Verflixt und unsichtbar: Folge 1-3 - Jana Himmel - E-Book

Verflixt und unsichtbar: Folge 1-3 E-Book

Jana Himmel

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Beschreibung

Verflixt und unsichtbar: Mission Undercover

Privatdetektivin Laura Sand ist die beste, wenn es darum geht, Fremdgehern auf die Schliche zu kommen. Denn sie hat einen entscheidenden Vorteil: Laura kann sich unsichtbar machen. Was allerdings nicht ganz so cool ist, wie es klingt. Denn außer ihr selbst wird nichts unsichtbar - kein Kleidungsstück, kein Lippenstift.

Laura könnte es bestens gehen - wenn sie nicht plötzlich zwei riesige Probleme hätte: Erstens wurde der Verlobte ihrer besten Freundin Stefanie ermordet, den sie ohne Auftrag beschattet hatte. Nun ist nicht nur Stefanie stinksauer, sondern Laura ist auch noch die Hauptverdächtige. Und zweitens soll sie für die Detektei ausnahmsweise an einem schwierigen Wirtschaftsfall mitarbeiten, der ihre besonderen Fähigkeiten erstmals wirklich fordert - zumal sie diese nebenher auch immer wieder bei ihren Versuchen einsetzen muss, den wahren Mörder zu finden.

Und dann ist da auch noch Eric, ihr etwas schnöseliger, aber irgendwie doch wahnsinnig gutaussehender Kollege, mit dem die Einzelgängerin plötzlich enger zusammenarbeiten soll, als ihr zunächst lieb ist ...


Verflixt und unsichtbar: Mission Geistesblitz

Laura kommt durchgefroren von der Beschattung des Richters zurück - unsichtbar (und nackt natürlich). Auf der Gartenmauer gegenüber von ihrem Haus sitzt ein Teenager, der anzüglich in ihre Richtung grinst. Weil Laura unsichtbar ist, ignoriert sie ihn und denkt nicht weiter darüber nach. Unter der Dusche beschleicht sie ein komisches Gefühl - sie weiß aber einfach nicht warum. Anschließend wälzt sie sich im Bett hin und her und denkt über den Jungen nach. Irgendwas stimmt da nicht. Schließlich folgt sie einer Eingebung und macht sich unsichtbar. Schock! Der Teenager von der Gartenmauer sitzt grinsend auf ihrer Bettkante. Nachdem sich beide von dem Schrecken erholt haben, will Laura herausfinden, wer der Junge ist. Und warum kann sie ihn nur sehen, wenn sie unsichtbar ist? Außerdem muss sie den Fall des Richters lösen ...


Verflixt und unsichtbar: Mission Schlupfloch

Laura ist stinkwütend: Will hat ihr Date mit Erik versaut. Der Geist entschuldigt sich damit, dass er glaubt, seine Mutter wäre einem Heiratsschwindler aufgesessen. Die Detektivin mit der besonderen Gabe will dem auf den Grund gehen. Aber auch in der Detektei wartet ein brisanter Fall auf sie: Laura soll eine vermeintlich untreue Tennis-Lady beschatten - ausgerechnet zusammen mit Erik! Und auch in eigener Sache will Laura endlich weiterkommen - aber das Haus von Richter Konstin ist plötzlich leer, und von ihm ist keine Spur mehr zu sehen. Wie soll Laura denn jetzt dem Geheimnis ihrer Kindheit auf die Spur kommen?

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Impressum

beHEARTBEAT Originalausgabe »be« - Das eBook-Imprint der Bastei Lübbe AG Copyright © 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln Covergestaltung: Jeannine Schmelzer unter Verwendung von Motiven © shutterstock/Al-xVadinska, © shutterstock/SoleilC, © shutterstock/deedl, © shutterstock/filitova, © shutterstock/iDesign, © shutterstock/photoplotnikov, © shutterstock/Seamartini Graphics; © 9comeback/shutterstock eBook-Erstellung: readbox publishing GmbH, Dortmund ISBN: 978-3-7325-8436-9

Jana Himmel

Verflixt und unsichtbar: Folge 1-3

Über diese eBox

Jana HimmelVerflixt und unsichtbarHumorvoll, spannend und erfrischend anders - "Verflixt und unsichtbar" wärmt das Herz und strapaziert die Lachmuskeln! In der neuen ChickLit-Krimi-Serie "Verflixt und unsichtbar" ermittelt die dessoussüchtige Privatdetektivin Laura Sand. Sie ist die beste, wenn es darum geht, Fremdgehern auf die Schliche zu kommen. Denn sie hat einen entscheidenden Vorteil: Laura kann sich unsichtbar machen. Was allerdings nicht ganz so cool ist, wie es klingt. Denn außer ihr selbst wird nichts unsichtbar - kein Kleidungsstück, kein Lippenstift. Laura könnte es bestens gehen - wenn sie nicht plötzlich zwei riesige Probleme hätte: Erstens wurde der Verlobte ihrer besten Freundin Stefanie ermordet, den sie ohne Auftrag beschattet hatte. Nun ist nicht nur Stefanie stinksauer, sondern Laura auch noch die Hauptverdächtige. Und zweitens soll sie für die Detektei ausnahmsweise an einem schwierigen Wirtschaftsfall mitarbeiten, der ihre besonderen Fähigkeiten erstmals wirklich fordert - zumal sie diese nebenher auch immer wieder bei ihren Versuchen einsetzen muss, den wahren Mörder zu finden. Und dann ist da auch noch Erik, ihr etwas schnöseliger, aber irgendwie doch wahnsinnig gutaussehender Kollege, mit dem die Einzelgängerin plötzlich enger zusammenarbeiten soll, als ihr zunächst lieb ist ...Jetzt lesen
Verflixt und unsichtbarLaura kommt durchgefroren (und nackt natürlich) von der Beschattung des Richters zurück. Auf der Gartenmauer gegenüber ihrer Haustür sitzt ein Teenager, der anzüglich in ihre Richtung grinst. Weil sie unsichtbar ist, denkt sie sich nichts dabei, aber zu Hause beschleicht Laura plötzlich ein komisches Gefühl. Abends wälzt sie sich unruhig im Bett und denkt über den Jungen nach. Schließlich folgt sie einer Eingebung und macht sich unsichtbar. Schock! Der Teenager von der Gartenmauer sitzt auf ihrem Bettpfosten und grinst sie an. Wer ist dieser unverschämte Typ? Und warum kann sie ihn nur sehen, wenn sie unsichtbar ist? Außerdem muss sie den Fall des Richters lösen ...Jetzt lesen
Verflixt und unsichtbarLaura ist stinkwütend: Will hat ihr Date mit Erik versaut. Der Geist entschuldigt sich damit, dass er glaubt, seine Mutter wäre einem Heiratsschwindler aufgesessen. Die Detektivin mit der besonderen Gabe will dem auf den Grund gehen. Aber auch in der Detektei wartet ein brisanter Fall auf sie: Laura soll eine vermeintlich untreue Tennis-Lady beschatten - ausgerechnet zusammen mit Erik! Und auch in eigener Sache will Laura endlich weiterkommen - aber das Haus von Richter Konstin ist plötzlich leer, und von ihm ist keine Spur mehr zu sehen. Wie soll Laura denn jetzt dem Geheimnis ihrer Kindheit auf die Spur kommen? eBooks von beHEARTBEAT - Herzklopfen garantiert.Jetzt lesen

Inhalt

Cover

Verflixt und unsichtbar – Die Serie

Über diese Folge

Über die Autorin

Titel

Impressum

1. Zitronenfaltergelb

2. Polizeiuniformblau

3. Himbeeren-aus-der-Mikrowelle-Rot

4. Zuckerwatterosa

5. Wenn-ich-reich-wäre-Türkis

6. Unschuld-vom-Lande-Pfefferminzgrün

7. Nieselwettergrau

8. Wäscheweiß

9. Sonnenaufgangsorange

10. Tore-der-Hölle-Schwarz

Epilog

In der nächsten Folge

Verflixt und unsichtbar – Die Serie

In der neuen ChickLit-Krimi-Serie »Verflixt und unsichtbar« ermittelt die Dessous-süchtige Privatdetektivin Laura Sand. Sie ist die beste, wenn es darum geht, Fremdgehern auf die Schliche zu kommen. Denn sie hat einen entscheidenden Vorteil: Laura kann sich unsichtbar machen. Was allerdings nicht ganz so cool ist, wie es klingt. Denn außer ihr selbst wird nichts unsichtbar – kein Kleidungsstück, kein Lippenstift.

Über diese Folge

Laura könnte es bestens gehen – wenn sie nicht plötzlich zwei riesige Probleme hätte: Erstens wurde der Verlobte ihrer besten Freundin Stefanie ermordet, den sie ohne Auftrag beschattet hatte. Nun ist nicht nur Stefanie stinksauer, sondern Laura ist auch noch die Hauptverdächtige. Und zweitens soll sie für die Detektei ausnahmsweise an einem schwierigen Wirtschaftsfall mitarbeiten, der ihre besonderen Fähigkeiten erstmals wirklich fordert – zumal sie diese nebenher auch immer wieder bei ihren Versuchen einsetzen muss, den wahren Mörder zu finden.

Und dann ist da auch noch Eric, ihr etwas schnöseliger, aber irgendwie doch wahnsinnig gutaussehender Kollege, mit dem die Einzelgängerin plötzlich enger zusammenarbeiten soll, als ihr zunächst lieb ist …

Über die Autorin

Jana Himmel ist ein Pseudonym. Die Autorin, geboren 1976, wuchs in Sachsen-Anhalt auf. Sie studierte Journalistik und arbeitete danach mehrere Jahre als Fernsehjournalistin in München und Leipzig. 2015 folgte sie der Liebe nach Barcelona, Spanien. Dort schreibt sie tagsüber an ihren Romanen und arbeitet abends in einem Callcenter.

