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Ein Buch von radikaler Wahrheit und unvergesslicher Intensität »Ich möchte dir für immer die Möglichkeit nehmen, nicht zu wissen, wer ich war. Du sollst erfahren, wie es deiner Familie in Deutschland ging, wie der letzte Sommer meiner Jugend war, bevor fast alle meine Freunde verschwunden sind. Du sollst wissen, wie es war, als deine alten Freunde mir auf die Schulter klopften und sagten, ich würde irgendwann werden wie du: Held einer gescheiterten Revolution. Ich werde diese Geschichten aufschreiben.« Necati Öziri schreibt eine Familiengeschichte über einen Sohn, eine Mutter und eine Schwester, deren Leben und Körper gezeichnet sind von sozialen und politischen Umständen. Und er schreibt über einen abwesenden Vater. Ein Roman von radikaler Wahrheit, Wut, Kraft, Liebe und Sehnsucht. *** Shortlist Deutscher Buchpreis 2023 *** »Was für ein großartiges Gefühlsgewitter!« Sasha Marianna Salzmann »Für alle, die auch wissen, wie es ist, einen abwesenden Vater endgültig zu verlieren oder an kalten Orten Seelenverwandte zu finden oder bei angehaltenem Atem zwischen Leben und Tod zu schweben, ist Necati Öziris betörendes Debüt ein Triumph.« Sharon Dodua Otoo »Was für ein schönes, trauriges, humorvolles, intensives, herzzerreißendes und toll erzähltes Buch. Beim Lesen habe ich viel über Männlichkeit nachgedacht und über abwesende Väter. Große Empfehlung!« Linus Giese
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Veröffentlichungsjahr: 2023
Vatermal
Necati Öziri, geboren in einer der vielen grauen Ecken des Ruhrgebiets („Hölle Hölle Hölle!"), hat Philosophie, Germanistik und Neue Deutsche Literatur in Bochum, Istanbul und Berlin studiert. Er lebt in Berlin sein drittes Leben, schreibt, macht Theater und manchmal einen auf Intelelli, wofür ihm sein sechzehnjähriges Ich wahrscheinlich eine Schelle verpassen würde. In seinen Texten ist natürlich alles wahr. Öziri war Stipendiat der Heinrich-Böll-Stiftung und unterrichtete an der Ruhr-Universität Bochum formale Logik, bis er feststellte, dass Logik die Welt nicht besonders gut beschreibt. Seitdem versucht er zu schreiben, nicht wie die Welt ist, sondern wie sie sich anfühlt. Er ist erbitterterer Feind von Kälte, Lactose und Kurz-Biographien. Als Theaterautor schreibt er für das Maxim Gorki Theater, das Nationaltheater Mannheim und das Schauspielhaus Zürich. Öziri trifft sich regelmäßig mit alten Versionen seiner selbst, sie sitzen in Schulheften voller Kaffeeflecken herumblätternd auf dem Boden von Ämtern und warten (worauf eigentlich?) oder sie chillen auf Bänken am Bahnhof und bieten ihm einen Joint an. Bei den 45. Tagen der deutschsprachigen Literatur (Ingeborg-Bachmann-Preis) gewann er den Kelag-Preis und den Publikumspreis. Als Kurator leitet er zudem das Internationale Forum des Theatertreffens der Berliner Festspiele. Bei Wut und anderer Erregung dunkelrote Färbung der Ohren.
Arda weiß nicht, wie viel Zeit ihm noch bleibt. Er liegt mit Organversagen im Krankenhaus seiner Heimatstadt; an seinem Bett sitzen abwechselnd seine Mutter Ümran und seine Schwester Aylin. Seit zehn Jahren haben die beiden kein Wort miteinander gesprochen. Zum Abschied wendet er sich an seinen Vater, den er nie kennengelernt hat. Arda erzählt dem Unbekannten von Geburtstagen im Ausländeramt und vom Bahnhofsplatz, von seinen Freunden Bojan, Danny und Savaş, von Polizeikontrollen, Ott in den Socken und der ersten Liebe. Aber Arda erzählt auch von Schwester und Mutter: von Aylin, die von zu Hause wegrennt. Und von Ümran, die sich ihr Leben ganz sicher anders vorgestellt hat.
»Es ist eine neue Stimme, die wir hier hören – eine, die die lauten und die leisen Töne kennt; eine, die sinnlich ist und klug; eine, die ins Herz trifft und dabei tausend Körpertreffer landet. Eine Stimme, die uns bisher gefehlt hat. Es ist die Stimme von Necati Öziri.«CHRISTOPHER RÜPING
»Öziri beschwört die Kunst als Rettung, als Anrufung, als Bedingung der Möglichkeit eines gelungenen Lebens.«DEUTSCHLANDFUNK
Necati Öziri
Ullstein
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Herzlichen Dank an die Kulturakademie Tarabyafür die Förderung dieses Buchprojektsdurch ein Stipendium.
