Verdorbene Ferien - Elisabeth Swoboda - E-Book

Verdorbene Ferien E-Book

Elisabeth Swoboda

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Beschreibung

Der Sophienlust Bestseller darf als ein Höhepunkt dieser Erfolgsserie angesehen werden. Denise von Schoenecker ist eine Heldinnenfigur, die in diesen schönen Romanen so richtig zum Leben erwacht. Das Kinderheim Sophienlust erfreut sich einer großen Beliebtheit und weist in den verschiedenen Ausgaben der Serie auf einen langen Erfolgsweg zurück. Denise von Schoenecker verwaltet das Erbe ihres Sohnes Nick, dem später einmal, mit Erreichen seiner Volljährigkeit, das Kinderheim Sophienlust gehören wird. Angelina Dommin lehnte sich im Boot zurück und zog ihren breitkrempigen naturfarbenen Strohhut ein bisschen tiefer in die Stirn. »Hast du Angst vor ein paar Sonnenstrahlen?«, spöttelte Nick, der mit kräftigen Ruderschlägen das Boot auf den See hinausgefahren hatte. »Ja, ich habe Angst vor einem Sonnenbrand«, gab das Mädchen unumwunden zu. »Du hast leicht lachen, du wirst schnell braun. Aber ich werde erst rot und dann kriege ich Sommersprossen. Davon habe ich bereits genug.« »Deshalb bist du auch unser Pünktchen«, bemerkte der Junge schmunzelnd. »Diesen Spitznamen wirst du nicht mehr los.« »Damit habe ich mich längst abgefunden.« Pünktchen lächelte, tauchte die Hand ins Wasser und spritzte mit einer raschen Bewegung ihr Gegenüber an. »Na warte!«, rief Nick. »Wenn du mir so kommst, dann tu ich keinen Ruderschlag mehr.« »Macht nichts. Ich rudere gern«, behauptete das Mädchen. Sie wechselten die Plätze.

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Sophienlust Bestseller – 39 –

Verdorbene Ferien

Warum Petzi wieder zurück nach Wien wollte...

Elisabeth Swoboda

Angelina Dommin lehnte sich im Boot zurück und zog ihren breitkrempigen naturfarbenen Strohhut ein bisschen tiefer in die Stirn.

»Hast du Angst vor ein paar Sonnenstrahlen?«, spöttelte Nick, der mit kräftigen Ruderschlägen das Boot auf den See hinausgefahren hatte.

»Ja, ich habe Angst vor einem Sonnenbrand«, gab das Mädchen unumwunden zu. »Du hast leicht lachen, du wirst schnell braun. Aber ich werde erst rot und dann kriege ich Sommersprossen. Davon habe ich bereits genug.«

»Deshalb bist du auch unser Pünktchen«, bemerkte der Junge schmunzelnd. »Diesen Spitznamen wirst du nicht mehr los.«

»Damit habe ich mich längst abgefunden.« Pünktchen lächelte, tauchte die Hand ins Wasser und spritzte mit einer raschen Bewegung ihr Gegenüber an.

»Na warte!«, rief Nick. »Wenn du mir so kommst, dann tu ich keinen Ruderschlag mehr.«

»Macht nichts. Ich rudere gern«, behauptete das Mädchen.

Sie wechselten die Plätze. Aber anstatt kraftvoll zu rudern, wendete Pünktchen das Boot und plätscherte mit den Rudern spielerisch herum.

»Das nennst du rudern?«, fragte Nick entrüstet.

»Ich hab’s lieber gemütlich. Es ist so wunderschön hier draußen. Schau, eine Libelle!«

»Hm«, murmelte der Junge, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und schloss die Augen.