Jana Himmel

Mission Undercover

ChickLit-Krimi

beHEARTBEAT

Digitale Originalausgabe

»be« - Das eBook-Imprint von Bastei Entertainment

Copyright © 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Lisa Bitzer

Lektorat/Projektmanagement: Anna-Lena Römisch

Covergestaltung: Jeannine Schmelzer unter Verwendung von Motiven © shutterstock/Al-xVadinska, © shutterstock/SoleilC, © shutterstock/deedl, © shutterstock/filitova, © shutterstock/iDesign, © shutterstock/photoplotnikov

eBook-Erstellung: Urban SatzKonzept, Düsseldorf

ISBN 978-3-7325-2675-8

www.be-ebooks.de

www.lesejury.de

1. Zitronenfaltergelb

Ganz ehrlich? Die beiden hatten furchtbar schlechten Sex. Er kniete vor ihr und betatschte sie unbeholfen, sie dankte es ihm mit einem Stöhnen, das in meinen Ohren ziemlich unecht klang. Meiner Beobachtung nach meinten Leute, die fremdgingen, immer, etwas Besonderes machen zu müssen. Eine Stellung ausprobieren, die sie für anrüchig hielten. Oder sie versuchten sich in Fesselspielchen. Trotzdem war es meist nichts anderes als schlechter Sex. Die Beteiligten waren einfach immer viel zu verspannt, um ihren Seitensprung genießen zu können.

Für mich war das nichts Neues. Ich hatte gehofft, mich nach dem Vorspiel rausschleichen zu können, aber wie so oft hatte ich die Chance dazu verpasst. Also kaute ich ein wenig an den Fingernägeln, versuchte, nicht allzu laut zu atmen, und wartete darauf, dass sie endlich fertig würden – was erfahrungsgemäß nicht lange dauerte. Warum Menschen für so eine miese Nummer Ehebruch begingen, hatte mir noch nie eingeleuchtet. Zugegeben, ich hatte nicht viel Erfahrung, was das anging. Es war ja schon schwer genug, nicht von den Menschen, die mich umgaben, als Freak wahrgenommen zu werden – von allem anderen konnte ich nur träumen.Aber selbst mir war bewusst, dass das, was die beiden da ablieferten, höchst durchschnittlicher Matratzensport war.

Als das Schnaufen lauter wurde, sah ich mich ein wenig im Zimmer um. Beim Reinkommen hatte ich nur nach der nächstgelegenen Ecke Ausschau gehalten und gehofft, dass die zwei das Bett benutzen würden und nicht die kleine Kommode, neben der ich jetzt stand.

Der Raum war so langweilig wie der Typ, der immer noch vor der Frau kniete. Ich fand, die Einrichtung passte richtig gut zu ihm. Bett, Kommode und Kleiderschrank aus Birkenholz ähnelten sich in ihrer eintönigen Langeweile. Sogar das Bild an der gegenüberliegenden Wand und die Bettwäsche machten den Eindruck, als hätte der Kerl im Möbelhaus auf die entsprechende Seite im Katalog getippt und gesagt: »Alles einmal, bitte.« Auf dem Fensterbrett stand ein Topf mit den sterblichen Überresten einer Zimmerpflanze, und ich musste mich sehr zusammenreißen, ihr nicht aus dem Bad einen Zahnputzbecher voll Wasser zu holen und mich am Wunder der Auferstehung zu versuchen.

Ich betrachtete den Typen im Bett. Mit Mitte dreißig, wenn ich gnädig war zumindest, müsste er zumindest schon mal davon gehört haben, dass sich Lebewesen nicht nur von Luft und Liebe ernähren konnten. Ein Gedanke, der meine Aufmerksamkeit wieder auf das Bett lenkte, aber auch dort passierte nichts Neues – obwohl sie die Stellung gewechselt hatten. Er oben, sie unten. Beim nächsten Einsatz würde ich mir vielleicht doch den Anblick ersparen und einfach zur richtigen Zeit mit der Kamera zur Tür reinplatzen. Das barg jedoch immer die Gefahr, dass das Pärchen doch nur die Briefmarkensammlung begutachtete und sich nicht in der Horizontalen befand. Nicht nur einmal war ich schon bei wildfremden Leuten in die Wohnung gestolpert, ohne sie in flagranti zu erwischen – peinlich! Seitdem ging ich immer auf Nummer sicher. Zumindest das Rumknutschen musste ich mit eigenen Augen sehen, bevor ich die Kamera aus dem Auto holte und die Beweisbilder schoss, denn noch eine Klage wegen Hausfriedensbruchs konnte ich mir nicht leisten. Nicht, dass mir die nicht auch so drohte. Aber die meisten Leute vergaßen mich schnell, wenn ich erst mal ihren nackten Hintern abgelichtet hatte und sie sich mit Scheidungsanwälten rumschlagen mussten. Zumal ich wirklich flott zu Fuß war, wenn es darauf ankam. Und das tat es in den meisten Fällen, weil viele Männer lieber nackt auf die Straße liefen, als mich mit den delikaten Schnappschüssen davonkommen zu lassen. Ein Berufsrisiko, auf das ich gern verzichtet hätte. Auf die schnaufenden Geräusche des Mannes übrigens auch. Der Schmetterling auf der Wade der Blondine tanzte dabei im Takt hoch und runter. Ein hübsches hellgelbes Tier mit winzig kleinen schwarzen Punkten auf den Flügeln. Es sah wirklich ein bisschen so aus, als würde er fliegen.

Letztendlich erwischte ich jeden untreuen Ehepartner. Ob Mann oder Frau und ganz egal, wie gerissen sie sich anstellten. Beim Vertuschen, meine ich, nicht beim Akt selbst – da musste man sich nur die beiden vor mir ansehen. Wenn es um Ehebruch ging, war ich die beste Privatdetektivin der ganzen Stadt. Denn ich hatte gegenüber meinen Kollegen einen entscheidenden Vorteil: Ich konnte unsichtbar werden.

Ja, genau: unsichtbar. Mit allem Drum und Dran. Oder eben nicht. Denn anders als im Kino, wo jemand nur mit dem Finger schnippen musste und alles verschwand, war es in Wirklichkeit nicht so einfach.

Das Nervigste an der ganzen Sache war nämlich, dass sich keineswegs sämtliche Kleidung und alles, was man noch so am Körper trug, ebenfalls in Luft auflöste. Genau genommen wurde nichts außer mir selbst unsichtbar. Nichts. Keine Schuhe, kein Lipgloss, nicht meine heiß geliebte Unterwäsche. Genau aus diesem Grund stand ich in diesem Moment nackt in einem fremden Schlafzimmer und fror mir den Hintern ab.

Und deshalb lag meine Digitalkamera auch noch im Auto.

Ich seufzte innerlich. Fotos, auf denen das Pärchen, das im Bett gerade lauter wurde, als ich es den beiden zugetraut hätte, lediglich Hand in Hand ein Haus verließ, würde die Klientin sicher nicht als Beweis für die Untreue ihres Mannes akzeptieren. Zumal diese spezielle Überwachungsaktion … na ja, eben speziell, weil genau genommen inoffiziell war.

Ich schaute mich noch einmal im Raum um, aber es gab nur eine Tür nach draußen, eine weitere in ein kleines Badezimmer ohne Fenster, wie ich durch den Türspalt erkennen konnte. Schlecht für mich. Ansonsten hätte ich mich vielleicht durchs Badezimmerfenster raus- und mit viel Glück – angezogen und mit schussbereiter Kamera – wieder reinquetschen können. Wenigstens war die Heizung an. Normalerweise arbeitete ich wegen erwähnter Kleidungsprobleme nur im Sommer, denn an meinen eins siebzig waren nicht gerade viele Fettpolster, die mich warm halten konnten – ganz zu schweigen davon, wie sehr ich kalte Füße hasste.

Doch den haarigen Rücken des Schnaufers schaute ich mir für eine Freundin an, für meine einzige Freundin, um genau zu sein. Also würde ich hier wohl oder übel mit einem Rillenmuster vom Heizungsgitter auf meinem Allerwertesten herausspazieren müssen.

Ich kaute noch ein bisschen auf den Fingernägeln, dann rutschte ich so weit die Heizung hinunter, dass ich mit dem Rücken dagegen lehnte, und hätte dabei beinahe eine riesige, potthässliche Standvase umgeworfen. Sie kippelte bedenklich, was auf dem grauen Teppich zwar kein Geräusch machte, mir aber trotzdem einen so großen Schreck einjagte, dass ich um ein Haar meine Schutzschilde fallen gelassen hätte. Nicht, dass ich eine Ahnung hatte, wie ich diese Unsichtbarkeitssache machte, aber ein bisschen Konzentration gehörte auf jeden Fall dazu. Ich war mir ziemlich sicher, dass der Kerl im Bett eine weitere nackte Blondine in seinem Schlafzimmer als Einladung zu einem Dreier verstanden hätte. Bei dem Gedanken daran schüttelte es mich innerlich. Ich ließ die Vase los, sobald sie wieder sicher stand, und hoffte, dass der Schnaufer und seine Gespielin endlich fertig werden würden.

Ich war geübt darin, mich auf meine Fersen zu setzen und auszuharren, ohne den Boden oder die Wand hinter mir zu berühren. Okay, Heizungen waren die Ausnahme. Aber wie immer sehnte ich mich nach meiner Unterwäsche. So sehr, dass ich heute Nacht wohl wieder von glatter, weißer Baumwolle träumen würde. Oder von diesem Seiden-Negligé, das ich eine Woche zuvor im Schaufenster meines liebsten Dessous-Ladens gesehen hatte. Zuckerwattiges Rosa mit hauchfeiner Spitze. Das Schmuckstück gab es auch in einem blassen Zitronenfaltergelb – wie das Tattoo der Frau …

Paul erwartete mich mit grimmiger Miene. Wie ein Pascha thronte er hinter seinem Schreibtisch, hundertfünfzig Kilo Lebendgewicht quollen zu allen Seiten aus dem abgewetzten ehemals roten Ledersessel heraus, die Hände lagen zu Fäusten geballt auf der Tischplatte, und auf seiner Vollglatze standen kleine Schweißperlen. Ich verstand nicht, warum er sich so aufregte. In den drei Jahren, in denen ich für ihn gearbeitet hatte, war ich nicht ein einziges Mal pünktlich gewesen.

