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Der brutale, aber auch in verschiedenen Szenen lustige Kriminalroman spielt in der schönen Bodenseeregion und dem Linzgau. Unter anderem spielt er im schönen Ort Hohenbodman. Denn dort wird ganz oben im Aussichtsturm, von wo aus sich eine wunderbare Aussicht in die Region bietet ..., am Ostersonntag eine Leiche gefunden ..., erhängt! Für die Kriminalpolizei stellt sich nun folgende Frage: war es ... Selbstmord oder ist es ... ein Mordfall?
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Seitenzahl: 317
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Gründonnerstag
Karfreitag,
Karsamstag,
Ostersonntag,
Ostermontag
Osterdienstag
Mittwoch nach Ostern
Donnerstag nach Ostern
Freitag nach Ostern
Samstag nach Ostern
Sonntag nach Ostern
Montag nach dem Weißen Sonntag
Dienstag
Herzlichen Dank!
„Der Tod eines Regentropfens“
„Von Menschen und Vögeln“
„Wolkenanbohrer“
„Wandern im Linzgau“
„Unendlicher See“
„ProsaMenschen GesichterLyrik“
„UnGeschminkt“
„Hinterlassenschaft“
„UnSCHÖN“
für Ursula
13.46 Uhr
Eugen Runtli, ein Schweizer Bürger, erreicht aus Richtung Echbeck kommend Heiligenberg und will im Gasthof Haager ein Mahl zu sich nehmen.
Er überlegt, dass er sich noch ein wenig die Beine vertreten könnte und dass es später nach dem Essen auch nicht schlecht wäre, noch zusätzlich einen kleinen Verdauungsspaziergang einzulegen.
So fährt er nicht direkt zum Restaurant, sondern biegt von der L201 nach rechts ab auf die Clavelstraße bergauf zum Parkplatz beim Friedwald.
Dort stellt er seinen Motor ab, verlässt das Auto und schlendert gemütlich vom Parkplatz die Clavelstraße hinunter.
Anschließend biegt er nach rechts auf den Linzgauweg ein, erreicht dann nach links gehend die Friedrichstraße, um auf dieser den Gasthof Haager zu erreichen.
Im Gasthof eingetroffen, entdeckt Runtli noch einen freien schönen Tisch am Fenster und nimmt Platz.
Die Luft im Restaurant ist neben dem Geruch der verschiedensten Speisen geschwängert vom Duft nach Hopfen, Malz und Hefe, also den verschiedenen Bestandteilen des Biers, welches sich die Mehrzahl der Gäste gerade zu Gemüte führt.
Als die männliche Servicekraft, laut Namensschildchen Frieder Walkers, eintrifft und ihm die Speisekarte überreicht, wird er von dessen Eau-de-Toilette-Wolke eingehüllt.
Runtli fällt ein Spruch des Struwwelpeter-Autors ein, welcher schon im 19. Jahrhundert den Spruch verfasste: Über Gestank klagt heutzutage kein gebildeter Mensch mehr, seitdem Moschus und Patschouli in der Modewelt duften!
Nun …, er bestellt sich ein Viertele des guten, auf Maische ausgebauten Spätburgunders vom Weingut Dilger und eine Flasche Mineralwasser Randegger Ottilienquelle medium.
Er fragt aber dann noch bei Frieder Walkers nach:
„Was für einen Aperitif können Sie mir denn jetzt empfehlen?“
Frieder: „Einen Bestman Dry Gin von der Hagnauer Brennerei Bestmann, oder vielleicht meinen Lieblings-Gin von Martin Schmid, der intensiv nach Wacholder, Orangen und Rosmarin duftet.“
„Hmmm…, dann probier´ ich doch mal Ihren Lieblings-Gin, und …“ bemerkt Runtli weiter schelmisch lächelnd, „wenn der mir dann aber nicht schmeckt?“
„Spendier´ ich Ihnen den Bestman´s!“ ergänzt Walkers.
„Also gut!“
„Möchten Sie den Gin mit Eiswürfel, Tonic und einer dünnen Limettenscheibe drin?“
„Ohne alles bitte! Pur!“
„Gut…, während Sie sich das Essen aussuchen, hole ich schon mal die Getränke!“
Runtli blättert in der Speisekarte und sucht sich in Ruhe das Essen aus.
Die vor sich hin duftende Servicekraft bringt jetzt die Getränke und nimmt dann die Bestellung auf.
Runtli denkt sich, während er einen Schluck vom Gin nimmt: „Der Typ hat recht, der Gin ist genial, der duftet und schmeckt auch wirklich intensiv nach Wacholder, Orangen und Rosmarin. Das wird, glaub´ ich, mein Lieblings-Gin werden.“
Kurz danach betritt ein weiterer Gast, ein sich etwa im Beginn der dreißiger Jahre befindliches, rotblondes männliches Wesen den Gastraum und nimmt zwei Tische weiter Platz.
Währenddessen schaut Runtli nach links zum Fenster hinaus und sieht die Sonne und den noch blauen Himmel, rechts die sich aufbauschenden, oben weißen, unten dunkelgrau bis fast schwarz gefärbten Wolkenberge.
Diese machen sich, vom Bodensee kommend, auf, über das Salemer Tal in Richtung Heiligenberg zu ziehen.
Er denkt sich mit einem spöttischen Lächeln im Gesicht: Wow, das sieht ja richtig dramatisch aus, wie die Sonne in diese Megawolkenberge hineinbrennt. Wenn die inkontinent werden und ihr Wasser nicht mehr halten können und das dann dickperlig herunterpflatscht, wird´s richtig lustig.
Doch dann fällt ihm ein und das Lächeln vergeht ihm: Verdammt, so ein Mist, und ich hab´ keinen Regenschirm dabei, hoffentlich hält´s Wetter zumindest so lange, bis ich wieder am Auto bin!
Walkers kommt mit dem Essen, präsentiert dieses und reicht es an.
„Und…, wie hat Ihnen der Gin geschmeckt?“
„Hervorragend! Sie haben bezüglich der Aromen recht gehabt, … er war wunderbar! Wo kann man den denn bekommen?“
Frieder, während er nach draußen in die Landschaft zeigt: „In Rickenbach, das liegt zwischen Salem und Lippertsreute, also dort unten im Salemer Tal. Dort hat der Schmid seine Brennerei und einen kleinen Hofladen. Da kriegen Sie den Gin!“
Runtli schaut jetzt den Teller an: „Und das Essen…, das sieht ja köstlich aus! Da läuft mir ja schon beim Anblick das Wasser im Munde zusammen.“
„So soll es sein! Dann wünsche ich Ihnen einen guten Appetit!“
„Vielen Dank, den habe ich!“
Und das Essen schmeckt wirklich hervorragend.
