Verliebt in den Feind - Laurie Paige - E-Book

Verliebt in den Feind E-Book

Laurie Paige

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Beschreibung

Der reiche Anwalt Cade Parks findet seine neue Nachbarin Sara einfach bezaubernd. Auf zärtliche Stunden der Liebe folgt jedoch die bange Frage: Hat die hinreißende Frau etwa nur seine Nähe gesucht, um ein dunkles Kapitel in seiner Familiengeschichte aufzuklären?

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Seitenzahl: 202

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IMPRESSUM

Verliebt in den Feind erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Christina SeegerGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2004 by Harlequin Books S.A. Originaltitel: „Romancing the Enemy“ erschienen bei: Silhouette Books, Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BIANCA, Band 1514 Übersetzung: Patrick Hansen

Umschlagsmotive: Getty Images / inarik, ELIZABETH POLIASHENKO

Veröffentlicht im ePub Format in 1/2022

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751512756

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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1. KAPITEL

Im dezenten Luxus des Büros über Parks Fine Jewelry, dem Konkurrenten von Tiffany’s, New York, an der Westküste, läutete das Telefon. Es war die private Direktleitung.

Walter Parks nahm den Hörer ab. „Ja?“, meldete er sich, bevor er kurz zuhörte und eine Frage stellte. „Sind Sie sicher?“

Der Anrufer bejahte.

„Schicken Sie mir eine Kopie des Totenscheins“, befahl Walter dem Privatdetektiv. „Nein, nicht hierher“, fügte er ärgerlich hinzu, als hätte der Mann es wissen müssen. „An mein Postfach.“

In fünfundzwanzig Jahren hatte er gelernt, seine Spuren zu verwischen. Das Fach gehörte zu einem privaten Postservice zwei Türen weiter. Niemand in seiner Familie wusste davon. Aber in seiner Familie wusste niemand viel von den Dingen, die Walter lieber für sich behalten wollte.

Er legte auf, ging ans Fenster und schaute in den Dezemberregen hinaus, der unaufhörlich vom grauen Himmel fiel. Der einzige Ort, der so kalt und trübe war wie San Francisco im Winter, war San Francisco im Sommer, wenn der Küstennebel die Stadt einhüllte.

Also war Marla tot. Das wurde auch Zeit. Fünfundzwanzig Jahre lang hatte er sich ihretwegen Sorgen machen müssen, hatte er wegen ihr und ihrer Gören manchmal sogar ein schlechtes Gewissen gehabt. Damit war jetzt Schluss.

Wie sein alter Herr, der so arm wie die sprichwörtliche Kirchenmaus gewesen war, oft gesagt hatte – das Leben war, was es war, und ein Mann musste sein Schicksal in die Hand nehmen.

Das stimmte. Die Glücksgötter lächelten jenen zu, die eine Gelegenheit ergriffen, sobald sie sich ergab. Ein langsamer Mann war ein Verlierer. Walter war schnell.

Er atmete tief durch und versuchte zu fühlen, wie die Last von seinen Schultern wich. Aber das geschah nicht. Er verzog das Gesicht. Und wenn schon. Die letzte Verbindung zu seiner Vergangenheit, zum gefährlichen Teil jedenfalls, war gekappt.

Er legte eine Hand an die Brust. Sodbrennen. Er sollte gesünder leben, das wusste er. Und kein Alkohol, höchstens ein Paar Gläser Wein. Die waren gut für die alte Pumpe, behaupteten die Ärzte.

Der Regen, der gegen die Scheibe prasselte, ließ ihn frösteln. Er rieb sich den Nacken und zuckte zusammen, als das Telefon wieder läutete. Er warf einen Blick auf den Apparat. Es war die Büroleitung.

„Parks.“

Der Anrufer war sein ältester Sohn, der die Firma eines Tages übernehmen sollte. Der Stolz verbesserte seine Stimmung. Er und Anna hatten eine feine Nachkommenschaft produziert.

