Verloren im Salsa-Fieber - Eva Kowalski - E-Book

Verloren im Salsa-Fieber E-Book

Eva Kowalski

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Beschreibung

Ihre Leidenschaft für Salsa bestimmt schon seit langem ihr Leben. Simone und Julia genießen das Inselleben in der Karibik, spazieren am Malecón, hören eine der besten kubanischen Bands, fahren mit dem Bus durch Havanna. Als Simone in den letzten Stunden ihres Urlaubs einen netten, gutaussehenden jungen Mann kennenlernt, der zudem noch ein begnadeter Tänzer ist, verliebt sie sich Hals über Kopf in ihn. Dass er sie auf der Stelle zu seiner Frau machen will, schmeichelt der Endvierzigerin und sie entscheidet spontan, sich auf das Abenteuer mit dem Salsero einzulassen. Nur ein paar Wochen später findet die Hochzeit in Havanna statt. Was sie nicht mitbekommen hat, ihre beste Freundin, hat sich ebenfalls in Orlando verliebt und ist von echten Gefühlen und wahrhaftiger Liebe, beiderseits, über¬zeugt. In Deutschland angekommen, stehen Simone und Orlando vor genau denselben Problemen wie zahllose andere Paare, die zwei unterschiedlichen Kulturen ent-stammen. Aber die Liebe ist groß und man ist willens, es gemeinsam zu schaffen. Eine Zeitlang geht alles gut, aber dann lässt Orlando sei¬ne Frau nächtelang alleine und beginnt schließlich eine Beziehung mit einer jungen, attraktiven Geschäfts-frau, Veronika Pieler. Eines Tages treffen alle vier zusammen und das Verhängnis nimmt seinen Lauf. Ein Verbrechen geschieht. Kriminalkommissarin Ela und ihr Kollege Singe versu-chen Licht ins Dunkle dieser verworrenen Geschichte zu bringen. Dabei nehmen die beiden charismatischen Ermittler die Leser nicht nur mit in die Salsa-Szene und zu Promi-Treffpunkten, sondern machen sich auch zu Führern durch das neue, weltoffene Berlin.

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Seitenzahl: 271

Veröffentlichungsjahr: 2014

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Impressum

Verloren im Salsa-Fieber

Erster Fall der Kommissare Ela und Singe

Eva Kowalski

published by: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de

Copyright: © 2014 Eva Kowalski

ISBN 978-3-7375-0944-2

Cover-Foto: Eva Kowalski

Coverdesign: www.roshof.de

fb: Verloren im Salsa-Fieber

Twitter: Kowalski

www.verlorenimsalsafieber.de

print-ISBN 978-3-7375-0871-1

Besonderer Dank geht an meine Mutter, die eine begnadete Tänzerin ist und mir einiges weitergegeben hat, an meine Geschwister und an meine Freunde, die mir ein schönes Leben ermöglichen.

In eigener Sache: Ich freue mich über Besuche, Kommentare, Likes, Teilen, Twittern auf meinen Seiten, auf ein lebendiges Miteinander. Eure Eva Kowalski

Die Handlungen und Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Inhaltsverzeichnis

Kuba Malecón

Im Bus

Ein Abend mit Überraschungen

Unterwegs mit Orlando

Rückflug

In Berlin – wieder im Alltag

Wieder in Kuba – zur Hochzeit

Die Hochzeit

Halbe Kubanerin

Wieder in Deutschland

Die Freunde vom Malecón

Orlandos Ankunft

Arbeitssuche

In der Sackgasse

Orlando

Ein neues Leben

Der erste Hochzeitstag

Julia in der Kneipe

Der Tag nach dem ersten Hochzeitstag – die Tat

Die Kommissare

Erste Vernehmung im Krankenhaus

Zweite Befragung von Orlando Sanchez

Das Gutachten

Tag 3

Mädels – Spaßabend

Julia besucht Orlando

Im Büro

Kuba Malecón

Mit zufriedenen Gesichtern saßen sie auf der Mauer und reichten den Rum vom einen zum anderen. Dieses Mal war es einer von der besseren Sorte.

„Sie hat mir ihr gesamtes Kleingeld gegeben und alles, was sie noch an Scheinen hatte. Sie bräuchte es sowieso nicht mehr und es würde sich nicht lohnen, die CUC[1] zu wechseln“, sagte er lässig und warf einen Blick auf seine nagelneuen weißen Nike Schuhe.

„Ich habe meine bis an den Flughafen gebracht und ihr dann erklärt, dass ich kein Geld für ein Taxi hätte. Sie dachte wirklich, man kommt vom Flugplatz nur mit einem Taxi in die Stadt, und das noch für Touristenpreise. Ich als Kubaner! Sie hat mir 25 CUC gegeben, ohne mit der Wimper zu zucken. Und zum Schluss hat sie gesagt, dass sie sich in mich verliebt hätte.“

Ein Lachen ging durch die Runde und begleitete den Rum.

