Verlorene Schatten im Spukhaus - Clara Steinmeyer - E-Book

Verlorene Schatten im Spukhaus E-Book

Clara Steinmeyer

0,0

Beschreibung

Nachdem ihre Ehe gescheitert ist, zieht Laura in ein abgelegenes Anwesen, um zur Ruhe zu kommen. Doch das Haus birgt dunkle Geheimnisse, und schon in der ersten Nacht wird sie von einem Geist heimgesucht, der sich nach menschlicher Nähe sehnt. Die unheimliche Verbindung wird immer intensiver und gefährlicher, als Laura entdeckt, dass der Geist nicht nur ihre Seele, sondern alles von ihr haben will. Als dann Elias, ein Mann aus ihrer Vergangenheit, auftaucht, spitzen sich die Ereignisse dramatisch zu. Doch Elias' Absichten sind düsterer, als Laura je hätte ahnen können. Gemeinsam mit Anna, Elias' Ehefrau, muss Laura den Schatten ihrer Vergangenheit entkommen und ein neues Leben beginnen – oder für immer im Spukhaus gefangen bleiben.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 204

Veröffentlichungsjahr: 2024

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.


Ähnliche


Über die Autorin Clary Steinmeyer:

Clara Steinmeyer ist eine deutsche Autorin, die sich in ihren Werken mit den tiefen Abgründen der menschlichen Seele und den Herausforderungen von Liebe, Verlust und Heilung auseinandersetzt. Ihre Geschichten zeichnen sich durch eine besondere Verbindung von psychologischer Tiefe und mysteriöser Spannung aus. Clara Steinmeyer schafft es, ihre Leser*innen in emotionale und düstere Welten zu entführen, die sie fesseln und gleichzeitig berühren.

Nachdem sie selbst einschneidende Erfahrungen mit Verlust und Veränderung gemacht hatte, begann Clara Steinmeyer, diese Erlebnisse in Form von fiktiven Geschichten zu verarbeiten. Ihr besonderes Interesse gilt dem Zusammenspiel zwischen Licht und Dunkelheit, zwischen Vergangenheit und Neuanfang, was sich in den vielschichtigen Charakteren und der intensiven Atmosphäre ihrer Romane widerspiegelt.

Clara lebt in einer kleinen Stadt, umgeben von Wäldern und Seen, die oft als Inspiration für die mystische Kulisse ihrer Geschichten dient. Sie liebt es, ihre Zeit in der Natur zu verbringen, wo sie Kraft für ihre kreativen Projekte schöpft. In ihrer Freizeit genießt sie es, klassische Literatur zu lesen, und schätzt den Austausch mit anderen Menschen, die ebenfalls die Liebe zur Sprache und zum Geschichtenerzählen teilen.

Titel: Verlorene Schatten im Spukhaus

Kapitel 1: Der Neuanfang

Laura starrte aus dem Autofenster auf die schmale Straße, die sich durch den dichten Wald schlängelte. Die Sonne war bereits dabei, hinter den Bäumen zu verschwinden, und warf ein goldenes Licht auf das moosige Grün, das die Straße flankierte. Es war still, nur das Geräusch der Kiesel unter den Reifen und das dumpfe Brummen des Motors füllten die Luft. Laura versuchte, sich auf die Schönheit der Umgebung zu konzentrieren, doch ihr Herz fühlte sich schwer an, wie ein Stein, der tief im Wasser versank.

Ein Neuanfang. Ein Platz, an dem sie ihre gebrochene Seele heilen konnte, weit weg von der Stadt und den schmerzhaften Erinnerungen, die in jeder Straßenecke lauerten. Ihre Ehe war nicht einfach nur gescheitert – sie war in einem Feuerwerk aus Vorwürfen, Tränen und Enttäuschungen explodiert, das alles zerstörte, was Laura als ihr Leben angesehen hatte. Sie hatte es kommen sehen, aber als die unvermeidlichen Worte fielen – „Ich liebe dich nicht mehr“ – war es, als hätte jemand ihr Herz herausgerissen und in Stücke gerissen.

