Vater werden. Papa sein - Mathias Voelchert - E-Book

Vater werden. Papa sein E-Book

Mathias Voelchert

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Beschreibung

Wie kann ich der Vater sein, der ich sein will?

Was bedeutet es heute für einen Mann, Vater zu werden? Wie findet man in die neue Rolle hinein und bleibt gleichzeitig mit sich selbst im Reinen? Wie kann man das eigene Selbstverständnis gut mit dem Familienleben vereinbaren und es positiv erleben? Wie sorgt man für sich selbst und reibt sich nicht zwischen Erwartungen und eigenen Bedürfnissen auf? Mathias Voelchert, der in Zusammenarbeit mit Jesper Juul familylab.de gegründet und geleitet hat, bestärkt Väter aus seiner langjährigen Praxis heraus darin, darauf ihre eigenen, gleichwürdigen Antworten zu finden. Er hilft ihnen, mit ihren Unzulänglichkeiten freundlicher umzugehen und eine gute Verbindung zu sich und ihren Kindern aufzubauen. So können Männer entspannt Papa sein und ihre Kinder zu starken und selbstbewussten Menschen heranwachsen.

»Mein wichtigster Rat an einen Vater ist Gelassenheit. Und wir können Einfluss auf unser Schicksal nehmen, darauf, wer wir sind und wie wir in Zukunft sein wollen, und damit zum Gestalter unseres Vater-Seins werden.« Mathias Voelchert

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Was bedeutet es heute für einen Mann, Vater zu werden? Wie findet man in die neue Rolle hinein und bleibt gleichzeitig mit sich selbst im Reinen? Wie kann man das eigene Selbstverständnis gut mit dem Familienleben vereinbaren und es positiv erleben? Wie sorgt man für sich selbst und reibt sich nicht zwischen Erwartungen und eigenen Bedürfnissen auf? Aus seiner langjährigen Praxis heraus bestärkt Mathias Voelchert Väter darin, darauf ihre eigenen, gleichwürdigen Antworten zu finden. Er hilft ihnen, mit ihren Unzulänglichkeiten freundlicher umzugehen und eine gute Verbindung zu sich und ihren Kindern aufzubauen. So können Männer entspannt Papa sein und ihre Kinder zu starken und selbstbewussten Menschen heranwachsen.

Mathias Voelchert, geb. 1953, ist Gründer (in Zusammenarbeit mit Jesper Juul) von familylab.de in Deutschland und war von 2006 bis 2022 dessen Leiter. Er ist Betriebswirt, Ausbilder, praktischer Supervisor, Coach mit systemischer Ausbildung und diversen Weiterbildungen, Autor und seit 1983 selbstständiger Unternehmer. Er gibt Väter-Workshops, berät Paare, Familien, Schulen und Unternehmer zum Thema Gleichwürdigkeit und gelingende Beziehungen. Außerdem bildet er seit Jahren Fachleute zum Thema Beziehungskompetenz in Schulen, Unternehmen und in der Familienberatung weiter. Der Vater von zwei erwachsenen Kindern lebt mit seiner Frau in Niederbayern.

Mathias Voelchert

VATER WERDEN

PAPA SEIN

Den eigenen Weg finden für einglückliches Familienleben

Der Verlag behält sich die Verwertung des urheberrechtlich geschützten Inhalts dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Alle im Buch vorkommenden Personen wurden zur Wahrung des Persönlichkeitsrechts verfremdet. Jede Ähnlichkeit mit lebenden oder toten Personen ist rein zufällig und in keiner Weise beabsichtigt.

