Venus im Pelz - Leopold von Sacher-Masoch - E-Book

Venus im Pelz E-Book

Leopold von Sacher-Masoch

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Beschreibung

In "Venus im Pelz" erforscht Leopold von Sacher-Masoch die komplexen Dynamiken von Macht und Begehren in einer Welt, in der die Geschlechterrollen auf faszinierende Weise verwoben sind. Der Roman, geschrieben in einem ergreifenden und sinnlichen Stil, präsentiert die leidenschaftliche Beziehung zwischen dem Protagonisten Severin und der mysteriösen Wanda. Mit seinen spitzen psychologischen Einblicken und einer tiefen Auseinandersetzung mit Lust und Unterwerfung stellt Sacher-Masoch nicht nur die gesellschaftlichen Normen seiner Zeit in Frage, sondern setzt auch neue Maßstäbe für die literarische Darstellung von Sexualität und Identität im 19. Jahrhundert. Leopold von Sacher-Masoch, ein prominenter Vertreter des Wiener Bürgertums, war bekannt für seine unkonventionellen Ansichten über Liebe und Sexualität. In einer Zeit, in der die gesellschaftlichen Konventionen starr waren, wagte er, den Tabus seiner Epoche zu trotzen. Sein eigenes Leben, geprägt von leidenschaftlichen Beziehungen und Erfahrungen mit Dominanz und Unterwerfung, spiegelt sich deutlich in seinem Werk und trägt zur Authentizität dieser komplexen Erzählung bei. "Venus im Pelz" ist nicht nur ein Frevelbuch, sondern auch eine tiefgehende Reflexion über die menschliche Natur und die nuancierten Strömungen der Liebe. Es lädt den Leser ein, sich auf eine geduldige Entfaltung von Gefühlen und Machtspielchen einzulassen. Die eindringlichen Charaktere und die fesselnde Handlung machen es zu einem unverzichtbaren Klassiker, der sowohl in literarischen als auch in psychologischen Diskursen von Bedeutung ist. In dieser bereicherten Ausgabe haben wir mit großer Sorgfalt zusätzlichen Mehrwert für Ihr Leseerlebnis geschaffen: - Eine prägnante Einführung verortet die zeitlose Anziehungskraft und Themen des Werkes. - Die Synopsis skizziert die Haupthandlung und hebt wichtige Entwicklungen hervor, ohne entscheidende Wendungen zu verraten. - Ein ausführlicher historischer Kontext versetzt Sie in die Ereignisse und Einflüsse der Epoche, die das Schreiben geprägt haben. - Eine gründliche Analyse seziert Symbole, Motive und Charakterentwicklungen, um tiefere Bedeutungen offenzulegen. - Reflexionsfragen laden Sie dazu ein, sich persönlich mit den Botschaften des Werkes auseinanderzusetzen und sie mit dem modernen Leben in Verbindung zu bringen. - Sorgfältig ausgewählte unvergessliche Zitate heben Momente literarischer Brillanz hervor. - Interaktive Fußnoten erklären ungewöhnliche Referenzen, historische Anspielungen und veraltete Ausdrücke für eine mühelose, besser informierte Lektüre.

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Veröffentlichungsjahr: 2023

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Leopold von Sacher-Masoch

Venus im Pelz

Bereicherte Ausgabe. Ein Erotik und BDSM Klassiker
In dieser bereicherten Ausgabe haben wir mit großer Sorgfalt zusätzlichen Mehrwert für Ihr Leseerlebnis geschaffen
Bearbeitet und veröffentlicht von Good Press, 2023
EAN 8596547676058

Inhaltsverzeichnis

Einführung
Synopsis
Historischer Kontext
Venus im Pelz
Analyse
Reflexion
Unvergessliche Zitate
Notizen

Einführung

Inhaltsverzeichnis

Zwischen Begehren und Beherrschung, zwischen der Sehnsucht, zu verschwinden im Willen des Anderen, und dem Drang, das Spiel der Liebe zu ordnen, entfaltet Venus im Pelz die paradoxe Dynamik einer Beziehung, die ihre Wahrheit durch Inszenierung, Vertrag und Maske sucht und dabei die dünne Haut zwischen Ästhetik, sozialer Rolle und existenzieller Bindung vibrieren lässt, sodass jede Berührung zur Frage nach Freiheit, jede Geste zur Verhandlung von Macht, jede Szene zum Spiegel einer Zeit wird, in der Gefühle durch Rituale geformt, Identitäten durch Bilder entworfen und Grenzen durch Einverständnis zugleich gezogen und verschoben werden.

