Frau lebensgetreu abgelichtet. Ihr blondes hüftlanges Haar war in einem Knoten zusammengefasst, einige kürzere lose Strähnen umrahmten ein Gesicht, das vor Gesundheit und Lebensfreude nur so strahlte.
Zack hatte recht gehabt, sie war tatsächlich nicht Jareds Typ. Er zog Frauen von kultivierter, eleganter Schönheit der unschuldigen Natürlichkeit einer Lisa Langdon vor.
Entspannt lehnte er sich zurück, blätterte weiter und begann schließlich zu lesen. Lisa Langdon war dreißig Jahre alt. Im Alter von zehn war sie durch einen tragischen Verkehrsunfall, bei dem ihre Eltern starben, zur Waise geworden. Von da an hatte sie in verschiedenen Kinderheimen gelebt. Zur Zeit arbeitete sie als Buchhalterin in einer renommierten Kunstgalerie in der City von San Diego, widmete sich jedoch in ihrer Freizeit ganz der Malerei.
Jared interessierte sich besonders dafür, welchen gesellschaftlichen Umgang sie pflegte. Zack hatte herausgefunden, dass Lisa ihre Gewohnheiten im vergangenen Jahr grundlegend geändert hatte. War sie vorher nur gelegentlich ausgegangen, so hatte sie sich plötzlich immer häufiger mit verschiedenen Männern getroffen. Dieses Muster änderte sich erst wieder im Januar. Nach ihrem ersten Besuch in der Klinik traf Lisa Langdon überhaupt keine Verabredungen mehr mit Männern.
„Fakten“, murmelte er enttäuscht vor sich hin. Wie war es nur möglich, so viele Informationen über eine Frau zu haben und dennoch nichts von ihr zu wissen?
Er nahm noch einmal das Foto zur Hand und ertappte sich plötzlich dabei, dass er schmunzelte. Ihr strahlendes Lächeln forderte den Betrachter geradezu auf, in ihre aufrichtige, überschäumende Lebensfreude mit einzustimmen. Der Ausdruck ihrer bernsteinfarbenen Augen schien eine Seele widerzuspiegeln, die ehrlich und rein war, ohne den Schatten eines Geheimnisses oder Zweifels.
Mit großen Schritten ging Jared in seinem Büro auf und ab und sah sich dabei immer wieder das Foto an. Natürlich interpretierst du viel zu viel in diese künstlerisch gelungene Aufnahme hinein, alter Junge, mahnte er sich selbst zu mehr Objektivität.
Vor einer Woche hatte er Dr. Rubin gebeten, Miss Langdon seinen Namen, seine Adresse und Telefonnummer zu geben. Seitdem wartete er auf Lisas Anruf.
Jared holte tief Luft und fuhr sich mit der Hand durch das dichte Haar. Ihm war klar, dass sie Zeit brauchte, um die Neuigkeiten zu verdauen.
Aber inzwischen war eine ganze Woche vergangen!
„So geht es auch wieder nicht“, brach es zehn Minuten später aus ihm heraus. Wer war er eigentlich, dass er hier wie ein geduldiges Lamm saß und darauf wartete, dass die Gnädigste über seine Zukunft und die seines Kindes entschied? Und wenn sich diese Möchtegernmalerin am Ende überhaupt nicht bei ihm meldete?
Unruhig lief Jared in seinem Büro auf und ab und starrte auf das schweigsame Telefon. Nein, er würde nicht mehr länger warten. Er war noch nie der Typ gewesen, der untätig zusehen konnte, wie wichtige Dinge über seinen Kopf hinweg entschieden wurden. Außerdem war da jener Vorfall in seiner Vergangenheit, den er einfach nicht vergessen konnte.
„Ich werde keinerlei Druck auf sie ausüben“, sagte er laut zu sich selbst. „Ich werde ihr nur dabei helfen, die Fakten richtig zu verstehen.“
Kaum hatte er konkrete Pläne gemacht, fühlte er sich schon erheblich besser. Er verließ sein Büro und bat beim Hinausgehen seine Sekretärin, alle Termine für den heutigen Tag abzusagen.
Mit Schwung parkte Lisa ihren Wagen in der Auffahrt und stieg glücklich lächelnd aus. Sie kam gerade von einem Abendessen mit Ashley, die am frühen Nachmittag endlich aus New York zurückgekehrt war. Wie schön war es gewesen, sich endlich mit der Freundin persönlich unterhalten zu können! Ashley war nämlich fast so begeistert über die Schwangerschaft wie Lisa selbst.
Leise vor sich hin summend ging sie auf die Haustür zu und kramte dabei in ihrer Handtasche nach den Hausschlüsseln.
„Endlich!“
Abrupt hob Lisa den Kopf und blieb stehen.
Ein Mann versperrte ihr den Weg.
„Oh.“ Überrascht ließ sie die Schlüssel fallen. Als sich Lisa bückte, um sie aufzuheben, fiel ihr Blick auf ein Paar auf Hochglanz polierte Lederslipper und die Aufschläge einer Hose mit feinen Nadelstreifen. Langsam schaute Lisa an der Bügelfalte empor, während der Mann vor Ungeduld auf den Zehenspitzen wippte und die Hände in die Hosentaschen schob.
Rasch richtete sich Lisa auf. Wer mochte das sein? Neugierig musterte sie sein Gesicht, bemerkte kühn geschwungene Lippen und eine perfekt geformte Nase … Da machte es „Klick!“, und sie erinnerte sich. Der Mann aus der Klinik.
„Jared Steele“, entfuhr es ihr.
Erschrocken trat sie einen Schritt zurück und hielt instinktiv die Hände schützend über ihren Unterleib. Was wollte der Typ hier? Dumme Frage; im Grunde hätte sie längst mit seinem Auftauchen rechnen müssen. Natürlich war er wegen des Babys gekommen – ihres Babys …
„Genau“, erwiderte Jared. „Ich habe auf Ihren Anruf gewartet.“ Er rührte sich keinen Zentimeter von der Stelle.
Dennoch wich Lisa weiter vor ihm zurück. „Woher wissen Sie, wer ich bin und wo ich wohne? Dr. Rubin hat mir absolute Diskretion zugesichert.“
„Dr. Rubin hat mir Ihre Adresse auch nicht genannt.“ Er machte eine vage Handbewegung, worauf Lisa sofort zurückzuckte.
Er runzelte die Stirn. „Können wir nicht hineingehen? Wir müssen miteinander reden.“
Spontan schüttelte sie den Kopf, denn sie war nicht vorbereitet auf dieses Zusammentreffen. Warum nur hatte sie Dr. Rubin nicht besser zugehört oder sich wenigstens die Zeit genommen, die Unterlagen durchzulesen, die sie von ihr erhalten hatte?
Weil ich ein wenig Zeit haben wollte, um die freudige Nachricht meiner Schwangerschaft auszukosten, ehe ich mich der Wirklichkeit stellen und Jared Steele gegenübertreten muss, gab sie sich selbst die Antwort.