Der Schmerz war so tief, dass sie dachte, sie würde niemals wieder atmen können. Also beschloss sie zu fliehen. Weg von der Stadt, weg von den Erinnerungen an das gemeinsame Zuhause, das nun nur noch ein kaltes, leeres Gebäude war. Das abgelegene Anwesen, das sie für die nächsten Monate gemietet hatte, versprach Ruhe und Isolation – genau das, was sie brauchte, um sich selbst wiederzufinden.

Als das Anwesen schließlich vor ihr auftauchte, stockte ihr der Atem. Es war größer, als sie es sich vorgestellt hatte – eine alte, ehrwürdige Villa, umgeben von riesigen Bäumen, deren Äste wie schützende Arme über das Haus reichten. Die Fassade war grau und leicht verwittert, aber es gab etwas Majestätisches an diesem Gebäude, das sie in seinen Bann zog. Laura stieg aus dem Auto, und die Kälte der Abendluft umfing sie sofort. Sie zog die Schultern hoch und fröstelte, während sie zum Eingang ging.

Das Holz der Eingangstür knarrte leise, als sie sie öffnete, und Laura fühlte einen Schauer über ihren Rücken laufen. Sie schob das Gefühl beiseite und trat in die Dunkelheit des Hauses. Der Geruch von Staub und altem Holz begrüßte sie, und ihre Schritte hallten im weiten Flur wider. Sie blieb stehen, um das Licht einzuschalten, und beobachtete, wie die Glühbirnen über ihr ein sanftes, warmes Leuchten verbreiteten. Die Dunkelheit wich zögerlich zurück, aber sie fühlte immer noch eine seltsame, fast greifbare Präsenz in der Luft.

Laura seufzte schwer und ließ ihre Reisetasche auf den Boden fallen. Die Stille des Hauses war überwältigend, und für einen Moment war sie sich nicht sicher, ob sie diese Einsamkeit wirklich ertragen konnte. Doch dann erinnerte sie sich an die Enge ihres Apartments in der Stadt, die ständigen Geräusche der Nachbarn und die endlosen, schmerzhaften Gedanken, die wie Geister durch ihr Bewusstsein schlichen. Hier war es anders – die Stille war bedrückend, ja, aber vielleicht bot sie auch die Möglichkeit, die eigenen Dämonen endlich zu vertreiben.

Sie beschloss, sich im Haus umzusehen, bevor sie sich richtig niederließ. Der Flur führte in ein großes Wohnzimmer mit hohen Decken und einem alten Kamin, der seit Jahren kein Feuer mehr gesehen hatte. Die Möbel waren alt, aber gut gepflegt, und dicke Vorhänge hingen vor den Fenstern, die das hereinfallende Licht in ein sanftes Dämmerlicht verwandelten. Laura strich mit den Fingern über die Oberfläche des Sofas und spürte die kühle Rauheit des Stoffes unter ihrer Haut. Sie fühlte sich klein und verloren in diesem großen Raum, der voller Geschichten zu sein schien, die sie nie kennen würde.

Ein Geräusch ließ sie plötzlich zusammenzucken – ein leises, fast unhörbares Seufzen, das irgendwo in der Dunkelheit des Hauses zu entstehen schien. Laura hielt den Atem an und lauschte. Nichts. Es war wahrscheinlich nur der Wind, der durch einen der vielen Ritzen des alten Hauses pfiff. Trotzdem konnte sie das Gefühl nicht abschütteln, dass sie nicht allein war. Sie versuchte zu lächeln, als würde sie sich selbst versichern, dass alles in Ordnung war, doch das Lächeln erreichte ihre Augen nicht.

Sie ging die Treppe hinauf, die ins Obergeschoss führte. Das Geländer fühlte sich kalt und glatt an, und das Knarren der Stufen unter ihren Füßen ließ ihre Nackenhaare aufstehen. Im ersten Stock gab es mehrere Schlafzimmer, doch sie entschied sich für das größte am Ende des Flurs. Es war ein heller Raum, mit einem großen Fenster, das auf die weite, bewaldete Landschaft hinausblickte. Der Gedanke, hier zu schlafen, weit weg von allem, war sowohl beängstigend als auch beruhigend. Ein eigenartiger Gegensatz, den sie kaum in Worte fassen konnte.