„Und was hast du dazu gesagt?“

„Dass ich ihr gerne schreiben würde, aber in Kuba ginge das nicht so einfach. Die Internetcafés sind so teuer. Eine Stunde kostet 10 CUC und die Verbindung ist auch ziemlich mies, man muss da für einen kleinen Brief schon einiges hinlegen. Sie hat mich irgendwas gefragt, ob die noch mit Modems arbeiten oder so ähnlich und hat mir dann noch mal 100 CUC in die Hand gedrückt. Ich habe ihr die Telefonnummer von meiner Nachbarin gegeben, vielleicht will sie ja mehr. Aber das kenn‘ ich schon, nach spätestens einem Monat hat sie mich vergessen.“

Orlando stieß seinen Kumpel von der Seite an. „Nicht schlecht, dein Tipp mit den Bachata-Liedern.“

Sein Kumpel schaute ihn fragend an.

„Na, dass ich die Texte nehme und als meine Gedichte ausgebe. Sie hat mir alles geglaubt. Und weißt du, was sie immer gesagt hat, wenn ich ihr meine Gedichte vorgelesen habe? Ich wäre romantisch und so begabt!“

Die jungen Männer lachten sich halb schief.

„Das muss ich auch mal probieren.“

„Ich auch.“ Ernesto nahm seine Sonnenbrille ab und schob sie auf den Kopf. „Miguelito hat`s echt geschafft, der hat sogar eine junge abgekriegt.“

„Ja, aber die hat kein Geld, wie soll er dann nach Schweden kommen?“ Orlando schwenkte ein wenig die Flasche.

„Dafür wurde sie schon am ersten Tag schwanger. Die wird das schon hinkriegen.“ Ernesto schob seine Sonnenbrille wieder an ihren Platz.

Der gute Rum war bald ausgetrunken und mit schwungvollen Bewegungen erhoben sie sich und machten sich auf in Richtung Konzert. Das Leben konnte so schön sein.

Im Bus

Julia und Simone stiegen in den Bus ein und blieben gleich hinter dem Busfahrer stehen. Von dort hatte man den besten Blick.

Der Fahrer hatte einen gemächlichen Fahrstil und sie konnten durch die Busfenster die vielen alten Wohnhäuser mit ihren blass verwitterten Hausfassaden betrachten. Nur wenige waren liebevoll mit frischer Farbe renoviert. Kleine Gruppen von Kindern in beiger Schuluniform standen vor aufgestellten Tischen an und wurden für ein paar Pesos Cubanos[2] mit Selbstgebackenem versorgt. Immer wieder waren Verkaufsstände mit handgemalten Preistafeln zu sehen, die ein bisschen provisorisch wirkten. Hier wurden Kaffee, einheimische Säfte, Brötchen und frittierte Kochbananen angeboten. Dazwischen auch Handwerkerleistungen, welche oft direkt vor dem Haus ausgeführt wurden, die Arbeiter dabei umrahmt von Neugierigen oder alten Rentnern, die so noch am gesellschaftlichen Leben teilnahmen. „In Kuba muss sich keiner alleine fühlen, das ist das Schöne am Leben hier“, sagte Simone mit einem Blick auf die Männer, die gerade Fahrräder und Autoreifen vor dem Laden reparierten.

Auch die Reklametafeln der Partei, die dazu aufriefen den Sozialismus zu verteidigen, die Che Guevara-Bilder und die in Übergröße gemalten Durchhalteparolen an den Häuserwänden beeindruckten sie.

Neugierig schauten die beiden auf Kubanerinnen, die körperbetonte, farbenfrohe Kleidung trugen sowie aufwändig zurechtgemachte Frisuren; die Frauen gaben sich offenbar große Mühe mit ihrem Aussehen. Die meisten kamen wohl von der Arbeit oder vom Einkaufen.

Die Männer im Bus mochten es eng, sie stellten sich dicht hinter Julia und ihre Freundin und freuten sich, wenn der Bus abbremste, die beiden Touristinnen nach hinten schwankten und sie dabei ihren Arm oder ihren Bauch berühren konnten. Es roch nach Seife, Parfüm und Schweiß, kein Wunder bei der Hitze. Alle Fenster waren offen, es kam aber nur heiße Luft herein, die gleichwohl immer noch frischer war als die im Bus.

„Können Sie uns direkt hinter dem Tunnel ´rauslassen?“, fragte Julia den Busfahrer des P1 auf Spanisch.

„Wo wollt ihr hin?“, fragte er zurück.

„Wir wollen den Malecón entlanglaufen.“

„Aber es ist sehr weit bis in die Innenstadt, etwa acht Kilometer“, versuchte er ihnen zu erklären. „Das ist zu weit zum Laufen.“ Der Dialekt war einigermaßen verständlich, es fehlte fast immer nur das s.

„Ja, aber das wollen wir.“ Um sie herum leichtes Grinsen, es gab auch eine Bemerkung von einer älteren Frau, die man kaum verstand, daraufhin lachten alle um sie herum.

„Ich glaube, sie halten uns für verrückt. Kein Kubaner würde freiwillig so weite Strecken laufen, schon gar nicht, wenn der Bus die gleiche Strecke fährt“, erklärte Julia ihrer Freundin.

„Ja, ich hab`s auch gehört, Julchen.“

Als sie ausstiegen, fragte der Busfahrer noch einmal: „Seid ihr sicher?“

„Ja.“ Er entließ die beiden in die feuchtwarme Meeresluft.