»Du wirst doch jetzt nicht schlafen wollen!«

»Nur ein wenig dösen. Gestern bin ich spät ins Bett gekommen und heute hat mich Henrik in aller Herrgotts frühe aus den Federn gejagt. Er hat behauptet, dass ein schulfreier Tag zu schade sei, um ihn zu verschlafen.«

»Da hat dein Bruder recht. Am helllichten Tag schläft man nicht. He Nick!«

Der Junge antwortete nicht. Resigniert sah Pünktchen sich um. Sie waren allein mitten auf dem See, die anderen Kinder hatten es vorgezogen, in der Nähe des Ufers zu bleiben. Ansonsten waren heute, an einem nicht besonders heißen Samstag, wenig Badegäste am Wildmooser Waldsee. Es hatte einige Tage hindurch permanent geregnet und das Wasser war daher verhältnismäßig kühl.

Nicks entspannte Gesichtszüge und seine regelmäßigen Atemzüge bewirkten, dass auch Pünktchen gähnen musste.

»Das ist meine Luftmatratze! Meine! Geh runter, Gernot. Ich will nicht, dass du auf meiner Luftmatratze sitzen tust. Sie gehört mir. Mir! Geh runter!« Ein durchdringendes Kreischen folgte.

Pünktchen war mit einem Schlag hellwach, während Nick lediglich ein wenig zusammenzuckte und seine langen Beine übereinanderschlug.

»Du hast mir deine Luftmatratze geschenkt.«

»Nein, nicht geschenkt. Nur geborgt. Jetzt will ich sie zurückhaben. Geh runter!« Neuerliches Kreischen.

Pünktchen drehte sich um und erschrak. Ungefähr zwanzig Meter weit weg von ihrem Boot saßen zwei kleine Buben auf einer schmalen Luftmatratze und paddelten eifrig mit den Händen. Das heißt, der eine von ihnen paddelte, der andere versuchte, ihn in die Fluten zu stoßen. Beide waren mit hellroten Schwimmflügeln ausgerüstet, trotzdem erschien Pünktchen die Situation gefährlich. »Lasst das bleiben!«, schrie sie hinüber. »Sonst rutscht ihr womöglich von der Luftmatratze!«

»Was ist los? Warum schreist du so?«, fragte Nick und rieb sich die Augen.

»Die beiden Kleinen da drüben«, begann Pünktchen. Sie unterbrach sich, denn ein lauter Schrei ertönte. Was sie befürchtet hatte, war eingetreten. Einer der Buben war ins Wasser gefallen. Prustend und schreiend schlug er um sich, was seinen Gefährten zu einem boshaften Gekicher veranlasste. »Ätsch, Gabriel, jetzt gehört die Luftmatratze mir allein!«, triumphierte er.

»Mami! Hilfe!«, brüllte der andere. Die Schwimmflügel verhinderten, dass er unterging, aber er schluckte eine Menge Wasser.

Mit ein paar schnellen Ruderschlägen war Pünktchen am Ort des Geschehens. Nick zögerte nicht, er sprang in den See und bekam den Kleinen zu fassen. Dieser strampelte mit den Beinen und schlug mit den Händen wie ein Wilder um sich, sodass Nick große Mühe hatte, ihn ins Boot zu bugsieren. Pünktchen half ihm dabei so gut es ging, ohne das Boot zum Kentern zu bringen. Endlich war es geschafft. Der Kleine saß neben Pünktchen, hustete, spuckte und schrie dazwischen wie am Spieß.

Der andere Knirps hatte von seiner Luftmatratze aus Nicks Bemühungen interessiert beobachtet. Nun verlangte er: »Ich will auch in das Boot! Ich will auch gerettet werden. Genauso wie Gabriel!«

»Bleib, wo du bist!«, befahl Nick.

Vergeblich, denn der Bub rutschte von der Luftmatratze, planschte im Wasser herum und mimte Todesangst, so wie er es vorhin bei Gabriel gesehen hatte. Unsanft ergriff Nick ihn an seinem blonden Haarschopf und an einem Bein und beförderte ihn ebenfalls ins Boot.