Laura stellte ihre Tasche ab und ließ sich auf das Bett sinken. Die Matratze war hart und kalt, doch nach der langen Fahrt fühlte es sich wunderbar an, sich endlich ausstrecken zu können. Ihre Augen schlossen sich langsam, und sie spürte, wie die Müdigkeit ihren Körper überwältigte. Doch bevor der Schlaf sie ganz einholen konnte, spürte sie es wieder – diese Kälte, die plötzlich im Raum auftauchte, als hätte jemand ein Fenster geöffnet.

Laura riss die Augen auf, und ihr Herz begann schneller zu schlagen. Die Luft um sie herum schien dicker zu werden, fast so, als würde der Raum schrumpfen. Sie setzte sich auf und sah sich um, doch da war nichts. Kein Schatten, keine Bewegung, nur die Dunkelheit, die sich um sie legte wie eine kühle Decke. Sie zog die Knie an ihre Brust und versuchte, ruhig zu atmen, doch das Gefühl blieb. Etwas war hier. Etwas beobachtete sie.

Ein sanfter Hauch strich über ihr Gesicht, und Lauras Atem stockte. Es fühlte sich fast zärtlich an, eine Berührung, die sie nicht erklären konnte. Ihre Hände zitterten, als sie über das Bett griff, nach irgendetwas, das ihr Sicherheit geben könnte, doch da war nur die Leere. Tränen schossen ihr in die Augen, und sie schloss sie fest, während sie sich wieder auf das Bett legte und die Decke über ihren Kopf zog, wie ein Kind, das versucht, die Monster unter dem Bett zu ignorieren.

Die Nacht war lang und kalt, und Laura fand keinen Schlaf. Immer wieder glaubte sie, Schritte zu hören, ein Flüstern, das ihren Namen rief, oder ein sanftes Seufzen, das durch die Dunkelheit glitt. Sie versuchte, sich einzureden, dass es nur ihre Vorstellungskraft war, dass sie müde und überfordert war, doch tief in ihrem Inneren wusste sie, dass das Anwesen nicht leer war.

Als der Morgen endlich graute, lag sie immer noch wach, mit weit aufgerissenen Augen und einem Herz, das schwer in ihrer Brust schlug. Sie wusste, dass der Neuanfang schwieriger werden würde, als sie es sich vorgestellt hatte – doch sie hatte keine Ahnung, wie tief die Dunkelheit wirklich war, in die sie sich gewagt hatte.

Kapitel 2: Der erste Kontakt

Der nächste Tag begann mit einem bleiernen Himmel. Das Grau zog sich wie ein Schleier über die Bäume, und der Wald schien fast zu verschwinden, als wäre er ein Traum, den die Nacht zurückgelassen hatte. Laura stand am Fenster ihres Zimmers und starrte hinaus, ihre Gedanken noch benommen von der schlaflosen Nacht. Die Kälte des Zimmers klammerte sich immer noch an ihre Haut, trotz der wärmenden Morgensonne, die kaum durch die dicken Wolken drang.

Sie hatte gehofft, der Tag würde ihre düsteren Gedanken vertreiben, doch irgendetwas war anders. Es war, als wäre das Haus mit ihr erwacht, als hätte es selbst die Augen aufgeschlagen und sie beobachtet. Laura strich sich die Haare zurück und beschloss, das Anwesen zu erkunden. Vielleicht würde eine Beschäftigung sie ablenken und sie ein wenig zur Ruhe kommen lassen.

Als sie die Treppe hinunterging, fühlte sie, wie die Dielen unter ihren Füßen knarrten – ein leises, tiefes Geräusch, das ihr jedes Mal einen Schauer über den Rücken jagte. Unten im Flur breitete sich ein dünner Streifen Licht auf dem Boden aus, und sie bemerkte, dass die Haustür ein kleines Stück geöffnet war. Ein frischer Windstoß wehte herein, und Laura spürte, wie eine Gänsehaut über ihre Arme kroch. Sie hatte die Tür doch gestern Nacht zugemacht, oder nicht?