Leopold von Sacher-Masochs Venus im Pelz gehört zur psychologischen Erzählprosa des 19. Jahrhunderts und wird häufig als Schlüsseltext der erotischen Literatur gelesen, ohne sich im Voyeuristischen zu erschöpfen. Die Handlung ist im mitteleuropäischen Milieu der späten Habsburgerzeit verankert, in aristokratischen Kreisen und auf Reisen, wo gesellschaftliche Formen und private Begierden eng aufeinandertreffen. Erstmals 1870 veröffentlicht, erschien das Werk innerhalb des mehrbändigen Zyklus Das Vermächtnis Kains im Teilband über die Liebe. Seine kulturgeschichtliche Resonanz ist erheblich: Der später geprägte Begriff des Masochismus leitet sich vom Namen des Autors ab, was die anhaltende Wirkung auf Sprache und Debatte markiert.

Die Ausgangssituation ist bewusst schlicht und zugleich programmatisch: Eine erzählerische Rahmung führt in das Bekenntnis eines gebildeten Mannes, dessen Vorstellung von Liebe untrennbar an das Bild einer pelzgekleideten Venus gebunden ist. Aus dieser ästhetischen Initialzündung erwächst die Begegnung mit einer Frau, die den Reiz souveräner Anziehung verkörpert und bereit ist, das Zusammenspiel von Hingabe und Steuerung in klaren Rollen zu erproben. Was folgt, ist kein Abenteuergarn, sondern die protokollartige Erkundung eines Arrangements, das beide Seiten definiert, benennt und ritualisiert. Die innere Bewegung entsteht weniger aus äußeren Wendungen als aus der präzisen, selbstanalytischen Beobachtung der Beteiligten.

Sacher-Masochs Erzählstimme verbindet die Unmittelbarkeit eines Ich-Berichts mit der Distanz eines beobachtenden Analytikers; der Ton bleibt beherrscht, bisweilen ironisch, stets gesetzmäßig in der Wortwahl. Die Prosa ist glatt und präzise, reich an kulturhistorischen Verweisen, aber frei von barocker Überfülle; sie komponiert Szenen wie Tableaus und lässt aus Dialog, Geste und Requisit psychologische Tiefe entstehen. Der Rhythmus ist gemessen, die Sätze tragen die Last der Reflexion, ohne den Fluss zu unterbrechen. So entsteht ein Leseerlebnis, das weniger auf äußerer Sensation als auf innerer Spannung beruht und die Leserinnen und Leser in eine disziplinierte Intimität versetzt.

Zentrale Themen kreisen um Macht und Ohnmacht, um das Verhandeln von Rollen, um die Frage, wie Bilder Begehren formen und wie Rituale Bindung erzeugen. Die Pelze fungieren als Symbol für Schutz, Status und Kälte, zugleich als Oberfläche der Projektion; die antike Venus verweist auf den Dialog zwischen Mythos und moderner Subjektivität. Spürbar ist auch das Interesse an Sprache als Vertrag: Namen, Titel und Anreden strukturieren das Miteinander, machen Wünsche sagbar und Grenzen sichtbar. Damit rückt das Buch die Konstruktion von Geschlecht, die Theatralität sozialer Erwartungen und die Ethik des Einverständnisses ins Zentrum einer präzisen psychologischen Studie.

Für heutige Leserinnen und Leser bleibt Venus im Pelz relevant, weil es den Austausch von Macht in Liebesbeziehungen nicht moralisierend, sondern strukturanalytisch sichtbar macht. Das Buch antizipiert Debatten über Einvernehmlichkeit, Rollenentwürfe und die Gestaltung von Begehren jenseits normativer Skripte, auch wenn seine historische Perspektive deutliche Grenzen und blinde Flecken zeigt. Es lädt dazu ein, die Sprache zu prüfen, mit der Intimität organisiert wird, und die Differenz zwischen romantischer Fantasie und gelebter Praxis zu bedenken. Zugleich wirkt es als Kulturreferenz fort: vom medizinisch-psychiatrischen Diskurs bis zur Popkultur prägt der Name des Autors, was über Masochismus gesagt wird.