Copyright © 2023 Kösel-Verlag, München,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Umschlag: Weiss Werkstatt München

Umschlagmotiv: photobyphotoboy/stock.adobe.com

Innenabbildungen: stock.adobe.com siehe Bild 1, Bild 2, Bild 3, Bild 4, Bild 5, Bild 6, Bild 7 und Bild 8 (fineline); Bild 9 (ngupakarti); Bild 10 (Rita)

Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering

ISBN 978-3-641-28598-2

www.koesel.de

Inhalt

Einleitung

Vater werden

Wie es mir erging

Ich brauche keine Kinder

Alte Verletzungen heilen und nicht vererben

Die Mär von der Familie, die alles sein kann, sein soll, sein muss

Übernommene Gefühle und Muster

Das Rückgaberitual

Verzeihen

Nobody is perfect

Hintertüren

Lieber Papa …

Selbstwert

Vatersein kann man nicht von Müttern lernen!

Die Vereinbarkeitslüge

Darf ich als Vater so was denken?

Erst das Spiel anschieben, dann die eigene Ruhe genießen

Die Dekonstruktion des Patriarchats

Männliche Archetypen

Von Brüdern und Schwestern

Der Papa schafft das schon …

Mann und Männlichkeit

Papa sein, ohne der eigene Vater zu werden

Vaterfreuden und Vaterleiden

Du hast mir furchtbar wehgetan

Kompetente Kinder brauchen kompetente Väter

Schuld und Unschuld in Beziehungen

Gedanken, die wir unterstützen, bestimmen unser Leben

Mit eigenen Aggressionen umgehen lernen

Zu sich selbst Ja sagen können

Aushalten – lieben und mögen

Paarbeziehung – Paarkonflikte

Paarkonflikte und wie als Vater damit umgehen

Väter und Trennung: das Zwei-Zuhause-Modell

Bonusvater statt Patchworkstress

Leuchtturm sein

Väter als Sparringspartner

Mit Erziehungskatastrophen umgehen lernen

Dialog und Familienrat

Das wird Schule machen

Zum guten Schluss

Danksagung

Anhang

Literaturverzeichnis

Anmerkungen

Der Autor

»Es ist nicht wahr, dass Männer sich nicht ändern wollen. Wahr ist, dass viele Männer Angst vor Veränderung haben. Um lieben zu können, müssen Männer imstande sein, sich von ihrem Wunsch zu verabschieden, andere zu beherrschen.«1

bell hooks (1952–2021), amerikanische Professorin und Kritikerin von Rassismus, Kapitalismus und Patriarchat

Einleitung

Als Vater, Bonusvater und mittlerweile Großvater leite ich seit zwei Jahrzehnten Workshops mit Vätern aus allen Gesellschaftsschichten. Wir wollen herausfinden, welche positiven und welche negativen Männer- und Väterbilder wir in uns tragen, die uns unterstützen oder blockieren. Was können wir tun, um in engeren Kontakt zu uns selbst und damit zu unseren Kindern und unseren Partnerinnen zu kommen?

Der Soziologe Ulrich Beck hat in den 1980er-Jahren das Verhalten junger Väter so beschrieben: »Verbale Aufgeschlossenheit bei weitgehender Verhaltensstarre.«2 Der Konsens unter Männern (und vielen Müttern) war damals, dass sie sich mehr um ihre Kinder kümmern wollten, dies aber mit ihren beruflichen Anforderungen nicht in Einklang zu bringen sei. Besonders bei sehr kleinen Kindern greifen Väter auch heute noch gern zu der Ausrede, dass sie sich eigentlich gern intensiver um das Baby kümmern würden, dass dieses aber zur Mutter eine viel engere Bindung hätte und sie deshalb leider außen vor seien.

Glücklicherweise verbessern sich die Rahmenbedingungen immer weiter, Arbeitsverhältnisse werden immer mehr auf die Bedürfnisse der Familie ausgerichtet. Das Arbeiten im Homeoffice ist spätestens seit Corona für viele Eltern eine echte Alternative geworden. Die Vier-Tage-Woche als Arbeitszeitmodell ist im Gespräch. Männer flüchten nicht mehr, sie wollen dazulernen, ihre Vaterrolle neu definieren und sich stärker in die Familie einbringen. Der abwesende Vater könnte bald der Vergangenheit angehören.