Vor der Burg mit der runden Umrahmung, dem Torreón de la Chorrera, gab es ein Restaurant mit einem schönen Blick aufs Meer und den Malecón, die vielleicht berühmteste Uferpromenade der Welt. Rechts führte eine Treppe in das alte Gemäuer hinein. Simone wollte unbedingt hinauf, um Fotos zu schießen. „Vielleicht kann man die ganze Uferpromenade einfangen.“

Sie entschieden aber, erst später eine Pause einzulegen und machten sich gleich auf den Weg in die Altstadt. Simone überlegte, ob sie die ganze Zeit auf der Mauer entlang laufen könnte. Aber sie sah schon, dass in einiger Entfernung die Gischt über die Mauer und sogar über den Gehweg hinweg bis auf die Straße spritzte. Die Autos fuhren durch die Pfützen hindurch und kleine Fontänen spritzten hoch.

„Wenn man hier in die Straße, Calle 6, rechts reingeht, kommt das Palenque. Dort führt am Samstag die Conjunto Folklorico Nacional kubanische Rumba auf, vielleicht können wir dort auch noch einmal nach Tanzunterricht fragen. Rumba wollte ich schon immer lernen. Den Tipp habe ich von einem Kubaner, dem Nachbarn unserer Vermieterin“, erklärte Julia, stolz auf ihr Wissen. Sie wollte viel mitnehmen aus Kuba.

Auf den nächsten Metern gab es nichts Besonderes zu sehen. Rechts kamen einige Sportstätten und vereinzelte Häuser. Einige Oldtimer mit einem Taxischild auf dem Dach oder hinter der Windschutzscheibe, voll besetzt mit Kubanern, hupten, um zu signalisieren, dass sie bereit waren anzuhalten und sie mitzunehmen. Die beiden machten Handbewegungen, die nein bedeuten sollten. „Das sind Chevrolets und Buicks aus den 50ern, die stehen bei uns in Museen und hier fahren sie überall rum, ist das nicht fantastisch?“, schwärmte Simone und drückte auf den Auslöser ihres Fotoapparates.

Nach nur einem Kilometer fing Simone an zu jammern, sie hatte keine Sonnencreme dabei und ihre linke Gesichtshälfte wurde rot. Die Spätnachmittagssonne brannte noch heiß, sie konnten immer noch einen Sonnenbrand bekommen. Simone hielt das nächste Koko-Taxi an. Sie setzten sich auf die gepolsterte Sitzbank der Dreiviertel-Kokosnuss in Gelb, der Fahrer gab Gas, drehte sein kleines Radio ein wenig lauter und mit viel Wind in den Haaren ging es nun am Meer entlang.

„Wir wollen bis ungefähr zur Mitte des Malecón“, riefen sie dem braungebrannten, sehr schlanken Jungen zu.

„Si, no hay problema.“

Wie angenehm und entspannend. Simone holte wieder den Fotoapparat heraus und fotografierte alles, was vorbei lief oder fuhr. An einer faszinierenden, prunkvollen Statue baten sie ihn anzuhalten und bezahlten ihm gerne die vier CUC. „Wie heißt denn diese Statue hier?“, fragte ihn Simone gutgelaunt. „Monumento ao General Calixto Garcia. Er war an den drei Unabhängigkeitskriegen gegen die spanischen Kolonialherren führend beteiligt. 1898 bereitete er die Landung der US-Truppen vor. Ich kann auch ein Foto von Euch beiden machen. Ich kann euch auch noch mehr von Havanna zeigen”, erklärte er geschäftstüchtig und freute sich auf die Chance auf noch mehr Trinkgeld.

Das Angebot für ein Erinnerungsfoto nahmen sie dankend an. Aber nun wollten sie wieder zu Fuß das Flair des Malecón erleben, mittlerweile war einiges los.

„Natürlich haben die USA keine Botschaft in Kuba, es gibt ja immer noch das Embargo, aber die haben so was wie eine Interessenvertretung hier“, erklärte Julia, als sie an dem sechsstöckigen Gebäude vorbei gingen. „Und genau deswegen hat Castro immer die lautstarken Großveranstaltungen gegen die US-Regierung genau hier stattfinden lassen, dem Goliath in die Augen schauend.“

„Seit wann gibt es denn die Wirtschaftsblockade? Eigentlich könnte man von Obama doch erwarten, dass er sie nicht nur lockert, sondern endlich komplett abschafft. Dann würde es den Leuten hier wesentlich besser gehen. Wie kann Amerika so ein kleines Land als Bedrohung empfinden?“, fragte Simone interessiert.

„Das Embargo wurde ausgesprochen, als das neue Kuba alle Großgrundbesitzer und US-Amerikaner mit Grundbesitz und Fabriken auf Kuba enteignete. Ich glaube, es war 1960. Unsere Vermieterin hat mir erklärt, dass es immer noch viele Exil-Kubaner gibt, die in Miami und den USA sitzen und auf den Zusammenbruch warten, damit sie sich ihre alten Besitztümer zurückholen können. Es gibt Abgeordnete, und die sind nicht nur bei den Republikanern zu finden, die nie einem Ende der Sanktionen zustimmen werden. Und das sind mächtige Leute, die unterstützen auch Künstler, selbst Berühmtheiten aus der Salsaszene, die haben viel Geld und Einfluss. Kuba war seitdem immer mit Ländern verbündet, deren Regierungen mehr oder weniger offensive Gegner der USA waren.“

„Du meinst Russland und China und mittlerweile Venezuela.“

„Stimmt, ich kann mich noch an Postkarten erinnern, auf denen man russische Ladas auf den Straßen Havannas sah zwischen den Oldtimern.“