Wer das Buch heute aufschlägt, findet weniger eine Skandalerzählung als eine feinsinnig komponierte Studie, die Geduld belohnt und im Detail ihre Spannung entfaltet. Die Lektüre ist von dichter Atmosphäre und gedanklicher Präzision getragen; sie fordert ein langsames Mitgehen, um die feinen Verschiebungen von Blick, Sprache und Geste zu bemerken. Gerade weil der Text keine schnellen Sensationen bietet, wirkt er nach: als intellektuelle Herausforderung, als moralisches Prüfstück, als ästhetische Erfahrung. Venus im Pelz konfrontiert mit der Frage, wie wir Liebesverträge – explizit oder unausgesprochen – schließen, und ermutigt dazu, über Freiheit und Verantwortung neu nachzudenken.

Synopsis

Inhaltsverzeichnis

Leopold von Sacher-Masochs Novelle Venus im Pelz erschien 1870 als Teil des Zyklus Das Vermächtnis Kains. Sie beginnt mit einer Rahmenhandlung: Ein Ich-Erzähler schildert eine verstörende Traumvision einer in Pelz gehüllten Venus und diskutiert daraufhin mit einem Freund über Geschlechterrollen, Idealbildungen und Macht in Liebesbeziehungen. Diese Debatte bildet das gedankliche Fundament, bevor der Erzähler ein Manuskript erhält: die Bekenntnisse eines Überempfindlichen von Severin von Kusiemski. Mit diesem Archivfund verschiebt sich der Fokus von abstrakten Überlegungen zu einer persönlichen Fallgeschichte, die das Spannungsfeld von Begehren, Unterordnung und gesellschaftlicher Konvention exemplarisch entfaltet.

Severin stellt sich als gebildeter, wohlhabender Mann aus Galizien vor, dessen Empfindsamkeit ihn zugleich reizbar und reflektiert macht. Er begegnet Wanda von Dunajew, deren Schönheit, Intelligenz und Vorliebe für Pelze seine Fantasie bündelt. In Gesprächen über Mythologie, Natur und Kultur umkreisen beide die Frage, ob Liebe ohne Machtgefälle denkbar sei. Zunehmend wagt Severin, sein paradoxes Begehren auszusprechen: Er möchte Wanda aus freiem Entschluss dienen und ihr Eigentum sein. Wanda schwankt zwischen Faszination und moralischen Bedenken; doch die Idee einer erprobten Rollenordnung erscheint ihr als Experiment, das verborgene Wahrheiten über beide freilegen könnte.

Sie vereinbaren schließlich einen schriftlichen Vertrag, der Wandas Verfügungsgewalt festhält und Severins Unterordnung ritualisiert; er nimmt den Namen Gregor an und akzeptiert Dienste, Abstand und Gehorsam. Um gesellschaftlicher Beobachtung zu entgehen, führen sie das Arrangement auf Reisen fort, vornehmlich in Italien. Der Wechsel in fremde Umgebungen schärft die Inszenierung: Pelze, Salons und Gemälde erzeugen eine symbolische Bühne, vor der Wanda kontrollierte Kälte übt. Anfangs bekräftigt dies Severins Fantasie und Selbstbeschreibung als Freiwilliger. Zugleich wächst die Unsicherheit, ob das Spiel eine Grenze hat, wer sie bestimmt und ob das Dokument reale Macht wirklich zähmen kann.

Mit der Routine vertieft sich die Rollenverteilung. Wanda testet Autorität, gönnt sich Vergnügungen und macht Unterscheidungen zwischen dem öffentlichen Schein und privater Härte. Severin oszilliert zwischen Glück in der Unterwerfung und Eifersucht, sobald Außenkontakte ins Bild treten. Er treibt Wanda zu größerer Strenge an, weil nur Entschiedenheit sein Ideal befeuert, und gefährdet damit zugleich seine Restautonomie. Der Text analysiert die psychologische Spirale von Wunsch und Erziehung: Wie eine Rolle durch Übung zur Natur wird, wie Blicke und Gesten Normen produzieren, und wie die beteiligten Personen ihre Freiheit neu definieren müssen, damit das Einverständnis gültig bleibt.