„Sie hätten nicht kommen dürfen.“
„Sie hätten mich anrufen sollen.“
„Ich hatte noch keine Zeit zum Überlegen. Gehen Sie bitte!“
„Nein.“
„Dann rufe ich die Polizei.“
„Und ich meinen Anwalt.“
Nein! Lisa stockte vor Angst der Atem. Nur das nicht! Sie wollte keine gerichtliche Auseinandersetzung. Ihr Herz hämmerte, und ihr langsam erwachender Mutterinstinkt riet ihr dringend, einfach davonzulaufen.
„Hören Sie, wenn Sie nicht mit mir allein sein wollen“, sagte Jared, „dann können wir uns auch in einem Restaurant unterhalten. Auf jeden Fall brauchen Sie wirklich keine Angst zu haben, ich werde Ihnen nichts tun.“ Er hatte Mühe, seine Ungeduld zu verbergen.
„Das will ich hoffen – schließlich bin ich mit Ihrem Kind schwanger.“
Lisa richtete sich kerzengerade auf. Wie seltsam, diese Worte an einen Fremden zu richten. Im Grunde blieb ihr nichts anderes übrig, als zuzugeben, dass er recht hatte. Sie mussten wirklich miteinander reden. Es war sinnlos, sich noch länger vor der Wahrheit zu verstecken.
„Wir bleiben lieber hier“, entschied sie. „Über solche persönlichen Dinge sollte man sich besser nicht in einem öffentlichen Lokal unterhalten.“
Sie schloss die Tür auf und ging ihm ins Haus voran.
„Machen Sie es sich bequem.“ Lisa wies auf ihr pfirsichfarbenes Sofa, wobei sie bemerkte, dass ihre Hand leicht zitterte. „Bitte entschuldigen Sie mich einen Moment. Ich möchte mich ein bisschen frisch machen“, sagte sie und verließ mit raschen Schritten das Zimmer.
Sie brauchte unbedingt ein paar Minuten für sich allein.
Aus der Frisierkommode im Schlafzimmer holte sie die Unterlagen, die Dr. Rubin ihr gegeben hatte, dann lief sie damit ins Bad und schloss sich ein. Nachdem sie Gesicht und Hände mit kaltem Wasser gekühlt hatte, setzte sie sich auf den Wannenrand und schlug die Mappe auf. Nach kurzer Zeit musste sie jedoch feststellen, dass sich kaum mehr darin befand als Jared Steeles Name und Anschrift samt Telefonnummer.
Mist! Sie hatte mehr erwartet. Angestrengt versuchte sich Lisa an das Gespräch mit Dr. Rubin zu erinnern, in dem sie über die unglückselige Verwechslung gesprochen hatten.
Die ganze Geschichte hatte nur passieren können, weil sie und Steele gleichzeitig in der Klinik gewesen waren. Die Frau, die für die künstliche Befruchtung mit Steeles Sperma vorgesehen war, hatte ihren Termin kurzfristig abgesagt.
Lisa war gern eingesprungen, da sie ihren ursprünglichen Klinikbesuch wegen einer unerwarteten Steuerprüfung in der Galerie hatte absagen müssen. Noch heute konnte sie sich gut an ihre Erleichterung erinnern, nicht weitere vier Wochen auf einen neuen Termin warten zu müssen.
Welch eine Ironie des Schicksals!
Denn Jared Steele hatte nicht als anonymer Samenspender fungieren wollen, wie Dr. Rubin erklärt hatte. Viel mehr war es so, dass jene andere Frau als Leihmutter sein Baby austragen sollte. Die Ärztin hatte sich bei Lisa entschuldigt und ihr absolute Diskretion zugesichert.
Das änderte allerdings nichts an der Tatsache, dass eben dieser Jared Steele nun in ihrem Wohnzimmer saß und Lisa befürchten musste, dass er gekommen war, um Ansprüche auf ihr Baby zu erheben.
Und sie konnte es ihm nicht einmal verdenken.
Noch immer verstand Lisa nicht, wie es ihm gelungen war, ihren Namen und ihre Adresse ausfindig zu machen. Es blieb ihr wohl nichts anderes übrig, als ihn danach zu fragen.
Sie holte tief Luft, nahm all ihren Mut zusammen und verließ das Badezimmer.
Während Jared auf Lisas Rückkehr wartete, betrachtete er die Bilder an den Wänden ihres Wohnzimmers. Sie waren alle von äußerst talentierter Hand gemalt, wie er mit Kennerblick feststellen konnte. Eines der Gemälde, das ein kleines Mädchen mit honigblondem Haar ganz allein auf einem Spielplatz darstellte, weckte sein besonderes Interesse.
Sollten seine Informationen über Lisa richtig sein, und davon ging er aufgrund von Zacks Zuverlässigkeit aus, dann stellte dieses Bild sie selbst dar. Es verkörperte auf äußerst eindrucksvolle Art die Erinnerung an ihre Kindheit, ihre Einsamkeit als Waise und den Wunsch, dass eines Tages ihre Träume Wirklichkeit werden würden.
Das Gemälde drückte unterschwellig so viel Unschuld und Sehnsucht aus, dass sich Jared beim Betrachten ganz schuldbewusst fühlte. Er wünschte, Lisa hätte nicht so zu Tode erschrocken ausgesehen, als sie ihn vorhin vor ihrer Tür entdeckt hatte. Ungeduldig runzelte er die Stirn und rief sich dann selbst zur Ordnung. Es fehlte gerade noch, dass er jetzt auch noch Mitleid mit ihr empfand!
Als Lisa um die Ecke zum Wohnzimmer bog und Jared vor ihrem Bild stehen sah, blieb sie wie angewurzelt stehen. Ihr gefiel die Art nicht, wie er es betrachtete – so, als könnte er hinter die Darstellung geradewegs ins Herz des Malers sehen. Sie fühlte sich ihm gegenüber ohnehin schon verletzlich genug.
Doch als er sich nun zu ihr umdrehte und seinen eindringlichen Blick auf sie richtete, änderte sie ihre Meinung. Sollte er doch lieber das Bild anschauen, statt sie mit dieser eigenartigen Intensität zu betrachten. Lisa reckte das Kinn ein wenig vor und trat näher.
„Woher wussten Sie meine Adresse?“, fragte sie trotzig.
Augenblicklich hatte sie seine ungeteilte Aufmerksamkeit.
Ein Schauer lief ihr den Rücken hinunter. Woher kam bloß diese eigenartige Wirkung, die dieser Mann auf sie ausübte? Empfand sie Angst vor ihm oder hatte sie am Ende Mitleid mit ihm? Dass sie sich körperlich zu ihm hingezogen fühlen könnte, wies sie sofort weit von sich.
„Ihre Kunst hat mir den Weg gewiesen“, erwiderte Jared ohne Umschweife. „Unsere Unterhaltung in der Klinik war zwar nur kurz, aber Sie erwähnten, dass Sie Malerin seien.“ Er lächelte etwas verlegen. „Es geschieht nicht jeden Tag, dass eine schöne Frau mein Riechorgan bewundert.“
„Sie haben zufälligerweise nun einmal eine klassisch schöne Nase – rein vom künstlerischen Standpunkt her betrachtet.“ Lisa verschränkte die Arme vor der Brust.