„Und der Schnellkochtopf unserer Vermieterin kommt aus China, den hat sie vor ein paar Jahren zum Muttertag von der Regierung bekommen, wie jede kubanische Frau.“

„Mittlerweile lebt Kuba ja hauptsächlich von den Touristen und den Dollars, die die Exil-Kubaner schicken. Klar würde es den Leuten hier besser gehen, wenn es kein Embargo gäbe und sie normal handeln könnten. Mit Kuba Geschäfte zu machen ist kaum möglich. Deswegen gibt es hier auch so wenig moderne Technologie. Zurzeit dürfen nur bestimmte Gruppen von US-Amerikanern direkt nach Kuba reisen. Früher hingen hier auch mal Plakate, die den US- Präsidenten Bush als Mörder oder als Vampir darstellten. Aber seit Obama an der Regierung ist, herrscht so was wie Waffenruhe zwischen den beiden Staaten. Man sieht nur noch ab und zu Plakate zu den fünf Helden, die in den USA wegen angeblicher Spionageaktivitäten zu langjährigen Haftstrafen verurteilt wurden.“

„Aber ich habe doch schon Amerikaner im Hotel getroffen. Wie kann das sein?“, fragte Simone nach.

„Na vielleicht sind das Sozialarbeiter oder sie gehören einer Kirche an. Früher gab es noch nicht mal Direktflüge aus den USA nach Kuba, US-Amerikaner reisten über Kanada oder Mexiko ins Land. Obama hat schon einiges verändert.“

Bald erschien auf der rechten Seite ein großer Platz, La Piragua, hier hatte vor einer Woche eine groß angelegte Musikveranstaltung stattgefunden. Vorwiegend junge Kubaner trafen sich, führten eigene Musikstücke vor, zeigten die neuesten Choreografien oder vergnügten sich einfach nur zu Rum und Musik. Salsa hörte man eher selten, die meisten bevorzugten Techno, House oder Reggeaton.

„Wollen wir uns an der Tankstelle noch eine Flasche Wasser kaufen? Ich hätte auch Lust auf ein paar Schoko-Kekse.“ Simone hatte sich zwar vorgenommen, in Kuba keine Süßigkeiten zu essen, aber manchmal konnte sie einfach nicht widerstehen. Ihre Glücksgefühle wollte sie bis auf weiteres nicht mehr nur von ihrer geliebten Schokolade abhängig machen, hatte sie ihrer besten Freundin geschworen, als sie zwei Wochen zuvor aus dem Flugzeug gestiegen waren. Julia hatte sie damals ein wenig aufgezogen und zu ihr gesagt: „Jetzt fehlt nur noch, dass du den kubanischen Boden küssen willst.“

Sie bezahlten einen CUC für die Kekse und einen CUC für das Mineralwasser, das ausschließlich von Touristen gekauft wurde, nicht verwunderlich bei den Preisen. Touristen riskierten außerhalb der Hotels ansonsten bei einem Getränk mit Eiswürfeln Durchfall und Fieber. In Kuba trank man Wasser, das mindestens 20 Minuten lang gekocht hatte.

Ein Stück weiter erschien auf der rechten Seite eine große Steinmauer, in der Mitte schoss sprudelndes Wasser heraus. Die Mauer begrenzte die Parkanlage des Hotel Nacional, dessen großzügiger Gebäudekomplex im neoklassizistischen Stil bereits von weitem Erhabenheit und Größe ausstrahlte.

„In das Hotel müssten wir auch noch mal reingehen, du kommst dir vor wie in die letzten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts versetzt; edle Bilder von kubanischen und weltbekannten Berühmtheiten, Schauspielern, Sängern hängen an den Wänden. Es gibt prunkvolle Spiegel, Kommoden, einfach ein wunderschönes Ambiente. Und eine riesige Parkanlage mit Blick auf den Malecón und aufs Meer. Ich habe mal mitbekommen, wie sie dort Hochzeitskleider für eine Zeitschrift fotografierten, eine Braut mit wehenden Haaren, wehendem Schleier, ein Traum in Weiß.“

Immer wieder schauten sie aufs Meer, um die Schlauchfischer zu sehen, die pneumaticos, wie die Kubaner sie nannten, die sich nahe am Ufer, dicht an den Felsen, ein Abendbrot fingen oder auch Fisch für ihre Nachbarn. Ganz ungefährlich war das nicht. Wenn sie mit ihren großen LKW-Schläuchen weiter vom Ufer entfernt waren, sah man sie nur noch als schwarze Punkte und manche paddelten allein mit ihren Händen zurück. Ein Liebespaar, das vor den Freundinnen ging, hielt sich eng umschlungen. Ein Gitarrenspieler und zwei Jungs sangen ein romantisches Lied: enamorado en ti. Simone wäre am liebsten noch länger bei ihnen stehen geblieben, es berührte ihr Herz; was für warme Stimmen, an wen sie wohl dabei dachten? Ein älterer Herr, den hier jeder zu kennen schien, bot in kleinen Tütchen Erdnüsse an. Eine Gruppe von Jugendlichen trank Rum und tanzte Reggeaton - Wow, wie die sich bewegen konnten! Julia und Simone blieben stehen, wurden gleich umringt und auf Spanisch angesprochen: „Wo kommt ihr her? Wollt ihr einen Schluck Rum? Habt ihr Lust zu tanzen?“