»Wo hast du dich rumgetrieben?«, herrschte er mich an.

Einen solchen Tonfall legte mein Boss eher selten an den Tag. Ich zog fragend die Augenbrauen hoch, während ich meine Haare zum dritten Mal in den letzten fünf Minuten in einen Pferdeschwanz zu bändigen versuchte. Meine Darstellung der Unschuld vom Lande war schon immer preisverdächtig.

»Also, Laura? Ich warte.«

Er strich sich mit der rechten Pranke über die Glatze, ohne den Blick auch nur eine Sekunde von mir abzuwenden. Als ich mit den Schultern zuckte, knallte er die flache Hand auf den Schreibtisch.

»Deine Ausrüstung stand nicht in deinem Spind! Margarethe hat mir gesagt, dass du die Kamera geliehen hast. Also will ich verdammt noch mal wissen, wo du warst!«

Private Ermittlungen waren streng verboten. Es hatte mehr als einen Kollegen in der Detektei gegeben, der deswegen seine Sachen hatte packen müssen. Auch wenn ich Pauls Liebling, er für mich so eine Art Vaterfigur und nebenbei der einzige Mensch auf der Welt war, der von meinem kleinen »Problem« wusste (und mich trotzdem nicht für eine Spinnerin hielt), war ich mir sicher, dass er in diesem Punkt keine Ausnahme machen würde. Was der Grund war, warum ich ihm meinen heutigen Ausflug verschwiegen hatte. Ich hatte gehofft, dass er nichts merken würde, und nun ärgerte ich mich, dass ich mir keine passende Ausrede zurechtgelegt hatte. Und das Einzige, was mir auf die Schnelle einfiel, zeugte nicht gerade von bestechender Intelligenz oder einem ausgeprägten Talent für Lügen.

»Ich habe Bäume fotografiert.«

Ja, genau. Bäume. Ich hatte Bäume gesagt. Am liebsten hätte ich mir die Zunge abgebissen, sie scharf angebraten und verspeist. Innerlich verabschiedete ich mich schon einmal von dem einzigen Job, den ich je gemocht hatte.

Die Armlehnen an Pauls Sitz bogen sich bedrohlich nach außen, als er sich aus dem Schreibtischstuhl wuchtete und ans Fenster ging. Im Herbst und Winter war sein Büro noch schummriger als sonst. Obwohl die restliche Detektei, vor allem der Empfangsbereich, mit viel Chrom und Glas gebaut worden war – Pauls Büro war eine Höhle. An drei Wänden standen dunkle Holzregale, vollgestopft mit schwarzen Aktenordnern, in der Mitte des Raums prangte ein wuchtiger Schreibtisch, der so überladen mit Papieren war, dass man nur an den Tischbeinen das braune Holz erkennen konnte. Abgesehen von der winzigen Funzel auf Pauls Schreibtisch gab es keine Lampe, und selbst wenn er Bilder hätte aufhängen oder stellen wollen, wäre dafür kein Quadratzentimeter Platz gewesen.

»Ich mag die Farben auch, die der Herbst auf die Blätter malt«, sagte mein Chef mit nachdenklicher Stimme, während er aus dem Fenster blickte. Dann drehte er sich wieder zu mir herum. »Aber wenn ich dich noch einmal dabei erwische, wie du ohne zu fragen die Ausrüstung ausleihst, bist du draußen! Verstanden?«

Ich konnte vor Erstaunen nur stumm nicken.

»Margarethe hat einen neuen Auftrag für dich. Ein normaler – kein Spezialeinsatz«, fügte er hinzu.

Spezialeinsatz. Damit umschrieb Paul gewöhnlich meine besonderen Fähigkeiten. Wenn er es so nannte, klang es nach James Bond, aber ich wusste es besser. Ich war schließlich der Freak hier. Trotzdem war ich froh, meine Klamotten bis auf Weiteres anbehalten zu dürfen, denn ich war immer noch durchgefroren.

In Gedanken schimpfte ich mich selbst dafür, dass ich nicht nur Pauls, sondern auch meine eigenen Regeln gebrochen hatte, in der kalten Jahreszeit nicht an »Spezialfällen« zu arbeiten. Die hatte ich schließlich nicht umsonst aufgestellt. Es ging ja schon damit los, dass ich im Herbst und Winter kaum trockenen Fußes vom Auto (meiner Entkleidungsstation) zum jeweiligen Ort des Stelldicheins kam. Wenn die meisten Leute auch nicht viel mitkriegten: Nasse Fußabdrücke auf dem Teppich oder Laminat waren kaum zu übersehen. Der wichtigste und entscheidendste Grund aber, aus dem ich nie, niemals, nie zwischen Oktober und Mai unsichtbar arbeitete, war ein Fall, bei dem ich, ausgesperrt in einem Hinterhof, einmal fast zwei meiner Zehen verloren hatte. Die waren schon blau angelaufen, als ich – erniedrigender hätte es kaum sein können – ein paar gebrauchte Küchentücher aus einer Mülltonne gefischt und mir um die Füße gewickelt hatte. Es dauerte dann noch einmal eine Ewigkeit, bis sich jemand in den Hinterhof verirrt hatte. Ich hatte mehrere Tage mit schlimmsten Unterkühlungen im Krankenhaus gelegen. Seitdem gab es die Oktober-bis-Mai-Regel.

Ich verließ Pauls Büro und schrieb Stefanie, meiner Freundin mit dem untreuen, hoffentlich zukünftigen Ex, eine SMS, dass ich mit ihr reden müsse. Ich wollte ihr die Neuigkeiten ungern am Telefon verkünden, zumal ich wieder einmal nicht schnell genug aus der Wohnung gekommen war, um Beweisfotos zu schießen. Ich hatte schon öfter darüber nachgedacht, einfach so aus dem Zimmer zu spazieren. Wenn die Leute richtig in Fahrt waren, merkten sie es ja vielleicht nicht – oder störten sich nicht daran. Aber irgendwie fühlte ich mich zusammengekauert in meiner Ecke wohler, in der ich in Ruhe an meinen Nägeln kauen und von Spitzenunterwäsche träumen konnte.

Margarethe vom Empfang lächelte mich mitleidig und ein wenig schuldbewusst an. »Tut mir leid, Schätzchen. Ich wollte dich nicht verpetzen.«

So sicher war ich mir da nicht. Außer ihr war ich die einzige Frau in der Detektei. Vielleicht war sie sauer, dass sie sich die zweite Toilette mit mir teilen musste.

Eine Sekunde später ohrfeigte ich mich innerlich für den bösen Gedanken. Normalerweise war Margarethe wie eine Großmutter für mich. Mit den grauen Haaren, die sie stets zu einem festen Knoten im Nacken gedreht hatte, sah sie auch fast wie eine aus. Statt schickem Kostüm trug sie bodenlange braune Röcke und erdfarbene Strickjacken. Als Empfangsdame machte sie optisch nicht viel her, aber jeder in der Detektei wusste, dass sie auf Zack war – und explodieren konnte wie eine Stange Dynamit, wenn man es sich mit ihr verscherzte. Margarethes Zorn zog niemand freiwillig auf sich.

Eigentlich hatte ich keine Lust auf einen weiteren Auftrag – selbst wenn es einer von den »normalen« war. Denn unsichtbar zu sein, kostete mich jedes Mal eine Menge Energie. Ich fühlte mich danach immer wie erschlagen, als hätte ich seit Tagen nicht geschlafen. Ich war froh, dass sich die dunklen Augenringe gewöhnlich erst nach zwei Stunden zeigten – sonst hätte Paul mir die Baumgeschichte nie abgenommen. Dass er das überhaupt getan und dazu noch so pathetisch was von den Herbstfarben gefaselt hatte … unfassbar! Normalerweise war er der rational Denkende von uns beiden.

Ich schnappte mir die Akte, die für mich bereitlag. Nach dem ersten Durchblättern stellte ich mich auf eine lange Nacht im Auto ein. Das hatte keine Standheizung, weil Ehebrecherfälle nicht viel abwarfen. Ich konnte froh sein, überhaupt ein Gefährt zu besitzen.

»Ich habe dir eine Thermoskanne Pfefferminztee gekocht. Steht in der Küche, Schätzchen.«

Wie ich schon sagte: Margarethe war wie eine Großmutter. Ich schnappte mir Kanne und Kamera und zog los, um ein paar hübsche Fotos von einer angeheuerten Begleiterin zu machen, die sich im Haus eines B-Promis aufhielt und es hoffentlich bald wieder verlassen würde.

Die Fotos waren übrigens nicht für eine eifersüchtige Ehefrau gedacht. Paul verkaufte sie an Boulevardmagazine. Obwohl er ungefähr ein Dutzend Regeln hatte, was man als Privatdetektiv durfte und was nicht: Besonders hoch waren seine Moralvorstellungen nicht. Vor allem wenn ein Foto ein paar hundert Euro abwarf. Da ein Teil davon an mich ging, war mir die Moral ebenso egal.

Ich fuhr zu der angegebenen Adresse, machte es mir im Fahrersitz bequem und hoffte, dass die Dame in einem pinkfarbenen Ministretchkleid herauskommen würde. Wenn ein Foto so fiese Klischees bediente, gab es gewöhnlich direkt einen Hunderter mehr.

Es war ein mieser Job – aber ein lukrativer. Einmal hatte ich durch pures Ausharren im Auto und das Abpassen des richtigen Moments die Sonnenseite eines Schauspielers erwischt. Und mit Sonnenseite meine ich, dass große Teile des Bildes hatten verpixelt werden müssen, bevor man sie abgedruckt hatte. Wirklich große Teile. Die beiden Brustwarzenpiercings hatten trotzdem genug Kohle eingebracht, um die weinrote Korsage zu finanzieren, auf die ich schon seit Monaten scharf gewesen war.