Cade war der Beste – klug, attraktiv, mit kühlem Kopf. Walter hatte den Jungen bei sich im Büro haben wollen, aber Cade war nicht an Diamanten und Schmuck und dem weltweiten Handel damit interessiert gewesen. Ihn hatte das Recht fasziniert. Walter hatte zugeben müssen, dass ein Anwalt in der Familie keine schlechte Sache war.

Jetzt arbeitete der Junge in einer angesehenen Kanzlei – wofür Walter persönlich gesorgt hatte – und kümmerte sich um die Verträge und Steuern der Firma. Mit neunundzwanzig kannte Cade jeden Aspekt des Diamantengeschäfts und war durchaus fähig, seine Nachfolge anzutreten. Und genau das würde er tun, denn sein Pflichtgefühl ließ nichts anderes zu.

„Cade, treffen wir uns zum Lunch?“, fragte Walter jovial. „In einer halben Stunde im Top o’ the Mark?“

„Einverstanden. Ich habe die Informationen, die du über König Abbar und seinen Sohn Prinz Lazhar von Daniz haben wolltest. Der König ist krank, und der Sohn regiert praktisch allein. Soll ich die Mappe mitbringen?“

„Ja.“

Lächelnd legte Walter auf. Daniz war eines jener winzigen Länder, von denen die meisten Leute noch nie etwas gehört hatten. Was nur bewies, wie dumm die meisten Leute waren. Denn Daniz’ Diamanten gehörten zu den wertvollsten der Welt. Erst seit Kurzem produzierten die Minen champagnerfarbene Steine, die zum Glück unter den Schönen und Reichen der Welt äußerst begehrt waren. Ein gutes Geschäft mit dem Herrscher konnte für sie beide höchst einträglich sein.

Zwei gute Nachrichten an einem Tag. Besser konnte man ein neues Jahr nicht beginnen. Die Götter lächelten wirklich auf ihn herab, auch wenn der Himmel es nicht tat. Er rief seine Sekretärin an, bestellte den Wagen und nahm den Regen kaum noch wahr, als er zum Lunch aufbrach.

Sara Carlton fröstelte, als ein Windstoß sie traf. Jemand sollte dem Wetterdienst sagen, dass der Winter sechs Monate her und es inzwischen Juni, nicht Januar war.

Sie zog die Jacke fester um die Schultern und starrte auf das elegante Haus, das inmitten eines ganzen Blocks ebenso teurer Bauten im georgianischen Stil stand.

Da sie vor ihrem Umzug von Denver nach San Francisco ihre Hausaufgaben gemacht hatte, wusste sie, dass eine Vorschullehrerin wie sie sich die Miete in einem so feinen Viertel wie St. Francis Woods niemals leisten konnte. Zum Glück brauchte sie das auch nicht.

„Ist es nicht hübsch?“, meinte Rachel Hanson.

Rachel war eine Kollegin in Lakeside, der angesehenen Privatschule, die nur drei Querstraßen entfernt lag. Ab Montag würde auch Sara dort unterrichten. Außerdem war Rachel die ältere Schwester von Saras bester Freundin aus ihren Highschool-Tagen in Denver. Sie hatte Sara sofort unter ihre Fittiche genommen, als Sara sich im Januar nach einer Stelle als Lehrerin erkundigt hatte.

Mit vierunddreißig war Rachel fünf Jahre älter als Sara. Sie hatte das College absolviert, geheiratet und war an die Westküste gezogen, als die beiden jüngeren Mädchen noch zur Schule gingen. Ihr Ehemann hatte sie verlassen, also nahm Sara an, dass sie geschieden war. Rachel wusste, warum Sara und ihr Bruder hergekommen waren, und hatte vollstes Verständnis dafür.

