Verblüffendes Körperwissen - Dr. med. Jürgen Brater - E-Book

Verblüffendes Körperwissen E-Book

Dr. med. Jürgen Brater

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Beschreibung

Erstaunliche Phänomene aus der Wunderkammer unseres Körpers Unser Körper besitzt eine Vielzahl verblüffender Fähigkeiten, die uns das Leben tagein, tagaus massiv erleichtern, über die wir uns aber kaum jemals Gedanken machen. So wissen wir auch mit geschlossenen Augen und bei völliger Dunkelheit jederzeit, wo sich unsere Hände und Füße befinden und ob wir gerade stehen, sitzen oder liegen. Wir können im fahrenden Zug lesen, obwohl unser Kopf ständig hin- und herruckelt. Wenn wir ein Medikament schlucken, dürfen wir uns darauf verlassen, dass jedes Milligramm Wirkstoff seinen Zielort erreicht, auch wenn wir gerade ein opulentes Fünf-Gänge-Menü zu uns genommen haben. Fließendem Wasser hören wir mühelos an, ob es heiß oder kalt ist, und unsere Ohren schützen uns automatisch gegen zu viel Lärm. Wir können unsere Muskeln allein durch intensives Denken stärken, und wenn wir die Muskeln der rechten Körperhälfte trainieren, wachsen jene der linken gleich mit. In diesem ebenso lehrreichen wie vergnüglichen Buch beschreibt der Arzt und Autor des Bestsellers »Unnützes Medizinwissen«, Jürgen Brater, rund 80 überraschende Phänomene unseres Körpers. Wir lernen nicht nur, was unsere Zellen und Organe im Geheimen Unglaubliches leisten, sondern lesen auch von neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen aus der Medizin und Forschung. Etwa davon, ob man Fieber am besten mit Wärme oder Kälte bekämpft, und warum unsere Leber nicht altert. Nicht zuletzt erfahren wir, weshalb Tomatensaft im Flugzeug so viel besser schmeckt als auf dem Boden, und das wollten wir doch schon immer wissen.

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Dr. med. Jürgen Brater

Verblüffendes KÖRPERWISSEN

Dr. med. Jürgen Brater

Verblüffendes KÖRPERWISSEN

Konkurrierende Augen, schmerzende Geräusche, denkende Muskeln – ein Arzt erklärt erstaunliche Phänomene unseres Organismus

Originalausgabe

1. Auflage 2024

© 2024 by Yes Publishing – Pascale Breitenstein & Oliver Kuhn GbR

Türkenstraße 89, 80799 München

[email protected]

Alle Rechte vorbehalten.

Redaktion: Rainer Weber

Umschlaggestaltung: Ivan Kurylenko (hortasar covers)

Umschlagabbildungen: pandavector/stock.adobe.com

Layout und Satz: Müjde Puzziferri, MP Medien, München

eBook: ePUBoo.com

ISBN Print 978-3-96905-301-0

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-96905-302-7

ISBN E-Book (PDF) 978-3-96905-303-4

Inhalt

Vorwort

Wissen, wo der Kopf steht

Unser selektives Gehirn

300 Kilo auf dem Kopf

Lauter Strahlemänner und -frauen

Die Leber altert nicht

Unser fragwürdiges Gedächtnis

Braucht man nicht

Gehirn im Bauch

25 Kilo Hautstaub

Jedes Milligramm wirkt

Kälte allein macht keine Erkältung

Hocheffektive Transporter in unvorstellbaren Mengen

Linkshänder haben’s schwerer

Eine einzige Zigarette …

Immer schön eins nach dem anderen

Mit dem einen sieht man besser

Schlaflos bei Vollmond?

Ist doch idiotisch!

Das lästige Hicks

Kurz bedeutet nicht langsam

Rätselhafte Träume

Die Mär von den todbringenden Hornissen

Der Mond – mal klein, mal groß

Auch die Gegenseite profitiert

Kranke riechen anders

Das mach ich doch im Schlaf

Wenn der Beipackzettel krank macht

Der beliebte Verdauungsschnaps

Bei Fieber hilft Wärme

Die Mär von den giftigen Toten

Studieren schadet den Augen

Wenn es juckt

Das bin doch nicht ich!