»Nach deiner SMS habe ich nicht mehr damit gerechnet, dich heute Abend noch zu sehen.«

Stefanie stand in einem dunkelgrünen Kostüm in der Tür, obwohl sie sicher schon vor Stunden nach Hause gekommen war. Ich konnte mich nicht erinnern, sie jemals in einer Jeans oder – Gott bewahre! – Jogginghose gesehen zu haben. Allerdings lief sie barfuß herum, und aus ihrem Haus strömte eine wohlige Wärme. Trotzdem: Es schüttelte mich schon beim bloßen Anblick ihrer strumpflosen Füße, und ich wünschte mir dicke Wollsocken herbei.

»Ich hatte Glück, mein Fotomotiv hat keine Stunde auf sich warten lassen. Willst du sehen?« Das brauchte ich Stefanie nicht zweimal zu fragen, denn sie hatte eine unstillbare Lust auf Klatsch und Tratsch. Sie machte die Tür ein Stückchen weiter auf und war in der Küche, bevor ich die Schuhe ausgezogen hatte.

»Ein Schluck Wein? Du siehst echt scheiße aus, Süße!«

Na, vielen Dank. Stefanie wusste, was ich beruflich machte – von meiner speziellen Fähigkeit und ihren Nachwirkungen hatte sie jedoch keine Ahnung. Wir kannten uns seit über zwei Jahren, aber irgendetwas hatte mich immer davon abgehalten, ihr davon zu erzählen. Wahrscheinlich war ich einfach abgeschreckt von den Reaktionen der wenigen Menschen, bei denen ich es bislang mit der Wahrheit versucht hatte. Und das waren Leute gewesen, von denen ich viel, viel mehr erwartet hätte als von jemandem wie Stefanie, mit der mich eine unkomplizierte und lockere Freundschaft verband.

Wir hatten uns in einem Fahrstuhl kennengelernt. In einem stecken gebliebenen Fahrstuhl. Sie in Kostümchen und High Heels, ich schmuddelig und irgendwie nach Puff riechend. Sie bekam einen kleinen hysterischen Anfall, als der Lift im Schacht stehen blieb, und ich hatte das dringende Bedürfnis, endlich einmal auszuprobieren, ob Leute wirklich aufhörten zu schreien, wenn man ihnen eine Ohrfeige gab. Stattdessen drückte ich auf den Notrufknopf, was auch irgendwie half. Stefanie schrie noch ein bisschen weiter, nachdem der freundliche Mensch am anderen Ende versichert hatte, dass es höchstens drei Stunden dauern würde, bis ein Techniker uns retten komme. Allerdings waren das keine hysterischen Schreie mehr. Ich lernte sogar noch ein paar Wörter, die ich so einer Tussi gar nicht zugetraut hätte.

Nach zwei Stunden und neununddreißig Minuten (Stefanie hatte alle verklagen wollen und deshalb die Zeit genau im Auge behalten) waren wir tatsächlich aus unserer misslichen Lage befreit worden. Und weil große Unglücke zusammenschweißten, waren wir danach noch einen Kaffee trinken gegangen. Seitdem waren wir befreundet. Dass sie schwerreich geerbt hatte, erfuhr ich erst später. Wahrscheinlich war ich ihre einzige Freundin, weil mich ihre Kohle nicht die Bohne interessierte.

Ich ließ mich in einen der dicken, cremefarbenen Sessel in Stefanies Wohnzimmer fallen. »Wein? Klar, immer her damit. Ich muss ja nicht mehr arbeiten.« Und nicht mehr so weit fahren, dass ich nicht ein halbes Gläschen vertragen hätte. Zur Not konnte ich ein Taxi nehmen. Oder laufen, das wäre billiger.

Während sie in der Küche nach etwas Essbarem für mich suchte, sah ich mich in ihrem Wohnzimmer um. Obwohl ich ständig hier war, konnte ich noch immer nicht fassen, wie jemand so leben konnte. Ich fand es scheußlich. Wahrscheinlich hatte Stefanie Tausende und Abertausende von Euro ausgegeben, um ihr Haus wie ein Nobelhotel aussehen zu lassen: schwere, bunte Teppiche, cremefarbene Ledersessel, eine Tapete, die aussah und sich anfühlte wie Samt (ich hatte es getestet), dazu ein Kronleuchter, in dem echte Kerzen steckten, obwohl ich die noch nie hatte brennen sehen. Alles in allem also vollkommen kitschig und abscheulich. Wenn ich jemals so viel Geld gehabt hätte, dass ich damit mehr anfangen könnte, als meine Miete zu zahlen und meinen Kühlschrank zu füllen, hätte ich mir meine Bude sicher nicht so eingerichtet. Dass Stefanie ausgerechnet auf André stand, dessen Schlafzimmer wie eine Seite aus einem Möbelprospekt aussah, wollte mir nicht in den Kopf. Womit wir allerdings beim Thema waren.

»Ich muss dir etwas gestehen«, sagte ich, als sie mit einem Tablett Käse, Peperonichips, einer Flasche Rotwein und zwei Gläsern ins Zimmer kam.

Stefanie stellte die Snacks ab, warf ihre prachtvollen dunklen Locken zurück und kniff die grauen Augen zusammen. Die Geste sah so gekonnt und gleichzeitig einstudiert aus, dass ich vermutete, dass Stefanie sie vor dem Spiegel geübt hatte. Wahrscheinlich ahnte sie etwas, denn ihr Blick verhieß nichts Gutes. Ich nippte am Wein, auch wenn ich mir mit den zwei Schlucken keinen Mut antrinken konnte.

»Was hast du getan?«

Okay, sie ahnte definitiv etwas. Wir hatten uns schon mehr als einmal wegen André gestritten. Normalerweise waren mir ihre wechselnden Liebhaber egal, aber bei dem Typen hatten sich mir von Anfang an die Haare im Nacken aufgestellt. Außerdem hielt diese Beziehung schon viel zu lange – wenn man davon ausging, dass der Typ eindeutig ein Frettchen war. Ich hatte Stefanie vor einiger Zeit angeboten, ihn zu beschatten, aber sie hatte sehr bestimmt abgelehnt. Nun hatte ich es trotzdem getan. Aber nur, weil sie mir vor Kurzem freudestrahlend ihre Verlobung mit dem Nagetier verkündet hatte.

»Ich …«

Mist. Ich hatte keine Ahnung, wie ich ihr meinen Soloauftritt verklickern sollte. Jetzt bereute ich meinen kleinen Vormittagsausflug. Nicht nur, weil mein Rücken noch immer schmerzte (wahrscheinlich hatte ich ihn mir an der Heizung ein bisschen angesengt). Ich hatte Angst. Was, wenn Stefanie wirklich nicht wissen wollte, was ihr Verlobter so trieb, wenn sie nicht dabei war? Wieso hatte ich mich nicht aus ihrem Privatleben raushalten können? Sollte sie doch selbst merken, was das für ein mieser Typ war! Vielleicht machte ihr sein Fremdgehen ja auch gar nichts aus?

Ich dachte darüber nach, einfach alles abzublasen und mir eine gute Ausrede einfallen zu lassen, warum ich sie hatte sprechen wollen. Sicher würde mir eine Notlüge einfallen, die besser war als: »Ich habe Bäume fotografiert.« Nachdenken, Laura!

»Hast du ihm nachspioniert?«, half Stefanie mir auf die Sprünge und fügte mit leiser Stimme hinzu: »Ich dachte, du bist meine Freundin.«

Enttäuscht sah sie mich an. Obwohl ich noch keinen Ton gesagt hatte, wusste sie Bescheid. Sie richtete sich gerade auf und strich sich unsichtbare Falten aus dem Kostüm. »Du warst schon immer neidisch auf mich, von Anfang an. Und jetzt willst du mir André madigmachen. Wie kannst du nur?«

Sie stand bedrohlich über mir, während ich im Sessel immer kleiner wurde. Mir wollte einfach keine Ausrede einfallen. Bäume … Bäume … mehr kam mir nicht in den Sinn. Irgendwas lief hier falsch! Dieser André hatte heute eine andere Frau begattet, und das, obwohl er Stefanie die große Liebe geschworen hatte. Wieso sah sie nicht, was für ein Scheißkerl das war? Ich nahm noch einen Schluck Wein, um Mut und Zeit zu gewinnen, aber es half nicht im Geringsten.

»Hör zu«, versuchte ich es. »Er ist nicht der, für den er sich ausgibt.«

»Ich weiß genau, wer er ist – und auch, was du bist!«

Warum war sie so wütend auf mich? Ja, ich hatte ihrem Freund hinterhergeschnüffelt und mir seinen behaarten Hintern in Aktion angesehen – aber das war doch nur zu ihrem Besten gewesen.

»Er betrügt dich.« Ich versuchte es mit einem direkten Schuss. So wie sie in Fahrt war, würde sie zarte Andeutungen kaum verstehen.

»Du lügst!« Stefanie starrte weiter mit diesem Ich-bin-böse-Blick auf mich herunter. »Du bist eifersüchtig und willst ihn mir ausspannen.«

Sie schielte auf meine Kamera, die auf dem Tisch lag. Für einen Moment sah ich einen unsicheren Ausdruck auf ihrem Gesicht.

»Ich wette, du hast nicht den geringsten Beweis, Miss Superdetektivin.«

Tja, Volltreffer, würde ich mal sagen. Ich stand auf und sah ihr in die Augen. Ihr den Freund ausspannen? Lächerlich! Zumal er gar nicht mein Typ war.

»Stef, hör mir zu! Er ist ein Frettchen. Ich habe ihn heute Vormittag gesehen, als er eine Blondine gevögelt hat.« Deutlicher konnte ich es nun wirklich nicht ausdrücken.

»Ach, eine Blondine!«, zischte sie. »Soll dieses Mausgraubraun etwa blond sein?« Sie schnippte mir unsanft gegen eine Haarsträhne, die sich aus dem Pferdeschwanz gelöst hatte.