Ein Wendepunkt entsteht, als ein charismatischer Fremder in den Kreis tritt, dessen Selbstgewissheit und körperliche Präsenz Wanda spürbar beeindrucken. Die sorgsam geregelte Zweierordnung wird von außen gespiegelt und infrage gestellt. Was als fügsam ausgehandeltes Spiel begann, erscheint nun im Licht realer Konkurrenz, sozialer Erwartungen und der Möglichkeit eines nicht vertraglich gebundenen Begehrens. Für Severin verschärft sich die Spannung zwischen Idealisierung und Verletzlichkeit; für Wanda öffnet sich die Frage, ob Autorität als Rolle genügt oder sich an einen lebendigen Gegenpol bindet. Das Machtgefüge kippt merklich, ohne seine endgültige Form schon preiszugeben.

Im Fortgang verdichtet der Bericht seine Reflexionen: Mythologische Bilder, biblische Anspielungen und zeitgenössische Debatten über Erziehung, Ehe und Eigentum werden auf die Liebesbeziehung angewandt. Severin untersucht die Verwechslung von Freiheit mit Hingabe und die Versuchung, Verantwortung hinter einem Vertrag zu verstecken. Wanda wiederum erprobt, inwiefern Rollen Erwartungen erfüllen oder sprengen. Daraus entsteht eine kritische Diagnose von Idealismus und Projektion: Der Kult der schönen, grausamen Frau erweist sich als männliche Konstruktion, die reale Frauen zugleich stärkt und fesselt. Aus dieser Einsicht erwachsen Konsequenzen, die die bisherigen Spielregeln sichtbar an ihre Grenzen führen.

Die Rahmenhandlung greift diesen Erfahrungsbericht auf und lenkt ihn in eine allgemeine Schlussüberlegung über Macht, Geschlecht und Begehren. Ohne eine einfache Lösung zu präsentieren, zeigt das Werk, wie gefährlich und produktiv Idealbilder sein können, wenn sie Beziehungen strukturieren. Zugleich prägte die Novelle nachhaltig den kulturellen Wortschatz: Der später in der Psychopathologie aufgegriffene Begriff des Masochismus leitet sich vom Namen des Autors ab und ist eng mit diesem Werk verbunden. Venus im Pelz bleibt damit weniger eine Skandalgeschichte als ein präzises Gedankenexperiment über Konsens, Projektion und Rollenbewusstsein, dessen ambivalente Einsichten über intime Ordnungen weit über seinen Entstehungskontext hinaus nachwirken.

Historischer Kontext

Inhaltsverzeichnis

Venus im Pelz erschien 1870 im Zyklus Das Vermächtnis Kains (Teil Die Liebe). Der Autor Leopold von Sacher-Masoch, 1836 in Lemberg im Kaisertum Österreich geboren, wirkte zeitweise als Privatdozent für Geschichte in Graz und schrieb auf Deutsch. Entstanden ist das Werk im Umfeld der Habsburgermonarchie, deren zentrale Institutionen – Monarchie, katholische Kirche, Universitäten, Verwaltung und Buchhandel – das kulturelle Leben prägten. Wien und Leipzig waren wichtige Buchmärkte; zugleich wirkten Provinzstädte wie Lemberg als multikulturelle Resonanzräume. Die Veröffentlichung fiel in eine Phase liberalisierter Pressegesetze und wachsender Leserschaft, getragen von bürgerlichen Lesevereinen, Zeitungen und internationalen Verlagsnetzen.