Fast gleich, aber eben nur fast

Wenn es beim Einschlafen ruckt und zuckt

Auch die Nase braucht mal Ruhe

Die Menge macht’s

Wer schneller geht, bleibt länger jung

Ein bisschen schwanger

Vorbeischauen bringt’s

Schlafmangel macht dick

Für Sekundenbruchteile blind

Tränen lügen nicht

Unser harmoniebedürftiges Gehirn

Der tödliche Liebesbiss

Wem’s schmeckt

Mit rückwärts drehenden Rädern flott voran

Im Flugzeug nur Tomatensaft

Heiß oder kalt – das kann man hören

Wenn Schmerztabletten wehtun

Hörbares Gezappel

Gedanken machen Muskeln stark

Kalt den Rücken runter

Rote Autos sind lauter

Fakir sein kann jeder

Von bunten Buchstaben und klingenden Farben

Rothaarige sind anders

Mal das eine Auge, mal das andere

Junge und Mädchen, und doch eineiige Zwillinge

Warum die Römer Sternchen sahen

Newton und der heiße Kaffee

Erstaunliches über eine alltägliche Verrichtung

Warum wir beim Joggen lesen können

Gemeinsam stark wie ein Kran

An der Nase herumgeführt

Multitalent Zunge

Was den Augen recht ist, ist den Ohren billig

Menschen können länger laufen

Wir sind alle Schnüffler

Weiß bleibt weiß und Rot bleibt rot

Auch tote Zähne können schmerzen

Reiseübelkeit: ein Schicksal?

Pfui, das tut man nicht! Oder doch?

Inmitten von reichlich Sauerstoff erstickt

Warum sich Wasser nass anfühlt

Die wahre Gefahr lauert in der Küche

Dicke Kleidung bringt’s nicht

Das wichtigste Immunorgan des Körpers

Wenn die Sonne in der Nase kitzelt

Gähnen steckt an

Das kenn ich doch

Vorwort

Liebe Leserin, lieber Leser,

unser Körper steckt voller Geheimnisse und verblüfft immer wieder mit erstaunlichen Fähigkeiten und Leistungen. Oder hätten Sie gewusst, dass sich das Muskeltraining einer Körperhälfte auch auf die andere Seite positiv auswirkt, dass die Ohren sich bei starkem Lärm automatisch vor Schäden schützen, dass man hören kann, ob Wasser heiß oder kalt ist, und sich die Augen bei ihrer anstrengenden Tätigkeit regelmäßig abwechseln? Und könnten Sie erklären, warum eineiige Zwillinge ein Junge und ein Mädchen sein können oder warum Schmerztabletten Schmerzen auslösen und tote Zähne auch mal wehtun können?

Seit mehreren Jahren beschreibe und erkläre ich in der Zeitschrift Bild der Wissenschaft jeden Monat ein derartiges Phänomen. Und gebe dabei nebenbei Tipps für den Umgang mit körperlichen Störungen und deren Vermeidung. So erkläre ich zum Beispiel, warum man sich an Wasser vergiften kann, warum Schlafmangel dick macht und bei Fieber Wärme hilft. Und sicher ist es auch nicht uninteressant zu wissen, warum man bei einem Schlag aufs Auge Sternchen sieht und Tomatensaft im Flugzeug so gut schmeckt.

Über 80 dieser Texte habe ich ausgewählt und im vorliegenden Buch zusammengefasst. Die behandelten Themen umfassen sämtliche körperlichen Aspekte, die Sinneswahrnehmung ebenso wie die Verdauung, das Nervensystem, die Muskeln, die Atmung und den Blutkreislauf. Wenn Sie die Artikel aufmerksam gelesen haben, kann ich Ihnen versprechen, dass Sie danach Ihren Organismus besser verstehen, seine vielfältigen Leistungen und Fähigkeiten nicht mehr für selbstverständlich halten und sich öfter über den einen oder anderen Aspekt Gedanken machen werden.

Dabei wünsche ich Ihnen viele Aha-Momente und natürlich jede Menge Spaß!