Über den blauen Augen, die sie unverwandt ansahen, wölbten sich fragend seine dunklen Augenbrauen. Obwohl dieser Blick Lisa verunsicherte, zwang sie sich, ihn zu erwidern. Keinesfalls durfte dieser Mann bemerken, wie bedrohlich sie seine Gegenwart empfand.
„Wie auch immer. Sie erwähnten damals, dass Dr. Rubin ein Gemälde von Ihnen besitzt. Ich habe es gesehen und war sehr beeindruckt davon. Das Bild ist signiert mit ‚L. Langdon‘. Der volle Name hätte mir meine Suche zwar erleichtert, aber auch mit dem Nachnamen allein war es nicht allzu schwer, Sie aufzuspüren.“
Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus, während Lisa über seine Erklärung nachdachte. Ihr Name war in Künstlerkreisen inzwischen zwar einigermaßen bekannt, aber sie hatte noch keine eigene Ausstellung gehabt. Jared Steele oder die Person, die in seinem Auftrag arbeitete, hatte also ganze Arbeit geleistet.
Wollte er ihr Kind?
„Sie hätten mir mehr Zeit geben sollen“, begann sie und spürte, dass sie ihre vorgetäuschte Gelassenheit nicht mehr lange aufrechterhalten konnte. Das Gefühl, in der Falle zu sitzen, verdrängte jede andere Empfindung.
„Das wollte ich ja. Ich …“
„Ich habe Ihren Namen, Ihre Adresse und Ihre Telefonnummer.“
„Ich weiß, aber …“
„Dr. Rubin hat mir diese Auskünfte über Sie gegeben. Die Entscheidung, ob ich Kontakt mit Ihnen aufnehme, sollte allein bei mir liegen.“
„Das ist nicht …“
„Ich hätte Sie schon angerufen.“
„Ich …“
„Sie hätten mir mehr Zeit geben müssen.“
„Genug jetzt!“
Lisa hielt inne. Er hatte recht. Sie wiederholte sich ohnehin nur. Und ihre Einwände schienen sowieso kaum Eindruck auf ihn zu machen. Außerdem war es ziemlich gleichgültig, wann sie dieses Gespräch führten. Sie würde nie wirklich bereit dafür sein.
„Können Sie sich vorstellen, wie ich mich gefühlt habe?“, fragte Jared mit belegter Stimme. „Ich konnte an nichts anderes mehr denken, nicht schlafen, nicht essen. Ich kann mich nicht einmal mehr auf meine Arbeit konzentrieren.“ Er schüttelte resigniert den Kopf.
Seine abgehackten Sätze spiegelten deutlich die Hilflosigkeit wider, die er in den letzten Tagen empfunden haben mochte, und weckten Mitleid in Lisa. Als er sich mit einer verzweifelten Geste durchs Haar fuhr, wandte sie sich ab. Zu gut verstand sie das Gefühlschaos, dem er ausgesetzt gewesen war – Ungewissheit, Erleichterung, Glück und Angst. Schließlich hatte sie das alles selbst durchlitten.
Lisa ging auf einen Sessel zu und setzte sich steif auf die vorderste Kante. Sie musste unbedingt ihre Gefühle unter Kontrolle halten, vor allem durfte sie ihm nicht ihre Furcht zeigen.
„Was machen wir nun?“, fragte sie betont ruhig und bat Jared Steele mit einer Handbewegung, ebenfalls Platz zu nehmen. Doch er blieb stehen und sah sie unverwandt an.
„Wenn ich das bloß wüsste, verdammt noch mal!“
„Wie bitte?“ Er hatte es so leise vor sich hin gemurmelt, dass Lisa sich fragte, ob sie recht gehört hatte.
„Nichts.“ Jared trat zu ihr. „Sie wissen, wie es geschehen ist?“ Er nahm ihr gegenüber auf dem Sofa Platz.
„Ja.“
Ein neuer Gedanke schoss ihr plötzlich durch den Kopf. „Ist diese andere Frau etwa auch schwanger von Ihnen?“
„Nein“, erwiderte er ernst. „Seit sie ihren Termin damals abgesagt hat, habe ich nichts mehr von ihr gehört.“ Und nach einer kleinen Pause machte er ihr unmissverständlich seinen Standpunkt klar: „Ich will dieses Kind.“
Lisa zuckte zusammen, als hätte er sie geschlagen. Allein schon der Gedanke daran, ihr Baby wegzugeben, schmerzte sie. Ihre größte Befürchtung war Wirklichkeit geworden. „Sie wollen das Kind?“
„Ja.“
„Nein. Kommt nicht infrage“, erwiderte sie fest. „Niemals!“
„Einfach so? Ohne Fragen, ohne Erklärungen, ohne Diskussion? Einfach nein?“
„Genau. Ich schulde Ihnen nämlich keinerlei Erklärung, aber eines will ich Ihnen trotzdem sagen.“ Um sicherzugehen, dass er ihre Position auch richtig verstand, beugte sie sich ein wenig vor und sah Jared eindringlich an. „Ich wünsche mir dieses Kind mehr als alles andere auf der Welt. Seit Monaten habe ich diese Schwangerschaft geplant und mich geistig und körperlich darauf vorbereitet. Dass diese Komplikation mit Ihnen eintreten würde, konnte ich natürlich nicht vorhersehen.“
Lisa senkte den Kopf. „Als die Ärztin mich über diese unselige Verwechslung aufklärte, wurde alles anders. Das Wissen ist wie ein zweischneidiges Schwert. Ich bin schwanger, in mir wächst ein neues Leben heran. Das ist … wie ein Wunder. Und auf der anderen Seite sind Sie da und stehen wie ein drohender Schatten über mir und meinem Baby. Es ist einfach nicht fair. Dieses Kind bedeutet mir alles. Ich kann es nicht hergeben. Ich würde damit ein Stück von mir selbst aufgeben.“
Nach ihren leidenschaftlichen Worten blieb es lange still zwischen ihnen. Eine spannungsgeladene Sekunde lang trafen sich ihre Blicke. Lisa wartete auf eine Reaktion von Jared, doch sein Gesichtsausdruck blieb unergründlich. Intelligent wie er war, hatte er ihren Standpunkt natürlich begriffen, aber Verstehen und Akzeptieren waren zwei verschiedene Dinge.
Jared stand auf und begann, ziellos im Zimmer herumzulaufen. Seine Ruhelosigkeit zerrte an Lisas ohnehin zum Zerreißen gespannten Nerven. Ganz offensichtlich war er ein Mann der Tat, der sich normalerweise voll unter Kontrolle hatte. Die augenblickliche Situation überforderte sie beide.
Den Blick fest auf ihr Bild an der Wand geheftet, brach Jared dann endlich das angespannte Schweigen. „Ich hatte mit der anderen Frau eine Zahlung von fünfzigtausend Dollar bei Empfängnis und weiteren fünfzigtausend nach der Geburt vereinbart. Ich bin bereit, Ihnen die gleiche Summe anzubieten.“
Angesichts dieser ungeheuren Überheblichkeit konnte Lisa nur den Kopf schütteln. Anscheinend hatte er ihr überhaupt nicht zugehört. Wut stieg in ihr auf, die sie nur mühsam zügeln konnte. Abrupt erhob sie sich, ging zur Tür und hielt sie für ihn auf. „Sie sollten jetzt besser gehen.“
In Jareds blauen Augen blitzte unverhüllter Ärger auf, bevor er sich abwandte, um seinen Unmut vor ihr zu verbergen. „Wir müssen aber darüber reden …“
„Ich habe Ihnen nichts mehr zu sagen. Mein Kind ist nicht käuflich!“
Mit geöffneten Fenstern raste Lisa in ihrem Nissan über den Highway 8 und dann nach Norden auf den Highway 5. Sie atmete die salzige Meeresluft in tiefen Zügen ein, hielt ihr Gesicht dem Wind entgegen und hieß seine kühlende Wirkung willkommen.