Aber während des Verspeisens des sehr deliziösen geschmolzenen Heiligenberger Saiblingsfilets auf Blattspinat und der dazugehörenden Bärlauchknöpfle“ hat Runtli immer mehr den Eindruck, dass er beobachtet wird.
Und zwar, so wie es aussieht, von diesem ständig mit seinem Smartphone beschäftigten rotblonden, geschätzt dreißigjährigen Typen.
Immer, wenn Runtli in dessen Richtung blickt, wendet dieser auffällig schnell seinen Blick ab.
Und er rutscht dann immer so auf dem Stuhl herum, wie wenn er eine zu enge Unterhose anhätte.
Das Gesicht kommt mir irgendwie bekannt vor, überlegt Runtli, bloß ... woher?
15.25 Uhr
Runtli bezahlt mit seiner UBS-Kreditkarte die Rechnung und gibt fünf Euro Trinkgeld.
Beim Verlassen des Gasthofs Haager beginnt es zu regnen und Runtli bemerkt, dass er von derselben Person, welche ihn im Lokal zu beobachten schien, verfolgt wird.
Und noch schlimmer, es stößt noch eine zweite Person dazu.
„Verdammt ..., der Zweite, das ist doch der ..., wie heißt der denn noch? Und der andere, der vom Gasthof Haager, den kenne ich auch von irgendwo her! Aber ...“ brummelt er vor sich hin, „aber verdammt ..., jetzt weiß ich´s, das sind doch die Jungs, mit denen ich früher schon zu tun hatte!“
Deshalb überquert er rasch die Straße und begibt sich auf den Fußweg oberhalb der nach Leustetten führenden Straße hoch zum Friedwald und beginnt zu rennen.
Die beiden Verfolger versuchen hinter ihm herzukommen.
Er spurtet geradeaus weiter durch den Friedwald zum Bellevueplatz, ohne die wunderbare Aussicht, welche sich von dort aus bietet, wahrzunehmen.
Dann biegt er von dort nach rechts ab auf den Douglasienweg, von dort aus auf den leicht abschüssigen Feldweg, welcher vom Parkpatz beim Friedwald in Richtung Unterrhena führt.
Er rennt also weiter, an der sich auf halber Strecke befindlichen Schranke vorbei in Richtung Parkplatz beim Friedwald, wo sein Auto steht.
Die beiden Verfolger sind nicht mehr zu sehen, deshalb steigt er dort so schnell wie möglich in sein Auto ein.
Da er vermutet, dass unterhalb des Parkplatzes womöglich weitere Verfolger warten, fährt er jetzt aber nicht die Clavelstraße hinunter in Richtung Ortszentrum und dann nach links auf die Strasse Richtung Unterrhena.
Sondern er fährt bei immer stärker werdendem Regen zurück auf den nach Unterrhena führenden Feldweg, auf welchem er gerade vorher hergerannt kam.
Dabei bemerkt er, dass plötzlich ein bordeauxroter Fünfer-Golf hinter ihm her fährt.
Scheißdreck ... denkt er, wahrscheinlich haben die beiden Verfolger den oder die im Auto wartenden Kumpels informiert; eine andere Erklärung kann’s dafür ja nicht geben!
Deshalb beschleunigt er und als er die Anhöhe erreicht, kommen ihm gerade die beiden Verfolger zu Fuß entgegen.
Er tritt voll aufs Gaspedal, und die beiden können gerade noch auf die Seite ins Gebüsch hineinspringen, um sich in Sicherheit zu bringen.
Er rast weiter, durchbricht die Schranke und rast weiter durch den Friedwald ... in Richtung Unterrhena.
Das ältere Ehepaar namens Martha und Michael Hindelwanger, welche beide gerade zehn Meter linkerhand an einem Urnengrab stehen, schauen entsetzt dem vorbeijagenden Fahrzeug hinterher.
Nun biegt Runtli nach rechts ab, fährt den leicht abschüssigen Weg hinunter und versucht mit seinem silbergrauen Porsche Cayenne, welcher vom Durchbrechen der Schranke eine zerbeulte Kühlerhaube hat, in hohem Tempo in die scharfe Linkskurve abzubiegen.
Dabei kommt er vom Weg ab und schleudert in die sich dahinter befindliche Wiese hinein.
Dort walzt er über acht der dort noch liegenden, aber aufgeschreckt in seine Richtung blickenden jungen weißen, schwarzweißen und schwarzen Schäflein hinweg.
Deren Blut und Körperteile ergießen sich teilweise über die Frontscheibe und rauben ihm fast die Sicht.
„Verdammte Scheiße, jetzt muss mir auch noch sowas passieren!“ schreit Runtli los.
Mit kräftigem Wischwassereinsatz und auf Hochtouren laufendem Scheibenwischer wird der Blick nach vorne etwas besser und er versucht wieder auf den etwa einhundert Meter langen Weg unterhalb des Segelflugplatzes zu kommen.
Im rechten Außenspiegel sieht er in etwa dreißig Metern Entfernung den entsetzt und wütend dreinblickenden, wild gestikulierenden Schäfer Wunibert Hölzle in seine Richtung sprinten.
„Sorry lieber Schäfer…,“ brüllt Runtli weiter „ich hab´ größere Probleme als deine blöden Schäfchen, die sind für mich jetzt gerade nur ein Kollateralschaden! Und verdammt ..., schlimmer sind die Schäden an meiner Karre und die blöden Typen, die da hinter mir herjagen!“
Er erreicht mit seinem Fahrzeug wieder den hundert Meter langen Feldweg und beschleunigt erneut.
Aber durch diesen Ausritt ins Gelände hat er einiges von seinem Vorsprung eingebüßt.
Denn der bordeauxroten Fünfer-Golf befindet sich wieder in Sichtweite.
Und so wie es den Anschein hat, sitzen inzwischen drei Personen im Golf.
Jetzt sind sie zu Dritt, die sich auf die Jagd nach ihm machen.
Aber er schafft es, den Vorsprung wieder zu vergrößern.
Er jagt mit ausbrechendem Heck am Bänkle unterhalb des Segelflugplatzes nach rechts, dann am links liegenden Bauernhof vorbei und braucht keine dreißig Sekunden bis zur L201, der Pfullendorfer Straße.