Ihr Jürgen Brater

Wissen, wo der Kopf steht

Ein komplexes System von Sensoren informiert uns permanent über Lage und Bewegung unseres Körpers.

Haben Sie Lust auf einen kleinen Versuch? Dann schließen Sie bitte beide Augen und versuchen Sie, mit dem Zeigefinger der rechten Hand Ihre Nasenspitze zu berühren. Kein Problem, oder? Jetzt gehen Sie mit geschlossenen Augen ein Stück geradeaus und anschließend ein paar Schritte nach rechts. Auch das dürfte Ihnen nicht schwerfallen. Schließlich machen Sie mit dem rechten Bein einen großen Ausfallschritt nach vorne. Haben Sie? Gut, dann sagen Sie bitte, wo sich gerade Ihr linker Fuß befindet. Und ob er platt auf dem Boden oder auf Zehenspitzen steht.

Dass Ihnen auch das keine Mühe machen wird, verdanken Sie einem Sinn, der vielleicht wichtiger ist als alle anderen: der sogenannten Tiefensensibilität, oder mit dem Fachausdruck: der »Propriozeption«. Die verdient das Prädikat verblüffend wahrlich zu Recht, ermöglicht sie uns doch jederzeit, auch in tiefschwarzer Nacht, genau zu wissen, wo sich unsere Hände und Füße gerade befinden, ob und in welche Richtung wir sie bewegen, ob wir beim Gehen, etwa bergauf, mehr Kraft als sonst aufwenden müssen und was unterdessen unser Kopf macht, ob er geradeaus, zur Seite oder nach unten gerichtet ist. All das übermittelt uns dieser Sinn. Er informiert uns auch im Bett pausenlos, ob wir gerade auf der rechten oder linken Seite liegen, ob wir dabei die Beine angewinkelt und vielleicht eine Hand unter das Kopfkissen geschoben haben. Und wenn wir uns aufsetzen, können wir das auch in absoluter Finsternis tun, ohne Angst haben zu müssen, umzupurzeln oder gar aus dem Bett zu fallen. Selbst wenn uns – warum auch immer – danach wäre, im Dunkeln Liegestütze zu machen, hätten wir damit keinerlei Probleme.

Ohne Tiefensensibilität könnten wir nicht leben oder uns zumindest nicht koordiniert bewegen. Dafür, dass sie jederzeit perfekt funktioniert, sorgen Unmengen winziger Sensoren in unseren Muskeln, Sehnen, Bändern und Gelenken, die permanent den Spannungszustand dieser Strukturen messen und an das Gehirn melden. Mit dem Fachausdruck nennt man sie »Propriozeptoren«, was so viel bedeutet wie Eigenreizaufnehmer, weil sie eben auf Veränderungen unserer eigenen Körperbestandteile reagieren. Und zwar pausenlos, sehr schnell und überaus präzise. Aus den Unmengen von Signalen, die die Sensoren unablässig an das Gehirn senden, leitet dieses fortwährend Entscheidungen über eventuell erforderliche Positionsänderungen ab, sendet entsprechende Befehle an die Muskeln und kontrolliert deren Tätigkeit, indem es sicherstellt, dass sie hinsichtlich Richtung und Ausmaß exakt die richtigen Bewegungen ausführen und nicht übertreiben. So korrigieren wir täglich tausende Male die Position unseres Kopfes, passen die Anspannung der Rückenmuskeln den jeweiligen Erfordernissen an und belasten, etwa wenn wir über einen unebenen Boden gehen, ein Bein kurzzeitig mehr als das andere.

Von alledem spüren wir in der Regel nicht das Geringste. Zumindest nicht, solange wir nüchtern sind. Sind wir dagegen mehr oder weniger angetrunken, bekommen wir die Arbeit der Tiefensensibilität durchaus mit. Denn Alkohol stört das ansonsten erstaunlich robuste System massiv. Dann können wir nicht mehr auf einer geraden Linie gehen, zielen mit dem Finger an der Nase vorbei und schätzen vielleicht sogar den Abstand unserer Füße vom Boden falsch ein, sodass wir der Länge nach hinfallen.