Wow. Was sollte das denn? Wir kannten uns seit über zwei Jahren, und sie war die einzige Freundin, die ich hatte. Die einzige, die mich nicht für komplett bescheuert hielt.

Als hätte sie meine Gedanken erraten, legte sie den Finger in die Wunde. »Ich hätte auf die Leute hören sollen.«

Bevor sie noch ein weiteres Wort sagen konnte, hob ich die Hand, um sie zum Schweigen zu bringen, schnappte mir die Kamera vom Tisch und ging zur Tür. So kam ich nicht weiter. Stefanie war für ein vernünftiges Gespräch viel zu aufgebracht. Vielleicht hatte ich morgen mehr Chancen.

Als ich mir im Flur die Schuhe zuband, kam sie hinterher. Leise fragte sie: »Warum gönnst du mir mein Glück nicht?«

Ich wusste nicht, was ich darauf erwidern sollte, richtete mich wieder und sah sie an. »Stef, hör zu, ich habe ihn wirklich …«

Weiter kam ich nicht – denn ich musste schnell in Deckung gehen. Sie hatte mir tatsächlich eine knallen wollen! Ich verstand die Welt nicht mehr. Noch vor ein paar Tagen hatten wir vor dem Fernseher über Tom Cruise geätzt und uns den Bauch mit Tortillachips und Guacamole vollgeschlagen. Und jetzt ließ sie mich nicht einmal zu Wort kommen.

Stumm zeigte sie mit ausgestrecktem Finger auf die Tür. »Ich will dich nie wieder sehen!«

Beinahe hätte ich laut aufgelacht, so theatralisch waren ihre Geste und das ganze Gehabe. Aber ich war verletzt und hatte Angst, die einzige Person zu verlieren, mit der ich reden konnte – eigentlich. Stefanie blieb einfach wortlos in dieser Position stehen, als wäre sie eine Schaufensterpuppe, und wartete darauf, dass ich meinen zweiten Schuh zugeschnürt hatte und aus dem Haus ging.

Im Auto blieb ich erst einmal für ein paar Minuten sitzen. Ich hoffte, dass Stefanie herauskommen oder mich auf dem Handy anrufen würde. Sie müsste ja nicht reumütig auf die Knie fallen und um Gnade winseln. Nur einfach fragen, was ich eigentlich gesehen hatte. Doch nichts dergleichen geschah. Also startete ich den Wagen und fuhr nach Hause.

Meine Wohnung lag im Erdgeschoss eines Eckhauses gegenüber einer Schule. Als ich ein Kind und noch nicht die Verrückte war, die ständig verschwand oder nackt in der Gegend rumlief, kletterten meine Freundinnen und ich immer über die Mauer dieses Hauses, um Äpfel zu klauen. Der Baum war uralt, die Äpfel winzig, sauer – und superlecker. Mir war sofort klar gewesen, es musste diese Wohnung sein, als ich das Zu-vermieten-Schild sah, obwohl das Haus an einer viel befahrenen Straße mit plärrenden Kindern auf der gegenüberliegenden Seite stand. Der kleine Garten, in den man vom Gehweg aus durch eine verwitterte Holztür gelangte, hatte es mir besonders angetan. Irgendwann würde ich den Vermieter um Erlaubnis bitten, eine Terrassentür einbauen zu lassen, damit ich nicht immer durch das Fenster klettern oder ums Haus gehen musste, um in mein Paradies zu gelangen. Drei Winter lang hatte ich den alten Baum beschnitten, jeden Sommer gedüngt und gebangt. Jetzt waren die Äpfel groß und saftig, und ich musste höllisch darauf aufpassen, denn noch immer kletterten die Nachbarskinder über die Mauer, um die Früchte zu klauen.

Ich hatte die Tür noch nicht richtig geöffnet, als mir Tango um die Füße strich. Ich war kein Katzenmensch, und ein Haustier hätte ich mir nie freiwillig zugelegt. Den Kater hatte ich von einer Nachbarin geerbt. Eigentlich hatte ich nur auf ihn aufpassen sollen, während sie zu ihrer Schwester fuhr, um sie zu besuchen. Bei der war sie aber nie angekommen, denn die alte Frau war im Zug eingeschlafen und nie wieder aufgewacht. Seitdem hatte ich einen rotgetigerten kleinen Kerl im Haus, der nach reichlich Zuneigung und Dosenfutter verlangte.

Ich zog die Lederjacke aus, warf sie auf den Boden und ließ die Kamera daneben aufs Parkett gleiten. Ich hatte keine Lust mehr gehabt, die Ausrüstung ins Büro zurückzubringen. Sollte Paul mir doch zur Strafe etwas vom Gehalt abziehen! Diesmal war ich schließlich in offizieller Mission unterwegs gewesen.

Ich schüttete Tango etwas Trockenfutter in den Napf und stellte mich dann unter die Dusche. Der Wasserfallduschkopf war eines der wenigen Dinge in meiner Wohnung, die richtig Geld gekostet hatten. Normalerweise war Duschen die erste Amtshandlung, wenn ich von einem meiner unsichtbaren Ausflüge zurückkam. Obwohl ich schon mehr als mein halbes Leben lang verborgen vor aller Augen in der Gegend rumlaufen konnte, hatte ich mich nie daran gewöhnt. Ja, schon klar, niemand konnte mich sehen – kein Grund, sich zu schämen. Aber ich sah oft mehr, als mir lieb war, und eine heiße Dusche half, ein paar dieser Dinge wieder zu vergessen.

Unsichtbar sein war eindeutig keine gute Superheldenkraft. Zumal man nicht einmal etwas Nützliches damit anfangen konnte. Leute beschützen zum Beispiel. Oder Banken ausrauben.

Ich begann mit der Körperinventur, ein festes Ritual seit der Zehen-Hinterhof-Geschichte. Dafür hatte ich sogar einen Spiegel in der Dusche. Vielleicht hätte man mich deshalb für eitel halten können, da ich aber nie Besuch bekam, war mir das egal.

Ich drehte den Wasserhahn auf und musterte meine Rückseite. Ich beeilte mich, weil der Spiegel in ungefähr zehn Sekunden beschlagen sein würde. Mein Rücken sah aus wie immer, zum Glück ohne Heizungsmuster. Check. Dasselbe galt für meine hinteren Oberschenkel. An meinem Rücken klebten keine ekligen Dinge, von deren Herkunft ich normalerweise nichts wissen wollte. Check und check. Auch vorn war alles okay. Ich seufzte erleichtert und schloss die Augen.

Dieser Tag war eindeutig zu lang gewesen. Und noch nicht vorbei, denn ich hörte mein Handy im Flur klingeln. Für eine Sekunde war ich versucht, aus der Dusche zu springen und ranzugehen. Ich hoffte immer noch, dass Stefanie es sich anders überlegt hatte. Aber meine Füße wollten sich einfach nicht bewegen. Also lehnte ich mich mit dem Rücken gegen die kalten Fliesen und ließ mich vom heißen Dampf einhüllen, bis ich so müde war, dass ich es gerade noch schaffte, mich abzutrocknen, und dann mit nassen Haaren ins Bett fiel.

2. Polizeiuniformblau

Oh ja, und wie ich das bereute! An eine Frisur war am nächsten Morgen nicht zu denken – ich versuchte nicht einmal, die wild in alle Richtungen abstehenden blonden Locken zu bändigen. Als klar war, dass es ein Bad-Hair-Day werden würde, nahm ich einfach ein Haargummi und entschied mich dann für zusammenpassende blau-gestreifte Unterwäsche (auch wenn dieses perfekte Zusammenspiel niemand sah – ich wusste es) und schlüpfte in Jeans und T-Shirt. Erst als ich schon im Auto saß, fiel mir der Anruf von gestern Abend wieder ein, aber der Anrufer hatte seine Nummer unterdrückt und keine Nachricht hinterlassen.

»Dann eben nicht«, murmelte ich laut und ließ den Motor an. Ich fuhr einen kleinen roten 2er-Golf, den ich mir von meinem ersten anständigen Honorar gekauft hatte. Ein anderes Auto kam nicht infrage, obwohl mein Kleiner im Winter oft nicht ansprang. Aber eine Reparatur würde er garantiert nicht mehr überstehen. Mal ganz davon abgesehen, dass er mittlerweile so viele Jahre auf dem Buckel hatte, dass er schon wieder begehrenswert war. Mehr als einmal hatte ich einen Zettel unter der Windschutzscheibe gefunden, von Menschen, die meinen Schatz kaufen wollten. Und das waren nicht diese Visitenkarten von Händlern, sondern handschriftliche Notizen, die echte Oldtimerliebhaber vermuten ließen. Trotzdem würde mein Auto und mich wohl erst der Schrotthändler trennen. Oder die Steuer.

Ich ließ mir Zeit, ins Büro zu kommen. Ich wusste, dass die Fotos nicht vor Mittag rausmussten, also hielt ich unterwegs noch an einem Coffeeshop an, um mir meine morgendliche Dosis Koffein zu besorgen. Ein Blick in den Spiegel hatte mir heute früh verraten, dass mein gestriger Unsichtbarkeitsausflug deutliche Spuren hinterlassen hatte. Da ich aus Erfahrung wusste, dass nur eine zentimeterdicke Schicht Make-up diese Augenringe verbergen konnte, hatte ich darauf verzichtet und lediglich etwas Lipgloss aufgetragen. Immer schön den Blick von den fiesen Details ablenken. Ich ließ dem Jungen hinter dem Tresen mein strahlendstes Lächeln zukommen, aber scheinbar war er nicht bestechlich. Oder ich war mit vierundzwanzig zu alt für ihn. Also zahlte ich auch den Extraschuss Schokoladensirup und machte mich auf den Weg zur Arbeit.

Paul saß in seinem roten Paschaschreibtischstuhl und sah wieder einmal sauer aus. Nicht, dass es mir etwas ausmachte – ich kannte schließlich seinen weichen Kern.

»Du hast die Kamera gestern nicht zurückgebracht«, schnauzte er mich an.

Ich hatte keine Lust auf Ausreden und nickte nur.