Auf diese biegt er nach links ein und beschleunigt auf Höchstgeschwindigkeit.
Gott sei Dank regnet es jetzt so stark, da werden wenigstens die Blutreste der Lämmer weggespült! denkt er sich und nimmt nach etwa einem Kilometer im Wald die Straße K7767 nach links in Richtung Unterrhena.
Unterrhena erreicht er in etwa zwei Minuten und rast hindurch.
Am Ortsende schaut er in den Rückspiegel und stellt fest, dass seine Verfolger nicht mehr zu sehen sind.
Dann schießt er rechts an Oberrhena vorbei, weiter geht´s über Moos nach Hattenweiler und dort nach links in die Altheimer Straße hinein.
Kurz vor der Abzweigung in die Kreisstraße 7767 Richtung Großschönach wird er von einem Blitzlicht geblendet.
„Scheiße, das passt gerade noch!“ schreit er vor sich hin, …da muss jetzt auch noch so eine blöde Radarfalle in der Gegend rumstehen!“
Er blickt auf den Tacho: „Und dann auch noch mit einhundertzehn Stundenkilometer, das wird teuer! Aber wenn´s mich erwischt, dann hoffentlich auch noch die Lumpen, die mich verfolgen“.
Er schaut auf die Uhr, es ist fünfzehn Uhr neunundvierzig.
Er jagt weiter nach Neuhaus, dann bis Großschönach, wo seine Verfolger auch weiterhin nicht in Sicht sind.
Das Tempo drosselnd, fährt er von Großschönach auf der Aachtalstraße nach Taisersdorf.
Und von da aus geht´s weiter an der Happenmühle, einem schon im Jahre 1111 in einer Urkunde erwähnten Fachwerkhaus, vorbei.
Weiter nach Neuhof, dann über die Sandgasse nach Hohenbodman hinein.
Etwas mehr als zehn Minuten nach seinem fluchtartigen Start vom Parkplatz in Heiligenberg parkt er mit zerbeulter Autofront im Hinterhof des Gasthofs Talblick ein, verborgen vor den Blicken möglicher Verfolger.
Schloss Heiligenberg
16.00 Uhr
Eugen Runtli will im Gasthof Talblick einchecken.
Er geht um den Gasthof „Talblick“ herum nach vorne Richtung Eingang, geht die Treppe hoch, betritt den Gasthof „Talblick“ und geht zum Tresen.
Hinter dem Tresen der Rezeption ist gerade der Wirt Justinus Hilberer zugange.
Hilberer, Jahrgang 1948, ein Mensch mit einer imposanten, stattlichen Figur.
Er wiegt bei einer Körpergröße von 188 Zentimeter über 100 Kilogramm, ist ausgestattet mit einer „Mecki“-Frisur, weißen Schläfen, sonst dichtem silbergrauem Haar, Oberlippen- und Kinnbart und braunen Augen.
Der Wirt wirkt sehr gemütlich, kann aber sicher, wenn ihm etwas gegen den Strich läuft, schon sehr laut und nachdrücklich auftreten.
Runtli tritt an den Tresen, grüßt freundlich und fragt nach, ob noch ein Zimmer frei ist.
Hilberer grüßt zurück und antwortet: „Ja, wir haben noch eines frei. Aber ... ich glaub´, ich kenne Sie. Haben Sie nicht schon mal bei uns übernachtet, ist ... Ihr Name Runtli?“
Runtli schmunzelt jetzt: „Jaaah ..., ich bin der Runtli!“
„Dann herzlich willkommen! Und ..., wie lange möchten Sie denn diesmal bleiben?“
Runtli: „Wenn es möglich ist, gerne eine Woche!“
Hilberer dreht sich um, greift nach einem Zimmerschlüssel, reicht diesen Runtli zusammen mit dem Anmeldeformular: „Sie haben wirklich Glück, dieses Zimmer ist als einziges noch so lange frei. Und Sie kennen es ja schon, dieses Formular bitte noch ausfüllen!“
Dann zeigt er nach links um den Tresen herum und sagt: „Das Zimmer ist im ersten Stock, es ist die Nummer siebzehn! Sie müssen hier nach links durch die Türe und dann wieder nach links, dann die Treppe hoch, und dann in den Flur nach rechts. Sie können auch den Aufzug nehmen. Bitte geben Sie, wenn Sie eingecheckt und dieses Anmeldeformular ausgefüllt haben, es danach wieder hier ab.“
Runtli: „Geht klar, ich bringe es nachher vorbei, wenn ich nach einer kleinen Pause wieder herunter komme.“
Runtli nimmt den Schlüssel, verlässt anschließend den Gasthof, um noch sein Gepäck aus dem Fahrzeug zu holen.
Schwer beladen kehrt er zurück, fährt mit dem Aufzug in den ersten Stock, öffnet die Türe zu Zimmer siebzehn und ist überrascht, wie gemütlich dieses Zimmer eingerichtet ist.
Links geht es in die Toilette, die Türe daneben führt in die Nasszelle, welche mit einer schönen, ebenerdigen, also behindertengerechten Duschkabine ausgestattet ist.
Das Zimmer selber bietet einen traumhaften Ausblick über den Hohenbodmaner Aussichtsturm hinweg hinein ins Salemer Tal, den Gehrenberg, den Bodensee bis weit hinein in seine Heimat Schweiz und sogar bis nach Liechtenstein und Österreich.
Imposant ist die sich quer durch das Bild ziehende Alpenkette mit dem markanten Hausberg der Bodenseeregion, dem Säntis.
Nachdem er es sich gemütlich gemacht hat, schaut er in die Minibar.
Dort entdeckt er ein Viertelliter Fläschchen eines schönen Weißburgunders aus Hagnau, öffnet es und gießt sich das Glas halbvoll.
Er nimmt einen kräftigen Schluck davon und geniest diesen im Abgang leicht nach Quitten schmeckenden Wein.
Die sich ebenfalls dort befindliche Flasche Randegger Mineralwasser Gourmet medium stellt er für später parat.
Er füllt das Anmeldeformular aus und legt sich danach zu einem kurzen Nickerchen auf´s Bett.
Nach seinem kurzen Schläfchen macht er sich frisch, verlässt sein Zimmer und übergibt mit einem freundlichen Kopfnicken Hilberer, welcher immer noch in der Rezeption zugange ist, das ausgefüllte Anmeldeformular.
Dabei entdeckt er den schön bebilderten kleinen Reiseführer über die Region und den Ort Hohenbodman, dessen Titel „Wandern im Linzgau“ lautet.