Unser selektives Gehirn

Von dem, was um uns herum geschieht, nehmen wir nur einen Bruchteil wahr.

Sicher haben Sie das auch schon einmal erlebt: Sie stehen bei einem gesellschaftlichen Ereignis in einer von mehreren Gesprächsrunden und beteiligen sich, ein Getränk in der Hand, munter an der Unterhaltung. Was um Sie herum vorgeht, vor allem, was die anderen Gäste sich gegenseitig erzählen, nehmen Sie allenfalls als eintöniges Hintergrundgeräusch wahr. Doch dann nennt irgendjemand in der Umgebung Ihren Namen oder denjenigen eines Angehörigen oder Freundes, ja, vielleicht sogar Ihres Hundes. Schlagartig werden Sie hellhörig und wenden die Aufmerksamkeit dem Sprecher zu, auch wenn Sie den nicht kennen und vorher vielleicht überhaupt nicht wahrgenommen haben.

Was Sie da soeben erlebt haben, wird von Psychologen »Cocktailparty-Phänomen« genannt. Verantwortlich dafür ist die Tatsache, dass unser Gehirn sämtliche Informationen, die es von den Sinnesorganen angeliefert bekommt, fortwährend daraufhin prüft, ob sie für uns gerade von Bedeutung sind. Nur diese – man geht von gerade mal ein bis zwei Prozent aller eingehenden Meldungen aus – lässt es ins Bewusstsein durch. Man spricht in diesem Zusammenhang von »selektivem Hören«. Doch nicht nur das. Das Gehirn sorgt auch dafür, dass ein Mensch die Schallquelle, auf die er sich gerade konzentriert, zwei- bis dreimal lauter wahrnimmt als die Umgebungsgeräusche, ja, dass diese sogar unterdrückt werden.

Das gilt jedoch nicht nur für das Gehör, sondern genauso für andere Sinneseindrücke. Fahren Sie etwa eine Straße entlang und kommen dabei an Hunderten von Autos vorbei – roten, blauen, schwarzen und weißen Autos –, glauben Sie, Sie könnten dann sagen, welche Farbe dasjenige hatte, das gerade vor der Bäckerei stand? Können Sie natürlich nicht. Ihr Gehirn hat das Aussehen dieses Autos so wie alles andere, was Ihr Seh-, Hör- und Geruchssinn aufgenommen hat, sehr wohl registriert. Aber eben als momentan unwichtig eingestuft und Ihr Bewusstsein damit verschont. Und das ist ja auch gut so.

Nur das erregt unsere Aufmerksamkeit, was für uns gerade von besonderem Interesse ist, was unseren Erwartungen widerspricht, sich von anderem abhebt und bei uns daher eine Überraschung auslöst. Das gilt aber keinesfalls nur für Sinneseindrücke. Denken Sie noch mal ans Autofahren. Wenn Sie das in der Fahrschule neu lernen, müssen Sie jede einzelne Aktion bewusst ausführen, müssen etwa jedes Mal daran denken, beim Gangwechsel oder Anhalten auszukuppeln. Später, wenn Sie das Ganze beherrschen, betätigen Sie während einer längeren Tour möglicherweise mehrere Hundert Male Kupplung und Gangschaltung, ohne dass Sie sich darüber auch nur einen einzigen Gedanken machen. Bewusst wird Ihnen die Schalterei erst, wenn vielleicht ein Gang klemmt oder die Kupplung rutscht, wenn also etwas passiert, was aus dem Einerlei des Üblichen herausragt. Das hat für Sie den Riesenvorteil, dass Sie sich, solange alles funktioniert, mit Ihrer begrenzten geistigen Kapazität auf Wichtigeres konzentrieren können.

300 Kilo auf dem Kopf

Wir tragen eine gewaltige Luftmasse mit uns herum.

Wer im Meer oder in einem See schon einmal etwas tiefer getaucht ist, weiß, welche Last dort unten auf den Körper drückt. Und diese Last wird mit jedem weiteren Meter immer größer. Doch selbst wer sich noch ein ganzes Stück tiefer hinabwagt, braucht keine Angst zu haben, vom Gewicht des Wassers zerquetscht zu werden. Denn der Druck, der außerhalb des Gewässers auf uns lastet, ist ebenfalls nicht zu verachten – und den halten wir ja auch problemlos aus.