»Du musst nun wirklich rudern«, sagte Nick zu Pünktchen. »Ich kümmere mich um die Luftmatratze. Hoffentlich erwische ich sie, bevor sie noch weiter abgetrieben wird.«

»Willst du nicht lieber ins Boot …«

»Nein«, fiel der Junge Pünktchen ins Wort. »Sonst kentert es doch noch. Schaff diese beiden kleinen Ungeheuer ans sichere Ufer, ich komme nach.«

»Das sind keine Ungeheuer«, verteidigte das Mädchen die triefenden Knirpse. Wenige Minuten später war sie sich dessen jedoch nicht mehr so sicher. Kaum war nämlich der Kleinere, Gabriel, wieder einigermaßen zu Atem gekommen, als die Streiterei auch schon von Neuem losging.

»Du hast mich ins Wasser gestoßen, Gernot«, beschuldigte er seinen Bruder nicht zu Unrecht. »Das erzähl ich Mami«, drohte er. »Mami wird böse auf dich sein. Du bekommst keinen Pudding!«

»Pah!«, schrie Gernot und versetzte dem Kleineren einen Schlag auf den Rücken, dass es nur so klatschte.

»Au! Das erzähl ich Mami auch. Du bist gemein! Gemein! Gemein!«

»Und du bist blöd. Blöd! Blöd!«

»Hört auf, herumzuzappeln!«, befahl Pünktchen. »Oder wollt ihr ein zweites Mal in den See fallen?«

»Hihi, das wär lustig«, behauptete Gernot, der ältere der beiden.

»Diesmal würde euch niemand herausholen. Was ist euch überhaupt eingefallen so weit auf den See hinauszupaddeln?«

»Nichts.« Gernot zuckte mit den Schultern.

»Ihr hättet ertrinken können! Schließlich seid ihr beide Nichtschwimmer, oder?«

»Richtig schwimmen können wir noch nicht«, räumte Gernot ein. »Aber wir haben Schwimmflügel.«

»Trotzdem war euer Abenteuer gefährlich. Wenn ich nicht zufällig Lust auf eine Bootsfahrt gehabt hätte, hätte euch keiner bemerkt.« Das Mädchen schüttelte sich bei diesem Gedanken. Gewiss, die Schwimmflügel hatten Gabriel an der Oberfläche gehalten, aber er hatte dennoch Wasser geschluckt. Wenn niemand zur Stelle gewesen wäre, hätte die Sache böse ausgehen können.

Die beiden Buben waren sich dessen offenbar nicht bewusst. Mit hinterhältiger Miene kniff Gabriel seinen Bruder in den Oberschenkel, womit er sich prompt eine Ohrfeige einhandelte. Zur Revanche trommelte der jüngere mit beiden Fäusten auf den älteren ein.

»Schluss mit der Prügelei!«, fauchte Pünktchen, als das Boot bedenklich schwankte. »Ihr seid wirklich zwei Ungeheuer.«

Keiner der beiden fühlte sich durch diese Feststellung betroffen.

»Das sagt Vati auch«, erklärte Gernot gelassen.

»Aha. Und wo ist euer Vati?«

»Zu Hause«, krähte Gabriel. »Er muss arbeiten und Geld verdienen.«

»Und wer passt auf euch auf?«, forschte das Mädchen weiter. Von den Jungen erntete sie lediglich verwunderte Blicke.

»Haben eure Eltern euch ohne Aufsicht an den See geschickt?«

»Ja«, erwiderte Gabriel.

»Nein!«, schrie Gernot. »Mami hat Petzi befohlen, dass sie auf uns achtgibt.«

»Och, Petzi. Die ist selber noch ein Kind«, meinte Gabriel verächtlich und beugte sich gefährlich weit über den Bootsrand. »Schau, Gernot, da schwimmt ein Fisch!«, machte er seinen Bruder aufmerksam.