Dieser ist mit schönen Zeichnungen und Aquarellen versehen, deren Motive die schönsten Orte des Linzgaus zeigen.
Verfasst und gestaltet wurde es laut Impressum vom Leimbacher Autor Matthias Brugger.
Diesen Reiseführer erwirbt er dann käuflich.
Kurz nach siebzehn Uhr kehrt er damit zurück in sein Zimmer, nimmt Platz, um kurz diesen kleinen Reiseführer durchzublättern.
Dabei findet er auch die Beschreibung zum Aussichtsturm: Dieser Turm ist ein Relikt einer bereits Ende des elften Jahrhunderts vom Geschlecht derer von Bodman errichteten Höhenburg, hat außen einen Umfang von achtundzwanzig Meter und innen einen Durchmesser von gut zweieinhalb Meter! … Nach aufwändigen und kostenintensiven Sicherungs- und Sanierungsarbeiten durch die Gemeinde bekam er oben zusätzlich als Abschluss noch eine Ziegeleindeckung.
Interessant, denkt er, und entschließt sich deshalb, so wie bei früheren Aufenthalten, einen kleinen Spaziergang zu dem sich auf 658 Meter über Meereshöhe befindlichen Aussichtsturm zu unternehmen.
Einen Aussichtsturm, von welchem aus man einen herrlichen Rundblick auf den Linzgau, auf Hohenbodman, sowie, bei passender Witterung, auf die Alpenkette hat.
Und er geht los und erreicht diesen innerhalb weniger Minuten.
Die Turmtüre ist zu dieser Uhrzeit noch offen und er beginnt mit dem „Aufstieg“.
Mit zunehmender Treppenstufenzahl, zunehmender Atem- und Pulsfrequenz sowie zunehmender Schweißproduktion kommt ihm plötzlich in den Sinn, dass der Spruch des zwischen 1847 und 1931 lebenden Erfinders Thomas Alva Edisons „Die Hauptaufgabe des Körpers besteht darin, den Verstand spazieren zu tragen“ in diesem Fall doch nicht stimmen kann.
Denn …. wie blöd muss man eigentlich sein, sich immer wieder diese Strapaze zuzumuten.
Aber oben nach über einhundertvierzig überwundenen Stufen angekommen, blickt er auch heute wieder mit vor Staunen offenem Mund, in die seit über achttausend Jahre besiedelte Kulturlandschaft hinein.
Die Aussicht ist noch beeindruckender als die, welche sich von seinem Zimmer aus bietet: Von links nach rechts sieht er den Heiligenberg, das Salemer Tal, den Gehrenberg und den in gleißendem Licht stehenden Bodensee.
Sein Blick schweift weit hinein in den Alpenraum und auf den prägnanten Hausberg des Bodenseeraums, den Säntis.
Rechts hat er den Überlinger See mit der Insel Mainau im Blickfeld, sowie die sich ebenfalls dort befindlichen Gemeinden Litzelstetten, Dingelsdorf und Wallhausen.
Und ebenfalls sichtbar ist auch der in etwas größerer Entfernung vorbeiführende Fährverkehr zwischen Meersburg und Konstanz.
Nachdem er sich nach etwa zwanzig Minuten sattgesehen hat, macht er sich wieder auf den Weg nach unten.
Er passiert die Türe, wird aber dort direkt von einem Einheimischen angesprochen: „Da haben Sie ja nochmal Glück gehabt, ich wollte gerade die Turmtüre überprüfen, ob sie abgeschlossen ist. Wenn ich jetzt zugeschlossen hätte, wäre das für Sie ´ne lange kalte Nacht auf dem Turm geworden!“
„Da haben Sie Recht …! Machen Sie das eigentlich jeden Abend?“
„Ja ..., allabendlich! Das ist die Vorschrift“! Aber wie sind Sie überhaupt reingekommen? Um diese Jahreszeit muss man sich den Schlüssel im Talblick besorgen. Und dort habe ich ihn zur Kontrolle abgeholt!“
„Die Turmtüre stand sperrangelweit offen, als ich hier ankam. Deshalb hab´ ich gedacht, dass man, wie früher auch schon, einfach so reingehen kann. Was ich genutzt habe und dann hochgegangen bin!
„Ja … wie gesagt, Glück gehabt!“ erwidert der Einheimische.
„Gut … ja dann … merci ..., und … ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend!“ antwortet Runtli.
Er dreht sich weg und schlendert den kurzen Fußweg zu der aus Ernatsreute den Berg hochführenden Straße hinunter, um dann auf der rechten Straßenseite das kurze Stück nach Hohenbodman hochzugehen.
Er entschließt sich, nicht nach links Richtung Gasthof „Talblick“ zu gehen, sondern schlendert nach dem Ortseingang geradeaus weiter auf dem Jakobsweg Richtung Taisersdorf.
Da ein traumhaft schöner Sonnenuntergang mit orange angestrahlten Wolken begonnen hat und sich langsam die Dämmerung herabzusinken beginnt, dreht er sich dann um, um zurück zu schlendern.
Beeindruckt sieht er nun auf dem Rückweg in Richtung Gasthof Talblick den vom Restsonnenlicht angestrahlten oberen Teil des Aussichtsturms, welcher gelb hinter der sich schon im Dämmerungsgrau befindlichen Ortssilhouette von Hohenbodman hervorsticht.
So erreicht er gegen 18:30 Uhr wieder den Ortskern und macht sich in seinem Zimmer im Gasthof frisch.
Danach begibt er sich ins hauseigene Restaurant, um ein leckeres Nachtmahl zu sich zu nehmen.
10.25 Uhr
Das Ehepaar Liesl Rückert-Hilberer und Justinus Hilberer sind ja gemeinsam die Eigentümer, also die Besitzer des Gasthauses Talblick.
Liesl ist dort auch die erste Chefköchin, welche, wenn sie sich nicht gerade frei nimmt, zusammen mit Manuel Martins gutbürgerliche Gaumenfreuden mit Produkten aus der Region kocht.
Aber heute fährt sie wieder, wie sie schon am vergangenen Samstag, also dem Tag vor dem Palmsonntag, mit ihrem Mann besprochen hatte, alleine zu einem Besuch zu ihrer Mutter nach Esslingen.
Justinus muss zuhause bleiben, denn einer muss ja danach schauen, dass das Geschäft, das Lokal auch weiterhin gut läuft.
17.18 Uhr
Eugen Runtli tritt gerade von seinem Zimmer kommend an den Tresen und sprich Hilberer an.