© 2023 by Necati Öziri© der deutschsprachigen Ausgabe2023 by Ullstein Buchverlage GmbH, Alle Rechte vorbehalten.Wir behalten uns die Nutzung unserer Inhalte für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG ausdrücklich vor.Umschlaggestaltung:Marion Blomeyer / LowlypaperAutorenfoto: © Şebnur Tansu KayaalpE-Book powered by pepyrus
ISBN 978-3-8437-3011-2
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Der Autor / Das Buch
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Inhalt
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Wenn du das hier liest, Papa – und hier stocke ich schon. Soll ich dich wirklich so nennen? Ich weiß, dass Aylin dich so nennt, wenn sie von dir erzählt; wirklich nur ganz selten, bilde dir jetzt nichts ein. Aber anders als mich habt ihr Aylin auch noch lachend zwischen euch fliegen lassen, eine Hand du, eine Hand Mama und dann hoch. Und wie diese Erinnerung hat Aylin auch das Wort »Papa« noch aus dieser Zeit. Bei mir ist es anders. Ich hab’s oft ausprobiert: Papa? Vater? Baba? Das Wort auszusprechen, ist gar nicht so schwer, nur danach geht es nicht weiter. Merkwürdiger noch, als »Papa« zu sagen, ist, es mich sagen zu hören. Es klingt wie ein Fremdwort, das ich irgendwo aufgeschnappt oder nachgelesen habe. Wenn ich es benutze, wirkt es gespielt. Wie sagt man »Papa«, ohne dass ein Fragezeichen zu hören ist? Bis ich eine Antwort habe, bleibe ich bei Metin. Also: Wenn du das hier liest, Metin, werde ich wahrscheinlich tot sein.
Ich hab mir oft vorgestellt, wie es sein würde, wenn ich irgendwann erfahre, dass du gestorben bist. Versteh mich nicht falsch: Ich habe dir nicht den Tod gewünscht. Ich glaube nicht, dass du ein schlechter Mensch bist. Im Gegenteil. Wahrscheinlich bist du nach dem Gefängnis der sanfteste, liebevollste Vater der Welt geworden. Bestimmt kommst du spätabends von der Arbeit nach Hause und deine zweite Frau liegt im Schlafzimmer schon auf ihrer Seite des Bettes. Sie trägt einen rosa Satin-Schlafanzug, einen, wie du ihn Mama mal zum Geburtstag geschenkt hast, obwohl überhaupt kein Geld dafür da war. (Auch diese Geschichte kenne ich von Aylin.) Womöglich blättert deine zweite Frau durch eine Zeitschrift mit Bildern teurer Möbel, Gurkenmaske im Gesicht, die Haare ins Handtuch gewickelt. Sie hört, wie dein Schlüssel sich im Schloss dreht. Der Moment, auf den sie den ganzen Abend gewartet hat. Ein kurzer Blick auf die Uhr: »Später als sonst«, denkt sie und erinnert sich daran, wie hart du jeden Tag arbeitest. Sie weiß nichts von deinem Leben vor dem Gefängnis, dem Leben in Deutschland. Sie weiß nicht, dass du so viel arbeitest, danach direkt nach Hause kommst und nicht in die Teestube gehst, weil du dein zweites Leben nicht so vermasseln willst wie dein erstes.
Du betrittst also deine Wohnung, stressiger Tag, im Kopf klingelt noch das Bürotelefon, du schließt die Tür hinter dir, sachte, niemand soll dich hören, du hängst den Mantel vorsichtig über die anderen Jacken und stellst die Schuhe neben diese bescheuerten Dinosaurier-Gummistiefel, die alle Rich Kids haben. Du betrittst deine neue Wohnung so leise, wie du unsere damals verlassen hast, als du dich nachts aus dem Bett meiner Mutter geschlichen hast. Ein Zettel deiner neuen Frau auf dem Küchentisch: »In der Mikrowelle sind Mantı, Joghurt im Kühlschrank.« Sei ehrlich, Metin, sie kann nicht kochen, oder? Natürlich nicht, eine Frau, die in der Küche ihre Erfüllung findet, würdest du nicht lieben. Sie würde dich zu sehr an deine Mutter erinnern; du dich zu sehr wie dein Vater fühlen – der General, der auch dich zum General machen wollte, bevor aus dir ein Linker geworden ist. Und weil deine Frau nicht kochen kann, hast du dir auf dem Heimweg gerade noch schnell einen Şiş Dürüm bei deinem alten Revoluzzer-Kumpel Serkan Amca reingezogen. Auch er ist wieder zurück. Nach der Sache mit Merve Teyze hat er in deiner Nachbarschaft einen neuen Mevlana-Grill aufgemacht.