„Sehr hübsch“, bestätigte Sara und ließ den Blick vom schmiedeeisernen Zaun aus durch den kleinen Vorgarten wandern. „Ich kann mein Glück noch immer nicht fassen? Ich soll wirklich sechs Monate lang auf dieses Haus aufpassen? Bist du sicher, dass dein Künstlerfreund einverstanden ist?“

Rachel lachte. „Nur auf die Hälfte“, verbesserte sie. „Es ist ein Doppelhaus. Und ja, ich habe mir die Erlaubnis schriftlich geben lassen. Der Eigentümer ist der Freund eines Freundes. Lass uns hineingehen.“

Drei Stufen führten zu einer marmornen Schwelle hinauf, an der sich zwei identische Türen befanden. Mit dem Schlüssel, den sie von Rachel bekommen hatte, öffnete Sara die linke. Ein kühler Luftstrom strich über ihr Gesicht, als sie das kleine Foyer betrat – wie eine kalte, unfreundliche Hand. Die eines Gespenstes, das über unser Eindringen nicht glücklich ist, dachte sie unwillkürlich.

„Dort ist ein Kamin“, sagte Rachel. „Es ist kalt hier. Mal sehen, ob wir den Thermostat finden.“

Sara folgte ihr ins Wohnzimmer.

„Gefällt es dir nicht?“, fragte Rachel.

Sara setzte ein unbeschwertes Lächeln auf. „Was sollte mir hier nicht gefallen?“

Sie sah sich um. Die Wände und Vorhänge waren korallenfarben, schwarz und weiß abgesetzt. Die Kombination stammte von einer über einen Meter großen chinesischen Vase, die neben dem Kamin auf einem schwarzen Sockel stand und friedliche Gartenszenen zeigte.

Die Hälfte des Raums wurde von einer Galerie überragt, in deren Bücherschränken chinesische Kunstgegenstände und unzählige Bücher standen. Eine Leiter führte nach oben und konnte zur Seite gestellt werden, wenn sie nicht gebraucht wurde.

Sara bezweifelte, dass sie jemals auf dem mit korallenfarbenem Samt bezogenen Sofa sitzen würde. Der Tisch davor war schwarz mit eingelegten Vögeln aus Elfenbein und Bambusstäben aus Jade. In einer verschlossenen Vitrine befand sich eine Sammlung chinesischer Kästen. Der Teppich sah orientalisch aus.

„Alles zu teuer, um es zu benutzen“, murmelte Sara.

„Stimmt. Die Küche und das Arbeitszimmer sind hier drüben“, erklärte Rachel. „Die sind gemütlicher.“

Links und rechts vom Kamin führten Glastüren in die benachbarten Räume. In der Küche gab es Arbeitsflächen aus schwarzem Granit und weiße Schränke. Auch hier waren die Wände korallenfarben und der Boden aus – für ihren Geschmack zu dunklem – Holz.

Nicht, dass jemand sie jemals nach ihrer Meinung fragen würde.

Früher einmal hatte sie nur wenige Meilen von hier in einem großen Haus gelebt, aber das war Jahre her. Damals war sie noch zur Vorschule gegangen. Bevor ihr Vater auf rätselhafte Weise verschwunden war. Angeblich ertrunken, vor der Küste Kaliforniens von Bord einer Jacht gefallen. Bevor ihre Familie ihre Firma verloren und aufgehört hatte, mit Diamanten und Schmuck zu handeln. Sie schob die bitteren Gedanken zur Seite und setzte die Besichtigung ihres neuen, wenn auch nur vorübergehenden Zuhauses fort.

Die modernen Geräte bildeten einen auffallenden Kontrast zur orientalisch anmutenden Atmosphäre. Zwischen Küche und Arbeitszimmer lag ein kleines Esszimmer – Tisch und Stühle aus glänzend schwarzem Holz, zwei Vasen mit Pfauenfedern, chinesische Schriftrollen mit schwarzen Zeichen an den Wänden.