Innerhalb einer Sekunde waren sie der Mittelpunkt des kleinen Kreises. Alle lachten. Einer, der wirklich gut aussah, bewegte seinen Oberkörper passend zum Bass, dagadagadada, dagadagadada. Es war wie im Film. Simone und Julia hatten in der Woche zuvor in Havanna einen Tanzkurs besucht, Reggeaton war auch dabei gewesen, sie zeigten gleich, was sie gelernt hatten, und ließen ihre Hüften in die eine Richtung kreisen und die Oberkörper in die andere. Die Jungs waren verzaubert. „Wie eine Kubanerin. Wo habt ihr das gelernt?“

Julia zog Simone am Rock: „Wir wollen noch ins Konzert, nun los.“

„Wollt ihr mitkommen ins Casa de la Musica, es gibt dort ein Konzert, Charanga Habanera spielt“, fragte Simone die Jungen.

„Oh, Charanga, que bueno, pero no tenemos dinero”, gaben sie lachend zurück und hielten die Rumflasche hoch. Simone hatte sich schon gedacht, dass sie kein Geld hatten.

„Simone, nun komm doch“, drängte Julia.

Sie riefen ihnen Liebeserklärungen hinterher: „Hola! Lindas.“

Auf der rechten Seite gab es einige Häuser, die sehr schön renoviert waren. Daneben ein modernes Hotel mit viel Glas und ein kleines Restaurant, vor dem auch einige Kubaner fast auf der Straße standen und Salsa hörten.

„Ich würde sofort in einen dieser Kolonialbauten einziehen, mit direktem Blick aufs Meer. Stell dir vor, abends einen Mojito trinken, vor sich hinträumen, dem Treiben zuschauen und dann noch eine Runde tanzen gehen, mit der Garantie, dass man die ganze Nacht durchtanzen kann. Was Schöneres gibt’s doch gar nicht“, schwärmte Simone. Das nächste Haus, das aussah wie aus dem vorletzten Jahrhundert, wurde durch Holzbalken gestützt, die Fassade zerfressen von Wind und Salz. Teil des UNESCO-Weltkulturerbes, teilte eine Tafel mit. Sie mussten auf die andere Straßenseite hinüber, ein großer alter Lastkraftwagen, der eine dicke Dieselfahne ausstieß, kam ihnen entgegen, danach war die Straße frei.

„Es ist nicht mehr weit, wir sind schon im Centro, mitten in Havanna“, sagte Simone ein wenig erleichtert. Ihre Wasserflasche war nun leer. Sie bogen in eine vielbefahrene Seitenstraße ein.

„Also hier möchte ich nachts nicht alleine rumlaufen, gepflegt ist die Gegend nicht gerade. Die Bausubstanz der Häuser ist viel schlechter als in Vedado, und auch die Altstadt sieht schöner aus“, kommentierte Simone und zückte wieder ihren Fotoapparat.

„Vielleicht solltest du mal aufhören zu fotografieren, da merkt ja gleich jeder, dass wir Touristen sind“, deutete Julia vorsichtig an. „Das wissen die sowieso, du brauchst doch nur unsere Hautfarbe und unsere Klamotten anzuschauen“, gab Simone zurück. „Ich brauche Wasser.“

Ein Abend mit Überraschungen

Das Casa de la Musica in der Straße Galiano sah fast wie die anderen Häuser aus, nur die Plakate an der Außenwand mit Bildern von Musikgruppen und Terminankündigungen deuteten auf einen Veranstaltungsort hin. Laut und einladend klangen Salsa-Rhythmen aus dem Lautsprecher neben der Kasse, endlich könnten sie heute eine der besten Timba Gruppen sehen, die Kuba zu bieten hat. David Calzado y su Charanga Habanera, der Eintritt kostete 20 CUC für sie, also etwa 18 Euro, für die Einheimischen gab es einen anderen Preis, 100 Pesos Cubanos, das waren etwa 5 eigentlich unerschwingliche Euros.

„Der Preis ist mir egal, ich würde auch mehr bezahlen“, kommentierte Simone und holte die Scheine aus ihrer Geldbörse. „Ich lade dich ein.“ Beide waren wild auf die Gruppe und wild aufs Tanzen. Selbst in Kuba bekam man sie nicht oft zu Gesicht, weil sie viel im Ausland tourte. Neben der Kasse standen einige kubanische Schönheiten, in enge Röckchen und in Glitzer gekleidet.

„Unglaublich, was für ein Anblick, fast wie Models. Sie warten bestimmt auf einen Touristen, der sie einlädt“, sagte Julia an Simone gewandt.

„Hoffentlich verstehen sie kein Deutsch“, gab die grinsend zurück.

Auf der gegenüberliegenden Straßenseite parkte ein großes Polizeiauto, daneben standen einige Kubaner, hauptsächlich Jugendliche, auf ihren T-Shirts stand in großen Lettern: Charanga. Sie wollten wohl auch zum Konzert. „Warum werden denn ihre Ausweise kontrolliert, ist das Schikane oder was?“, fragte Simone und konnte ihren Blick nicht abwenden. Zwei der Jungs wurden ins Auto gesetzt und weggefahren.