Sie war auf der Flucht. Sie hatte Angst.
Jared Steele wollte ihr Baby.
Er würde es nicht bekommen, jetzt nicht und auch zu keinem anderen Zeitpunkt. Ein heftiges Schluchzen schüttelte ihren Körper. Nur zehn Minuten, nachdem Jared ihr Haus verlassen hatte, war sie in ihren Wagen gestiegen. Sie hatte nur den einzigen Wunsch verspürt – so schnell und so weit wie möglich vor ihm zu fliehen.
Dieses Kind bedeutete Lisa alles, Familie und Zukunft. Schon jetzt liebte sie es abgöttisch und machte Pläne …
Pläne, die Jared Steele nicht einschlossen.
Wie konnte er sich nur einbilden, er könnte ihr das Kostbarste, was es auf der Welt gab, abkaufen – abkaufen wie ein Ding, eine Sache! Dass er es überhaupt gewagt hatte, ihr diesen Vorschlag zu unterbreiten! Für wen hielt er sich eigentlich?
Für den Vater.
Am Ende all ihrer quälenden Fragen stand immer dieselbe vernichtende Antwort. Es führte kein Weg daran vorbei: Er war der Vater ihres Babys.
Lisa überlegte, welche Umstände einen Mann wohl dazu treiben konnten, sich eine Leihmutter zu suchen. Doch dann sagte sie sich, dass sie es im Grunde gar nicht wissen wollte.
Nachdem sie etliche Stunden ziellos durch die Gegend gefahren war, beruhigte sie sich allmählich so weit, dass sie wieder einigermaßen klar denken konnte. Sie hatte sich für die künstliche Befruchtung entschieden, weil sie ihr Baby ganz für sich allein haben wollte.
Und nun war trotz sorgfältiger Planung genau das Gegenteil eingetreten.
Lisa kämpfte hart mit sich um eine objektive Betrachtung der Situation und kam letztendlich zu dem Schluss, dass Jared Steele an dieser unglücklichen Verkettung von Zufällen ebenso wenig Schuld hatte wie sie selbst.
Als die Sonne einem Feuerball gleich über Santa Barbara unterging, gab Lisa einer plötzlichen Eingebung nach und steuerte den Parkplatz eines kleinen Hotels an der Küstenstraße an. Sie stieg aus und ging eine Weile nachdenklich am Strand spazieren.
Dieser Abend am Meer erinnerte sie an die glücklichsten Momente ihrer frühen Kindheit, als sie mit ihren Eltern oft im immer noch warmen Sand gesessen und Würstchen und Marshmallows über einem Lagerfeuer gegrillt hatte. Die Erinnerung an diese schönen Stunden würde sie für alle Zeit in ihrem Herzen bewahren.
Ihr Entschluss stand bald fest. Gleich morgen früh würde sie wieder nach Hause zurückkehren. Nicht etwa, weil es fair war oder richtig, oder weil sie Rücksicht auf Jareds Gefühle nahm. Nein. Lisa war einfach klar geworden, dass ein Kind beide Elternteile brauchte. Und sie würde ihrem Baby den Vater nicht vorenthalten …
Zwei Tage nach ihrer impulsiven Fahrt ans Meer traf sich Lisa mit Ashley zum Mittagessen, um ihr von den Geschehnissen der letzten Zeit zu berichten.
„Einhunderttausend Dollar?“, rief Ashley fassungslos aus und zog damit die Blicke der Gäste an den Nebentischen auf sich. „Dieser Mistkerl! Versucht, einer Frau ihr Baby abzukaufen! So etwas sollte gesetzlich verboten werden!“
Lisa sah sich verstohlen um, doch die Leute um sie herum hatten sich bereits wieder diskret abgewandt.
„Das war auch meine erste Reaktion. Aber dann habe ich mich gefragt, was einen Mann überhaupt auf die Idee bringt, sein Kind von einer Leihmutter austragen zu lassen.“
„Ist er vielleicht so abgrundtief hässlich, dass er auf normalem Wege nichts zustande bringen kann?“, vermutete Ashley.
Das Blut schoss Lisa in die Wangen, und Ashley verstand augenblicklich. Mit fragend hochgezogenen Augenbrauen musterte sie ihre Freundin. „Verstehe! Er ist also eine Zierde seines Geschlechts.“
Lisa nickte. „Er sieht umwerfend gut aus.“
„Hm, dann muss er irgendeine Macke haben.“
„Du bist wirklich unbezahlbar. Ich danke dir für deine humorvolle Unterstützung.“ Liebevoll drückte Lisa Ashleys Hand. „Weißt du, ich denke, ihm fehlt etwas in seinem Leben. Er wirkt ziemlich unglücklich.“
Ihre Freundin warf ihr einen scharfen Blick zu. „Hör sofort auf damit, Lisa Langdon! Du bist ganz zweifellos die warmherzigste, liebevollste Person, die ich kenne, aber noch nicht einmal du kannst den abscheulichen Vorschlag dieses Typen gutheißen.“
„Natürlich nicht. Nicht im Traum denke ich daran, sein Angebot anzunehmen. Und ich will ihn auch gar nicht verteidigen, aber …“
„Kein Aber. Du solltest dich mal reden hören, Lisa. Hast du denn überhaupt keinen Selbsterhaltungstrieb?“
„Doch, habe ich.“
Lisa sah die Besorgnis in ihren Augen. Ashley würde sie nie verstehen können. In mancher Hinsicht waren sie sich sehr ähnlich, in anderen Dingen aber hatten sie vollkommen unterschiedliche Ansichten.
Ihre Freundin mit dem flammend roten Haar und der wohlproportionierten weiblichen Figur führte ein ziemlich turbulentes Leben. Ihre Gefühle brodelten meist dicht unter der Oberfläche – Wut, Freude, Kummer oder Leidenschaft. Doch genau wie bei Lisa, gab es auch bei Ashley tiefere Empfindungen, die sie wohl verborgen hielt. Die im Waisenhaus verbrachten Jahre hatten beide gelehrt, nicht zu viel von sich preiszugeben.
„Weiß ich ja.“ Ashley langte über den Tisch und tätschelte Lisas Hand. „Aber ich finde, du solltest trotzdem einen Anwalt einschalten.“
Lisa zuckte zusammen, dann schüttelte sie den Kopf. Allein der Gedanke daran versetzte sie in Panik. Seit dem tödlichen Unfall ihrer Eltern, den sie im Alter von zehn Jahren miterleben musste, hatte sie einen Horror vor Anwälten und Richtern – und auch vor den Vertretern der Medien, die damals ihr ganzes Leid an die Augen der Öffentlichkeit gezerrt hatten.