Runtli: „Hallo Herr Hilberer, ich hab´ da ´ne Frage: im Ort habe ich gehört, dass man sich bei Ihnen den Schlüssel zum Aussichtsturm abholen kann?“
Hilberer: „Den brauchen Sie jetzt nicht, der Turm ist doch offen.“
Runtli: „Ja ich weiß, ich war vorgestern auch schon tagsüber oben.“
„Da hatten Sie sich aber´s richtige Wetter rausgesucht; bei dem Föhnwetter hatten Sie sicher ´ne Traumsicht von dort oben über das Salemer Tal bis über den Bodensee, in den Kanton St. Gallen hinein und zum Säntis hin, also bis hin in Ihre Heimat.“
„Ja, es war genial, ein Traum; aber heute ist ja auch nochmal das gleiche Wetter. Deshalb möchte ich den Ausblick meinen Bekannten, die erst am späteren Nachmittag hier eintreffen, ebenfalls präsentieren. Dazu bräuchte ich den Schlüssel. Ich bringe ihn aber später zurück, wenn´s für Sie okay ist. Denn ich möchte dann nach Sonnenuntergang nochmals hoch, um den Sternenhimmel und die Lichter vor und über dem
Hohenbodman - 1000-jährige Linde
See und dem Salemer Tal auch mal wieder bei Nacht sehen zu können.“
Hilberer: „Das ist okay. Und ich hab´ das vor Jahren auch schon mal gemacht, es ist eine wunderschöne nächtliche Landschaftsszenerie.“
Hilberer greift hinter sich an´s Schlüsselbrett und reicht Runtli den Aussichtsturmschlüssel. „Hier … bitte schön, hier ist er!“
Runtli nimmt ihn: „Danke für den Schlüssel, ja…, ich glaub´ auch, dass die Sicht heut´ genial sein wird. Ich mach´ aber noch vor dem Aussichtsturmsbesuch einen Spaziergang unter anderem in Richtung Eurer tausendjähriger Linde. Ich denke, dass ich aber dann zum Abendessen wieder da bin.“
Hilberer: „Ja schön, denn ab heut´ servieren wir wieder unsere traditionellen Wildgerichte, vielleicht haben Sie Lust darauf? Sie sollten aber bis spätestens zweiundzwanzig Uhr da sein, danach macht ja, wie Sie ja schon wissen, die Küche zu.“
Runtli: „Ja schau ‘n wir mal, … ich denke, dass ich so bis einundzwanzig Uhr dreißig wieder da sein werde. Also bis später.“
Hilberer: „Bitte schließen Sie beim Verlassen des Turmes die Turmtüre wieder ab und bringen Sie bei Ihrer Rückkehr den Schlüssel einfach wieder hierher an die Rezeption.“
Runtli geht los, winkt freundlich zurück und sagt: „Mach´ ich, geht klar, also bis später.“
Daraufhin verlässt er den Gasthof.
Weil wegen der guten Küche und der wieder neu auf die Speisekarte genommenen Wildgerichte den ganzen Abend über Hochbetrieb im Lokal herrscht, bemerkt niemand, dass Runtli nicht, wie von ihm angekündigt, zum Abendessen wieder zurück ist.
Deshalb wird an diesem Abend auch nicht bemerkt, dass der Aussichtsturmschlüssel nicht wieder zurückgebracht wurde.
Hohenbodman - Aussichtsturm
9.13 Uhr
Wirtshausbesitzer Justinus Hilberer macht seinen Kontrollgang zur Rezeption, schaut nach, ob alles seinen Gang läuft.
Dabei bemerkt er beim Blick in Richtung Schlüsselbrett, dass der Schlüssel für den Aussichtsturm fehlt.
Dieser ist nirgends zu finden.
Da steigt bei ihm der Blutdruck an, er bekommt einen puterroten Kopf und ärgert sich über die Schlamperei, dass sich mal wieder keiner für die ordnungsgemäße Rückgabe des Schlüssels zuständig gefühlt hatte.
Jetzt muss er sich auch noch darum kümmern.
Er geht deshalb in den Frühstücksraum und sieht seine Servicekraft Hulda Maierhöfer, welche mit dem Kaffee- und Teeeingießen bei den elf anwesenden Gästen und dem Ergänzen der fehlenden Speisen am Frühstücksbuffet beschäftigt ist.
Er winkt sie zu sich her und fragt sie: „Sag´ mal Hulda, hast Du den Schlüssel vom Aussichtsturm irgendwo gesehen?“
Hulda: „Nein?!“
Hilberer: „So eine Schlamperei, jetzt kann ich wieder allem hinterherrennen. Aber …, vielleicht hat der Runtli vergessen, ihn zurück zu geben? Hast Du Herrn Runtli schon gesehen?“
Hulda: „Nein, ich hab´ mich auch schon gewundert, denn er ist sonst immer schon kurz vor halb acht beim Frühstück …!“
Hilberer: „Ich glaub´, ich klopf mal an seinem Zimmer und schau mal nach, wie es ihm geht!“
Daraufhin macht er sich auf den Weg, geht in den ersten Stock und klopft an die Türe vom Zimmer Nummer siebzehn, also Runtli´s Zimmer.
Es bleibt still, niemand antwortet.
Nach dem dritten Klopfen öffnet Hilberer mit dem mitgebrachten Generalschlüssel die Zimmertüre und findet sowohl das Zimmer wie auch das Bett unberührt vor.
Da beginnt sich Wirt Justinus Hilberer zu sorgen und geht von Runtli´s Zimmer aus wieder hinab ins Erdgeschoss.
Da im Frühstücksraum gerade Hochbetrieb herrscht, kann er dort niemand abziehen, um zum Aussichtsturm zu gehen.
Deshalb geht er in die Küche und sieht das Küchenteam bei der Arbeit.
Dort beobachtet er den Chefkoch Manuel Martins, welcher gerade dabei ist, einen leckeren Fond herzustellen.
Martins scheint keine so gute Laune zu haben.
Was ja auch klar ist, denn er muss, da Hilberers Frau, welche sonst selbst für die gutbürgerlich Küche zuständig ist und seit Karfreitag und für die ganze kommende Woche weg ist, jetzt selber gutbürgerlich kochen.
Dabei liegt ihm die asiatische Küche mehr, also das Kochen mit Zitronengras, Koriander und „Bird eye Chillies“.
Auch Küchenhilfe Ilona Kubicky ist nicht untätig, sie schält gerade die Karotten und schneidet sie den Vorgaben Manuel Mertens entsprechend zu.