Mein wichtigster Rat an einen Vater ist Gelassenheit im Angesicht seiner Vaterschaft, denn unser Schicksal als Väter und das unserer Kinder ist weder unabänderlich noch wird es in den ersten drei Lebensjahren gleich endgültig entschieden! Durch die Plastizität unseres Gehirns können wir unsere eigene Kindheit mit Vernachlässigung oder nachteiligen Voraussetzungen trotz aller Handicaps überwinden und großartige Väter werden. Wir können das, was wir selbst als Kinder erfahren haben und was unsere heutigen Handlungen beeinflusst, reflektieren und dahingehend verändern, dass wir nicht mehr Getriebene der Umstände sind. Wir können Einfluss auf unser Schicksal nehmen, darauf, wer wir sind und wie wir in Zukunft sein wollen, und damit zum Gestalter unseres Vater-Seins werden.

Ich wünsche Ihnen als Vater (und auch als Mutter) den größtmöglichen Gewinn aus der Lektüre dieses Buches, um der beste Elternteil zu werden, der Sie sein können, und das auch zu genießen. Und sich auf diesem Weg selbst immer ähnlicher zu werden, anstatt eine idealisierte Rolle zu spielen.

Dazu möchte ich Sie mit meinem Buch inspirieren. Dabei ist es sicherlich ein Gewinn, es von vorne nach hinten durchzulesen, Sie können aber auch zu Kapiteln springen, die Sie besonders interessieren.

Vater werden

Versuchen Sie besser nicht, ein perfekter Vater werden zu wollen, mit perfekten Kindern und einem perfekten Familienleben. Kinder sind einfach, wie sie sind. Väter sind geworden, wie sie sind. Als erwachsene Männer können wir die Wunden unserer Kindheit und Jugend aber heilen lassen, sodass nur noch eine Narbe bleibt. 

Ich schreibe dieses Buch, weil ich Männer stärken will, ihren eigenen gleichwürdigen Weg zu finden, zusammen mit ihren Partner*innen, den Müttern ihrer Kinder und ihren Kindern. Es gibt viele ältere Väter, denen erst bei ihren Enkeln bewusst wird, wie bereichernd es sein kann, sich um Kinder zu kümmern. Sie bedauern heute, zu wenig Zeit mit den eigenen verbracht zu haben, weil der Beruf an erster Stelle stand. Junge Väter sagen mir heute glücklicherweise immer öfter: »Wir wollen nicht mehr unsere Seele verkaufen.« Sie wollen sich oft nicht mehr nur über ihren Beruf, den damit verbundenen Status und ihr Einkommen definieren, sondern mehr Freiheit, Selbstständigkeit und Verantwortung gewinnen. Diese Einstellung ist die beste Voraussetzung, dass sie sich auch gute Rahmenbedingungen dafür schaffen, ihren Lebensunterhalt mit ihrem Familienleben vereinbaren zu können, statt sich einfach anzupassen. Gegenseitige Unterstützung und stetige Auseinandersetzung damit bringen Sie auf diesem Weg weiter.

Männer alter patriarchaler Prägung haben ihren Mitmenschen gegenüber oft Defizite in puncto Empathie, Rücksichtnahme und Wertschätzung, also in dem, was allgemein als Menschlichkeit bezeichnet wird. Sie sind in einer Gehorsamskultur aufgewachsen, in der ihnen gesagt wurde, was von ihnen erwartet wird und was sie zu tun haben. Dominanzstreben, das von Eigennutz und Rücksichtslosigkeit geprägt ist, zeichnet viele von ihnen aus.