Das Gewicht, mit dem die Luft in Meereshöhe auf den Erdboden drückt, beträgt pro Quadratzentimeter immerhin ein volles Kilo. Und da ein menschlicher Kopf, von oben gesehen, durchschnittlich etwa 20 Zentimeter lang und 15 Zentimeter breit ist, ergibt sich eine Fläche von 300 Quadratzentimetern. Das bedeutet, dass die darauf lastende Luftsäule sage und schreibe 300 Kilogramm wiegt. Dass unser Körper dieses enorme Gewicht problemlos aushält, liegt vor allem daran, dass er zum Großteil aus Wasser besteht. Denn das lässt sich – anders als ein Gas – so gut wie überhaupt nicht zusammenpressen und setzt damit dem äußeren einen entsprechenden inneren Druck entgegen. Tatsächlich beträgt das Gewicht, das auf einem Quadratmeter unseres Körpers lastet, rund 10 Tonnen! Und da unsere Körperoberfläche durchschnittlich 1,73 Quadratmeter misst, trägt jeder von uns rund 17 300 Kilo Luft mit sich herum – das entspricht dem Gewicht von drei bis vier ausgewachsenen Elefanten. Dieser gewaltigen Last können wir nur widerstehen, wenn unsere Lungen von innen her denselben Druck aufbauen. Nur dann ist gewährleistet, dass sie nicht zusammenfallen. Und weil sie dazu tatsächlich imstande sind, können wir auch unter dem enormen Gewicht der auf uns ruhenden Luftmenge mühelos atmen – und bleiben zum Glück am Leben.

Allerdings ist Luft nicht immer gleich schwer. Je kälter sie ist, das heißt, je enger die Gasmoleküle aneinanderliegen, desto mehr wiegt sie. Umgekehrt ist warme Luft deshalb leichter, weil sich die Teilchen darin schneller bewegen und sich gegenseitig beiseitestoßen, weil also ihre Dichte abnimmt. Menschen mit Atemwegserkrankungen kennen diesen Effekt aus leidvoller Erfahrung. Denn je wärmer es wird, desto weniger Sauerstoffmoleküle enthält die Luft und desto mühsamer wird jeder Atemzug. Zudem kann warme Luft mehr Wasserdampf aufnehmen, der zusätzlich Sauerstoff verdrängt. Schwüle ist daher für Menschen mit eingeschränkter Lungenfunktion eine höchst kritische Wetterlage. Ein Wechsel in kühlere Höhenlagen, etwa ins Gebirge, ist aber auch keine Lösung, denn nach oben nimmt der Luftdruck ab, das heißt, die Luft wird dünner. Mit der Folge, dass der Betroffene mit jedem Atemzug spürbar weniger Sauerstoffmoleküle einatmet. Doch egal, ob auf Meereshöhe oder in den Bergen, ob bei schwüler Hitze oder eisiger Kälte, den Druck der Luftsäule auf unserem Kopf spüren wir jedenfalls nicht.

Lauter Strahlemänner und -frauen

Jeder Mensch sendet radioaktive Strahlung aus.

Im wörtlichen Sinne sind Atome radioaktiv, wenn sie »unter Abgabe von Strahlung tätig« sind. Gemeint ist, dass sie sich fortlaufend in andere Atome umwandeln, wobei sie kontinuierlich Energie abgeben. Diese Energie kann extrem zerstörerisch sein, aber auch so gering, dass sie sich nur mit feinsten Messinstrumenten registrieren lässt. Nun gibt es Atome, die in unterschiedlichen Varianten – sogenannten Isotopen – vorkommen, welche sich geringfügig im Aufbau ihres Kerns unterscheiden. Und von diesen Isotopen sind oft nur eines oder zwei radioaktiv, während die anderen vollkommen stabil sind. So geht es auch dem Kohlenstoff, der bekanntlich in sämtlichen lebenden Wesen vorkommt. Die kosmische Strahlung bewirkt nämlich, dass sich immer ein winziger Teil der in der Atmosphäre enthaltenen Atome in ein Isotop umwandelt, das Chemiker Kohlenstoff-14 nennen (wegen zwei im Vergleich zum »normalen« Kohlenstoff-12 überschüssiger Neutronen im Atomkern). Das betrifft zwar nur eines von 750 Milliarden Kohlenstoffatomen, ist aber exakt messbar.