Ungeachtet ihrer Ablehnung fuhr Ashley fort: „Lass mich meinen Anwalt anrufen. Ich kann dir sicher einen Termin für morgen …“
„Nein.“ Lisa mochte diesen Weg noch nicht ins Auge fassen. Sie hatte insgeheim beschlossen, Jared um ihres Kindes willen anzuerkennen, in der Hoffnung, dass sie sich irgendwie außergerichtlich einigen würden.
„Denk wenigstens darüber nach. Was ist, wenn er zum Beispiel das Sorgerecht beantragt?“
Bei dieser Bemerkung wurde Lisa ganz übel. Im Stillen verglich sie Jareds Besuch in der Klinik letzten Monat mit dem in ihrer Wohnung. Damals war er sehr charmant gewesen und überhaupt nicht aggressiv. Vor zwei Tagen hatte sie jedoch eine ganz andere Seite an ihm kennengelernt. Doch konnte sie ihm sein Selbstbewusstsein und seine Sorge um das Baby denn übel nehmen?
Oder durfte sie ihn dafür verdammen, dass er alles getan hatte, seinen Wunsch nach einem Kind in die Realität umzusetzen? Hatte Lisa selbst nicht genauso gehandelt?
„Bisher hat er mir nicht damit gedroht“, antwortete sie schließlich. „Und ich glaube auch nicht, dass er es tun wird. Mir wäre es auf jeden Fall viel lieber, wenn wir uns gütlich einigen könnten, ohne Anwälte und Gerichte einzuschalten.“
„Aber warum willst du dich nicht schützen?“, beharrte Ashley.
„Wenn ich jetzt zum Anwalt laufe, dann komme ich mir vor, als suche ich Ärger. Du weißt genau, dass ich nie die Absicht hatte, mein Glück auf Kosten eines anderen Menschen durchzusetzen.“
Die Freundin seufzte und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. „Ich weiß. Wenn du auf mich gehört hättest, wäre dies alles nie passiert.“
„Möglich, aber dafür gäbe es jede Menge anderer Probleme. Gerade um ein solches Theater zu vermeiden, habe ich mich ja für künstliche Befruchtung entschieden.“
Ashley hob die Schultern, als bezweifelte sie genau dies. „Ich bin immer für dich da, wenn du mich brauchst“, antwortete sie dann aber besänftigend.
„Ich weiß.“ Lisa lächelte ihr dankbar zu. „Und ich verspreche dir, dass ich alles noch einmal überdenken werde.“ Sie erhob sich. „Was würde ich nur ohne dich tun?“
Ashley stand ebenfalls auf und legte ihr beim Hinausgehen kurz einen Arm um die Taille. „Schluss jetzt mit den Gefühlsduseleien! Ich muss mich beeilen, damit ich pünktlich zu meinem nächsten Termin komme. Am Donnerstag sehen wir uns wieder und suchen gemeinsam die Gemälde aus, die du Mrs. Dumond zeigen willst.“ Als sie auf der Straße angelangt waren, winkte Ashley Lisa zum Abschied zu und eilte dann zum Parkplatz.
Doch an ihrem Wagen blieb Ashley noch einmal stehen. „Vergiss diesen Jared Steele, er ist ein Idiot!“ Mit diesen Worten stieg sie in ihr Auto und fuhr mit quietschenden Reifen davon.
„Ja, ja“, murmelte Lisa leise vor sich hin, „du hast gut reden …“
„Der Bote ist da, um die Dokumente abzuholen, Mr. Steele.“
„Danke, Martha. Schicken Sie ihn bitte herein.“
Er griff nach dem braunen DIN-A4-Umschlag, in dem neben einem Scheck auch ein ausgeklügelter Vertrag steckte, der Miss Langdon von allen Rechten und Pflichten seinem Kind gegenüber befreite. Jared hoffte, sie würde auf den Handel eingehen, wenn sie erst die Summe auf dem Scheck sah.
Besonders wohl fühlte er sich nicht, als er das Kuvert dem jungen Mann vom Kurierdienst aushändigte. Doch in Anbetracht seiner eigenen Vergangenheit konnte sich Jared kein falsches Mitleid leisten.
Damals, vor zwölf Jahren, hatte er eine Entscheidung mit fatalen Folgen getroffen, woraufhin eine junge Frau ihr gemeinsames Kind abtreiben ließ. Solch einen Fehler würde er nie wieder begehen. All seine Instinkte rieten ihm, die jetzige Situation so schnell wie möglich unter Kontrolle zu bekommen. Und wenn Geld dabei eine Rolle spielte, musste er es eben einsetzen. Dabei war er sich sehr wohl bewusst, dass es rein egoistische Motive waren, die ihn so handeln ließen.
Seit Jahren lebte er mit den Schuldgefühlen aus der Vergangenheit. Mit der Geburt dieses Babys, so hoffte Jared, würde er diese Schuld – und die Leere in seinem Innern – besiegen können.
Er wollte sein Leben in Frieden führen und ohne den Zwang, heiraten und eine Familie gründen zu müssen. Er wollte endlich wieder nach Hause fahren und seine Familie besuchen können, ohne Gefahr zu laufen, dort eine der heiratswütigen Damen vorzufinden, die seine Mutter in ihrem Feldzug, sein Singledasein zu beenden, tatkräftig unterstützten.
Der einfache Grund, warum Jared bis heute kein Kind hatte, war der, dass er nach jenem entsetzlichen Vorfall während seiner Collegezeit nie wieder eine Frau nah genug an sich herangelassen hatte. Das Risiko, ein Kind zu zeugen, war ihm stets zu groß erschienen.
Damit kam er wieder zurück zu Lisa Langdon. Angesichts ihrer Schönheit, Liebenswürdigkeit und Herzenswärme empfand er ihre Unabhängigkeit und innere Stärke als besonders frustrierend.
Wie offen sie damals in der Klinik gewesen war! Freimütig und ohne sich zu entschuldigen hatte sie ihm erklärt, warum sie ihn so neugierig anstarrte.
Bei diesem Gedanken stahl sich unversehens ein kleines Lächeln auf Jareds Gesicht. Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet seine Nase die Aufmerksamkeit einer Frau erregen würde? Den meisten fielen als Erstes seine stahlblauen Augen auf, sein dichtes dunkles Haar, oder auch sein durchtrainierter Körper.
Nicht jedoch Lisa Langdon. Ihr gefiel seine Nase. Nicht auszudenken, wohin ihre Unterhaltung geführt hätte, wenn die Krankenschwester sie damals nicht unterbrochen hätte.
Er nahm den Telefonhörer auf und wählte die Nummer seiner Sekretärin.
„Ja, Sir?“
„Ich erwarte einen Anruf von Lisa Langdon. Stellen Sie ihn bitte gleich durch.“
„Wie wäre es mit diesem Bild?“ Lisa nahm eine Leinwand, die umgedreht an einer Wand ihres Ateliers gestanden hatte, und hielt sie Ashley zur Begutachtung hin.