Drinnen erwartete die Freundinnen eiskalte Luft. „Die Latinos finden das wohl chic, wenn die Klimaanlage auf vollen Touren läuft, ich hätte mir eine Jacke mitnehmen sollen“, klagte Julia und schlang die Arme um sich, wie zum Schutz. Es gab schon einige Paare, die zur aufgelegten Musik tanzten.

„Willst du auch einen Mojito?“, fragte Simone. Noch zwei andere Frauen gesellten sich zu ihnen an den Tisch, auch Touristinnen. Julia fragte sie auf Englisch, woher sie kämen. Aus Dänemark, und es wäre ihr erstes Konzert, sie hätten den Tipp aus einem Reiseführer. Simone hatte schon das Salsa-Fieber gepackt, mit dem Glas in der Hand schaute sie gebannt auf die Tanzfläche; einige konnten echt künstlerische Drehungen vollführen und die Kubanerinnen zeigten mit graziösen Handbewegungen und ein paar gekonnten Rumba-Schwüngen, dass sie jede Sekunde genossen.

„Woher haben die bloß solche Muskeln und die schöne braune Haut und diesen Stil?“, schwärmte Simone. „Der eine tanzt echt super, den frage ich gleich, ob er mit mir tanzt.“

Eine Absage bekam man als Touristin nie, auch wenn man die 40 schon überschritten hatte. Mit einer Touristin zusammen zu sein, war wie ein Freifahrtschein zum Ausgehen, es bedeutete, mit einem Mietwagen oder Taxi Ausflüge zu machen, sich neu einkleiden zu lassen, Einladungen zum Essen, Discobesuche, ein paar Kleinigkeiten für die Wohnung zu erhalten oder, wenn es sehr gut lief, eine Fahrkarte ins Ausland geschenkt zu bekommen, so dachten zumindest viele aus der Tanzszene. Selbst wenn die eigene Freundin daneben stünde, würde ein Kubaner eine Aufforderung von einer ausländischen Frau nicht ablehnen. Julia hatte es selbst oft genug erlebt.

„Mann, Simone, der ist etwas über zwanzig.“

„Ich will den ja nicht heiraten, ich will ja nur tanzen. Schau mal, der sieht echt gut aus, ein bisschen wie der Sänger von 50 Cent, und er ist eine kleine Salsa-Koryphäe, der kann echt viele Drehungen.“

Kurz darauf stand der Genannte neben Simone, er hatte bemerkt, dass sie über ihn redeten und ihn anstarrten. Simone drehte sich vorgeblich unbeteiligt zur Seite.

„Warum schaust du weg, magst du mich nicht?“, fragte er auf Spanisch.

„Meinst du mich?“ fragte Simone unschuldig.

„Ja, willst du mit mir tanzen?“ Und schon nahm er ihre Hand und zog sie auf die Tanzfläche.

Simone war gut geworden im Laufe der Jahre, nach etlichen Kuba-Aufenthalten mit Tanzkursen hatte sie einiges drauf. Gekonnt wusste sie sexy ihre Hüfte zu bewegen und ihre fließenden Bewegungen sahen natürlich aus, fast wie bei einer Kubanerin. Vermutlich war er erstaunt, wie gut sie tanzen konnte. Ja, sie gaben ein schickes Pärchen ab.

Das Licht auf der Bühne ging an, vier Jungs standen mit den Rücken zur kreischenden Menge. Alle in schwarz und mit dicken Gürtelschnallen. Sie waren aufs Beste gestylt und sexy. Dass sie Bodybuilding machten, war klar, unter den Hemden konnte man Sixpacks erahnen. David Calzado, der Chef der Band und Leadsänger, Sexappeal in Person, begann mit einer Ballade, dann veränderte sich die Stimmung, mit mitreißendem Bass und dem Einsatz von Bläsern drehten sich die Jungen um, ihre Bewegungen waren synchron. So eine Gruppe gab es nur einmal. Einer von ihnen übernahm das Mikro:

Dime cuanto ella vale

Que yo la voy a comprar

Si no la quieren conmigo voy hacer lo prohibido

Me la voy a robar

Er riss sich sein Hemd auf. Mehr Hingabe war nicht möglich. Die Chicas kreischten. Es zog Julia in Richtung erste Reihe, sie wollte den Jungs nahe sein, sie wollte ihr Parfum riechen. Euphorisch sang sie mit der Menge mit: „Porque yo soy un charanguero.“ Simone stand auf einmal neben ihr, Hand in Hand mit Orlando, so stellte er sich später vor.

Er flüsterte etwas in Simones Ohr und die wandte sich Julia zu: „Ich gehe kurz mit ihm nach Hause, er will mir zeigen, wo er wohnt, es ist um die Ecke, bin gleich wieder da. Wenn ich in einer halben Stunde nicht zurück bin, kannst du die Polizei holen.“

Entsetzt schaute Julia in Simones verschwitztes Gesicht.

„Sag mal, du kennst ihn gerade zehn Minuten, bist du verrückt geworden?“

Aber Simone war nicht zu halten.

„Ich will etwas Besonderes erleben, mal was Ausgeflipptes machen, es ist sicher nicht gefährlich.“

Orlando bemerkte Julias Bedenken und holte seinen Ausweis hervor. „Damit du dir keine Sorgen machst“, versuchte er sie zu beruhigen. Schnell prägte Julia sich den Namen auf der Carnet de identidad, dem kubanischen Pass, ein. Jetzt fühlte sich Simone noch sicherer und zog mit ihm los.