„Oh“, entfuhr es Sara, als sie das Arbeitszimmer betrat. „Wie hübsch.“

Während Boden und Wände das orientalische Thema fortsetzten, war die Couch mit Leder, die Sessel mit Stoff bezogen, alles in erdigen Brauntönen. In einer weiteren Vitrine standen winzige Figurinen aus Jade, Onyx und Elfenbein. Auch hier gab es einen Kamin, der allerdings in Gebrauch zu sein schien. Eine Treppe führte zu den Schlafzimmern im Obergeschoss.

„Hier sind der Fernseher und die Stereoanlage.“ Rachel öffnete einen Wandschrank. „Und der Thermostat. Welche Temperatur möchtest du?“

„Zwanzig Grad.“

„Brr, das ist mir zu kalt, aber wer wie du aus Colorado kommt, hat vermutlich Frostschutzmittel im Blut.“

Sara war damit aufgewachsen, jeden Penny zu zählen. Ihre Familie hatte mit Heizung, Strom, Wasser, Lebensmitteln und Kleidung sehr sparsam umgehen müssen, doch das sagte sie nicht. Sie hörte ein leises Klicken, dann bewegte sich die Luft im Raum. „Na ja, ich schätze, ich richte mich jetzt besser ein. Sieht nach Regen aus.“

Rachel schüttelte den Kopf. „Nicht um diese Jahreszeit. Das ist nur der Morgennebel. Bis Mittag ist er wieder weg.“

Es war Mittwoch, der letzte Junitag, und es herrschten kühle siebzehn Grad. Am Montag würde sie ihre Stelle in Lakeside antreten. Dass ihre Vorgängerin gerade jetzt in den Mutterschaftsurlaub ging, war reines Glück.

Sie holten Saras Kleidung und ein paar andere Dinge herein, die sie in ihrem uralten Kleinwagen mitgebracht hatte. Sie entschied sich, die Töpfe und Pfannen im Karton zu lassen und ihn in den Schrank zu stellen. Nach weniger als zwei Stunden waren sie fertig.

„Gehen wir essen“, schlug Rachel vor. „Ganz in der Nähe gibt es einen tollen Chinesen. Die Nudeln sind extrem lecker.“

Sara schloss die Haustür hinter sich ab. Die ersten Sonnenstrahlen drangen durch die niedrige Wolkendecke, als sie zu ihrer Freundin auf den Bürgersteig trat. Die Stadt war plötzlich in warmes Licht getaucht, und sie sah es als gutes Omen an. Unwillkürlich schaute sie zum Himmel hinauf. Bei der Suche nach der Wahrheit über den Tod ihres Vaters konnte sie jede Hilfe gebrauchen.

Und bei dem Rachefeldzug für all das, was ihre Familie erlitten hatte?

Vielleicht würde sie einen Weg finden. Mit der Unterstützung ihres Bruders. Tyler war Detective bei der Polizei von San Francisco. Zusammen würden sie alles tun, um die Rätsel ihrer Vergangenheit zu lösen.

Das Erste, was Cade auffiel, als er an diesem Abend heimkam, war der alte Kleinwagen in der Einfahrt des Nachbarhauses. Hmm, der Bewohner war angeblich im Fernen Osten, um die chinesische Kunst zu studieren, die ihn so faszinierte. Wer war es dann?

Er würde nachforschen, aber erst musste er nach Stacy und Tai sehen. Er fuhr in die Garage und eilte die kurze Treppe zur Küche hinauf.

Seine fünf Jahre alte Tochter und ihr Babysitter waren stark beschäftigt. „Jetzt rühren“, befahl Stacy.

Gehorsam rührte Tai in der Schüssel. Sie war einundzwanzig und studierte Medizin. An jedem Nachmittag holte sie Stacy aus dem Kindergarten ab und blieb bei ihr, bis Cade von der Arbeit kam. Außerdem machte sie für sie drei das Abendessen. Manchmal kam Cade sehr spät, aber Tai beschwerte sich nie. Sie nutzte die Zeit zum Lernen.