Du gehst vorbei an den Mantı in der Mikrowelle, du siehst, im Schlafzimmer brennt noch Licht, du lockerst deine Krawatte, ein Kuss auf die grün vercremte Stirn deiner Frau, vielleicht ein schneller Dialog: »Weck ihn nicht.« – »Keine Sorge.« Dann zurück in den Flur, der Holzboden knarrt unter deinen Füßen. (Schwarze Socken. Nach dem Knast hast du dir erst mal eine ganze Schublade davon zugelegt. So geht ein geordnetes Leben los.) Du öffnest die Tür am Ende des Flurs einen Spalt. Ein Lichtstreifen fällt auf einen schwarzen, wuscheligen Kopf am Ende des Bettes, darüber das Fenster. Du setzt einen Fuß auf den Teppich, einer von diesen mit Straßen und Parks und so. Pass auf, dass du im Dunkeln nicht auf einem Auto ausrutschst und dir das Genick brichst, Metin. Du setzt dich an die Bettkante deines jüngsten Sohnes, legst eine Hand auf die Decke und die andere streichelt seine Finger. Du bildest dir ein, er würde im Schlaf spüren, dass du da bist. Selbst wenn heute Nacht wieder ein Militärputsch stattfindet, selbst wenn sie morgen kommen, um dich abzuholen, selbst wenn in diesem Moment ein Freund des Mannes, den du getötet hast, durch das Fenster des Kinderzimmers einbricht, um seinen Kameraden von damals zu rächen: Du bist bei deinem Sohn. Und während du das denkst, hörst du ihn leise atmen, siehst draußen die Minarette hinter den im Wind raschelnden Baumkronen, Mond, Sterne, alles da.
So steht das Bild in meiner Vorstellung einen Moment lang still, als wäre es die letzte Seite eines Kinderbuchs, das wir nie gelesen haben. Aber weißt du, was dann passiert? Du schaust vom Nachthimmel zu den geschlossenen Augen deines Sohnes, seinem schmalen Mund, der Kindernase und ganz kurz, nur für eine Millisekunde, denkst du an uns.
Und plötzlich stehen da zwei Silhouetten im Raum, zwei Schattenkinder, die dich anschauen – stumm, barfuß, Aylin neben mir, einen Arm um mich gelegt. Du erkennst unsere Gesichter nicht, aber du weißt, dass wir es sind und dich schon die ganze Zeit beobachten. Du stehst auf, gehst an uns vorbei, legst dich neben deine zweite Frau. »Schatz, alles gut?« – »Ja, bin nur müde.« Du schaltest das Licht aus, und wenn dein Sohn morgen früh aufwacht, wird ihm auffallen, dass ich nachts alle Autos auf dem Teppich umgeparkt habe.
Metin, ich würde das hier gar nicht schreiben, wenn ich glaubte, du wärst einer dieser Arschloch-Väter. Ehrlich gesagt, auch das stelle ich mir manchmal vor: wie du die Tür hinter dir zuknallst, deine Frau im Streit mit den Kindern findest und du allen erst mal einen Bitch Slap verpasst, damit Stille eintritt. So, wie es dein Genosse Serkan Amca immer mit Merve Teyze getan hat. Danach setzt du dich genervt auf die Couch oder brichst über einem Tisch voller Rechnungen zusammen, und während die ganze Familie stumm ist vor Angst oder alle sich anschreien und weinen, fragst du dich, wie zum Teufel du ein zweites Mal in diese Situation geraten konntest. Und dann hebst du den Kopf und: Da bin ich wieder. Ich sitze neben dir auf der Couch und zappe durch alle Fernsehkanäle, während du durchdrehst.