Der Wirt winkt sie zu sich heran und sagt: „Ilona, Du musst Deine Arbeit unterbrechen und etwas für mich erledigen!“
Ilona Kubicky: „Der Manuel hat mir aber aufgetragen, dass ich aber die Karotten schälen soll. Und ich bin damit gerade erst halb fertig. Kann das nicht jemand anderer übernehmen?“
Wirt: „Das geht nicht, da sowohl ich wie auch alle anderen gerade voll im Stress sind. Ich werde es mit Manuel klären. Du kommst jetzt mit!“
Er dreht sich nach rechts um und ruft „Manuel, heeh, hallooo … Manuel!“
Dieser schaut Hilberer an: „Was ist denn jetzt schon wieder los?“
„Ich brauch´ mal die Ilona, sie ist aber gleich wieder zurück!“
Der siebenundzwanzigjährige Martins mit seiner nach hinten gegeelten Frisur, antwortet nicht gerade begeistert: „Wenn´s nicht anders geht, ... dann halt meinetwegen!“
Und denkt sich: Lieber wär´ ich jetzt beim Campen und Angeln oder im VfB-Stuttgart-Stadion, statt hier wieder alles kompensieren zu müssen. Wenn der Alte weg ist, geh´ ich grad mit Fleiß erst mal eine rauchen, egal wieviel jetzt noch zu machen ist.
Auf dem Weg von der Küche Richtung Gastraum erklärt Hilberer der Ilona den Auftrag: „Also, ich hab´ folgendes Problem. Gestern Nachmittag hat der Gast von Zimmer siebzehn, der Runtli, bei mir an der Rezeption den Schlüssel zum Aussichtsturm geholt. Keiner hat in dem abendlichen Trubel drauf geachtet, ob er diesen wieder zurückgebracht hat oder nicht. Als ich vorher an die Rezeption kam, sah ich, dass der Schlüssel fehlt. Laut Hulda war er auch nicht beim Frühstück. Ich komme gerade von seinem Zimmer, dort ist alles unberührt, er scheint seit gestern nicht mehr oben gewesen zu sein. Womöglich ist ihm etwas passiert, denn er wollte gestern Abend noch auf den Aussichtsturm. Da am ehesten das Karottenschälen auch mal auch ein halbes Stündlein warten kann, musst Du jetzt mal rüber zum Aussichtsturm. Dort schaust Du nach, ob der Schlüssel steckt und bringst ihn wieder rüber. Ist die Türe unverschlossen, und der Schlüssel steckt nicht, gehst Du nach oben, um zu sehen, ob er womöglich irgendwo verletzt im Treppenaufgang liegt.“
Ilona mit nicht gerade erfreuter Mimik: „Na, wenn´s denn sein muss, … geh´ ich halt.“
9.26 Uhr
Ilona nimmt etwas mürrisch die Küchenschürze ab und hängt sie an den Haken an der Küchentüre.
Nun geht sie los und denkt sich, dass sie diese dreihundertachtundfünfzig Schritte vom Gasthof bis zum Aussichtsturm bei diesem traumhaft schönen Wetter in aller Ruhe zurücklegen könnte und schlendert los.
So findet sie es jetzt doch auch ganz geschickt, denn so kann sie beim gemütlichen Hinüberspazieren noch mindestens zwei Zigaretten rauchen.
Ilona Kubicky erreicht rauchend zehn Minuten später den Turm.
Die Stahltüre ist aber unverschlossen und der Schlüssel steckt noch.
Sie denkt sich: das reicht ja, wenn ich ihn auf dem Rückweg abziehe.
Ilona macht sich jetzt den Weg nach oben, um nachzuschauen, ob Eugen Runtli ein Unfall passiert ist und er womöglich verletzt irgendwo dort oben liegt.
Nachdem sie linkerhand das Licht eingeschaltet hat, geht sie, da der Durchgang sehr niedrig ist, die vier benötigten Schritte leicht gebückt bis zur Treppe.
Dort steigt sie wegen den sich dort befindlichen niedrigen Querbalken weiterhin gebückt die ersten zwölf Holzstufen nach oben bis zum ersten Absatz.
Dann geht´s endlich mit aufgerichtetem Körper weitere dreizehn Stufen hoch.
Es folgt noch ein Absatz, dann dreizehn Holzstufen hoch bis zum ersten Querboden des Turms.
Nun noch zwei weitere Holzstufen und dann hat sie endlich rechtsseitig die erste kleine Fensterluke erreicht.
Die ausgetretenen Treppenstufen gehen jetzt innerhalb des Gemäuers weiter nach oben, aber nirgends ist Runtli zu sehen.
Deshalb geht sie die restlichen der insgesamt einhundertachtundfünfzig Stufen nach oben, bis sie die Aussichtsplattform erreicht.
Die Tauben haben sich hier oben breit gemacht, überall sind deren Exkremente auf dem Boden verteilt.
Aber es bietet sich ihr geradeaus ein wunderbarer Blick auf Heiligenberg, den Gehrenberg und das im Dunst liegende Salemer Tal.
Weiter rechts nimmt sie über dem von einer Nebeldecke verhüllten Bodensee in der Ferne den Säntis wahr.
Als sie sich noch weiter nach rechts wendet, erschrickt sie fast zu Tode, denn zwischen den Querbalken hängen zwei mit dunkelblauen Socken bekleidete Füße herunter.
Sie blickt nach oben und sieht dort das am kreisförmigen Balkenkranz befestigten Seil, an welchem sie Eugen Runtli am Halse erhängt auffindet.
Bekleidet nur mit einer weißen massiv blutgetränkten Schiesser-Feinripp-Unterhose und den schon erwähnten dunkelblauen Socken.
Sonstige Kleidungsstücke und auch die Schuhe sind nirgendwo zu sehen.
Sie ruft laut um Hilfe, winkt über die Brüstung Richtung Ortskern von Hohenbodman, aber niemand hört sie.
Deshalb rennt sie nun vor Panik schreiend die Treppen hinunter und schlägt sich, da sie an der sechstuntersten Stufe abrutscht, den Kopf an den sich dort befindlichen Querbalken an.
Sie schreit, während sie sich mit ihrer linken Hand die Stirn reibt: „Autsch..., verflucht nochmal, tut das weh…!“ und stürzt dabei die restlichen Stufen hinunter.
Dort unten bleibt sie, nachdem sie sich unten auf dem steinernen Fußboden nochmals den Schädel angeschlagen hatte, erst einmal bewusstlos liegen.