Die meisten Frauen gehen anders mit Macht um. Warum? Weil Frauen oft Mütter sind und aus dieser Erfahrung heraus menschlicher, das heißt empathischer und mit Rücksicht auf die Bedürfnisse anderer entscheiden und einen kooperativen Führungsstil pflegen. In dieser Hinsicht kann man sich durchaus etwas von ihnen abschauen. Denn Familien brauchen Menschen, die führen. Und denen, die gut führen, folgen wir nicht, weil wir müssen, sondern weil wir wollen. Wir fühlen uns sicher, weil wir verlässliche Signale erhalten. Gute Führung ist immer situativ und individuell, und sie ist immer verantwortlich. Das passiert in Familien, in denen sich alle Mitglieder wohlfühlen, weil sie Wertschätzung erfahren.

Wie kommen wir dahin? Und wer bestimmt, ob ich ein guter Vater bin? Wichtiger als die Meinung anderer ist die eigene Reflexion, also fängt wie immer alles bei mir selbst an: Wie definiere ich mich als Vater? Wie erfinde ich mich immer wieder neu, zusammen mit meiner Partnerin und meinen Kindern? Wie bekomme ich einen Zugang zu mir und somit zu meinem Gegenüber in der Familie? Dazu finden Sie in diesem Buch viele hilfreiche Geschichten von Vätern, die zeigen, wie eingefahrene und übernommene Verhaltensmuster aufgebrochen werden können.

Wie es mir erging

Mit der Geburt meiner Kinder veränderte sich mein eher konservativ sozialisiertes Leben komplett. Aus heutiger Sicht würde ich diese Entwicklung vom Funktionieren hin zu mehr Selbstreflexion beschreiben. Wäre diese sowieso eingetreten? Vielleicht, aber nicht mit solcher Macht, Dringlichkeit und dem starken Druck, selbst die Anpassungsleistung bringen zu müssen. Ich musste bei mir etwas verändern, statt diese Veränderung von meiner Partnerin oder unseren Kindern zu fordern.

Ich habe in den ersten 35 Jahren meines Lebens die tradierten Werte einer konservativen Gesellschaft gelebt. Durch unsere Kinder und meine damit angestoßenen Entwicklungen wurde mir klar, dass in dieser Gesellschaft einiges grundlegend unrund läuft, die politische Aussage »Kinder sind unsere Zukunft« entpuppte sich als Zukunftslüge, wenn wir uns anschauen, wie mit unseren Kindern in Kindergarten und Schule umgegangen wird. 22 Kinder in der Kindergartengruppe, eine Erzieherin, eine Praktikantin, ein Wahnsinn. Eine Mutter allein mit ihren elf Kindern würde jeder als absurd empfinden, unseren besten Erzieherinnen muten wir dieses Setting täglich zehntausendfach zu. Und weiter geht’s gleich in der Schule: 34 Kinder, eine Lehrerin, so macht man Lehrerinnen kaputt und Schule zu einer Horrorveranstaltung, die Disziplinierung, Ruhe und Ordnung fordert und Chaos schafft. Schon vor 20 Jahren haben namhafte Unternehmensberatungen darauf hingewiesen, dass jeder Euro, der in Kindergärten und Schulen investiert wird, sich mit vier Euro rentiert, weil die Gemeinschaft viel weniger Folgekosten, Diagnosen, Therapien etc. zu tragen hat. Ich vermute, der Wert hat sich heute mehr als verdoppelt.

Die »Vereinbarkeit von Beruf und Familie«, war die nächste erfundene Lüge. Schlagworte, mit denen Eltern bis vor 10 bis 20 Jahren noch beruhigt worden waren. Alles nur Geschwafel. Die Tatsache war eine zutiefst familienfeindliche, ja menschenfeindliche, besonders frauenfeindliche Arbeitswelt. Während Corona haben alle gemerkt, dass man auch von zu Hause gut arbeiten kann, wenn es die Räumlichkeiten hergeben. Ich höre von Managern, dass bei Marktführern 30 Prozent an Kosten eingespart werden für nicht benötigte Büros, die Räume konnten untervermietet werden und tragen zur gestiegenen Rendite bei, die auch erhöht wird, weil weniger in der Gegend herumgeflogen werden muss.