Und es gibt eben noch ein drittes Szenario, das ich mir manchmal vorstelle: Du bist tot. Keine Ahnung warum, vielleicht weil ein Rechter durch das Fenster in deine inzwischen heile Welt gestiegen ist und dich aus Rache abgeknallt hat, vielleicht weil deine verbitterte zweite Frau rauchend zusah, wie du beim Frühstück langsam an einer Olive erstickt bist, vielleicht auch, weil du in deinen letzten Tagen einfach sabbernd und dement abgetreten bist. (Wie alt bist du jetzt eigentlich?) Jedenfalls bist du gestorben und ich komme auf deine Beerdigung, die in einem feierlich geschmückten Festsaal stattfindet. (Ich weiß, Beerdigungen in der Türkei sehen anders aus, aber in meinem Kopf ist es trotzdem so.) Ich kreuze also in einem – sagen wir – weißen Leinenanzug auf, stehe mit einem Blumenstrauß in der Hand vor deinem Sarg und stelle erleichtert fest, dass du keine Glatze hattest, die du mir vererbt haben könntest. Die anderen im Saal fragen sich: »Wer zum Teufel ist der Junge?« Nur dem einen oder anderen Genossen von früher – Serkan Amca ist auch wieder da – wird klar: »Scheiße, das ist der Junge!«
Ich würde an das Rednerpult schreiten und zu deinem Sarg sprechen. Worüber? Wer weiß das schon, Metin? Ich würde mich nicht trauen, eine Papa-wo-warst-du-Nummer anzufangen. Aber ich würde fragen, was die Gründe dafür waren, dass du es in Deutschland nicht mehr ausgehalten hast. Warum du freiwillig in die Türkei zurückgegangen bist, obwohl du wusstest, dass sie dich am Flughafen mit Handschellen begrüßen und einsperren würden. Ich würde wissen wollen, ob du wirklich einen Menschen umgebracht hast, um deinen Bruder zu rächen. Ob du einfach abgedrückt hast, mit den anderen ins Auto gesprungen und abgehauen bist. Ich würde fragen, ob du dich an sein Gesicht, seinen Namen, seine Angst erinnern kannst. Ob dich die Seele des von dir Getöteten heimsucht oder ihr euch gerade umarmt, jetzt, wo du auch tot bist. Ich würde wissen wollen, ob ich der Sohn eines überzeugten Revolutionärs, Freiheitskämpfers, Guerilleros (wie habt ihr euch eigentlich bezeichnet?) bin oder ob du da mehr so reingerutscht bist, weil du einfach deinem großen Bruder nacheifertest und irgendwann nicht mehr aussteigen konntest. Ob du zwar ein linkes, aber trotzdem nationalistisches Arschloch warst, das auf dem Nachttisch nicht nur das Bild seiner Tochter, sondern auch das von Mustafa Kemal stehen hatte.
Ach, keine Ahnung, Metin, vielleicht würde ich auch einfach nur wissen wollen, wie du meine Mutter in dieser Bar aufgerissen hast und sie später die Anklageschrift für dein Asylverfahren ins Deutsche übersetzte. Entscheidend an dem ganzen Setting ist: Ich bekomme keine Antwort, weil du tot bist. Und nicht, weil du dich einfach nicht für mich interessierst.
Die Chance, dass ich das Telefon in die Hand nehme und dich anrufe, was das Einfachste und zugleich Unmöglichste der Welt ist, und du wieder auflegst, nachdem wir einen unbedeutenden Small Talk geführt haben, diese Möglichkeit gibt es dann nicht mehr. Und selbst wenn du nicht auflegst und wir uns wirklich verabreden würden – sagen wir in einem Kahvehane, sozusagen auf neutralem Boden –, könnte es immer noch sein, dass du dich auf den Stuhl vor mir setzt, zwischen uns zwei Gläser Çay, dass du all meine Fragen beantwortest, mal herumdrucksend, mal nach Worten suchend, aber sagen wir, du würdest antworten, weil du wüsstest: Ich hab nach all den Jahren ein Recht darauf. Nur wenn ich dann durch bin mit meinen Fragen, könnte es immer noch sein, dass du mich im Gegenzug nichts zurückfragst. Gar nichts. Du wartest im schlimmsten Fall einfach, bis der Çay zwischen uns kalt geworden ist, und dann verabschiedest du dich und gehst. Verstehst du, was ich meine? Scheiß auf deine ehrlichen oder gelogenen Antworten. Viel schlimmer wäre es, dass du nichts von mir wissen wolltest. Tote hingegen sind stumm und können einen nicht anschweigen. Du könntest mich nicht ignorieren. Ich würde von selbst erzählen müssen, weil es keinen Sinn mehr hätte, darauf zu warten, von dir darum gebeten zu werden.