Treppenaufgang Aussichtsturm Hohenbodman
10.11 Uhr
Weil Ilona Kubicky nach einer dreiviertel Stunde immer noch nicht zurückgekehrt ist, wird der Wirt misstrauisch.
Deswegen geht er wieder in den Frühstücksraum und informiert Hulda Maierhöfer, dass er sich um Ilona sorge, weil diese immer noch nicht von der Suche nach dem Aussichtsturmschlüssel von dort zurückgekehrt sei.
Jetzt sagt er ihr, dass er nun selber zum Aussichtsturm gehen wird, um nachzuschauen, was da wohl mit ihr los ist.
Danach macht er sich zügigen Schrittes auf den Weg.
Unterwegs bemerkt er eine Verkrustung in der Nase.
Er steckt den rechten, erhobenen Zeigefinger hinein und versucht durchs Hin- und Herbewegen die Verkrustung, auf bodenseealemannisch „Nasabolla“ beziehungsweise auf hochdeutsch „Popel“ genannt, zu lösen.
Dabei fällt ihm, süffisant vor sich hin lächelnd, der Spruch des 2005 verstorbenen niederrheinischen Dichters Art van Rheyn wieder ein, welcher lautet: „In der Nase verliert der erhobene Zeigefinger an Bedeutung!“
Und er ist erfolgreich; der „Nasabolla“ hängt jetzt am Fingernagel und wird von ihm unter Zuhilfenahme des Daumens, genüsslich in die Landschaft katapultiert.
Wirt Hilberer erreicht den Aussichtsturm und sieht den noch steckenden Aussichtsturmschlüssel, brüllt jetzt wütend drauf los: „Ja, ich glaub´ ich spinne, jetzt schicke ich die extra hierher, um den Schlüssel zu suchen und hier steckt er! Wo treibt die sich bloß rum? Du kannst Dich auf was gefasst machen, wenn wir wieder im Lokal sind!“
Er zieht den Schlüssel ab und steckt ihn in seine rechte Hosentasche.
Dann findet er, nachdem er die Türe des Aussichtsturms passiert und Richtung Treppen gegangen ist, seine Küchenhilfe bewusstlos und schwerverletzt vor.
Zu Tode erschrocken zückt Wirt Justinus Hilberer sein Smartphone und alarmiert den Notarzt.
Ilona Kubicky erwacht auf dem Boden liegend und sieht in das Gesicht ihres Chefs, welcher sich über sie gebeugt hat und berichtet ihm schleppend und unter großen Schmerzen vom grausigen Fund auf dem Aussichtsbereich.
Hilberer ruft deshalb sofort auch die Polizei an, danach seine Frau Liesl Rückert-Hilberer, um ihr zu sagen, dass sie heimkommen soll, da Ilona ausgefallen sei.
Diese fragt nach, was denn passiert sei.
Hilberer erzählt ihr, während er tröstend der laut vor sich hin stöhnenden Ilona die Hand hält, in Kurzform die ganze Geschichte.
„Okay, dann packe ich sofort, fahre los und komme heim!“ antwortet sie daraufhin und legt auf.
Danach ruft er im seinem Betrieb, das heißt, in seinem Gasthof an.
Es meldet sich in einem barschen Ton die oft übelgelaunte, achtundvierzigjährige und seit zwanzig Jahren im Betrieb arbeitende Putzfrau Sophie Krausig: „Krausig, hier!“
Hilberer: „Wenn Du ans Telefon gehst, dann melde Dich gefälligst, wie es sich gehört! Erstens mit freundlicher Stimme und nicht in diesem Kasernenhofton! Oder willst Du uns die Kundschaft vertreiben! Zweitens hab´ ich´s schon hundertmal gesagt, man meldet sich mit ´Restaurant Talblick - mein Name ist Frau Krausig´!“
Die kupferrothaarige, grünäugige, schlanke und ein Meter siebzig große Sophie Krausig denkt sich: Verdammt, jetzt muss auch grad´ noch der Alte am Telefon sein, und antwortete aber mit einem demonstrativ ausgestrecktem Mittelfinger und in einem gekünstelt freundlichen Ton: „Jaaah Chef, …Du hast recht, Chef…, nächstes Mal mach´ ich´s besser!“
„Das hoffe ich für Dich!“
Nach einem kurzen tiefen Durchatmen fährt er fort: „Du gehst jetzt zu Manuel Martins in die Küche und richtest ihm aus, dass Ilona ausgefallen ist und dass es später wird, bis ich zurückkehren kann. Und er soll jetzt erstmal heute Vormittag mit den Anderen schauen, wie sie zurechtkommen. Meine Frau, die Liesl, ist schon informiert und wird heute Nachmittag zurückkommen und dann in der Küche mithelfen.“
Neugierig geworden fragt sie nach, was denn los sei.
Er: „Im Aussichtsturm hängt ein Toter und Ilona ist schwer verletzt und wird hoffentlich jetzt mal bald vom Rettungsdienst abgeholt!“
Sophie, sehr neugierig geworden: „Soll ich kommen und helfen?“
Hilberer: „Bist Du mit Deiner Arbeit fertig?“
Sie: „Ja, schon längst! Soll ich nun kommen?“
Er: „Nein! Du kannst Dich ja, nachdem Du Manuel die Nachricht überbracht hast, direkt in der Küche nützlich machen und Ilona ersetzen.“
Ihr geht es durch den Kopf: Verdammt, warum hab´ ich nicht die Klappe gehalten, jetzt kann ich auch noch länger dableiben und soll auch noch in der Küche helfen.
Gasthof Talblick: Sophie Krausig, Putzfrau und Mädchen für alles und Ilona Kubicky, Küchenhilfe
Und sie antwortet: „Ja aber…, eigentlich habe ich jetzt dann bald Feierabend.“
Hilberer, jetzt wütend: „Du bist ja ledig, hast niemanden zuhause, dann macht’s ja auch nichts, wenn Du jetzt noch solange bleibst, bis ich zurückkomme. Basta!“
Und er legt auf.
Sophie Krausig begibt sich jetzt gaaaanz laaaaangsam und mit einer Stinklaune Richtung Küche und informiert mit herunterhängenden Mundwinkeln Manuel Martins über die Geschehnisse, dessen Laune dadurch ebenfalls nicht besser wird.
Er ist aber froh, dass Sophie wenigstens solange mithelfen soll, bis der Chef oder die Chefin zurück ist; was ja noch dauern kann.