Die Szene „Sonnenuntergang am Meer“ war in kräftigen Farben gemalt. Im Vordergrund war eine Sandburg zu sehen, die ganz offensichtlich von Kinderhand gebaut worden war, wie ein vergessenes Spielzeug und eine liegen gelassene kleine Schaufel daneben bewiesen. In der Ferne wanderte eine dreiköpfige Familie den Strand entlang.
„Ja, das gefällt mir. Stell es zu den anderen.“
Lisa streckte sich. Seit einer Stunde schon sortierten sie Bilder aus, die sie Mrs. Dumond, der Besitzerin der Galerie, zeigen wollten. „Drei reichen doch, findest du nicht?“ Mit den Händen stützte sie ihren schmerzenden Rücken.
„Ja, ich denke schon. Ich will nur sehen, was du sonst noch hast.“ Geistesabwesend ging Ashley von einem Gemälde zum anderen.
Ein Klopfen an der Tür unterbrach sie. Lisa öffnete und nahm von einem Boten einen Umschlag entgegen. Dann wendete sie das Kuvert unschlüssig hin und her, weil kein Absender darauf vermerkt war. Schließlich riss sie es auf und besah sich den Inhalt: einen Vertrag und ein weiterer, kleinerer Umschlag mit ihrem Namen darauf.
„Was ist denn das?“
Nachdem sie die ersten Zeilen überflogen hatte, begann ihr Herz wild zu hämmern. Je weiter sie las, umso größer wurde ihre Wut über die grenzenlose Unverschämtheit dieses Jared Steele.
„Wie kann er es wagen …“
Auf drei Seiten legte das juristische Dokument in allen Einzelheiten fest, wie jegliche Beziehung zwischen Lisa und ihrem Kind in Zukunft vermieden werden sollte. Jared erwartete von ihr die Übergabe des Babys unmittelbar nach der Geburt und untersagte ihr anschließend für immer jeden Kontakt zu ihm und dem Kind.
„Woher nimmt er nur das Recht …“
Schon die Tatsache, dass er einen derart gemeinen Vertrag überhaupt aufsetzen konnte, ging über ihre Vorstellungskraft hinaus. Lisa vermochte es einfach nicht zu glauben, obwohl sie den schriftlichen Beweis mit eigenen Augen vor sich sehen konnte.
„Mit wem redest du eigentlich?“, fragte Ashley, die ihr in den Flur gefolgt war.
Lisa fuhr herum, als sie die Stimme ihrer Freundin hörte. Sie bemerkte erst jetzt, dass sie offensichtlich laut mit sich selbst geredet hatte. „Sieh dir das an.“ Noch immer fassungslos drückte sie Ashley die Papiere in die Hand.
„Was ist das?“
„Lies es selbst. Du kennst dich doch mit Verträgen aus, vielleicht kannst du mir erklären, was das soll.“ Aufgeregt lief Lisa auf und ab, während Ashley die Unterlagen rasch überflog.
„Du meine Güte!“ Ashley traute ihren Augen nicht. „Der Schuft meint es ernst.“
„Für wen hält er sich eigentlich?“
„Und was ist das?“ Ashley hielt den kleinen Umschlag mit Lisas Namen in die Höhe.
„Keine Ahnung“, erwiderte Lisa mit einem Stirnrunzeln. „Ich habe noch nicht nachgesehen.“ Widerwillig nahm sie das Kuvert aus Ashleys Hand. Was mochte Jared ihr noch geschickt haben? Sicherlich nichts Gutes, so viel war ihr klar.
Als sie den Scheck sah, riss sie ungläubig die Augen auf. Sie fühlte sich so hilflos wie noch nie zuvor, gleichzeitig aber wurde sie von ohnmächtiger Wut gepackt. Sprachlos hielt sie ihrer Freundin den Scheck hin.
„Dreihunderttausend Dollar“, flüsterte Ashley. „Ohne Unterschrift, natürlich. Dein Name unter dem Vertrag gegen seine auf dem Scheck. Der Kerl hat wirklich Nerven!“ Voller Besorgnis sah sie Lisa in die Augen. „Und Geld wie Heu. Traust du dir zu, dich mit ihm anzulegen?“
„Allerdings, und wenn ich alles verliere, was ich besitze“, antwortete Lisa im Brustton tiefster Überzeugung. Sie atmete langsam und bewusst, um sich wenigstens etwas zu beruhigen. Dann steckte sie Vertrag und Scheck sorgfältig zurück in den Umschlag. „Würdest du mich zu Jareds Büro in Mission Valley fahren? Ich bin im Moment viel zu aufgeregt, um mich selbst ans Steuer zu setzen.“
„Solltest du nicht lieber noch abwarten und in aller Ruhe nachdenken? Eine Nacht darüber schlafen, wie man so schön sagt?“
„Was gibt es da noch zu überlegen?“
„Okay, wie du meinst. Aber ich finde, du solltest jetzt doch einen juristischen Rat einholen.“
Lisa nickte. „Du hast recht. Aber erst will ich mit Jared Steele reden.“
„Ich bin mir nicht sicher, ob das eine gute Idee ist.“
„Es muss sein. Ich kann nicht anders. Er soll sich bloß nicht einbilden, ich sei käuflich.“
„Also gut“, gab Ashley nach. „Ich hole nur noch meine Tasche aus dem Atelier.“
„Danke, Ashley“, sagte Lisa, als sie zwanzig Minuten später vor dem zwölfstöckigen Gebäude aus Glas und Stahl anhielten, das ein schlichtes Metallschild als Sitz der Firma „Steele Inc.“ auswies. „Mach dir keine Sorgen. Ich werde ihm einfach diese Unterlagen auf den Tisch knallen und ihm noch einmal klar und deutlich zu verstehen geben, dass ich mein Baby nicht verkaufe. Egal, womit er mich ködern will.“
„Willst du dir das wirklich antun? Ich fahre dich gern wieder nach Hause“, versuchte Ashley noch einmal mit ernster Miene, sie von ihrem Vorhaben abzubringen.
Lisa schüttelte nur den Kopf und öffnete die Beifahrertür. „Danke fürs Herbringen. Du brauchst nicht auf mich zu warten. Ich nehme mir nachher ein Taxi.“
Mit hoch erhobenem Kopf und energischen Schritten betrat sie das Gebäude. Obwohl sie normalerweise ihre Vorgehensweise immer sehr genau plante, war sie im Augenblick innerlich viel zu aufgewühlt, um sich eine Strategie zurechtzulegen. Wenn sie das Zusammentreffen mit Jared Steele einigermaßen meistern wollte, musste sich heute ganz auf ihren Instinkt verlassen.
Sie ging am Empfang vorbei direkt auf den Fahrstuhl zu und drückte dort den obersten Knopf. Aus irgendeinem Grund wusste sie, dass Jared sein Büro auf dem höchsten Punkt der Macht, also im zwölften Stockwerk haben musste.
Der Lift hielt unterwegs mehrere Male an. Leute stiegen ein und aus. Lisa blieb hinten mit dem Rücken an die Wand gelehnt und versuchte, ihr starkes Herzklopfen in den Griff zu bekommen.