Sofort war der Größere an Gabriels Seite. Das schwankende Gefährt neigte sich, Pünktchen warf sich nach rechts. »Werdet ihr wohl endlich still sitzen!«, schimpfte sie. »Wenn ihr so weitermacht, ersaufen wir alle drei.«

»Kannst du auch noch nicht schwimmen?«, fragte Gernot. »Komisch. Du bist doch schon so groß. Warst du zum Schwimmenlernen zu dumm?«

»Nein, ich war nicht zu dumm«, knirschte das Mädchen, und ruderte, als ob es eine Weltmeisterschaft zu gewinnen gelte. Angelina trachtete danach, ihre beiden lästigen Passagiere so schnell wie möglich ans sichere Ufer zu bringen.

»Kannst du nun schwimmen oder nicht?«, wollte Gernot wissen.

»Ja, ich kann schwimmen.«

»Petzi kann auch schwimmen«, erzählte Gabriel. »Aber sie ist schrecklich faul. Sie will immer nur auf ihrem Badetuch liegen und lesen. Nie spielt sie mit uns. Mami hat Petzi schon oft tüchtig ausgezankt, aber das nützt nichts.«

»Petzi ist eine Leseratte«, bemerkte Gernot altklug.

Pünktchen verzichtete darauf, das Boot an den für Sophienlust reservierten Badesteg zu rudern. Sie wählte einen Anlegeplatz, der näher war, sprang aus dem Boot und schob es, vor Anstrengung keuchend, auf eine sanft abfallende Sandbank. Die beiden Jungen johlten vor Vergnügen.

»Klettert heraus und helft mir gefälligst!«, ordnete Pünktchen an.

»Helfen? Warum? Es ist ja nicht unser Boot«, meinte Gernot patzig.

Gabriel war hilfsbereiter, er gehorchte.

Auch Gernot hatte das Boot verlassen, aber nur, um hinter dem Rücken des Mädchens in den See hinaus zu waten, bis er keinen Grund mehr unter den Füßen hatte. »Hurra! Ich schwimme! Ich schwimme!«, brüstete er sich.

Alarmiert wandte Angelina sich um. »Komm augenblicklich zurück«, keuchte sie nach Atem ringend.

»Kann nicht. Du musst mich holen!«

Pünktchen war nahe daran den unfolgsamen Quälgeist seinem Schicksal zu überlassen. Doch ihre Gewissenhaftigkeit zwang sie zu handeln. Gernot konnte nicht viel älter als sechs sein, des Schwimmens war er offensichtlich unkundig. Wenn die Schwimmflügel sich lockerten oder Luft verloren, würde er versinken wie ein Stein. Zähneknirschend ging das Mädchen ins Wasser.

Gernot planschte und spritzte, klammerte sich an Pünktchens Beine und versuchte sie aus dem Gleichgewicht zu bringen. »Zeig mir, ob du wirklich schwimmen kannst!«, krähte er.

»Nein! Du kommst jetzt mit mir ans Ufer und zeigst mir euren Badeplatz. Damit ich euch bei dieser Petzi abliefern kann. Los jetzt!« Sie packte den Buben an den Händen und zog ihn Richtung Sandbank. Ihren Hut hatte sie längst abgelegt und im Bug des Bootes unter ihr Handtuch geschoben. Dort entdeckte ihn Gabriel. Ohne zu zögern benützte er ihn als Wurfscheibe und schleuderte ihn, so weit er konnte.

»O nein, mein schöner Hut«, jammerte Pünktchen, als sie merkte, dass ihre Kopfbedeckung auf den Wellen schaukelte.

Gabriel klatschte in die Hände. »Dein Hut kann schwimmen. Dein Hut kann schwimmen. Er schwimmt davon!«, krähte er freudig.

Angelina war den Tränen nahe. Nick hatte recht gehabt, diese beiden Knirpse waren Ungeheuer. Aber natürlich konnte man sie nicht einfach stehen lassen und sich aus dem Staub machen.