Und so enthält auch das Kohlendioxid in der Luft, das Pflanzen bei der Fotosynthese zur Produktion organischer Substanz verbrauchen, Kohlenstoff-14. Was wiederum zur Folge hat, dass der Zucker, das Protein oder Öl, das die Pflanze bildet, auch nicht frei davon ist. Wenn sich nun ein Tier die Pflanze einverleibt, nimmt es damit zwangsläufig auch das radioaktive Isotop auf. Und das gilt natürlich ebenso für weitere Tiere oder Menschen, die entweder direkt pflanzliche oder – gleichsam über einen Umweg – tierische Nahrung zu sich nehmen.

Deshalb ist tatsächlich jede Pflanze, jedes Tier und selbstverständlich auch jeder Mensch radioaktiv und sendet fortwährend Strahlung aus – wenn auch in äußerst geringem Umfang. Dabei zerfällt der Kohlenstoff-14 mit absolut konstanter Rate, was bedeutet, dass nach einer gewissen Zeit nur noch die Hälfte vorhanden ist. Diese sogenannte Halbwertszeit beträgt beim Kohlenstoff-14 stolze 5730 Jahre. Nach 11 460 Jahren ist also nur noch ein Viertel vorhanden, nach weiteren 5730 Jahren ein Achtel und so weiter. Das gilt allerdings nur, sofern das Lebewesen nicht ständig neue radioaktive Isotope zu sich nimmt, also erst, nachdem es gestorben ist.

In den Fünfzigerjahren des vorigen Jahrhunderts kam der Wissenschaftler Willard Libby von der Universität Chicago auf die geniale Idee, den gleichmäßigen Zerfall des Kohlenstoff-14-Isotops auszunutzen, um damit das Alter von Fossilien zu bestimmen. Denn mit dem Tod eines Lebewesens verschiebt sich das Verhältnis Kohlenstoff-12 zu -14 zwangsläufig immer mehr zugunsten des nicht radioaktiven Isotops. Und daraus lässt sich mit erstaunlicher Präzision das Alter einer Pflanze, einer Mumie oder eines tierischen Knochens bestimmen. Man nennt das Verfahren »Radiokarbonmethode«. Kohlenstoff-14 macht uns Menschen also nicht nur ein klein wenig radioaktiv, sondern ermöglicht auch späteren Generationen, die vielleicht dereinst irgendwelche Überreste von uns finden, eindeutig zu bestimmen, wann wir gelebt haben. Mit einer etwas abgewandelten Form dieses Verfahrens kann man seit einiger Zeit sogar das Alter abgestorbener Zellen auf ein Jahr genau ermitteln (siehe nächster Abschnitt).

Die Leber altert nicht

Verbrauchte Leberzellen werden fortwährend durch neue ersetzt.

Als eine internationale Forschergruppe Anfang 2022 das Alter verbrauchter menschlicher Zellen mittels eines modifizierten Verfahrens zur Radiokarbondatierung untersuchte, machten die Wissenschaftler eine erstaunliche Entdeckung: Die Zellen der menschlichen Leber waren bei allen Proben weniger als drei Jahre alt – egal ob sie von einem Jugendlichen oder einem Greis stammten. Was nichts anderes bedeutet, als dass sich das im rechten Oberbauch gelegene rotbraune Organ permanent selbst erneuert und so ewig jung bleibt.