In der obersten Etage öffnete sich die Tür des Aufzugs mit einem leisen „Ping“. Lisa betrat einen großen modernen, weiß möblierten Empfangsraum mit vielen tropischen Grünpflanzen und einer raumhohen Glasfront. Ein dicker dunkelblauer Teppichboden dämpfte ihre Schritte.
Eine blonde, äußerst attraktive und schick gekleidete Empfangsdame blickte ihr entgegen. Lisa trat auf den Tresen zu. „Ich möchte Jared Steele sprechen.“
„Haben Sie einen Termin?“, fragte die junge Frau mit einem etwas abschätzigen Blick auf Lisas sportliche Freizeitkleidung.
Lisa reckte hochmütig das Kinn. „Er wird mich empfangen.“
„Mr. Steele ist im Moment leider nicht erreichbar. Möchten Sie einen Termin für die nächste Woche vereinbaren? Oder kann Ihnen vielleicht einer unserer Angestellten weiterhelfen?“
Unter normalen Umständen hätte sich Lisa vom eisigen Ton und dem selbstbewussten Auftreten der jungen Dame vielleicht einschüchtern lassen, heute jedoch nicht.
„Ich werde warten.“
„Das ist reine Zeitverschwendung. Ohne Termin empfängt Mr. Steele niemanden.“
Lisas Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. Sie hatte es wirklich nicht nötig, sich derart von oben herab behandeln zu lassen.
„Mich wird er empfangen“, wiederholte sie unbeeindruckt und marschierte geradewegs auf die Tür ohne Aufschrift hinter dem Empfangstresen zu. Die junge Empfangsdame sprang auf und lief ihr hinterher. „Warten Sie! Sie können doch nicht einfach …“
Ohne anzuklopfen öffnete Lisa die Tür. Als sie so unerwartet eindrang, sah jedoch leider nicht Jared Steele überrascht auf, sondern eine ältere Dame, der man ihre Tüchtigkeit als Privatsekretärin auf den ersten Blick ansah.
Lisa zögerte und wusste im ersten Moment nicht recht, ob sie eintreten oder umkehren sollte. Dann jedoch straffte sie entschlossen die Schultern.
„Ich möchte zu Mr. Steele.“
„Mr. Steele ist in einer Besprechung. Hatten Sie einen Termin?“, erkundigte sich die Sekretärin höflich. Es schien aber, als sei die Frage eher an die Empfangsdame gerichtet, die nervös hinter Lisa stand.
„Ich habe versucht, ihr zu erklären, dass Mr. Steele niemanden empfangen kann“, rechtfertigte sich die junge Frau. „Aber sie ist einfach an mir vorbeigerauscht.“
Die ältere Dame nickte und wandte sich dann an Lisa. „Ich kann Sandras Worte nur bestätigen. Mr. Steeles Besprechung dauert sicher mehrere Stunden. Vielleicht kann ich einen Termin für Sie in der nächsten Woche vereinbaren?“
Ob Jared wohl Anweisung gegeben hatte, sie nicht vorzulassen? Eigentlich machte das keinen Sinn. Lisa hatte vielmehr damit gerechnet, dass er auf eine Reaktion ihrerseits wartete.
„Nein, ich werde nicht bis nächste Woche warten. Mit oder ohne Termin, ich werde hier nicht weggehen, ohne ihn gesehen zu haben.“ Sie blickte sich suchend nach einem Stuhl um.
Die ältere Dame kam um ihren Schreibtisch herum. „Seien Sie doch vernünftig. Wenn Sie diesen Raum nicht freiwillig verlassen wollen, wird Sandra den Sicherheitsdienst holen müssen, der Sie dann hinausbegleitet.“ Sie gab der Jüngeren einen Wink, die daraufhin das Büro verließ. „Es hat einfach keinen Sinn. Mr. Steele ist ein sehr beschäftigter Mann mit einem vollen Terminkalender. Nennen Sie mir Ihren Namen, dann trage ich Sie für nächsten Freitag ein.“
Würdevoll nahm Lisa in einem weißen Sessel in der Nähe des Fensters Platz. „Ich heiße Lisa Langdon und werde mich nicht von der Stelle rühren.“
Die Augen der Sekretärin verengten sich leicht, als sie den Namen hörte, doch sie hatte sich schnell wieder unter Kontrolle. „Sie hätten mir gleich sagen sollen, wer Sie sind“, meinte sie mit einem spröden kleinen Lächeln. „Entschuldigen Sie bitte, ich werde sehen, ob ich Mr. Steele stören kann.“
Nachdem sie den Raum verlassen hatte, sackte Lisa vor Erleichterung in sich zusammen. Derartige Szenen waren nicht gerade ihre Stärke. Dann richtete sie sich wieder auf und straffte die Schultern. Der wahre Kampf hatte ja noch nicht einmal begonnen.
Unvermittelt wurde die Tür wieder aufgerissen, und Sandra kam mit einem großen, breitschultrigen Mann im Schlepptau herein.
„Martha, Farrell ist hier. Martha?“, rief Sandra, ohne Lisa im ersten Moment an ihrem Fensterplatz zu bemerken.
„Sie ist gegangen, um Mr. Steele zu holen“, informierte Lisa sie ein bisschen schadenfroh.
„Was …?“ Verdutzt drehte sich Sandra um. Sie wirkte jetzt leicht beunruhigt. „Sie sind noch da?“
„Sicher, ich warte auf Mr. Steele.“
Der Blick der blonden jungen Frau wanderte bedeutungsschwer von Lisa zu Farrell. Doch noch ehe etwas geschehen konnte, kehrte Martha zurück.
„Sandra, Sie können wieder an Ihren Platz gehen. Zack, es tut mir leid, dass wir Sie umsonst gestört haben. Es ist alles in bester Ordnung. Mr. Steele wird gleich hier sein, um mit Miss Langdon zu sprechen.“ Sie wandte sich an Lisa. „Er bittet Sie, in seinem Büro auf ihn zu warten.“
Mit ziemlich wackeligen Knien stand Lisa auf und folgte Martha in den angrenzenden Raum. Nachdem die Sekretärin sie allein gelassen hatte, blickte sich Lisa erstaunt um.
Waren die beiden anderen Büros sachlich und betont funktionell eingerichtet, herrschte hier eine geradezu behagliche, luxuriöse Atmosphäre. Dieser großzügig geschnittene Eckraum mit dem wunderschönen Mahagonischreibtisch, der schicken Designersitzgruppe und einem antiken Aubussonteppich in Blautönen hatte so gar nichts von kühlem, knallhartem Business an sich.
Der Blick von hier oben über Mission Valley war grandios. Zwar konnte man die historische Missionsstation „San Diego de Alcala“ nicht sehen, doch die umliegende Hügellandschaft und die üppige Vegetation des Tales lagen malerisch vor Lisa ausgebreitet. Zu jedem anderen Zeitpunkt hätte die Malerin in ihr danach gelechzt, diese wunderbare Aussicht in einer Skizze festzuhalten, doch heute stand ihr nicht der Sinn danach.
„Miss Langdon.“
Lisa schloss kurz die Augen und wappnete sich innerlich. Er war hier. Das Warten war vorüber.