»Ihr setzt euch jetzt beide neben das Boot und rührt euch nicht von der Stelle, während ich meinen Hut hole. Wehe, wenn ihr mir nicht gehorcht«, drohte das Mädchen.

»Was ist dann?«, fragte Gernot.

»Dann …, dann binde ich euch an einem Baum fest.«

»Hm.« Gernot überlegte. Er war sich nicht sicher, ob die Drohung des Mädchens ernst gemeint war. Ohne sich weiter um die beiden zu kümmern, watete Pünktchen neuerlich hinaus, um ihre Kopfbedeckung in Sicherheit zu bringen. Dabei entdeckte sie Nick, der, die Luftmatratze der Brüder vor sich herschiebend, auf sie zu schwamm.

»Nick, du hast die beiden richtig eingeschätzt!«, rief sie dem Burschen zu. »Sie sind schrecklich. Einfach nicht zu bändigen.«

»So wie der sprichwörtliche Sack Flöhe?«, erkundigte sich Nick lachend.

»So ungefähr. Aber mir ist nicht zum Lachen zumute. Sieh nur, was Gabriel aus meinem Hut gemacht hat. Die Krempe ist total aufgeweicht.«

»In der Sonne trocknet er schnell«, tröstete Nick.

»Ja. Aber ob er seine frühere Form wieder zurückbekommt?«, zweifelte das Mädchen. Es hatte jedoch keine Zeit den Strohhut zu betrauern, denn vom Ufer her erscholl ein markerschütterndes Geschrei.

Gernot und Gabriel wälzten sich im Sand, ineinander verklammert, ein Gewirr aus Fäusten und Beinen.

»Na, das sind ja ordentliche Raufbolde«, schmunzelte Nick.

»Mich wundert, dass sie sich nicht längst gegenseitig die Köpfe eingeschlagen haben«, bemerkte Pünktchen mit einem gewissen Grimm. »Ich finde, wir sollten sie so schnell wie möglich loswerden. Sie werden von einem Mädchen namens Petzi beaufsichtigt. Wahrscheinlich ihre bedauernswerte Schwester.«

»Gut. Machen wir uns auf die Suche nach Petzi.« Nick legte die Luftmatratze neben das Boot, griff wahllos nach einer der vier geballten Fäuste und zerrte den dazugehörigen Buben hoch. Es war Gernot.

»Marsch, marsch. Schnappt eure Luftmatratze und bringt sie zu Petzi. Weiterraufen könnt ihr später«, sagte Nick. Sein kühler Tonfall bewirkte, was Pünktchen nicht gelungen war. Gernot und Gabriel gehorchten. Sie schienen sich am See gut auszukennen, denn sie schlugen ohne zu diskutieren einen schmalen Weg ein, der zu einer Gruppe von Zitterpappeln führte, in deren Schatten weiches, wenig abgetretenes Gras wuchs. Die Stelle war etwa hundert Meter vom Ufer entfernt. Bei den Badegästen, die gern nahe am Wasser waren, war sie wenig beliebt, dafür gab es hier auch keine Zigarettenstummel und sonstige Abfälle. Es war ein sehr idyllisches Plätzchen.

Ein blondes Mädchen lag bäuchlings im Gras und schmökerte in einem dicken Buch. Es war so in seine Lektüre vertieft, dass es die herannahende Gruppe nicht bemerkte.

»Das ist Petzi. He, Leseratte! Leseratte!«, kreischte Gabriel.