Aber jetzt ist es andersherum. Nicht du stirbst, sondern ich. Ich liege gerade auf der Intensivstation. Organversagen. Meine Leber hat beschlossen, nicht mehr mitzumachen. Das ist keine Metapher in einem Bildungsroman für Kanaken oder so. Es lässt sich ganz nüchtern und wissenschaftlich beschreiben: Autoimmunhepatitis. Mein Immunsystem reagiert über, nimmt mich selbst als Fremdkörper wahr und greift die Organe an. Sie geben mir Kortison, in der Hoffnung, dass mein Immunsystem sich von selbst wieder beruhigt. Es klingt kompliziert, ist im Grunde aber ganz simpel: Ich liege hier und warte und aus meinem Hals ragen lauter Schläuche, weshalb ich den Kopf kaum drehen kann, ohne einen stechenden Schmerz bis in die Wirbelsäule zu spüren. Mein rechter Arm ist übersät mit blauen Punkten, Einstichen, so vielen, wie Mama Narben an ihren Beinen hat. Es sind die Zeichen der täglichen Blutabnahme: Jeder Punkt bedeutet neue Blutwerte und damit die Prognose, wie viele Tage mir noch bleiben. Die Werte liegen ausgedruckt neben mir auf der Fensterbank, der Stapel wird von Woche zu Woche größer. Ich übertrage die Daten jeden Abend akribisch in Tabellen auf meinem Laptop: GGT, GOT, GPT. Die Abkürzungen hier im Krankenhaus sind komplizierter als alles, was ich im Ausländeramt kennengelernt habe. Ich dokumentiere mein Verschwinden, und wenn ich mir abends die bunten Graphen anschaue, weil ich vor Angst nicht schlafen kann, bilde ich mir ein, zu verstehen, worauf es hinausläuft.
Auf dem Tischchen neben meinem Bett liegt ein Notizblock, alle Seiten voll mit: »Mein Name ist Arda Kaya, und es geht mir gut.« Die Ärzte sagen, ich solle jeden Tag denselben Satz schreiben. Angeblich lässt sich anhand meiner Handschrift ablesen, wie stark sich die Giftstoffe, die meine Leber normalerweise filtern würde, in meinem Gehirn abgelagert haben und ob die Schäden schon irreparabel sind. Ich selbst kann an den blauen Schriftzeichen überhaupt keine Veränderung erkennen, außer dass ich mich von Satz zu Satz, von Tag zu Tag weniger anstrenge und die Hoffnung aus den Buchstaben schwindet.
Morgens bricht zur Visite manchmal eine ganze Brigade von Kitteln herein: Oberärzte, Stationsärzte, Chefärzte, Assistenzärzte, Studis im Praktischen Jahr. Die Ranghöchsten weisen mit einer Geste auf mich, als würden sie mit der Hand ein paar Nüsse abwiegen, während die weniger Wichtigen nicken und sich Notizen machen. Sie erklären mir wenig. Sie sprechen meistens gar nicht mit mir. Auch das erinnert mich ans Ausländeramt, wo der für uns zuständige Beamte immer in der dritten Person über uns hinweg gesprochen hat. Er sagte, in Deutschland brauche jeder dieses oder jenes Dokument, und wir durften uns dann selbst darunter subsumieren, wie man so schön sagt. Ähnlich monologisch wird einem auch hier der weitere Verlauf der eigenen Existenz mitgeteilt. Zwischendurch prüfen sie mich höchstens: Sie fragen, ob ich noch sagen kann, wie ich heiße, in welchem Jahr wir leben, wann mein Geburtstag ist. Ein paar Mal habe ich so getan, als wüsste ich es nicht, um ihre Reaktion zu testen. Es gab keine. Einmal zogen die Kittel anerkennend die Augenbrauen hoch, als ich ihnen erst mein Geburtsdatum nannte und dann dazu erklärte, dass meine Geburtsurkunde lange das einzige Ausweisdokument war, das ich hatte. Warum, interessierte sie nicht. Aber die Tatsache, dass mein Gehirn noch in der Lage ist, sich daran zu erinnern, schon. Trotzdem würde ich jedem von ihnen die Hand küssen, sollten sie es doch noch hinkriegen, dass ich dieses Zimmer nicht mit den Füßen voran verlasse.
Als ich erfuhr, dass ich ins Krankenhaus muss, bin ich sofort zurück nach Hause gefahren. Vielleicht bin ich wie diese Fische, ich glaube es sind Lachse, die sich irgendwann gegen den Strom auf den Weg machen, zum Ort ihrer Geburt schwimmen und dort sterben. Das Gute daran ist, dass Aylin und Mama mich besuchen können, und weil es in diesem beschissenen Krankenhauszimmer nichts zu tun gibt, haben sie keine andere Wahl, als auf meine Fragen zu antworten und endlich mit mir zu reden. Allerdings reden sie nur mit mir. Aylin und Mama haben seit über zehn Jahren kein Wort miteinander gewechselt. Sie achten darauf, mich zu unterschiedlichen Zeiten zu besuchen, damit sie nicht gemeinsam in einem Raum sitzen und dieselbe Luft atmen müssen, weil sonst wahrscheinlich eine von ihnen nach einer herumliegenden Gabel greifen und sie der anderen in den Hals jagen würde. Wenn sie nach den Besuchen mein Zimmer verlassen, frage ich mich manchmal, ob sie das Gleiche denken wie ich: dass sie bald nur noch einander als Familie haben, es sei denn, irgendeine der Therapien schafft es, mein Immunsystem davon zu überzeugen, dass ich doch ich bin.