Langsam drehte sie sich um. Jared Steele lehnte mit dem Rücken an der geschlossenen Tür und sah Lisa an. Eine volle Minute lang hielt sie seinem eindringlichen Blick stand, dann senkte sie den Kopf und nahm den bewussten Umschlag aus ihrer Handtasche.
Wortlos schüttete sie den Inhalt über dem Schreibtisch aus. Tausend kleine Papierfetzen regneten auf das schimmernde Holz nieder.
Jared betrachtete die Bescherung. „Wir müssen reden …“, begann er.
„Ich finde, damit habe ich meinen Standpunkt mehr als deutlich gemacht.“ Lisa wies auf die Schnipsel.
„Wir wissen beide, dass es nicht so ist.“
Da war es um ihre Selbstbeherrschung geschehen. „Für keinen Betrag der Welt würde ich mein Kind hergeben“, brach es leidenschaftlich aus ihr heraus. Trotzig hob sie das Kinn. „Und nun? Wie soll es jetzt weitergehen?“
„Ich denke, wir sollten noch einmal ganz von vorn anfangen.“ Mit einer Handbewegung forderte er sie auf, Platz zu nehmen.
Sie tat es. Nicht aus Gründen der Bequemlichkeit, sondern weil sie fürchtete, sich nicht länger auf den Beinen halten zu können. „Sind Sie eigentlich verheiratet?“, fragte sie dann aus einer plötzlichen Eingebung heraus.
„Wie bitte?“ Der unvermittelte Themenwechsel überraschte Jared.
„Ich möchte wissen, ob Sie verheiratet sind. Die Frage ist doch wohl erlaubt, oder? Haben Sie sich vielleicht an die Klinik gewandt, weil Ihre Frau keine Kinder bekommen kann?“
Jared sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Das geht Sie nichts an.“ Seine Stimme klang verbittert. „Sie waren doch einverstanden damit, nichts über den Vater Ihres zukünftigen Kindes zu erfahren, als Sie sich zur künstlichen Befruchtung entschlossen.“
„Das war, bevor Sie vor meiner Haustür auftauchten“, erwiderte Lisa, ohne mit der Wimper zu zucken.
„Würde es denn einen Unterschied machen, ob ich verheiratet bin?“ Jared musterte sie eindringlich.
„Nein“, gab sie zurück. „Es wäre nur eine weitere Komplikation.“
„Nun, ich bin nicht verheiratet.“
Während er Lisa keine Sekunde aus den Augen ließ, verschränkte er lässig die Arme vor der Brust. „Ich kann jedoch auch ohne Ehefrau gewährleisten, dass es meinem Kind an nichts mangeln wird.“
„Was soll das heißen?“ Lisa schoss wie eine Furie aus ihrem Sessel hoch. „Vielleicht schwimme ich nicht so im Geld wie Sie, aber ich bin sehr wohl in der Lage, für mein Kind zu sorgen. Außerdem glaube ich, dass es etwas gibt, das Sie dem Kind nicht geben können. Bisher habe ich Sie nämlich noch nie das Wort ,Liebe‘ in Zusammenhang mit dem Baby aussprechen hören.“
Sie drehte sich um und blieb mit dem Rücken zu ihm stehen, denn sie war zu wütend, um Jared noch länger ansehen zu können.
„Verdammt! Natürlich habe ich Gefühle für das Kind, aber darum geht es jetzt nicht. Sie sagen, Sie hätten nicht mit mir gerechnet, aber das beruht leider auf Gegenseitigkeit. Tatsache ist, dass Sie etwas von mir besitzen, und das möchte ich zurück!“, entgegnete er.
Alle Farbe war aus Lisas Gesicht gewichen. Erschöpft sank sie wieder in ihren Sessel.
„Hören Sie, es tut mir leid“, lenkte Jared ein. „Ich wollte Sie nicht beleidigen. Diese Sache mit der Schwangerschaft … Ich … Ich weiß einfach nicht, wie ich damit … umgehen soll.“
Überraschenderweise empfand Lisa Mitleid mit Jared, als sie sein gestammeltes Eingeständnis hörte, und beschimpfte sich insgeheim selbst als Idiotin. Natürlich musste sie sich in erster Linie um ihr eigenes Wohlergehen kümmern. Trotzdem durfte sie vor der Tatsache, dass Jared Steele der Vater des Kindes war, nicht die Augen verschließen. Sie konnte sich in seine Notlage hineinversetzen und fühlte mit ihm. Nicht genug natürlich, um ihm ihr Baby zu überlassen, aber vielleicht gelang es ihnen ja, einen Kompromiss auszuarbeiten.
Lisa verspürte eine eigenartige Verbundenheit mit Jared, nicht nur, weil sie sein Kind unter dem Herzen trug. Obwohl sie zugeben musste, dass eine wohlige Wärme sie durchströmte, wenn sie nur daran dachte. Auf gewisse Weise war ihr ihre eigene Schwangerschaft viel bewusster geworden, seit Jared Steele in ihr Leben getreten war.
„Sie haben recht, Mr. Steele …“
„Jared … Verdammt, nennen Sie mich doch Jared!“
Sein plötzlicher Ausbruch traf Lisa völlig unvorbereitet. Offensichtlich hatte er nach seinem Eingeständnis Schwierigkeiten, sein betont sachliches und unpersönliches Verhalten weiter aufrecht zu halten. Erstaunt beobachtete sie, wie er mit der Hand heftig seinen Nacken massierte, als wollte er dadurch seine große innere Spannung abbauen.
Jared Steele zeigte also durchaus menschliche Züge.
Als er sich jetzt in Bewegung setzte, auf sie zukam und sich in den Stuhl neben ihr fallen ließ, machte Lisa Anstalten, aufzustehen. „Ich sollte jetzt besser gehen.“
Eine starke, sonnengebräunte Hand legte sich über ihre und hielt sie fest.
„Bitte bleiben Sie“, bat er und zog seine Hand erst weg, als Lisa sich wieder zurücklehnte. „Wir müssen das ausdiskutieren.“
„Die einzige Möglichkeit, die ich sehe, wäre ein gemeinsames Sorgerecht“, antwortete sie spontan.
Erstaunt sah er sie an. Eine tiefe senkrechte Falte erschien auf seiner Stirn, während er über ihren Vorschlag nachdachte. „Und wie soll das funktionieren?“ Seine Stimme klang bitter. „Ich nehme an, Sie erwarten von mir einen finanziellen Ausgleich für die Zeit, in der Sie mir mein Kind überlassen.“
Lisa war von ihrem großzügigen Angebot mindestens ebenso verblüfft wie Jared. Woher diese plötzliche Eingebung kam, wusste sie nicht, doch seine Antwort darauf war nicht sehr vielversprechend.
Impulsiv streckte sie die Hand aus und berührte seinen Arm. „Sie kennen mich nicht“, sagte sie. „Wir beide kennen einander nicht. Anscheinend gab es in Ihrer Vergangenheit einen Vorfall, der Sie verbittert hat. Das geht mich natürlich nichts an, aber glauben Sie nicht, dass unsere Situation auch ohne unangebrachte Vorurteile schon kompliziert genug ist?“
Unbewusst strich sie mit einer liebevollen Geste über seinen Arm, ehe ihr klar wurde, was sie da tat. Sofort zog sie ihre Hand zurück.