»Hast du wenigstens was bekommen?«

Wieder nickte ich. »Margarethe hat die Bilder schon überspielt, kannst sie dir ansehen.«

Paul rief die Dateien in seinem Computer auf und klickte sich durch die knapp zwanzig Fotos. »Schick.« Um sein rechtes Augen zeigte sich so etwas wie eine Lachfalte, nur ganz leicht, was in meiner Übersetzung hieß: neue Winterschuhe. Bingo!

»Was machen die Spezialfähigkeiten?«

Oh-oh. Paul fragte nie danach, es sei denn, es gab einen Ehebrecherfall für mich. Aber da wir Oktober hatten, kam diese Möglichkeit nicht in Betracht – das wusste er. Hatte er von meinem gestrigen Sonderauftrag Wind bekommen? Ich musste auf Zeit spielen. Wieder versuchte ich, meine nicht vorhandenen Fähigkeiten zu aktivieren, mir gute Ausreden einfallen zu lassen.

»Äh, nichts?«

»Was bedeutet ‚nichts’?« Paul tippte auf der Tastatur herum, wahrscheinlich erstellte er gerade ein Angebot für die Fotos. Im Gegensatz zu den meisten Männern, die ich kannte, war er tatsächlich multitaskingfähig.

»Alles wie immer eben«, druckste ich herum.

Paul klickte noch zweimal mit der Maus, strich sich über die Glatze und sah mich an. Bye-bye, Winterstiefelchen.

»Bist du einsatzfähig oder nicht?«

Was? »Äh … ja?«

»Was ist los mit dir, Mädchen? Zu wenig Schlaf bekommen? Wie ich dem Zeitstempel auf den Fotos entnehmen konnte, musstest du nicht besonders lang auf die Beute warten. Noch um die Häuser gezogen?«

Ja, klar – als ob. Meinen Blick verstand sogar Paul. Er holte eine Akte aus der Schreibtischschublade, ohne einen weiteren Kommentar zu meinem nicht vorhandenen Privatleben abzugeben.

»Ich weiß, dass du nicht gern im Kalten arbeitest, aber es würde eine schöne Summe für dich rausspringen. Erik braucht Hilfe bei einer Wirtschaftssache.«

Meine hochgezogenen Brauen konnte Paul nicht bemerken, weil er in der Akte hin und her blätterte. Ich bekam nie die normalen Fälle. Ich bekam die Ehebrecher und die bezahlten Mädchen. Erik mit dem Porsche und dem Nadelstreifenanzug übernahm die Wirtschaftsfälle. Mit jeder Menge Akten, die er nicht einmal fotografieren musste.

Sicher hätte ich so einen Fall auch ohne Spezialfähigkeiten lösen können. Dachte ich.

Vielleicht.

Egal.

»In dem Fall brauchen wir keine Beweise, nur Daten.« Paul blätterte noch immer in der Akte herum. »Und?« Er blickte fragend hoch. »Ja oder nein?«

Winterstiefel aus Leder! Echtem Leder …

Oder auch nicht. Denn bevor ich eine Antwort geben konnte, klopfte Margarethe an die Tür und platzte ohne abzuwarten in Pauls Büro. Kein gutes Zeichen.

»Da sind zwei Herrschaften von der Kriminalpolizei.« Die Betonung legte sie nicht wie sonst auf Herrschaften, sondern auf Kriminalpolizei. »Sie wollen mit Laura sprechen.« Dabei sah sie mich bedeutungsvoll über den Rand ihrer Lesebrille an.

Wie bitte? Wer? Mich? Wieso? Polizei? Was?

»Sag ihnen, Laura ist in einem Moment für sie da.«

Paul war die Ruhe selbst. Es war nicht ungewöhnlich, dass die Bullen in der Detektei auftauchten. Aber normalerweise wollten die Beamten mit dem Chef sprechen, nicht mit mir.

»Was hast du angestellt, Mädchen? Ich will alles wissen, sofort. Wir haben nur ein paar Minuten!«

»Ich … gar nichts. Wirklich!«

In Gedanken ging ich die letzten Tage durch. Nichts, was ungewöhnlich gewesen wäre. Paul bedachte mich mit einem Margarethe-Blick (ohne Brille), hievte sich aus seinem Sessel und kam auf mich zu.

»Du sagst kein Wort!« Er zeigte mit einem seiner dicken Finger auf mich. »Du darfst deinen Namen sagen und dass du auf deinen Anwalt warten möchtest. Das war’s. Kein weiteres Wort! Verstanden?«

Ich war zu verstört, um darauf etwas zu erwidern, und nickte.

»Wenn die Polizei keinen Haftbefehl hat, darf sie dich weder verhören noch mitnehmen«, erklärte Paul. »Also: Anwalt erwähnen und Klappe halten.«

»Ich habe dich schon beim ersten Mal verstanden«, murrte ich. Ehrlicherweise war ich für den Hinweis dankbar. Ich war immer davon ausgegangen, dass man direkt in ein großes, dunkles Loch gesperrt wurde, wenn man einfach nichts sagte. Vielleicht hätte mir das Verweigern der Aussage in der Vergangenheit eine Menge Ärger erspart. Denn meist redete ich erst (wie ein Wasserfall) und dachte dann über meine Worte nach.

Paul legte mir eine Hand auf die Schulter und begleitete mich zum Empfang, während ich mich noch immer zu erinnern versuchte, wem ich auf die Füße getreten sein könnte und ob ich im Coffeeshop auch immer brav bezahlt hatte.

Die Polizei schien einer der wenigen Berufszweige zu sein, in denen Oberlippenbärte nicht nur toleriert, sondern erwünscht waren. Der jüngere der beiden Beamten war höchstens dreißig, sah durch die Rotzbremse aber viel älter aus. Vielleicht glaubte er, dass ihm dieses Ungetüm Seriosität oder Glaubhaftigkeit verlieh. (Na ja, ein bisschen tat es das vielleicht auch.) Sein älterer Kollege, ein etwas rundlicher Mann Mitte fünfzig, stellte ihn und sich vor, aber mir waren die Namen entfallen, bevor er überhaupt fertiggesprochen hatte. Ich sah nur die Uniformen und hatte absurderweise den Gedanken, dass diese farblich zu meiner heutigen Unterwäsche passten.

Ich war zu verwirrt und ängstlich, um etwas anderes mitzubekommen. Hatte mich jemand beim Spionieren erwischt? Vor einem Haus sitzen und Fotos von leicht bekleideten Damen machen war jedoch nicht wirklich ein Fall für die Kriminalpolizei. Andere verbotene Dinge hatte ich in letzter Zeit nicht getan.

Erst als wir schon eine Weile zu dritt im Konferenzraum saßen, drang ein Satz zu mir durch, den ich sofort verstand. »Wir sind hier, um Sie zum gewaltsamen Tod von André Peters zu befragen. Wir haben Hinweise darauf erhalten, dass Sie damit in Zusammenhang stehen könnten.«

Ich senkte den Kopf und fing an, mit den Händen imaginäre Krümel vom Tisch zu wischen. In meinem Kopf wirbelten die Worte »André«, »gewaltsamer Tod«, »Hinweise« und »Zusammenhang« wild durcheinander. André war tot? Jemand hatte ihn umgebracht? Oder hatte er sich selbst …? Und wieso Hinweise? Es wusste doch niemand, dass ich ihn beschattet hatte? Niemand … außer Stefanie. Ich schaffte es nicht, den Gedanken zu Ende zu führen, mein Gehirn fing einfach wieder von vorn an. André war tot. Jemand hatte ihn umgebracht …

»Fräulein Sand? Möchten Sie einen Schluck Wasser? Oder sich in irgendeiner Weise zu diesem Verdacht äußern?«

Erks. Wer sagte denn heute noch Fräulein? Ich schüttelte den Kopf, kehrte weiter nicht vorhandene Krümel zusammen und versuchte mich zu beruhigen.

»Mein Name ist Laura Sand. Ich möchte nichts aussagen, bis mein Anwalt da ist.«

Ich wusste, wie bescheuert das klang, aber selbst nach einer halben Stunde Bedenkzeit wäre mir nichts Intelligenteres eingefallen.

»Ist das alles, was Sie dazu sagen möchten?«

Zum ersten Mal hatte der jüngere Polizist gesprochen. Er klang gar nicht so wütend, wie ich befürchtet hatte. Ich nickte. Das schien den Beamten aber nicht zu beeindrucken, denn er startete einen zweiten Versuch.

»Wir glauben, dass Sie sich zum Tatzeitpunkt in oder bei der Wohnung des Mordopfers aufgehalten haben. Wenn Sie als Verdächtige ausgeschlossen werden wollen oder irgendetwas mit der Tat zu tun haben, sollten Sie besser geständig sein. Zu Ihrem eigenen Besten.«

Ich wiederholte meinen Anwaltssatz.

Die beiden sahen sich an und standen auf.

»Bitte halten Sie sich für eine weitere Befragung bereit.« Das war wieder der Ältere. »Wir werden Sie dann aufs Revier bitten. Sie können in Begleitung Ihres Anwalts erscheinen.«

Es fehlte nur noch »Wurden Ihnen Ihre Rechte verlesen?«, aber das hier war das richtige Leben, keine amerikanische TV-Serie. Obwohl ich vor Nervosität fast starb, war es viel einfacher gewesen, als ich erwartet hatte. Kein guter Bulle – böser Bulle. Keine Drohungen, keine Coladose, die anschließend in einer Plastiktüte landete, um meine Fingerabdrücke zu nehmen. Ich schaute wirklich zu viel fern. Ohne Pauls Rat würde ich wahrscheinlich schon im Streifenwagen sitzen.

Stattdessen gaben sie mir eine Visitenkarte mit einer Nummer, unter der ich einen Aussagetermin vereinbaren sollte. Dann verließen sie den Konferenzraum.

Ich kehrte noch ein paar imaginäre Krümel zusammen.

Paul war keine dreißig Sekunden später bei mir.