Mit anderen Worten: Unsere Zeit rennt, Metin, mit jeder Zeile.
Hast du dir auch schon mal vorgestellt, dass ich tot bin? Du weißt natürlich nicht, dass ich jetzt gerade hier liege. Nur für den Fall also, dass du nächstes Jahr wider Erwarten auf die Idee kommen solltest, den Hörer doch noch in die Hand zu nehmen oder vor meiner Tür aufzutauchen, nur um dann festzustellen, dass du leider zu spät bist, werde ich es dir hier aufschreiben. Du sollst wissen, wer ich gewesen bin. Damit du niemals die Erleichterung fühlst, von der ich so oft heimlich träumte: von einem Toten angeschwiegen zu werden. Ich möchte dir für immer die Möglichkeit nehmen, nicht zu wissen, wer ich war. Du sollst erfahren, wie es deiner Familie in Deutschland ging, wie im letzten Sommer meiner Jugend alle meine Freunde verschwunden sind und wie auch ich versuchte, vor mir selbst zu fliehen. Du sollst wissen, wie stark es regnete an dem Tag, als Aylin von zu Hause wegrannte, wie sie »Tut mir leid« in mein Ohr flüsterte, die Wohnungstür hinter sich offen ließ und nie mehr zurückkam. Du sollst wissen, wie auch dein Schatten mich hier verfolgt hat, wenn dein alter Freund Serkan Amca mir auf die Schulter klopfte und sagte, ich würde irgendwann werden wie du. Held einer gescheiterten Revolution.
Ich werde diese Geschichten aufschreiben, dir und meinen beiden Halbbrüdern. Damit sie wissen, dass sie noch einen Bruder und auch eine Schwester hatten, damit sie erfahren, wem ihr Vater nie Vater war, damit sie schätzen lernen, wie viel Zeit und Liebe sie von dir bekommen.
Fast so schwierig, wie »Papa« zu sagen, ist es für mich hier, »ich« zu sagen. »Papa« klingt ausgesprochen falsch, »ich« löst schon vorher ein Stocken, einen Muskelkrampf in der Zunge aus. Ich werde es trotzdem tun. Auch wenn dieses »ich« immer ein anderer war. Ich werde von mir erzählen, Metin, aber ich werde permanent lügen. Nichts stimmt, und doch ist jedes Wort wahr.
Auf dem einzigen Foto, das ich von dir habe, trägst du eine dicke goldene Brille über dem Schnauzer und unter dem linken Auge, zwischen Bart und Brillenbügel, sitzt ein Leberfleck. Du bist versunken in einer Ledercouch, hast eine Kippe im Mundwinkel und Aylin auf dem Schoß. Sie lacht, kitzelt dich, während du versuchst, mit Serkan Amca, der dir gegenübersitzt, Ellibir zu spielen. Mama ist nicht auf dem Foto, wahrscheinlich war sie es, die aufgestanden ist, ihren Kugelbauch in die Ecke des engen Zimmers geschoben und das Foto geschossen hat. Anders als Serkan Amca, der entspannt lächelt, ignorierst du die Kamera. Oder tust zumindest so. Trotz der Brille hältst du dir die Karten direkt vor die Nase. Du wolltest nicht, dass dein Gesicht erkennbar ist, nicht wahr? Vielleicht wolltest du nicht fotografiert werden beim Spielen, nicht mal beim Kartenspielen mit deinem alten Freund. Vielleicht war dir aber in dem Moment auch schon klar, dass du weg sein wirst, noch bevor der Film entwickelt ist, und du wusstest nicht, welchen Blick du mir hinterlassen solltest. So wie auch ich dir jetzt kein Foto hinterlassen will. Also beschreibe ich mich: Dein Sohn hatte dicke, schwarze Locken, genau wie seine Schwester. Er hatte eine hohe, klare Stirn, kräftige Augenbrauen, ein bisschen wie der Nike-Swoosh, und darunter die Augen seiner Mutter, nur noch dunkler, fast schon schwarz, tief im Gesicht liegend. Unter dem linken Auge hatte er, wie du, einen schwarzen Fleck. Sein Vatermal. Und er hatte deinen schmalen Mund, deine dünnen Lippen.