10.32 Uhr
Der Rettungswagen und der Notarzt treffen ein.
Sie sehen die Verletzte und fordern den Rettungshubschrauber aus Friedrichshafen an.
Vorläufige Diagnosen sind: Verdacht auf Ober- und Unterschenkelbrüche rechts, Verdacht auf Oberarmbruch rechts, Rippenprellungen, schwere Gehirnerschütterung und diverse Blutergüsse.
Während Blutdruck und Puls gemessen, venöse Zugänge gelegt und Infusionen daran angeschlossen werden, landet auf der Wiese direkt unterhalb des Aussichtsturms der Rettungshubschrauber.
Gleichzeitig treffen auch die Polizisten aus Überlingen ein.
Der Transport von Ilona, welche auf einer Trage festgeschnallt ist, gestaltet sich aufgrund der Enge für die Retter nicht gerade einfach.
Unten an der Eingangstüre zum Aussichtsturm stehen immer mehr Zuschauer, Einheimische aus Hohenbodman und Umgebung sowie Touristen im Weg herum.
Die Polizisten schaffen einen Korridor, durch diesen wird Ilona Kubicky ins Freie getragen und an die Helikopterbesatzung übergeben.
Und die Überlinger Polizisten schalten, da die Überlinger Kripo gerade mit einem anderen Fall beschäftigt ist, die Friedrichshafener Kollegen ein.
Während nun die Hubschrauberbesatzung Ilona in den Hubschrauber transportiert und dann Richtung Friedrichshafen losfliegt, eilt Hilberer zusammen mit den Sanitätern, dem Notarzt und den Polizisten hoch zur Aussichtsplattform.
Sie erreichen die Aussichtsplattform und finden einen kalten, am Seil hängenden grauweiß verfärbten Körper mit grotesk verdrehtem und tief blauviolett verfärbtem Kopf vor.
Hilberer, geschockt ob des Anblicks, spricht leise zu den Polizisten: „Ilona hat recht! Das ist unser Gast ..., der Herr Runtli!“.
Der Notarzt sucht an der Halsschlagader den Puls, findet aber keinen mehr und die Pupillen sind weit und reaktionslos.
Da sich der Körper eiskalt anfühlt und die Leichenstarre schon eingesetzt hat, geht der Notarzt davon aus, dass der Tod schon vor Stunden eingetreten ist.
Anhand der Kopfhaltung geht er auch davon aus, dass die Todesursache ein Genickbruch ist.
Deshalb wird Runtli nicht vom Seil geschnitten, sondern alles so gelassen, wie es vorgefunden wurde, um möglichst keine Spuren zu verwischen.
Ganz oben im Aussichtsturm Hohenbodman
Das Rettungsteam verlässt nun unverrichteter Dinge die Aussichtsplattform, aber ein Polizist bleibt zurück, um den Tatort zu sichern.
10.54 Uhr
Kurz danach trifft die hellblonde leitende Hauptkommissarin Carina Sarah Ekkhard, von ihrem Team nur „Carina S. mit den schönen blauen Augen“ genannt, mit ihrem Team aus Friedrichshafen ein und begutachtet den Tatort.
Mit dabei ist auch das Spurensicherungsteam, von allen nur „SpuSi“ genannt, welches unter der Leitung des einundvierzigjährigen, glatzköpfigen und nur mit einem schmalen grau-weißen Haarkranz ausgestatteten, bierbauchigen, Kriminalhauptkommissars Bruno Zeisig steht.
Das Team kann außer einer Streichholzschachtel, auf welcher die Adresse und ein Foto des Restaurants Talblick abgebildet ist, sowie diversen und verschieden großen Schuhabdrücken erst mal keine weiteren Spuren sichern.
Auffällig sind nur staubig-schmutzige Bereiche an verschiedenen Körperstellen der Leiche sowie gereizte Hautstellen im Gesicht.
Diese Streichholzschachtel liegt genau zu Füßen des Erhängten, ist aber überhaupt nicht, im Gegensatz zum Fußboden, mit Ausscheidungen der Tauben verschmutzt.
Womöglich stammt diese vom oder von den Tätern, oder ... von rauchenden Besuchern, welche die Aussicht schon vor dem Mord genossen hatten.
Um mögliche Spuren beziehungsweise Fingerabdrücke zu sichern, wird diese eingetütet.
Der zum SpuSi-Team gehörende Fotograf fotografiert die Szenerien in allen Details, geht danach nach unten, um auch den Bereich, wo Ilona Kubicky gestürzt war, abzulichten.
Es scheint dort auch auf den ersten Blick kein Kampf stattgefunden zu haben, zumindest sind keine entsprechenden Spuren auf den ersten Blick sichtbar.
Oben aber halten nun zwei Polizisten den erhängten Körper, während der Dritte das Seil durchschneidet.
Dann legen sie Runtli auf eine schon auf dem Fußboden platzierte Folie und warten auf den Pathologen zur Begutachtung der Leiche.
Verdammt noch mal! Warum muss ausgerechnet heute so ein Todesfall dazwischenkommen! dachte sich der mit blonden, zu einem Pferdeschwanz zusammengebundenen Haaren ausgestattete Pathologe Doktor med. Björn Fischer, jetzt muss ich wieder zwei Wochen warten, bis ich mein kleines Töchterlein wiedersehen kann…! Wir hätten heute so schön miteinander im Markdorfer Lokal „Salotti civici“ Frickinger Bruschetta essen können und danach wären wir noch im Immenstaader Kletterparkour herumgekraxelt. Aber nein…, schon wieder mal nix!
Fischers Laune war auf dem Tiefpunkt, denn er war eigentlich gerade auf dem Weg, seine Tochter bei seiner geschiedenen Frau in Ailingen abzuholen, als vor einer halben Stunde der Anruf kam.
Seine Exfrau musste er dann anrufen und diese war daraufhin sehr schlecht gelaunt, weil er schon wieder keine Zeit für ihr gemeinsames Kind hatte.
Und so musste er umkehren, und ... ist jetzt schon fast eine halbe Stunde in der Gegenrichtung unterwegs ..., nach Hohenbodman.
So fährt er nun durch das kleine Ernatsreute, erreicht den Ortsausgang und biegt mit seinem alten, grünen 7er BMW rechts Richtung Hohenbodman ab.
Im Radio wird gerade Louis Armstrongs „What a Wonderful World“ gespielt.
Es ist einer seiner Lieblingssongs und dreht deshalb die Lautstärke hoch.