Cade blieb in der Tür stehen und lächelte. Wie so oft fragte er sich, wer hier im Haus das Sagen hatte, dabei wusste er es längst – es war Stacy.

„Daddy!“, rief sie, als sie ihn sah. „Wir backen einen Kuchen. Es ist eine Überraschung.“

Er schloss die Augen. „Ich sehe nicht hin.“

Sie kicherte. „Er ist nicht für dich. Er ist für Sara.“

„Sara?“ Cade warf Tai einen fragenden Blick zu.

„Sie ist deine neue Nachbarin. Sie hat gerade im Vorgarten Unkraut gejätet, als wir nach Hause kamen.“

„Das erklärt den fremden Wagen in der Einfahrt“, sagte er. „Ich wusste nicht, dass Ron das Haus in seiner Abwesenheit vermieten wollte. Normalerweise vertraut er seine Kollektion niemandem an.“

„Sie ist die Freundin einer Freundin“, erwiderte Tai.

„Sie passt auf das Haus auf“, fügte Stacy hinzu.

„Ein Housesitter, was?“ Cade hob seine Tochter vom Hocker und in die Luft. Sie lachte fröhlich. Nach ein paar Drehungen hielt er inne, und sie rieben ihre Nasen aneinander. Stacy hatte einen Film über Eskimos gesehen und gelernt, dass sie sich so küssten.

„Sie ist hübsch“, verkündete sie danach. „Ihr Haar ist so dunkel wie Tais, aber ihre Augen haben die Farbe wie die von Mrs Chong.“

Mrs Chong war die sehr dicke und grünäugige Katze von Mrs Ling, der die Eisdiele um die Ecke gehörte. Cade und Stacy waren dort Stammgäste.

„Haben wir genug zu essen, um sie einzuladen?“, fragte er.

„Sicher“, antwortete Tai. „Es gibt Hackbraten mit grünen Bohnen, Röstkartoffeln und Salat. Alles fertig. Ich muss los. In dieser Woche lerne ich Knochen auswendig.“

„Ich auch“, sagte Stacy.

„Großartig“, erwiderte Cade. „Sollen wir unsere Nachbarin fragen, ob sie mit uns essen möchte?“

„Ja, aber der Überraschungskuchen ist noch nicht fertig.“

„Vielleicht hilft sie uns dabei.“

„Bis morgen“, sagte Tai im Hinausgehen.

Cade nahm ihren Platz an der Rührschüssel ein. Nachdem er den Kuchen in den Ofen gestellt hatte, streckte er die Hand aus.

„Lernen wir unsere Nachbarin kennen.“

„Ich kenne sie schon.“

„Gut, dann kannst du uns bekannt machen.“

Sie gingen nach nebenan und läuteten. Sekunden später erschien eine Gestalt hinter dem Fenster.

„Komm herein … Oh!“, rief das atemberaubendste Geschöpf, das er je gesehen hatte, und riss die Tür auf. Dann zuckte es zusammen.

Obwohl Stacy ihn vorgewarnt hatte, starrte er die junge Frau an. Sie war tatsächlich hübsch, aber die Kombination aus schwarzem Haar und grünen Augen mit langen schwarzen Wimpern war mit Worten nicht zu beschreiben.

Sie war mittelgroß und besaß exakt die Figur, die er an Frauen mochte – langbeinig wie ein Fohlen, aber mit Rundungen an genau den richtigen Stellen, woran das jadegrüne Outfit keinen Zweifel ließ.

Eine Sekunde lang blieb ihm die Sprache weg.

Dann huschte ein Gefühlsausdruck über ihr Gesicht. Schock? Schmerz? Zorn? Er war nicht sicher.

Nein, er musste sich getäuscht haben, denn sie lächelte erst höflich, dann wärmer, als sie Stacy fragend ansah.