Die deutschsprachige Literatur der 1860er und 1870er Jahre bewegte sich zwischen poetischem Realismus und Tendenzen zur späteren Décadence. Novellen und Romanzüge wurden häufig zyklisch konzipiert und teils im Feuilleton verbreitet. Sacher-Masochs Ansatz, antike Mythologie mit moderner Lebenswelt zu verschränken, entspricht einer breiten historistischen Kultur, die klassische Stoffe neu rahmte und in Museen wie in gedruckten Bildern präsent hielt. Im Text werden Venus-Darstellungen der venezianischen Renaissance ausdrücklich heraufbeschworen; der Rekurs auf Tizians Bildwelt war im 19. Jahrhundert durch Sammlungen, Reproduktionen und Kunstreisen weithin vertraut. Diese ästhetische Rahmung verankert das Werk im gelehrten und populären Bildgedächtnis seiner Zeit.

Die politische und rechtliche Umgebung nach 1848 und dem Ausgleich von 1867 prägte Öffentlichkeit und Privatleben. In Cisleithanien sicherten Staatsgrundgesetze von 1867 bürgerliche Grundrechte; das österreichische Pressegesetz von 1862 hatte bereits Zensurbarrieren abgebaut. Gleichzeitig strukturierte das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch (ABGB) Ehe-, Familien- und Vertragsverhältnisse. Die in der Erzählung thematisierte, freiwillig vereinbarte Unterordnung zwischen Erwachsenen (Spoiler inhaltlich minimal) steht neben zeitgenössischen Debatten über Vertragsfreiheit und bürgerliche Selbstbestimmung. Dass solche Themen offen verhandelt werden konnten, hing mit der relativ liberalen Presseordnung und der Ausweitung der publizistischen Foren zusammen, die moralische, juristische und literarische Fragen öffentlich diskutierbar machten.

Im deutschsprachigen Raum wurden in den 1860er und frühen 1870er Jahren Geschlechterrollen breit verhandelt. 1865 gründete sich in Leipzig der Allgemeine Deutsche Frauenverein; in Wien initiierte Marianne Hainisch 1870 die organisierte österreichische Frauenbewegung. Streitpunkte betrafen Bildung, Erwerbsarbeit und das Eherecht. Venus im Pelz spiegelt diese Diskurse, indem es die Asymmetrien bürgerlicher Geschlechternormen sichtbar macht und Machtbeziehungen innerhalb intimer Arrangements thematisiert, ohne die juristischen Rahmenbedingungen zu ignorieren. Der Text verweist zugleich auf die kulturelle Autorität klassischer Ideale von Weiblichkeit und auf deren Instrumentalisierung. So wird deutlich, wie ästhetische, soziale und rechtliche Modelle zusammenwirkten und Erwartungen an Verhalten, Moral und Status strukturierten.

Parallel entwickelte sich eine medizinisch-psychiatrische Wissenskultur, die Sexualität systematisch klassifizierte. In Wien und anderen Zentren etablierten sich forensische Psychiatrie und Neurologie als akademische Fächer. 1886 prägte der Psychiater Richard von Krafft-Ebing in Psychopathia sexualis den Begriff Masochismus, ausdrücklich nach Sacher-Masoch benannt, und verwies auf literarische Beispiele. Seither wurde Venus im Pelz mehrfach in sexologischen und kulturwissenschaftlichen Debatten zitiert. Diese Rezeption zeigt, wie ein literarischer Text Quellenstatus für entstehende Disziplinen gewinnen konnte, während zugleich bürgerliche Moralvorstellungen herausgefordert und wissenschaftlich neu gerahmt wurden. Die Verschränkung von Literatur, Medizin und Recht blieb ein Kennzeichen der späten Jahrhundertwende.

Ökonomisch und kulturell prägte die Gründerzeit die Epoche: urbaner Ausbau, Spekulationsboom bis zum Börsenkrach 1873 und eine ausgreifende Konsumkultur. Die Ringstraßenmoderne in Wien, Salonkultur, Kaffeehäuser und Leihbibliotheken förderten eine lesefreudige Öffentlichkeit. Luxusgüter wie Pelz fungierten als sichtbare Zeichen sozialen Status’, was der Symbolik des Textes Resonanz verlieh. Reiseverkehr und Eisenbahnen verbanden Kunstzentren, Sammlungen und Märkte, wodurch Motive, Moden und Bücher rasch zirkulierten. Diese Infrastruktur begünstigte die europaweite Verbreitung auch kontroverser Stoffe und schuf Foren, in denen ästhetische Grenzgänge zwischen Erotischem, Moralischem und Rechtlichem erörtert werden konnten. Verlage experimentierten mit Auflagen, Preisen und illustrierten Ausgaben.