Heute Morgen stand ich vor dem Badezimmerspiegel, legte meinen Finger auf diesen Fleck und fragte mich, wie mein Gesicht ohne ihn aussehen würde. Als ich den Finger wegnahm, war der Fleck nicht mehr da. Er klebte an meiner Fingerkuppe. Ich holte tief Luft, schloss die Augen und pustete ihn weg.
»Beeilt euch«, schreit meine Mutter. Als würden wir uns nicht längst beeilen. Wie am Fließband schmieren Aylin und ich eine Stulle nach der anderen, während sie den ganzen Morgen nichts anderes tut, als ihre Zigaretten zu suchen. Aber Aylin und ich sind ein eingespieltes Team. Sie fingert eine Brotscheibe aus der Plastiktüte, drückt sie mit beiden Händen flach, streicht dick Margarine drauf und schmeißt sie über den Tisch, wo sie auf dem Teller vor mir landet. Ich schütte ordentlich Salz drauf, teile sie in der Mitte, klatsche die beiden Hälften aufeinander, und wenn ich sie in Alu gewickelt habe, landet schon die nächste Scheibe auf dem Teller vor mir. Das Brot ist so hart wie der getrocknete Schwamm in der Spüle. Mit Sicherheit werde ich später nichts davon essen. Aber das sage ich jetzt. Wer weiß schon, wie lange es heute dauern wird.
Aylin sitzt mir gegenüber wie ein Zombie. Sie erledigt alle Handgriffe mit geschlossenen Augen, den Kopf auf die Brust gelegt. Allerdings ist sie nicht müde, weil es noch so früh ist, sondern, weil sie einfach immer müde ist. Ihre dunklen Locken hängen bis in die Margarineschale vor ihr und sie trägt immer noch das schwarze Minnie-Maus-Shirt, das sie seit letzter Woche nicht mehr ausgezogen hat, nicht mal zum Schlafen. Wahrscheinlich bildet sie sich ein, der Minnie-Maus ähnlich zu sehen. Was irgendwie stimmt. Aylin hat dieselben großen Augen, lange Wimpern, runde Wangen und sie hatte diese gepunktete Schleife schon, bevor sie das Shirt von Nalan Teyze geschenkt bekommen hat. Aus den Ärmeln ragen ihre Unterarme wie zwei dünne Äste. Sie sind immer noch voll mit dunkelroten Kratzern. Sie hätte mit einer Katze gekämpft, um die Minnie-Maus zu verteidigen, antwortete Aylin, als ich sie das erste Mal fragte, woher sie die Kratzer hat. Als sie auch Tage später noch nicht verheilt waren und ich Aylin noch mal fragte, sagte sie, dass sie mit dem Fahrrad in einen Dornbusch gefallen sei. Wir haben kein Fahrrad, weder sie noch ich, aber ein drittes Mal werde ich nicht fragen.
»Ihr habt meine Zigaretten ganz sicher nicht gesehen, ja?«
Meine Mutter durchsucht im Flur hektisch die Taschen ihrer Jacken am Haken. An ihrer Stimme kann ich hören, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis sie uns verantwortlich machen wird. So läuft das immer. Statt selbst zu suchen, schreit sie so lange rum, bis ich die Zigaretten oder den Schlüssel oder was auch immer aus der Sofaritze ziehe oder hinter der Toilette finde.
»Ah, ich hab schon«, ruft unsere Mutter und Aylin hebt den Blick, nur um kurz mit den Augen zu rollen.
»Seid ihr so weit?«
»Du bist doch selbst noch gar nicht angezogen.«
Aylin steht auf, schlurft zum Kühlschrank, stellt die Margarine zurück und schmeißt die silbernen Alubarren in eine Plastiktüte.
»Doch, doch«, sagt unsere Mutter, während sie versucht, in ihre Jacke zu kommen, ohne die Tasse Kaffee abstellen zu müssen.
»Wenn wir die Ersten sind, geht es ganz schnell.«
Als unsere Mutter es endlich in die Jacke geschafft hat, steht sie vor der Wohnungstür, zündet sich eine Zigarette an und führt hastig im Wechsel die Hand mit der Kaffeetasse und die mit der Zigarette zum Mund. Kaffee und Kippe, jeden Morgen. Ihr K-und-K-Frühstück, so nennt Aylin es. Wenn wir unsere Mutter wecken müssen, weil sie allein immer verschläft und dann nicht pünktlich zum Imbiss kommt, stellen wir ihr eine Tasse Kaffee, eine Schachtel Camel, ein Feuerzeug und ein Glas Wasser auf den Nachttisch. Aylin stupst sie dann vorsichtig an, während ich ihr mit der Fernsehzeitschrift den Kaffee-Dampf zufächere. Sobald unsere Mutter ein gerötetes Auge öffnet, verlassen Aylin und ich das Zimmer, manchmal sogar die Wohnung. Niemand weiß, welche Laune der schlafende Riese haben wird, nachdem er geweckt wurde.