Der alte Streit zwischen Unternehmen und Familie um den Vater ist bald beendet. Einerseits verstehen immer mehr Unternehmen, dass sie nur so an die Besten herankommen, wenn es mit der Arbeitszeit, den Umständen und dem Lohn passt. Und Angestellte nicht mehr wie früher als weisungsgebundene, abhängig Beschäftigte behandelt werden, sondern wie verantwortliche Kollegen auf Augenhöhe.

Nach diesem Ausflug zu den Rahmenbedingungen, unter denen wir arbeiten, leben, nun zurück zu meiner Geschichte. Meine Entwicklung verlief im Schneckentempo. Für mich, als Mann, war die Veränderung schmerzlich, weil viele meiner für stabil gehaltenen Überzeugungen infrage gestellt wurden. Und das war ein fortwährender Prozess: Nachdem wir mit unserer Tochter einen Anfang gemacht hatten, dachte ich zum Beispiel, dass ich schon alles über Kindererziehung begriffen hätte, denn bei ihr funktionierte es nach dem Prinzip: »Man sagt dem Kind etwas, und es macht das auch.« Dann wurde unser Sohn geboren, der das Nein anscheinend schon gelernt hatte, bevor er noch seine ersten Worte sprach. Seine Willenskraft war unglaublich. Das faszinierte mich einerseits, andererseits brachte es mich zur Weißglut, dass ich den Jungen nicht mit meinem bisherigen Erziehungsrepertoire erreichen konnte, das ich von meinem Vater übernommen hatte. Was war zu tun: meinen Sohn biegen oder brechen? Aber ich verstand glücklicherweise, dass ich besser nichts dergleichen tun sollte. Dass dieser Weg uns nicht weiterbrachte und dass es darum ging, meine Einstellung zu Verantwortung und Gehorsam zu klären und entsprechend zu leben. Ich begriff, dass es bei meiner Frustration nur um mich und nicht um meinen Sohn ging. Der Einzige, der bei sich selbst etwas verändern musste, war ich.

Ich als erwachsener Mensch muss mich so verändern, dass ich mein Kind erreiche. Dabei muss ich mich manchmal biegen. Gegen den Erziehungswind, den ich selbst genossen habe.

Sätze wie »Aus mir ist ja auch was geworden« oder »Hat mir auch nicht geschadet« sind gefährlicher Quatsch. Es schadet, mit Worten oder handgreiflich verletzt zu werden. Geschlagen zu werden hinterlässt tiefe emotionale Wunden, selbst wenn keine körperlichen Spuren zurückbleiben. Gewalt macht gefügig und erstickt die Bereitschaft des Kindes, aus eigenem Antrieb aktiv zu werden.

Das bedeutet aber nicht, dass man einfach alles so laufen lassen soll. Wir brauchen auch keinen Laissez-faire-Erziehungsstil, bei dem sich Eltern auf eine passive Rolle beschränken. Ein Kind benötigt liebevolle elterliche Führung, die wir zusammen mit ihm gestalten können.

Ich habe dieses Buch im Jahr 2023 geschrieben, weil ich es gebraucht hätte, als ich 1987 selbst Vater wurde. Wenn aus Männern Väter geworden sind, sind sie dann keine »richtigen« Männer mehr? Solche Fragen stellten sich mir damals, als es einen großen Graben zu geben schien zwischen den 68ern und den alten Traditionalisten. Seither hat sich viel verändert, aber Männer müssen sich trotzdem in ihrer Vaterrolle und Väter in ihrer Männerrolle immer weiter selbst definieren. Fünfunddreißig Jahre später möchte ich Sie mit meinen Erfahrungen inspirieren, damit Sie Fehler vermeiden und mit Ihren eigenen Unzulänglichkeiten freundlicher umgehen können.

Ich persönlich wünsche mir heute, dass meine Kinder liebevoll auf mich schauen, trotz allem, was ich nicht fertiggebracht und was ich falsch gemacht habe. Die Liebe, die ich heute von ihnen zurückbekomme, lässt mich hoffen.