Immer noch erschrocken lief Julia ihnen nur Sekunden später hinterher, raus aus der Tür, heiße karibische Luft schlug ihr entgegen, aber sie konnte die beiden nicht mehr entdecken und mit Herzklopfen ging sie zurück. Das Konzert konnte sie nicht mehr so recht genießen. Die Jungs und David Calzado waren Lebenslust pur, die Kubanerinnen hin und weg. Der Gesang war fantastisch, abwechselnd beschworen die einzelnen Sänger Leidenschaft, Liebe, das einfache kubanische Leben, lyrisch und mit viel Stolz und Hingabe.

Und dann die Tanzeinlagen! Jeder Sänger gab einem das Gefühl, man könnte ihn haben, mit seiner ganzen Lebenslust, mit seinem perfekten muskulösen Körper, die Zeit mit ihm würde man im Leben nicht bereuen, man würde ewig davon träumen können. Und schon bekam man ein Augenzwinkern zugeworfen. Ein Sänger warf einer Frau eine Kusshand zu, begeisterte Schreie um Julia herum. Ein anderer warf seine Krawatte in die Menge, jetzt wollte Julia auch etwas haben.

Plötzlich tippte Simone Julia auf die Schulter und grinste sie an. „Es war super bei ihm.“

„Ich finde das nicht gut, was du machst“, sagte die Freundin noch voller Ärger, aber die Band spielte gerade einen ihrer Lieblingssongs: „Yo tengo tu amor“ und sie wollte den restlichen Abend genießen. Orlando lud beide zu einem Getränk ein. Julia lehnte dankend ab. Woher hat der so viel Geld, ging es ihr sofort durch den Kopf, normalerweise ließ sie sich hier nie einladen. Nicht aus Arroganz, sondern weil die Kubaner nur sehr wenig verdienten, ausgenommen die, die im Tourismusgeschäft beschäftigt waren und genügend Trinkgelder kassierten, oder die von betuchten Verwandten im Ausland profitierten. Von der Seite sah Julia die beiden wieder tanzen, Orlando ließ Simone nicht mehr aus den Augen. Julia wurde von hinten angetanzt, die Stimmung war schön. Das Licht auf der Bühne ging langsam aus, sie würde am liebsten hinter die Bühne gehen, aber da warteten schon etliche Kubanerinnen. Sie starrte hinter die Bühne, sollte ich da auch hingehen, fragte sie sich. Dann erinnerte sich Julia daran, dass sie noch nicht einmal Fotoapparat und Handy dabei hatte, die lagen bei der Garderobenfrau. Was würde sie jetzt für ein gemeinsames Foto mit den Musikern geben! Zwei Kubaner fragten Julia, ob sie noch mit ins Florida käme, da würde die Party weitergehen. Aber sie hätte für morgen die Teilnahme an einer großen Stadtführung geplant, versuchte sie ihnen zu erklären. „Heute ist heute und morgen ist morgen“, lächelte der eine und legte seine Hand auf ihre Schulter. Besser konnte man nicht erklären, dass man sein Leben genießen sollte, manchmal ließen sich komplizierte Vorgänge so einfach ausdrücken. Sie fühlte sich hin- und hergerissen, in ihrem Innersten dachte sie, sie möchte keine Affäre, auch wenn es noch so aufregend schön wäre, und je später die Nacht wurde, desto größer würde die Gefahr. Schweren Herzens sagte sie ab. Orlando stand vor Simone, umarmte sie und sie verabredeten sich für morgen, bekam Julia halb lauschend mit. Simone flüsterte ihm etwas ins Ohr. Orlando brachte die beiden dann doch noch zur Busstation, sie warteten fast zwanzig Minuten. Julia verstand gar nicht, was die Turteltäubchen so viel zu bereden hatten, und dachte an das Konzert, an die Musiker, besonders der eine Trompeter hatte es ihr angetan. Endlich kam der P1, ganz schön voll für diese Uhrzeit, und sie fuhren zurück nach Miramar, in ihr kleines casita. Simone lächelte glücklich. Sie ergatterte einen Fensterplatz, ihre Freundin blieb in der Mitte stehen. Sie wollte eigentlich nicht großartig deutsch reden, es musste ja nicht jeder wissen, dass sie Touristen waren. Sie wollte nicht überfallen oder belästigt werden, es war spät und sie hatte ein wenig Angst vor den einsamen Straßen, die noch auf dem Weg von der Busstation zu ihrer Pension lagen.