„Entschuldigung“, sagte er. „Ich bin Cade Parks, Stacys Dad. Offenbar erwarten Sie jemanden …“

„Nein“, erwiderte sie rasch. „Nicht wirklich. Ich bin Sara Carlton, die neue Lehrerin in Lakeside. Tai hat mir erzählt, dass Stacy in meine Klasse kommt.“

„Sara, komm mit“, rief Stacy aufgeregt. „Wir haben eine Überraschung für dich.“

„Du musst sie Miss Carlton nennen“, sagte Cade.

„Muss ich?“, fragte Stacy ihre neue Lehrerin.

„Ja, solange ich deine Lehrerin bin.“

Stacy nickte.

„Tai meint, wir haben genug für einen Gast. Ich würde mich geehrt fühlen, wenn Sie mit uns zu Abend essen“, sagte Cade zu der wunderschönen Frau, die wie eine Wächterin in der Tür stand. „Und Stacy hat eine Überraschung vorbereitet.“

Die Nachbarin lächelte.

Es war seltsam, aber sein Herz begann zu klopfen. Und ihm wurde warm. Abgesehen von flüchtigen Dates hatte er für so etwas keine Zeit mehr gehabt, seit seine Ehefrau vor zwei Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen war. Er hatte seine ganze Energie auf sein Kind und seine Arbeit verwendet.

„Einer Überraschung konnte ich noch nie widerstehen“, sagte die Nachbarin. „Ich hole nur rasch die Schlüssel.“

Stacy ging ins Haus, obwohl sie nicht hereingebeten worden waren. Auch Cade trat ein.

„Schließen wir ab“, rief er Sara nach. Ihr gefiel, wie sie sich bewegte. Mit fast katzenhafter Geschmeidigkeit. Sie nahm ihre Tasche von einem Tisch. „Wir können hinten durchgehen.“

Als sie nickte, verriegelte er die Haustür und folgte Stacy, die hinter ihrer neuen Lehrerin herrannte. Sein Blick ruhte auf ihrem hinreißenden Hüftschwung, als sie ihre Schritte verlangsamte und die Hand seiner Tochter nahm. Stacy redete ununterbrochen, während sie das Haus verließen und über die gemeinsame Terrasse seines betraten.

Der Duft aus dem Ofen hieß sie willkommen. „Mmm, ist das die Überraschung, die ich rieche?“, fragte Sara.

„Es ist ein Schokoladenkuchen“, verkündete Stacy.

„Den mag ich am liebsten“, erwiderte Sara, und ihre Augen wurden groß. „Woher wusstest du das?“

Stacy strahlte. „Weil Daddy und ich den auch am liebsten mögen.“

Ihr Lachen ging ihm unter die Haut und trug zur Intimität des Moments bei. Ohne Sara aus den Augen zu lassen, nahm er die Teller aus dem Schrank und fragte sich, ob er ihr schon mal begegnet war.

Ihm war, als würden sie sich irgendwoher kennen. Vielleicht in einem anderen Leben. Vielleicht waren sie Lover gewesen, die ein tragisches Schicksal getrennt hatte, aber dazu bestimmt, sich wieder zu sehen …

Das Verlangen, das in ihm aufstieg, war überwältigend und fast schmerzhaft. So etwas hatte er noch nie gefühlt, nicht einmal dann, als er sich in seine Frau verliebt hatte. Rita Lambini war die Debütantin des Jahres gewesen, damals vor sechs Jahren, eine hübsche Tochter aus bestem Haus, die ihn mit ihren glutvollen Blicken verzaubert hatte.

Es hatte nicht lange angehalten.

Nach weniger als sechs Monaten war der Zauber verflogen und hatte die bittere Erkenntnis zurückgelassen, dass sie ihn nur wegen des Geldes geheiratet hatte, das er eines Tages erben würde. Er hatte die Ehe beenden wollen, aber inzwischen war sie schwanger gewesen.