Diese extreme Regenerationsfähigkeit, die es sonst bei keinem anderen Organ gibt, hat nicht nur zur Folge, dass die Leber zeitlebens ihre Leistungsfähigkeit behält, sondern sorgt auch dafür, dass verletzte oder verloren gegangene Teile in kurzer Zeit durch neu gebildete ersetzt werden. Das macht man sich unter anderem bei der sogenannten Split-Lebertransplantation zunutze. Dabei wird das Organ eines Verstorbenen in zwei Teile geteilt, die dann zwei unterschiedlichen Empfängern eingesetzt werden. Dort wächst jedes Fragment wieder zu voller Größe heran. Sogar eine Lebendspende ist möglich. Dabei spendet etwa ein Elternteil oder ein anderer naher Verwandter einem schwer leberkranken Kind einen großen Teil des eigenen Organs. Etwa zwei Monate später verfügen dann sowohl der Spender als auch das Kind wieder über eine Leber normaler Größe.

Die enorme Zellerneuerungsaktivität der Leber ist keine anatomische oder physiologische Kuriosität, sondern für die Funktion des Organs absolut essenziell. Denn eine seiner wichtigsten Aufgaben besteht darin, in den Körper gelangte Giftstoffe – berühmt-berüchtigt ist in diesem Zusammenhang vor allem Alkohol – unschädlich zu machen. Dieser fortwährende Kampf gegen Toxine strapaziert die Leberzellen aber ganz erheblich, mit dem Ergebnis, dass viele davon zugrunde gehen und möglichst schnell durch neu gebildete ersetzt werden müssen. Schließlich sollen die Entgiftung, aber auch die zahlreichen anderen Leberfunktionen bis ins hohe Alter erhalten bleiben. Und tatsächlich haben die Untersuchungen des Forscherteams ergeben, dass die Fähigkeit, abgenutzte Leberzellen fortlaufend zu ersetzen, mit dem Alter allenfalls geringfügig abnimmt.

Erstaunlicherweise funktioniert die Regeneration sogar bei krankheitsbedingt geschwächten Lebern. Deshalb kann etwa eine Fettleber wieder vollständig gesunden, sofern die krank machenden Faktoren abgestellt werden. Erst wenn die Zellen des Organs – meist infolge einer Virusinfektion, einer sogenannten Hepatitis – so stark geschädigt sind, dass sie narbig verhärten und damit funktionslos werden – medizinisch spricht man von einer »Zirrhose« –, erlischt die Fähigkeit zur Regeneration. Die Leber ist dann irreparabel krank und der Tod des Patienten, abhängig vom Ausmaß der Schädigung, nicht mehr aufzuhalten. Es sei denn, der Betroffene hat das Glück, eine Ersatzleber transplantiert zu bekommen. Die muss er dann aber ganz besonders pfleglich behalten, also unter allen Umständen eine erneute Infektion vermeiden, und er darf zeitlebens keinen Alkohol mehr trinken.

Unser fragwürdiges Gedächtnis

Unser Erinnerungsvermögen ist erstaunlich unzuverlässig.

Polizisten können ein Lied davon singen: Was Augenzeugen eines Unfalls oder Verbrechens im Brustton der Überzeugung behaupten, muss keinesfalls stimmen. Jedenfalls nicht bis ins Detail. Dazu sind unsere Erinnerungen viel zu fehlerhaft und störanfällig. Doch bevor wir uns näher mit diesem erstaunlichen Phänomen befassen, kurz ein paar grundsätzliche Bemerkungen zur Gedächtnisverarbeitung. Das Gehirn verfügt über drei unterschiedliche Speicher, die uns die Verwaltung der fortwährend auf uns einströmenden Wahrnehmungen ermöglichen: Ultrakurzzeit-, Kurzzeit- und Langzeitgedächtnis. Das Ultrakurzzeitgedächtnis behält Informationen durchschnittlich nur 15 bis 20 Sekunden, dann löscht es die allermeisten davon wieder. Ausschließlich besonders wichtig erscheinende gibt es ans Kurzzeitgedächtnis weiter, das eine Kapazität von etwa 24 Stunden hat. Das streicht seinerseits die meisten Informationen, nur wenige leitet es weiter Richtung Langzeitgedächtnis. Dort wird all das gespeichert, was unser Gehirn für besonders bedeutsam erachtet. Eine solche Speicherung geschieht, grob gesagt, indem bestimmte körpereigene Proteine, sogenannte Gedächtnismoleküle, die Informationen stofflich verankern, ähnlich den chemischen Prozessen, die Bildinformationen eines Films unlöschbar machen. Im Langzeitgedächtnis hinterlegte Inhalte können daher auch nach längerer Zeit immer wieder abgerufen werden.