Sacher-Masochs Herkunft aus dem vielsprachigen Galizien und seine publizistische Tätigkeit machten ihn mit imperialen Peripherien ebenso vertraut wie mit zentralen Kulturmetropolen. Seine Werke greifen häufig ostmitteleuropäische Stoffe auf; zugleich verlegt Venus im Pelz zentrale Szenen nach Mitteleuropa und Italien und stellt Bezüge zur venezianischen Kunst her. Diese geographische Spannweite entspricht transnationalen Netzwerken der Habsburgermonarchie und des deutschen Buchmarkts. Die Figuren bewegen sich zwischen aristokratischen und bürgerlichen Milieus, was die Durchlässigkeiten und Brüche der Ständegesellschaft zeigt. Der Text nutzt damit reale Mobilitätsräume und kulturelle Transferwege der Zeit als plausiblen Hintergrund für seine Konstellationen.

Insgesamt fungiert Venus im Pelz als zeitgenössischer Kommentar zur Moderne des späten 19. Jahrhunderts: Es verknüpft klassische Ikonographie, bürgerliche Rechtsformen und Debatten um Geschlecht zu einer präzisen Beobachtung sozialer Ordnungen. Die 1870 einsetzende Rezeption und die spätere Prägung des Begriffs Masochismus verankerten das Werk in Diskursen, die weit über Literatur hinausreichten. Übersetzungen und Neuauflagen machten es international bekannt. Als literarisches Dokument beleuchtet es die Reibung zwischen normativer Moral, individueller Autonomie und wissenschaftlicher Klassifikation – ein Spannungsfeld, das die Epoche von Liberalisierung und Disziplinierung gleichermaßen charakterisiert. Zugleich bleibt die antike Bildsprache ein Prüfstein moderner Identitätsentwürfe.

Venus im Pelz

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Inhaltsverzeichnis

Ich hatte liebenswürdige Gesellschaft[1q].

Mir gegenüber an dem massiven Renaissancekamin saß Venus, aber nicht etwa eine Dame der Halbwelt, die unter diesem Namen Krieg führte gegen das feindliche Geschlecht, gleich Mademoiselle Cleopatra, sondern die wahrhafte Liebesgöttin.

Sie saß im Fauteuil und hatte ein prasselndes Feuer angefacht, dessen Widerschein in roten Flammen ihr bleiches Antlitz mit den weißen Augen leckte und von Zeit zu Zeit ihre Füße, wenn sie dieselben zu wärmen suchte.

Ihr Kopf war wunderbar trotz der toten Steinaugen, aber das war auch alles, was ich von ihr sah. Die Hehre hatte ihren Marmorleib in einen großen Pelz gewickelt und sich zitternd wie eine Katze zusammengerollt.

»Ich begreife nicht, gnädige Frau«, rief ich, »es ist doch wahrhaftig nicht mehr kalt, wir haben seit zwei Wochen das herrlichste Frühjahr. Sie sind offenbar nervös.«

»Ich danke für euer Frühjahr«, sprach sie mit tiefer steinerner Stimme und nieste gleich darnach himmlisch, und zwar zweimal rasch nacheinander; »da kann ich es wahrhaftig nicht aushalten, und ich fange an zu verstehen —«

»Was, meine Gnädige?«

»Ich fange an das Unglaubliche zu glauben, das Unbegreifliche zu begreifen. Ich verstehe auf einmal die germanische Frauentugend und die deutsche Philosophie, und ich erstaune auch nicht mehr, daß ihr im Norden nicht lieben könnt, ja nicht einmal eine Ahnung davon habt, was Liebe ist.«

»Erlauben Sie, Madame«, erwiderte ich aufbrausend, »ich habe Ihnen wahrhaftig keine Ursache gegeben.«

»Nun, Sie —« die Göttliche nieste zum dritten Male und zuckte mit unnachahmlicher Grazie die Achseln, »dafür bin ich auch immer gnädig gegen Sie gewesen und besuche Sie sogar von Zeit zu Zeit, obwohl ich mich jedesmal trotz meines vielen Pelzwerks rasch erkälte. Erinnern Sie sich noch, wie wir uns das erstemal trafen?«