Angesichts seiner eigenen Vergangenheit, mit einer Mutter in einem Sanatorium in der Schweiz und einem nur am Geschäft interessierten Vater, wusste Cade, dass er sein Kind nie im Stich lassen würde. Also hielt er bis nach Stacys Geburt durch.

Rita wehrte sich gegen die Scheidung und versuchte, ihn mit einem langwierigen Streit um das Sorgerecht zu erpressen. Sie drohte sogar damit, ihn wegen Kindesmissbrauchs anzuzeigen, wenn er sie hinauswarf.

Selbst jetzt fühlte er sich noch schuldig, weil er über ihren Tod fast so etwas wie erleichtert gewesen war. Sie war auf dem Heimweg von einer ihrer zahlreichen gesellschaftlichen Verpflichtungen gewesen. Ein paar Drinks und ein viel zu hohes Tempo auf der kurvenreichen, vom Nebel feuchten Straße … Der Wagen war durch die Leitplanke gekracht und von der fünfzig Fuß hohen Klippe gestürzt.

„Daddy!“ Stacy zog an seinem Arm.

„Tut mir leid. Was hast du gesagt?“

„Wir sind so weit. Sar… Miss Carlton und ich haben den Tisch gedeckt.“

Er lächelte den beiden zu. „Gute Arbeit.“

Der Timer summte. Er nahm die Kuchenbleche aus dem Ofen und legte drei Brötchen hinein.

„Ist dies Ihre erste Stelle als Lehrerin?“, fragte er, als sie sich an den Tisch setzten.

„Nein. Ich habe in Denver fast fünf Jahre unterrichtet.“

„Und was bringt Sie nach San Francisco?“

Sie zögerte. „Ich habe hier Freunde. Sie haben alles für mich arrangiert“, antwortete sie.

Die Enttäuschung traf ihn hart. „Ein Freund?“

Sie schüttelte den Kopf. „Eine Kollegin. Sie ist die Freundin einer Freundin des Künstlers, dem die andere Haushälfte gehört.“

„Miss Hanson“, informierte Stacy ihren Vater.

„Ja. Rachel und mein …“

Wieder machte sie eine Pause, als wäre sie nicht sicher, ob sie ihm so viel über sich verraten sollte.

„Rachel und mein Bruder fanden, dass ich wegmusste.“

„Aus Denver?“

Sie nickte.

„Warum?“

„Meine … Mutter ist nach langer Krankheit gestorben. Sie liebte den Frühling in Colorado und die Wildblumen. Sie sagte immer, dass Blumen und Kinder der einzige Trost sind, den das Leben zu bieten hat.“

Sie klang so traurig, dass Cade sich dafür schämte, sie zum Reden zu bringen. „Ich wollte Ihnen nicht wehtun“, sagte er. „Es tut mir leid.“

„Nein, nein, ist schon gut.“ Sie lächelte matt. „Es war Zeit für einen neuen Anfang.“

Wieder hatte er das Gefühl, das hier nicht zum ersten Mal zu erleben. Es war, als hätten sie schon mal so miteinander geredet, Geheimnisse geteilt und zusammen gelacht. Es war eigenartig.

„Die Brötchen sind fertig“, rief Stacy.

Cade servierte das Abendessen, dann öffneten sie eine Tube mit Schokoladenguss und verstrichen ihn auf dem Kuchen. „Lasst uns Happy Birthday singen“, bat Stacy.

„Aber niemand hat Geburtstag“, sagte er zu seiner Tochter.

„Meiner war im Frühjahr“, erzählte Sara. „Niemand hat mir einen Kuchen gebacken, also kann dieser hier mein Geburtstagskuchen sein.“

Er dachte an all das, was sie nicht aussprach – die Trauer um ihre Mutter, die Einsamkeit in ihren Augen, die Zerbrechlichkeit, die seinen Beschützerinstinkt weckte.