Das Mädchen fuhr auf. »Ihr seid schon zurück?«, stieß es wenig begeistert hervor. »Ich dachte, ihr wolltet schwimmen üben. Habt ihr es so schnell wieder aufgegeben?«

Noch ehe Gabriel und Gernot antworteten, machte Pünktchen ihrer Entrüstung Luft. »Sei froh, dass die beiden heil zurück sind«, herrschte sie das Mädchen an. »Beinahe wären sie nämlich ertrunken.«

»Ertrunken?«, wiederholte Petzi erschrocken und stand langsam auf. Sie war kleiner als Angelina und wohl auch etwas jünger. »Das kann doch nicht sein«, fuhr sie unsicher fort. »Gernot und Gabriel haben Schwimmflügel. Damit können sie nicht ertrinken.«

Nick schüttelte den Kopf. »Eine hundertprozentige Sicherheit bieten Schwimmflügel nicht«, belehrte er Petzi. »Vor allem nicht, wenn man mutterseelenallein mitten im See herumplanscht. Und genau das haben diese beiden Tunichtgute getan. Wir haben sie herausgefischt.«

»Aber …, das verstehe ich nicht. Wie kamen sie denn so weit hinaus?«

»Auf ihrer Luftmatratze. Draußen haben sie dann zu streiten begonnen. Der größere stieß den kleineren ins Wasser und hatte einen Heidenspaß daran. Ein Glück für den Knirps, dass wir zufällig mit dem Boot zur Stelle waren. Ansonsten sind nämlich heute kaum Leute am See. Die Kleinen hätten stundenlang im Wasser treiben können, ohne dass jemand sie bemerkt hätte«, sagte Nick.

»Du solltest wirklich besser auf deine Brüder aufpassen, Petzi«, rügte Pünktchen.

»Das sind nicht meine Brüder«, widersprach die Getadelte. »Leider. Sonst könnte ich ihnen öfters eine langen. Umgekehrt bin ich froh, dass sie nicht meine Brüder sind.«

»Trotzdem solltest du die beiden nicht aus den Augen lassen, solange sie sich in deiner Obhut befinden«, riet Nick. »Bei so lebhaften Jungen ist ein Unglück schnell geschehen.«

Petzi warf Gernot und Gabriel einen angewiderten Blick zu, den Pünktchen auffing. Ihre Entrüstung erwachte von Neuem. »Schau nicht so böse, sondern sei lieber froh, dass die beiden gesund und munter vor dir stehen. Mal dir doch einmal aus, wie du dich fühlen würdest, wenn sie ertrunken wären. Du würdest dich ganz entsetzlich fühlen, weil du nämlich mit Schuld an dem Unglück hättest«, äußerte Pünktchen strafend.

»Petzi hätte Schuld, Petzi hätte schuld«, trällerte Gabriel und tanzte übermütig um das Mädchen herum.

Gernot folgte dem Beispiel seines Bruders und stimmte in dessen unmelodischen Gesang mit ein. In seltener Einmütigkeit reichten sie sich die Hände und hüpften auf und ab.

»Petzi hat Schuld. Das erzählen wir unserer Mami. Petzi hat Schuld. Mami ist böse mit Petzi. Petzi bekommt nichts zu essen. Petzi muss hungern. Petzi hat Schuld. Petzi wollte uns ertrinken lassen«, sangen sie mit ihren durchdringenden hellen Stimmen.

Nick hielt sich die Ohren zu. Pünktchen rümpfte die Nase. Gernot und Gabriel erschienen ihr – wie sie so um die erstarrte Petzi herumsprangen – wie ein paar boshafte Zwerge. Plötzlich bereute sie, dass sie das Mädchen in Gegenwart der Buben gescholten hatte. Offenbar empfand Nick ähnlich, denn er sagte streng: »Schluss, ihr zwei. Lasst Petzi in Ruhe.«

»Nein, wir lassen sie nicht in Ruhe!«, schrie Gernot. »Sie soll mit uns spielen. Wenn sie mit uns spielt, dann verraten wir unserer Mami nichts.«

»Na, ihr seid ja zwei schöne Früchtchen«, murmelte Nick.