»Was wollten die?«

Ich zuckte mit den Schultern. Noch immer war ich so durcheinander, dass ich nicht einmal darüber nachdachte, ihm den Alleingang vom Vortag zu beichten.

»Irgendwer ist gestorben, glaube ich.«

Und meine ehemalige beste Freundin hatte es nicht erwarten können, der Polizei brühwarm zu erzählen, dass ich die Leiche vor ihrem Ableben ausspioniert hatte.

»Was?« Paul sah so verwirrt aus, wie ich mich fühlte.

Hatte ich eben laut gesprochen? Ähm … nein.

»Es ist ein Freund von Stefanie. Meiner Freundin. Und er ist tot. Keine Ahnung, wie die auf mich kommen. Ich weiß wirklich nichts.«

Ich klang wie ein weinerliches Kleinkind, aber genauso fühlte ich mich in dem Augenblick. Ich wollte in den Arm genommen und getröstet werden, weil die bösen Polizisten mich verdächtigten. Sie verdächtigten mich! Erst jetzt kam das in meinem Oberstübchen an, und nun fing ich wirklich an zu zittern. Ich stand auf, rannte auf das Angestelltenklo, übergab mich und wusch mir das Gesicht, nachdem ich mich noch ein bisschen mehr übergeben hatte. Wie gut, dass ich gewöhnlich nicht frühstückte.

Da fiel mir etwas ein. Vielleicht luden sie mich nur als Zeugin vor. Ja, das musste es sein. Der Polizist hatte schließlich von einer »Befragung« gesprochen – nicht von einem Verhör. Die glaubten doch nicht wirklich, dass ich was mit Andrés Tod zu tun hatte, oder? Konnten die mich verhaften, bloß weil jemand (Ich würde Stefanie erstechen! Jawohl. Oder … In Gedanken ging ich Mordmethoden durch, ließ es aber gleich wieder bleiben, weil selbst mir die Ironie dabei nicht entging), weil also jemand behauptet hatte, dass ich irgendwann dort gewesen sei?

Als ich zehn Minuten später wieder in Pauls Büro saß, taten wir einfach so, als wäre nichts passiert. Er sagte noch: »Die Firma ist versichert. Wenn du einen Anwalt brauchst, sag Bescheid.« Dann wandte sich Paul übergangslos der Akte zu, die er vor dem kleinen Intermezzo aufgeschlagen hatte.

»Wie gesagt, es geht um Wirtschaftsbetrug. Wir brauchen die Namen einer bestimmten illegalen Gehaltsliste. Es gibt keine Banküberweisungen, das Geld geht bar über die Theke. Alles, was wir haben, ist der Hinweis, dass wir in bestimmten Notizbucheinträgen finden, was wir suchen. Soweit wir wissen, geht es um Bestechungen im großen Stil. Nachts kommt man nicht in das Gebäude rein. Wir haben alles versucht – keine Chance. Der Wachschutz sitzt buchstäblich vor der Tür. Und tagsüber sind Dutzende Angestellte auf der entsprechenden Etage.«

Paul blätterte noch ein bisschen in der Akte herum, obwohl er auf mich den Eindruck machte, als wüsste er ganz genau, was er sagen wollte.

»Erik hat einen Undercover-Schreibtischjob in der Firma bekommen, was ein hartes Stück Arbeit war. Aber obwohl er schon seit über vier Wochen dort ist, konnte er nicht mehr als einen Blick auf das schwarze Büchlein werfen.«

Wie schön, dass Mister Porsche Bindestrich Superperfekt auch mal versagte.

Paul sah mich an. »Und hier kommst du ins Spiel.«

Ich war verwirrt. »Was habe ich damit zu tun? Wenn nachts niemand in den Laden reinkommt, dann doch auch ich nicht. Ich kann unsichtbar werden, aber nicht durch Mauern gehen.« Natürlich wusste Paul das. »Hast du Erik etwa von meiner … du weißt schon … erzählt?« Mein Gehirn legte schon wieder den Schalter in Richtung Panik um.

»Das wollte ich zuerst mit dir besprechen«, sagte Paul in beruhigendem Tonfall, um gleich einen draufzusetzen: »Und du sollst da nicht nachts reingehen.«

Oh. »Oh!« Luft holen. »Aber hast du nicht gesagt, dass da jede Menge Menschen rumlaufen?«

Bisher hatte ich es nie mit mehr als zwei Personen zu tun gehabt, denen ich ausweichen musste. Okay, einmal waren es drei gewesen, aber trotzdem! Wie sollte das gehen?

Paul hatte schon einen Plan. »Punkt eins. Wir müssen Erik einweihen.«

Mister Porsche Bindestrich Nadelstreifenanzug? Niemals!

Paul hob die Hand und ließ mich gar nicht erst zu Wort kommen. »Punkt zwei. Er geht mit dir da rein, quasi als Vorhut. Du bleibst so nah wie möglich an ihm dran. Er bringt dich in das entsprechende Büro, lotst den Chef raus. So hast du ein paar Minuten, suchst das Notizbuch und merkst dir die Namen. Kein Foto, kein Nix. Einfach rein und raus. Voilà.«

Ich schüttelte den Kopf.

Paul schien das gar nicht wahrzunehmen. »Du kriegst tausend Mäuse, wenn du es machst, und noch mal zweitausend bei Erfolg.«

Ich nickte. Jämmerlich, ich weiß, aber das Geld bedeutete echte Lederstiefel plus die Miete für ein halbes Jahr. Und neue Spitzenslips. In Hellgelb vielleicht. Was hätte ich denn machen sollen?

»Wie stellst du dir das mit Erik vor? Der hält mich doch sowieso schon für bescheuert. Er hat mich vor Margarethe die ‚Ehebrechermaus’ genannt. Als ich danebenstand!«

Paul grinste. »Ich denke, es geht nichts über eine kleine Demonstration deiner Fähigkeiten.«

»Kommt nicht infrage.« Ich hatte mich für einen kleinen Moment vom dicken Scheck blenden lassen. Zum Glück kam ich rechtzeitig wieder zur Besinnung. »Nie und nimmer!«

Paul zwinkerte mir zu. »Jetzt guck nicht so. Du kannst dabei auch angezogen bleiben.«

Doch ihm verging das Grinsen, als er sah, dass mir die Tränen in die Augen schossen.

»Kommt nicht infrage!«, wiederholte ich, diesmal mit Ausrufezeichen.

»Ach, komm schon, Mädchen. Was soll schon passieren?«

Ich schüttelte den Kopf. Paul wusste genau, dass ich niemandem von meinem kleinen Talent erzählte. Er selbst wusste es nur, weil er mich in einem sehr, sehr schwachen Moment erwischt hatte.

Nein, nicht beim Sex – beim Klauen. Ich war jung gewesen, siebzehn, und hatte das Geld wirklich gebraucht. Denn ich hatte keinen Job und kein Dach über dem Kopf gehabt, dafür aber Hunger. Paul leitete seine Detektei schon damals, war aber ab und zu noch selbst im Einsatz und saß nicht nur im Büro rum. Auch an dem Tag, als er mich beim Ladendiebstahl erwischte. Und das war, auch wenn man unsichtbar werden konnte, heikel. Vielleicht war ich auch blöd und hatte es komplizierter gemacht als nötig. Aber ohne Jacke oder Tasche: Wohin mit dem Objekt der Begierde? Nein, in den Mund stecken half nicht! Der Selbsttest vorm Spiegel hatte es gezeigt. Banknoten wurden ja nicht auf wundersame Weise plötzlich ein Teil von mir, nur weil ich sie in den Backen verbarg. Ich hatte mich also darauf spezialisiert, Geldscheine aus den Portemonnaies reich aussehender Damen zu fischen. Die Scheine schob ich dann einzeln und ganz langsam auf dem Fußboden in Richtung Ausgang. Schwachsinnig, ich weiß, aber zu der Zeit schien das eine gute Idee zu sein. Paul hatte die wandernden Scheine anscheinend ein Weilchen beobachtet und seine Schlüsse gezogen. Er packte mich urplötzlich am Schlafittchen und zerrte mich in den Kameraüberwachungsraum, wo er die Tür von innen verriegelte und den Schlüssel abzog.

Im Nachhinein betrachtet eine ziemlich coole Nummer, denn er konnte ja nicht ahnen, womit er es zu tun hatte. Nach drei Stunden Schweigen, Fangenspielen und dem Angebot seines Jacketts hatte er mich dann so weit, dass ich mich ihm offenbarte. Statt mich anzuzeigen, gab er mir einen Job als Privatdetektivin.

»Hör zu, Mädchen«, sagte er jetzt.

Ich schüttelte den Kopf. Nein, nein und noch mal nein!

»Erik ist hundertprozentig vertrauenswürdig …«

Ich biss mir auf die Unterlippe und schüttelte weiter den Kopf.

»Ich würde dich nie ans Messer liefern, das weißt du.«

Ich zog die Nase hoch.

»Ich habe alles durchdacht. Mehrmals. Die Klienten sind schwierig. Vielleicht hätte ich den Fall gar nicht annehmen sollen.«

Pah!

»Ich brauche dich.«

Ich schwankte, aber nur ein bisschen. »Lisbeth hat gesagt, dass ich es niemals jemandem sagen darf. Nie. Niemals.«

»Und deine Oma hatte immer recht.« Paul strich sich hilflos über die Glatze.

»Sie wusste, wie es ist.« Wir hatten diese Diskussion schon mehr als einmal geführt.

»Lass es uns wenigstens mal probieren. Wenn er blöde Bemerkungen macht, brechen wir sofort ab.«

»Und wie willst du das anstellen?« Ich war nicht überzeugt. »Fragst du ihn, was er von Unsichtbaren hält, und wenn er nicht vor Lachen vom Stuhl fällt, sagst du ihm, dass ich das auch kann?«

»So ungefähr. Bitte, Laura, lass es uns versuchen. Es ist wichtig. Wir haben nur noch eine Woche Zeit, um an die Namen zu kommen. Und es geht nicht nur um die Kohle. Es geht um meinen Arsch.«

Er kam auf mich zu und nahm mich in den Arm. Das war dann auch das Ende meiner Gegenwehr.