Doch all diese komplizierten Mechanismen sind hochgradig störanfällig. Dazu zwei Studien: Eine bekannte britische Gedächtnisforscherin und Psychologin befragte Personen nach einschneidenden Kindheitserlebnissen, die jedoch nie stattgefunden hatten. Während sich die Probanden anfänglich nicht erinnern konnten, änderte sich das mit jeder – frei erfundenen – Einzelheit, die die Wissenschaftlerin ihnen erzählte: wie das Blut gespitzt habe, welche Wut sie verspürt hätten und welche Angst, als die Polizei kam. Nach mehreren derartigen Schilderungen waren 70 Prozent der Teilnehmer davon überzeugt, das Berichtete tatsächlich erlebt zu haben. Die Psychologin hatte in ihr Gehirn schlicht eine falsche Erinnerung eingepflanzt.

Forschende der Harvard-Universität forderten Versuchspersonen auf, sich ein Handballvideo anzusehen und anschließend genau anzugeben, wie oft der Ball abgespielt worden sei. Nach kurzer Zeit tauchte in dem Video ein als Gorilla verkleideter Mensch auf und schlenderte gemächlich quer über das Spielfeld. Anschließend konnte sich fast die Hälfte der Teilnehmer nicht daran erinnern, den Affen gesehen zu haben. Wissenschaftler sprechen in diesem Zusammenhang von Veränderungsblindheit. Je mehr wir uns auf bestimmte Dinge konzentrieren, desto mehr blenden wir Geschehnisse drum herum einfach aus. Exakt auf diesem Prinzip beruhen viele Zaubertricks: Der Magier lenkt unsere Aufmerksamkeit geschickt auf irgendwelche Begleitumstände, die mit dem eigentlichen Trick nichts zu tun haben. Mit der Folge, dass wir das Entscheidende übersehen. All das zeigt, dass es durchaus angebracht ist, unseren Erinnerungen – und noch mehr denen anderer Menschen – mit Skepsis zu begegnen.

Braucht man nicht

Auf einige Körperteile könnten wir getrost verzichten.

Man mag darüber streiten, ob der Mensch tatsächlich die Krone der Schöpfung ist. Fest steht, dass er aus affenähnlichen Tieren hervorgegangen ist und sich erst im Lauf von mehreren Millionen Jahren zu dem Lebewesen entwickelt hat, das er heute ist. Deshalb muss man sich nicht wundern, dass er noch immer über Körperteile verfügt, die von seinen tierischen Vorfahren stammen, inzwischen jedoch weitgehend nutzlos geworden sind. Biologen unterscheiden hierbei zwischen »Rudimenten« und »Atavismen«.

Rudimente sind gleichsam funktionslos gewordene Überbleibsel der evolutionären Entwicklung, die oft nicht mehr vollständig ausgebildet sind und wohl in ferner Zukunft nach und nach verschwinden werden.

Dagegen versteht man unter Atavismen gleichsam Rückfälle in ein früheres, eigentlich schon überwundenes Entwicklungsstadium.

Wichtige Rudimente sind etwa:

der Wurmfortsatz des Blinddarms (Appendix). Lange Zeit hielt man ihn für überflüssig, mittlerweile hat sich jedoch die Überzeugung durchgesetzt, dass die in ihm enthaltenen Lymphfollikel eine wichtige Rolle bei der Immunabwehr von Darminfekten spielen. Außerdem können im Blinddarm bei Durchfallerkrankungen nützliche Bakterien überleben, die von dort aus wieder den gesamten Dickdarm besiedeln.

das Steißbein als unterster Teil der Wirbelsäule. Daran hing früher ein Schwanz wie bei den Affen. Heutzutage ist es nur noch als Ansatzpunkt bestimmter Bänder und Muskeln, speziell des Beckenbodens, von Bedeutung.