»Wie könnte ich es vergessen«, sagte ich, »Sie hatten damals reiche braune Locken und braune Augen und einen roten Mund, aber ich erkannte Sie doch sogleich an dem Schnitt Ihres Gesichtes und an dieser Marmorblässe — Sie trugen stets eine veilchenblaue Samtjacke mit Fehpelz besetzt.«

»Ja, Sie waren ganz verliebt in diese Toilette, und wie gelehrig Sie waren.«

»Sie haben mich gelehrt, was Liebe ist, Ihr heiterer Gottesdienst ließ mich zwei Jahrtausende vergessen.«

»Und wie beispiellos treu ich Ihnen war!«

»Nun, was die Treue betrifft —«

»Undankbarer!«

»Ich will Ihnen keine Vorwürfe machen. Sie sind zwar ein göttliches Weib, aber doch ein Weib, und in der Liebe grausam wie jedes Weib.«

»Sie nennen grausam«, entgegnete die Liebesgöttin lebhaft, »was eben das Element der Sinnlichkeit, der heiteren Liebe, die Natur des Weibes ist, sich hinzugeben, wo es liebt, und alles zu lieben, was ihm gefällt.«

»Gibt es für den Liebenden etwa eine größere Grausamkeit als die Treulosigkeit der Geliebten?«

»Ach!« — entgegnete sie — »wir sind treu, so lange wir lieben, ihr aber verlangt vom Weibe Treue ohne Liebe, und Hingebung ohne Genuß, wer ist da grausam, das Weib oder der Mann? — Ihr nehmt im Norden die Liebe überhaupt zu wichtig und zu ernst. Ihr sprecht von Pflichten, wo nur vom Vergnügen die Rede sein sollte.«

»Ja, Madame, wir haben dafür auch sehr achtbare und tugendhafte Gefühle und dauerhafte Verhältnisse.«

»Und doch diese ewig rege, ewig ungesättigte Sehnsucht nach dem nackten Heidentum«, fiel Madame ein, »aber jene Liebe, welche die höchste Freude, die göttliche Heiterkeit selbst ist, taugt nicht für euch Modernen, euch Kinder der Reflexion. Sie bringt euch Unheil. Sobald ihr natürlich sein wollt, werdet ihr gemein. Euch erscheint die Natur als etwas Feindseliges, ihr habt aus uns lachenden Göttern Griechenlands Dämonen, aus mir eine Teufelin gemacht. Ihr könnt mich nur bannen und verfluchen oder euch selbst in bacchantischem Wahnsinn vor meinem Altar als Opfer schlachten, und hat einmal einer von euch den Mut gehabt, meinen roten Mund zu küssen, so pilgert er dafür barfuß im Büßerhemd nach Rom und erwartet Blüten von dem dürren Stock, während unter meinem Fuße zu jeder Stunde Rosen, Veilchen und Myrten emporschießen, aber euch bekömmt ihr Duft nicht; bleibt nur in eurem nordischen Nebel und christlichem Weihrauch; laßt uns Heiden unter dem Schutt, unter der Lava ruhen, grabt uns nicht aus, für euch wurde Pompeji[1], für euch wurden unsere Villen, unsere Bäder, unsere Tempel nicht gebaut.

Ihr braucht keine Götter! Uns friert in eurer Welt!« Die schöne Marmordame hustete und zog die dunkeln Zobelfelle um ihre Schultern noch fester zusammen.

»Wir danken für die klassische Lektion«, erwiderte ich, »aber Sie können doch nicht leugnen, daß Mann und Weib in Ihrer heiteren sonnigen Welt ebensogut wie in unserer nebligen, von Natur Feinde sind, daß die Liebe für die kurze Zeit zu einem einzigen Wesen vereint, das nur eines Gedankens, einer Empfindung, eines Willens fähig ist, um sie dann noch mehr zu entzweien, und — nun Sie wissen es besser als ich — wer dann nicht zu unterjochen versteht, wird nur zu rasch den Fuß des anderen auf seinem Nacken fühlen —«