Am Hotel Panorama in Miramar stiegen sie mit fünf anderen aus, alle bepackt mit Einkaufstüten, sie sahen harmlos aus, also machte sie sich keine Sorgen. Simone fing sofort an zu erzählen: „Orlando hat mich für morgen eingeladen. Er war hin und weg, wie ich tanzen kann. Er sagt, er fühlt sich von mir angezogen, er kann sich gar nicht dagegen wehren, so was hätte er noch nie erlebt. Er hat mir sein Zuhause gezeigt. Du kannst Dir gar nicht vorstellen, wie Leute leben können. Unten wohnt eine normale Familie, die Wohnung sieht einigermaßen aus, es ist nur alles sehr beengt. Er wohnt zur Untermiete, auf einem Dachboden, der fast wie eine Baustelle aussieht, aus Brettern zusammengenagelt. Lauter Stromkabel hängen da ’rum und die sind einfach nur zusammengeknotet. Es gibt ein Fenster, ohne Glas, von dort aus hört man die Leute auf der Straße reden und die Autos vorbeifahren. Und er hat total wenig Hosen und Hemden, er trägt fast immer dasselbe. Neben dem Bett steht ein Tisch aus Holzlatten. Ein kleines Büchlein, ein Notizblock, Creme, ein paar Kondome, Rasierklingen, ein paar Fotos. Also die paar Kleinigkeiten, die ihm gehören, bekommt er locker in einer Reisetasche unter. Viel hat er nicht.“ Nach einer kleinen Pause: „Ich war auch mit ihm im Bett.“

Julia erkannte ihre Freundin nicht wieder, wie konnte der Mann ihr so den Kopf verdrehen! Sie gingen an gepflegten Einfamilien- und Reihenhäusern vorbei, manchmal waren es auch Villen, die meisten mit kleinen, schmucken Vorgärten, mal sah es nach mehr und mal nach weniger Geld aus, aber alles war eingezäunt oder vergittert, selbst das kleinste Fenster. Alles war ordentlich, der Rasen war auf ein paar Zentimeter gestutzt und selbst die Bürgersteige waren mit groß gewachsenen Palmen und Blumen bepflanzt und liebevoll gepflegt. Simone blieb an einer Flaschenpalme, ihrer Lieblingspflanze, kurz stehen. Sie gingen im Lichtschein der Häuser, nicht immer war die Straße selbst beleuchtet.

„Ich kann wirklich nicht verstehen, wie du so etwas machen konntest“, der genervte Ton in Julias Stimme war unüberhörbar.

Simone ignorierte die Bemerkung. „Er muss 40 Convertible für die Miete zahlen, und dafür, dass ich heute Abend bei ihm war, musste er ihnen 10 CUC extra geben, praktisch als Gefahrenzulage, die Polizei darf ihn ja nicht entdecken, und mich schon gar nicht. Ich habe ihm das von mir aus gegeben.“

„Sag mal, fühlst du dich nicht schlecht, dass du ihn bezahlst für ein paar Zärtlichkeiten?“ Dabei dachte sie an das Getränk, das er ihr früher am Abend spendieren wollte. Jetzt war ihr klar, woher das Geld stammte.

„Ja, ich habe ich auch geschluckt, aber es ist ja nicht für ihn, sondern für seine Miete. Ist nicht schlimm, dass ich mich daran beteiligt habe“, rechtfertigte sich Simone.

„Du weißt, dass die Kubaner kaum etwas für Miete bezahlen und Wasser und Strom kosten nur ein paar Pesos, das ist fast nicht der Rede wert“, hielt Julia ihr vor.

Aber Simone antwortete nicht mehr und Julia überlegte für sich, was sie wohl in den letzten Tagen, man kann fast sagen Stunden, noch zu erwarten hätte. Sie traute dem Ganzen nicht.

Unterwegs mit Orlando

Das exotische Obstfrühstück mit Mangos, Papayas, Ananas und frisch püriertem Guavensaft vom Markt schmeckte einfach unvergleichlich und zauberte gute Laune. Die Vermieterin der Pension hörte sich entzückt die Schilderungen vom Ausflug ihrer beiden Gäste an. Sie sei auf jeden Fall auch ein Charanga-Fan, aber sie mochte deren Anhänger nicht. Es seien so viele Jineteros darunter, oder Leute, die mit dem Geld nur so herumwedelten. Insgeheim gab Julia ihr recht. Simone erzählte nichts von Orlando. Nun war es aber Zeit sich auf den Weg zu machen, Julia in Richtung Treffpunkt für die Führung durch die Altstadt, Simone wollte sich mit Orlando bei ihm zu Hause treffen.

Am Abend dann kam Simone fast pünktlich um sechs Uhr zu ihrer gemeinsamen Verabredung in den mit Palmen begrünten Innenhof eines Restaurants, das sich ungefähr in der Mitte der Obispo befand. In dieser breiten Gasse konnte man fast zu jeder Tages- und Nachtzeit Touristen bummeln sehen. Die Speisen rochen sehr lecker, die Gewürze der kreolischen Küche zauberten Exotik in das Essen. Eine kleine Band – ein Bassist, ein Gitarrenspieler, ein Sänger mit einer Clave in der Hand und eine hinreißende Sängerin – sorgte für entspannte Atmosphäre. Sie spielten Son. Julia kam die Musik bekannt vor, es waren Lieder, die auch im Film „Buena Vista Social Club“ gespielt wurden: „Una rosa para ti…“. Julia dachte an Szenen aus dem Film, an die alten Musiker, deren Leben so leidenschaftlich war, ihre Wünsche und Gefühle hatten sie sehr berührt. Von denen sind mittlerweile schon einige verstorben. Kuba hatte viele talentierte Musiker hervorgebracht.

„Hallo, Simone“, Julia war erleichtert, sie zu sehen. Ihr Gesicht war gerötet und hatte wohl wieder zu viel Sonne abbekommen.

„Komm, lass uns was trinken, ich habe dir echt viel zu erzählen“, platzte Simone gleich heraus.