»Ich bestimme, ob wir es sagen!«, beschloss ich in einem letzten verzweifelten Aufbäumen.

Paul nickte und strich mir mit seinen riesigen Pranken über den Rücken.

Natürlich lachte Erik. Paul war aber auch nicht gerade subtil vorgegangen. Erik lachte so sehr, dass ihm die Cola aus der Nase lief, an der er sich im Anschluss verschluckte, als ich meinen speziellen Trick vorführte. Er glaubte uns kein Wort (war ja klar), faselte was über Zaubertricks (so was von logisch) und versuchte es dann mit Fangenspielen (unnötig, ich rannte ja nicht weg). Er verschluckte sich gleich noch mal (diesmal an seiner eigenen Spucke), als ich ihm auf die Finger schlug, weil seine Hände beim Suchen etwas zu weit südlich gerutscht waren. Okay, das war nicht wirklich passiert – aber warum eine gute Gelegenheit verschenken?

Wir benötigten eine halbe Stunde, um ihn von der Wahrheit zu überzeugen. Irgendwie war ich davon ausgegangen, Mister Porsche Bindestrich Superschlau wäre ein wenig mehr auf Zack. Weil er danach nicht mehr geradeaus denken konnte, verabredeten wir uns für den folgenden Nachmittag in Pauls Büro, weil Erik tagsüber den braven Büroangestellten mimen musste.

Ich hatte immer angenommen, die Welt würde zusammenbrechen oder mir würde der Himmel auf den Kopf fallen, wenn ich jemandem erzählen musste, dass ich unsichtbar werden konnte. Paul galt nicht, bei ihm war das Ganze unfreiwillig gewesen. Aber nichts geschah, nachdem wir es Erik gesagt hatten. Ich fühlte mich nicht einmal schlecht.

Ich hockte mich zu Margarethe an den Empfang, schlürfte Pfefferminztee (den leckeren aus echten Blättern, bei Margarethe gab es keine Teebeutel) und fühlte mich gut.

»Kein Auftrag heute, Schätzchen?«, erkundigte sie sich.

»Nein. Alles erledigt. Ich bin die Beste. Weißt du doch.«

Margarethe bot mir die Hand zum High five an. Dafür, dass ich sie auf wenigstens sechzig schätzte, war sie wirklich cool.

»Und die Polizei?«

War ja klar. Wenn ich schon mal gute Laune hatte … Irgendwie hatte ich dieses Thema bis eben erfolgreich verdrängt.

»Hast du was angestellt?« Margarethe schob sich die schmale Brille auf den Kopf und zog die rechte Augenbraue hoch. Super Trick übrigens – ich hatte es selbst mal versucht, aber eine Braue einzeln hochheben war nur etwas für Profis.

»Nicht wirklich«, druckste ich herum.

Margarethe rührte in ihrem Tee (obwohl sie ihn ohne Zucker trank und es nichts zu rühren gab) und wartete. Ich rührte ein bisschen mit (ein Stück Zucker) und sagte nichts. Jedenfalls erst mal.

»Könnte sein, dass ich Mist gebaut habe«, seufzte ich schließlich. Heute war großer Geständnistag, da konnte ich auch gleich weitermachen.

»Und das bedeutet?«

Ich rührte, guckte ein bisschen nach links und rechts und hoffte auf ein Telefonklingeln. Keine Ahnung, was an Paul und Margarethe dran war. Normalerweise war ich eine taffe, mit allen Wassern gewaschene Privatdetektivin (mit guten Autosuggestionskräften), der keiner was vormachte. Ich besaß einen Waffenschein und konnte mich zur Wehr setzen, wenn es hart auf hart kam. Aber eine feste Umarmung oder eine heiße Tasse Tee überwanden meine Schutzwälle im Sturm.

»Ich habe unerlaubt jemanden beschattet. Privat.«

»Und du bist erwischt worden? Wie konnte das denn passieren?« Margarethe wusste zwar nichts von meiner Spezialfähigkeit, aber ihr war klar, dass ich höchst selten bei meinen Einsätzen geschnappt wurde. Zumindest in letzter Zeit. Sie setzte die Brille wieder auf die Nase und sah mich ungläubig an.

»Na ja, es ist eher so, dass er … tot ist. Also der Beschattete.« Ich setzte schnell ein »Ich war es nicht!« hinterher, als Margarethe laut nach Luft schnappte.

»Das ist nicht gut, Schätzchen.«

»Ich weiß«, sagte ich und schüttelte den Kopf, als ihr Blick in Richtung Pauls Büro wanderte. Was so viel hieß wie: Er weiß nichts davon. Und: Belassen wir es dabei.

»Du sitzt mächtig in der Scheiße.«

Für eine Frau ihres Alters hatte Margarethe eine recht direkte Ausdrucksweise. Ich fragte mich, was sie eigentlich getan hatte, bevor sie Empfangsdame einer Detektei geworden war. Zwar wachte sie penibel über die Akten (Wehe, man hatte auch nur ein Komma in einem Bericht vergessen!), wie eine typische Sekretärin wirkte sie trotzdem nicht.

Gut, ich kannte Sekretärinnen nur aus dem Vorzimmer meines ehemaligen Schuldirektors (dort war ich als Jugendliche regelmäßig gewesen) und aus dem Fernsehen, aber Margarethe war trotzdem irgendwie anders. Vor allem wenn sie sich einer Sprache bediente, die eher vom Pausenhof kam als von der Handelsschule. Oder wo man eben Sekretärin wurde.

»Aber ich habe gar nichts gemacht, die können mir gar nichts.«

Autosuggestion. Sagte ich ja schon. Half auch bei Heißhunger auf Schokolade. Meistens. Manchmal. Selten … egal. Ich konnte wenigstens versuchen, mir einzureden, dass rein gar nichts passieren würde.

»Du weißt, das ist Hausfriedensbruch.«

Ich zog die Nase hoch.

»Hast du irgendwas angefasst?«, fragte sie.

Ich schniefte ein bisschen. Ich konnte ihr ja schlecht erzählen, warum ich keine Gummihandschuhe tragen konnte. Also nickte ich.

»Dann sitzt du mächtig in der Scheiße«, wiederholte sie.

»Was soll ich jetzt machen?«

Ich wusste, Margarethe war nur die Empfangsdame, aber ich brauchte einen Ratschlag.

»Ich denke, das Beste wird sein, wenn du erst einmal abwartest und gar nichts tust. Wenn die Polizei irgendwelche Beweise hätte, würde sie dich doch nicht nach fünf Minuten Befragung wieder gehen lassen, oder?«

Ein super Ratschlag. Keine Ahnung, warum ich mich nicht daran hielt.

3. Himbeeren-aus-der-Mikrowelle-Rot

Ich fuhr zu Andrés Wohnung, um mich noch einmal umzusehen. Vielleicht kam mir ja ein brillanter Gedanke, eine Ausrede, mit der ich der Polizei glaubhaft versichern konnte, warum ich gestern dort gewesen war. Oder ich fand einen Zettel, auf dem der Name des Mörders … okay, Sand, zu viel Autosuggestion.

Das Apartment lag im Parterre eines Vier-Parteien-Hauses. Von außen wirkte es nicht unbedingt schäbig, aber eine gute Wohngegend konnte man es auch nicht gerade nennen. Ich fragte mich wieder einmal, was Stefanie an dem Typen gefunden hatte. Das Treppenhaus war aus langweiligem grauen Stein, der Handlauf sah schmiedeeisern aus, war aber aus Plastik. So etwas wie Kehrwoche gab es in diesem Gebäude offensichtlich nicht. In den Ecken hielten Staubmäuse eine kleine Versammlung ab, und etwas, das mal ein Kaktus gewesen war, hing schlaff in seinem Topf. Um einen solch genügsames Gewächs zu töten, musste man sich schon ziemliche Mühe geben – ich hatte es selbst ausprobiert. Nicht mit Absicht, natürlich. Ein paar Brocken Erde lagen verstreut um den Topf herum, jemand hatte das Gefäß als Aschenbecher benutzt und die Stummel darin liegen lassen. Ich schüttelte mich bei dem Gedanken, dass ich gestern barfuß hier entlanggelaufen war.

Soweit ich wusste, war André zu Lebzeiten Immobilienmakler gewesen. Ich hätte ein repräsentativeres Domizil erwartet. Vielleicht war er schlecht in seinem Beruf gewesen. Oder er hatte gerade erst angefangen. Ich grübelte, konnte aber den Gedanken nicht richtig zu Ende denken, denn als ich gerade drei Stufen erklommen hatte, kam mir der jüngere Polizist mit dem Oberlippenbart entgegen. Ups.

»Fräulein Sand.« Er nickte mir zu.

Für eine Sekunde setzten wieder meine altbekannten Verdrängungsmechanismen ein, und ich hoffte, er würde einfach an mir vorbeigehen. Von wegen.

»Schön, Sie zu sehen.« Die Freundlichkeit in Person. »Wenn Sie Zeit haben, könnte ich Sie gleich mit aufs Revier nehmen.« Er legte mir behutsam eine Hand auf den Rücken und dirigierte mich sanft wieder Richtung Haustür. »Wir hätten gern über Ihr Alibi gesprochen.«

Wieso Alibi? Ich hatte doch nix gemacht! Trotzdem ließ ich mich von ihm führen. Was hätte ich sonst auch tun können? Unten hielt mir der Polizist die Tür auf, blieb dann aber davor stehen.

»Von welcher Zeit reden wir eigentlich?«, fragte ich ihn.

Das hatten die beiden vorhin gar nicht erwähnt. Oder ich hatte es nicht mitbekommen. Soweit ich es noch zusammenbekam (wer merkt sich schon, wo er wann exakt gewesen war), hatte ich so ziemlich für den ganzen gestrigen Tag ein Alibi – vielleicht konnte man das Ganze in drei Sekunden aufklären.