»Das sagst du jedes Mal und es stimmt nie!«
Meine Schwester hat recht. Auch wenn ich mich nicht trauen würde, das zu sagen. Es geht nie schnell, es dauert immer den ganzen Tag.
»Na, mach schon«, sagt meine Mutter und ihr Blick fällt auf Aylins nackte Arme.
»Was? Willst du etwa so rausgehen? Hast du mal aus dem Fenster geschaut?«
»Na und?«
»Na von mir aus, wie du willst. Deine Sache, wenn du krank wirst. Hast du alles?«
Genervt hält Aylin einen braunen Umschlag hoch.
»Dann haydi jetzt. Komm her, Arda, komm schon, Schatz.«
Draußen geht gerade erst die Sonne auf. Selbst der Penner in der Bushalte vor unserer Haustür schläft noch. Bis auf ein paar Autos, die die leere Hauptstraße entlangjagen, ist niemand zu sehen. Nicht dass hier zu anderen Tageszeiten mehr los wäre. In ihren mit Strasssteinchen besetzten Turnschuhen tippelt meine Mutter vorweg. Keine Ahnung, wie jemand mit so kleinen Füßen, nicht größer als zwei Kartoffeln, so schnell laufen kann. Während ich versuche, mit ihr mitzuhalten, höre ich hinter mir Aylin die Plastiktüten über den Bürgersteig schleifen.
»Warum bitten wir nicht einfach jemanden, uns mitzunehmen? Die fahren doch eh alle in die Stadt?«
Die Augen meiner Schwester verfolgen einen schwarzen BMW, der an uns vorbeirast.
»Kannst dich ja mal an den Straßenrand stellen. Mal gucken, ob jemand anhält«, sagt unsere Mutter, ohne nach hinten zu schauen.
Als wir am Ausländeramt ankommen, sind wir nicht die Ersten. Natürlich nicht. Eine lange Schlange von Menschen zieht sich die Stufen des roten Backsteingebäudes hinauf bis vor die Doppelglastür mit dem Adler drauf. Alle haben Tüten, Beutel oder Rucksäcke dabei – wahrscheinlich alle voller Brote mit Margarine und Salz.
»Ich hab ja gesagt, ihr seid zu lahm«, raunzt unsere Mutter, wirft dabei aber nur meiner Schwester einen bösen Blick zu. Als würde sie sich an die Arbeit machen, krempelt sie die Ärmel hoch und stiefelt auf die Schlange zu, doch da teilt sich der Adler schon in der Mitte und alle strömen hinein.
Im Eingangsbereich spuckt die Maschine den Zettel mit der Nummer aus und mit den anderen betreten wir den längsten grün gefliesten Flur der Welt, an dessen Ende eine rote Leuchttafel mit kleinen, blinkenden Zahlen hängt. An dieser Tafel werden unsere Augen von nun an kleben.
»Otur oraya«, sagt meine Mutter so leise, dass ich es kaum hören kann. Mit den Augen weist sie auf den Stuhl gegenüber von sich. Aber es geht nicht wirklich um den Stuhl. Sie will mir klarmachen, dass wir ab jetzt nur noch leise und Türkisch sprechen sollen. Keine Ahnung, warum. Dass wir flüstern, leuchtet mir ja irgendwie noch ein, weil jeder Schritt und jedes Wort durch den gesamten Gang hallen. Aber aus irgendeinem Grund gehört es zu den geheimen Regeln von stillen Räumen, dass wir hier ausschließlich Türkisch sprechen. Wahrscheinlich passen wir uns einfach an. Wahrscheinlich muss man sich im Ausländeramt auch benehmen wie Ausländer. Und in Arztpraxen und beim Arbeitsamt ist es genauso.
»Sind es die Fensterrahmen?«
»Nein.«
»Sind es die Holzstühle?«
»Nein.«
»Ist es das Braun in den Sonnenblumen?«
»Nein«
»Ich hab keine Lust mehr.«
»Komm schon!«
»Arda, hier gibt’s aber nur Fensterrahmen, Holzstühle und Sonnenblumenbilder! Und Fliesen, aber die sind nicht braun, sondern grün!«
»Stimmt nicht.«
»Doch!«
»Es ist das Knie von dem da vorne.«
Mit den Augen deute ich auf einen Mann am Ende des Flurs, der ein Bein von sich gestreckt hat. Als meine Schwester die eitrige Wunde an seinem Knie entdeckt und sich ekelt, muss ich lachen.