Gernot hatte scharfe Ohren, er schnappte Nicks Bemerkung auf und rief. »Früchtchen, wir sind Früchtchen! Hast du gehört, Gabriel? Wir sind Früchtchen. Früchtchen!« Das Wort schien ihm so gut zu gefallen, dass er es mindestens ein Dutzend Mal wiederholte.

Nick verdrehte seine Augen, während die von Petzi verdächtig feucht wurden. Pünktchen trat auf das Mädchen zu und legte einen Arm um seine Schultern.

»Entschuldige. Ich wollte nicht, dass du Schwierigkeiten bekommst, Petzi«, versicherte Angelina. »Es ist nur so, dass die beiden Jungen mich ganz nervös gemacht haben. Sie haben das Boot beinahe zum Kentern gebracht, ich hatte wirklich Mühe, sie sicher an Land zu bringen. Und dann hat Gabriel mir noch meinen Hut ruiniert. Sie sind solche Quälgeister.«

»Wem sagst du das«, seufzte Petzi und fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen.

»Petzi heult«, stellte Gernot befriedigt fest.

»Sie soll nicht heulen, sie soll mit uns spielen!«, brüllte Gabriel.

»Fußball spielen«, ergänzte Gernot.

»Zum Fußballspielen wüsste ich andere Spielgefährten für euch«, schaltete Nick sich ein. »Mein Bruder Henrik zum Beispiel ist ein prima Fußballspieler.«

»Ja, bring die beiden Kobolde zu unserem Badeplatz«, pflichtete Angelina dem Burschen bei. »Dort können sie kein Unheil anrichten. Ich komme später mit Petzi nach.«

Mit einer zustimmenden Handbewegung entfernte sich Nick. Gernot und Gabriel trotteten hinter ihm her. Sie waren neugierig, wohin er sie brachte.

Mit einem tiefen Seufzer ließ Petzi sich ins Gras sinken. Pünktchen setzte sich neben sie. »Ich hatte wirklich nicht die Absicht die beiden gegen dich aufzuhetzen«, eröffnete sie das Gespräch.

»Du kannst nichts dafür«, gab Petzi leise zurück. »Ich hätte mich besser um die beiden kümmern sollen. Aber sie sind so anstrengend. Man hat keine ruhige Minute. Das sollen Ferien sein! Dass ich nicht lache! Nein, mir ist nicht nach lachen, ich würde am liebsten ununterbrochen weinen. Am Abend werden sie Tante Renate erzählen, dass sie beinahe ertrunken wären und alles fürchterlich aufbauschen. Tante Renate wird mir eine ellenlange Strafpredigt halten. Sie kann nämlich stundenlang reden, und zwar so laut, dass es einem durch Mark und Bein dringt.«

»Du bist zu bedauern«, meinte Pünktchen. »Ich nehme an, Tante Renate ist die Mutter der beiden.«

Petzi nickte wortlos.

»Dann begreife ich eines nicht … Weshalb passt deine Tante nicht selber auf ihre Sprösslinge auf?«

»Weil sie zu diesem Zweck mich in die Ferien mitgenommen hat«, erwiderte die Gefragte bitter. »Obwohl sie das natürlich nicht zugibt. Sie tut so, als ob ich ihr riesig dankbar sein müsste. Aber ich bin ihr kein bisschen dankbar. Ich hasse sie und ihre grässlichen Söhne.«

»Tja, Verwandte sind manchmal eine wahre Plage«, meinte Pünktchen mitfühlend, obwohl ihr diesbezüglich jede Erfahrung fehlte, da sie Vollwaise war und keine Angehörigen mehr besaß.

Petzi sah Pünktchen groß an. »Ich bin mit denen nicht verwandt«, verwahrte sie sich. »Ich sage bloß Tante zu Frau Wegener, weil ich das so gewöhnt bin. Gernot und Gabriel nennen meine Mutti Tante Nadja.«

»Wo ist deine Mutti? Ist sie nicht hier?«