Für eine gelingende Erziehung genügt väterliche Liebe allein jedoch nicht. Wir alle lieben unsere Kinder, wenn sie friedlich in ihrem Bett schlummern. Sobald sie wieder die Augen aufmachen, beginnt unsere Herausforderung als Vater. Das liegt nicht an unseren Kindern, die so sind, wie sie sind. Punkt. Die gute Nachricht ist, dass wir einen großen Einfluss darauf haben, wie wir sie erleben und wie sie werden. Warum? Weil Kinder kooperieren. Sie ahmen nach, was wir ihnen vorleben. In einer Familie, in der es wichtiger ist, Zeit füreinander zu haben als einen opulenten Lebensstil zu pflegen, werden andere Kinder aufwachsen als in einem Haushalt, in dem sie vorgelebt bekommen, dass nur Leistung, Konsum und Erfolg zählen. Anders gesagt, was wir vorleben, werden wir gespiegelt bekommen.

Deshalb ergibt es keinen Sinn, das Kind mit Erziehungsmaßnahmen zu traktieren, sondern anzuerkennen, dass der Apfel nicht weit vom Stamm fällt. Das ist eine Tatsache, die viele Eltern nicht wahrhaben wollen, wenn ihnen Eigenschaften am Kind missfallen. Dabei werden dann gerne Beobachtungen als Schuldzuweisungen formuliert: »Unsere Tochter ist wie …« anstatt anzuerkennen, dass das auch ein Teil dessen ist, was das Kind von seinen Eltern mitbekommen oder durch ihr Vorbild gelernt hat.

Ein Kind, das seinen Vater oder seine Mutter täglich mit dem Mobiltelefon beschäftigt sieht, will das nachmachen. Das Kind beobachtet seine Eltern am Computer und tut es ihnen gleich. Dann kommen manche Eltern zur Beratung und beschweren sich, dass ihre Kinder »computersüchtig« wären. Die Überraschung ist groß, wenn sie ihren Blick auf sich zurücklenken müssen.

Ich brauche keine Kinder

Häufig schrecken Männer vor dem Schritt und der Verantwortung, Vater zu werden, zurück. Weil sie sich überfordert fühlen oder ihren Lebensstil in der Familie nicht ändern wollen. Je länger meine Frau und ich zusammen waren, desto klarer wurde, dass sie Kinder will und braucht. Das war für mich sehr schwer anzuerkennen. Instinktiv spürte ich, dass sich mein Leben mit Kindern total verändern würde. Ich war mir sicher, für diese Veränderung noch nicht bereit zu sein. Und es stimmt: Nichts bleibt nach der Geburt eines Kindes gleich. Man könnte sarkastisch formulieren, dass die Menschheit längst ausgestorben wäre, wenn Eltern aller Zeiten vorher gewusst hätten, was mit ihrem Nachwuchs auf sie zukommt.

Doch auch das ist nur die halbe Wahrheit. Wenn man sich auf Kinder einlässt, kann das langfristig wie eine Anleitung zum Glücklichsein verlaufen. Dieses Glück ist dauerhaft und findet im Inneren statt. Zuerst schmerzhaft, weil wir die eigenen Wunden anschauen und heilen müssen, die uns selbst als Kindern zugefügt wurden, doch dann immer befreiender mit jedem gemeinsamen Jahr.

Die Anleitung zum Unglücklichsein wäre es, sich nur noch auf die vermeintlichen Fehler des Kindes einzulassen, permanent zu kritteln, das Kind zu piesacken, wie ich es oft erlebt habe, bis es zum Showdown kommt, beispielsweise wenn ein Jugendlicher seine angestaute Wut an anderen auslässt. Oder subtil, indem er oder sie nicht den Berufsweg einschlägt, den der Vater möchte, nur um etwas zu tun, mit dem man den »Alten« ärgern kann. Zwar leisten die Kinder auf diese Weise Widerstand, doch glücklich macht sie das auch nicht immer. Unverheilte Wunden, zum Schaden für beide, lassen keine freie Wahl mehr zu.