„Großartig“, sagte er. „Stacy, du fängst an …“

„Happy Birthday, liebe Sar… Miss Carlton.“

Er stimmte ein und passte seine Stimmlage der seiner Tochter an. Ihr Gast sah ihn erstaunt an. Er lächelte und freute sich darüber, dass er sie ein wenig aus der Reserve gelockt hatte.

„Wie alt bist du?“, fragte Stacy, während er den Kuchen aufschnitt und ihrer Nachbarin das erste Stück gab.

„Neunundzwanzig.“

„Stacy, man fragt eine Frau nicht nach ihrem Alter“, tadelte er.

„Warum nicht?“

Er tat so, als würde er nachdenken. „Keine Ahnung“, erwiderte er schließlich. „Jemand hat mir gesagt, dass es unhöflich ist. Weil Frauen nur ungern zugeben, wie alt sie sind.“

„Uns macht es doch nichts aus, alt zu sein, oder, Sar… Miss Carlton?“

„Überhaupt nichts. Das Alter macht einen weise, habe ich gehört.“

Ein volles, ungezwungenes Lächeln umspielte ihre sinnlichen Lippen. Cade schaffte es nicht, seinen Blick davon loszureißen. „Das Lächeln habe ich schon mal gesehen“, sagte er. „Wo sind wir uns begegnet?“

Sara war auf die Frage nicht vorbereitet. Nach fünfundzwanzig Jahren hatte sie nicht erwartet, dass er sich erinnern würde. Sie versuchte, das Lächeln beizubehalten, aber das erwies sich als unmöglich.

„Vor langer Zeit waren wir zusammen in der Vorschule“, antwortete sie leise. „Du, ich und deine Zwillingsschwester Emily. Hier, in San Francisco.“

Seine Augen wurden schmal. „Ja“, sagte er nach einem Moment. „Sara Carlton. Ja. Das erklärt die Augen. Und das Lächeln. Ich wusste, dass ich es kenne. Ich war in dich verliebt. Dann bist du eines Tages verschwunden. Es brach mir das Herz.“

„Wir sind umgezogen.“

Er nickte. „Ich erinnere mich. Dein Vater ist gestorben. Ein Bootsunfall oder so etwas.“

Oder so etwas. Oder die Ermordung meines Vaters durch deinen, dachte Sara und unterdrückte die Worte nur mit Mühe. Sie hasste Lügen, aber in diesem Fall waren sie nötig.

„Ein hartes Jahr für dich“, murmelte er. „Für alle.“

Sein Lächeln war ebenso traurig wie mitfühlend. Sie wusste, dass seine Mutter später im selben Jahr „aus gesundheitlichen Gründen“ fortgeschickt worden war.

Sie wehrte sich dagegen, für ihn und seine Familie Mitleid zu empfinden. Schließlich war sie hier, um Rache zu üben …

Nein, was sie suchte, war Gerechtigkeit. Sie war hier, um dafür zu sorgen, dass Walter Parks für seine Verbrechen bezahlte.

2. KAPITEL

Am Donnerstagabend saß Sara auf der Couch im Arbeitszimmer und beobachtete, wie ein Tropfen an der Fensterscheibe nach unten rann und dabei immer schneller und größer wurde.

Es regnete nicht. Mit Einbruch der Dunkelheit war der Nebel vom Meer hereingezogen und hatte sich über die flachen Hügel der Küste gelegt. Im Kamin brannte ein Feuer. Die glühenden Scheite waren künstlich, die Flammen von Gas gespeist, aber es war trotzdem gemütlich.

Sie hatte Lebensmittel eingekauft, andere Dinge erledigt und war zur Lakeside School gelaufen, damit sie sie am Montag finden würde. Die Privatschule für besonders begabte Kinder befand sich in einem eleganten Gebäude aus rotem Backstein, das der Gründer zur Erinnerung an seinen Sohn gestiftet hatte.