Wir müssen unseren Kindern erlauben, auf uns einzuwirken. Wenn wir das nicht tun, wird sich unser Kind übermäßig anpassen, um dazuzugehören, oder uns so sehr provozieren, dass wir unangemessen oder hilflos reagieren, weil wir überfordert sind.

Kinder wollen gesehen werden, sonst werden sie auffällig, um uns damit etwas zu zeigen. Doch bei beiden Verhaltensmustern – angepasst oder rebellisch – verliert das Kind das Gefühl für sich selbst.

Kinder wollen uns und sich zeigen, dass sie da sind. Dementsprechend sollten wir sie sehen und ihnen das Gefühl geben, dass sie uns wichtig sind, wir uns über sie freuen und sie selbstverständlich zu unserem Leben dazugehören. Zugleich bedeutet aber überhaupt nicht, dass die Kinder in der Familie im Fokus der Aufmerksamkeit stehen sollten, wie es viele Familien betreiben. Dabei wird alles, was das Kind tut oder nicht tut, begutachtet und kommentiert, zum Beispiel beim Thema Essen: »Iss nicht mit den Fingern, iss auch Salat, sprich nicht mit vollem Mund. Komm jetzt endlich zum Essen, ich habe dich schon drei Mal gerufen…« Dabei wäre die Botschaft viel eindrücklicher, wenn Vater und/oder Mutter sein Essen ohne Kommentierung für sich genießen würde und sich so eine entspannte Atmosphäre bei Tisch einstellen würde. Stattdessen fallen viele Mütter (und auch Väter) in die Falle von: »Ich habe mir nun Mühe gemacht zu kochen, jetzt musst du auch essen.« Das Kind, das vielleicht noch gar nicht in der Lage ist, sich gut auszudrücken zu können, will vermutlich sagen, dass es doch noch gar keinen Hunger hat. Aber da es das nicht kann, findet es eben andere Wege, um das auszudrücken, indem es eben all das tut, was dann kritisiert wird. Auch hier wäre der Wunsch, dass die Erwachsenen die Anpassungsleistung bringen und flexibel auf die Wünsche des Kindes reagieren, statt der Vorgabe zu folgen, dass wir doch wenigsten am Mittagstisch oder am Abend vereint, gemeinsam, gemütlich zusammen sitzen müssen. An dem Gedanken, Mahlzeiten als Familie zu genießen, ist grundsätzlich nichts falsch, allerdings ist unsere Umsetzung in Deutschland oft genug ein Desaster – wie mit vielen anderen Dingen. Wir machen Regeln, die befolgt werden sollen – und die jede Gemütlichkeit töten. Locker ohne Zwang (für sich und die Kinder) funktioniert besser und alle sind entspannt.

Da kommt die Frage auf, was macht der alleinerziehende Vater, wenn er mit seinem Kind oder seinen Kindern gemeinsam essen will? Er macht es sich gemütlich, kocht sich was Gutes, stellt (wenn ihm das schmeckt) ein Glas Wein dazu und informiert die Kinder, dass es was Gutes zum Essen gibt. Die kommen dann schon, und wenn nicht, stellt er für sie etwas bereit für den späteren Hunger.

Was ist meine Botschaft? Die Stimmung macht’s. Wenn sich alles ums Kind dreht, permanent Ermahnungen im Raum sind, ich nenne es piesacken, hat keiner mehr Freude und wird dem Gemeinsamen fern bleiben. Eben weil es nicht anziehend ist. Auch hier tragen die Eltern die Verantwortung für die Qualität der Beziehung. Und Kinder lernen Manieren übrigens nicht durch ewiges Ermahnen, sondern durch Abschauen bei den Erwachsenen. Darauf können Sie sich verlassen.