Sie schüttelte den Kopf, als wolle sie den Gedanken abstreifen, dass vielleicht jemand – oder etwas – die Tür geöffnet hatte. Es musste der Wind gewesen sein. Sie schloss die Tür und drehte den Schlüssel zweimal im Schloss um, bevor sie sich ins Wohnzimmer begab. Die Luft im Raum war abgestanden, und sie beschloss, die schweren Vorhänge zu öffnen, um etwas Licht hereinzulassen.

Als sie die Vorhänge beiseite zog, hörte sie es wieder – ein leises, fast unhörbares Flüstern. Ihre Finger verharrten an dem Stoff, und sie drehte den Kopf zur Seite, den Atem anhaltend. Die Worte waren unverständlich, wie ein Wispern, das durch den Raum glitt, und Lauras Herz begann schneller zu schlagen. Sie schloss die Augen und versuchte, ruhig zu atmen. Das konnte nicht real sein. Es musste die Einsamkeit sein, die ihr einen Streich spielte.

Doch dann fühlte sie es erneut. Eine Berührung – federleicht, kaum spürbar – an ihrem Nacken. Es war, als hätte eine kalte Hand sie gestreift, und Laura zuckte heftig zusammen. Sie wirbelte herum, ihre Augen weit aufgerissen, aber da war nichts. Der Raum war leer, nur das Licht der Morgensonne, das sich durch die Fenster brach und lange Schatten über den Boden warf.

Laura presste ihre Hand auf ihren Mund, um einen Schrei zu unterdrücken. Sie wollte stark sein, wollte nicht zulassen, dass die Angst sie überwältigte, aber der Gedanke, dass sie wirklich nicht allein war, kroch wie ein dunkler Schatten in ihren Verstand. Sie wich zurück, bis sie gegen das Sofa stieß, und sank auf die Polster, ihre Knie weich und zittrig.

"Reiß dich zusammen", murmelte sie zu sich selbst. "Es gibt keinen Geist. Das ist alles nur in deinem Kopf." Doch selbst als sie die Worte sprach, klang ihre Stimme hohl und wenig überzeugend.

Der Rest des Tages verlief in einer Art Trance. Laura versuchte, sich zu beschäftigen – sie packte ihre Sachen aus, räumte die Küche auf, machte sich eine Tasse Tee. Doch die Anspannung wich nicht von ihr. Sie fühlte sich beobachtet, als würden unsichtbare Augen ihr jeden Schritt folgen. Jeder Schatten, jedes Knarren der alten Holzdielen ließ sie zusammenzucken, und immer wieder wanderte ihr Blick zur Treppe, die ins Obergeschoss führte. Eine Angst, die sie nicht erklären konnte, hielt sie davon ab, nach oben zu gehen.

Als der Abend hereinbrach, fühlte sich Laura, als hätte sie einen Marathon hinter sich. Sie war erschöpft, körperlich und emotional ausgelaugt. Sie versuchte, sich zu sagen, dass die Nacht besser werden würde, dass der Tag sie nur aufgewühlt hatte und sie mit dem ersten Schlaf alles wieder ins Lot bringen würde. Doch eine Ahnung in ihrem Inneren sagte ihr, dass sie sich irrte.

Sie bereitete sich schließlich auf die Nacht vor, zog sich um und wickelte sich in den flauschigen Bademantel, den sie aus ihrem alten Zuhause mitgenommen hatte. Es war eines der wenigen Dinge, die noch nach „Zuhause“ rochen, und es gab ihr ein gewisses Maß an Sicherheit. Das Zimmer war dunkel, nur das Mondlicht schimmerte durch die Vorhänge und ließ die Schatten tanzen. Laura legte sich ins Bett und zog die Decke bis zum Kinn. Sie atmete tief durch, schloss die Augen und versuchte, ihre Gedanken zu beruhigen.

Doch die Ruhe hielt nicht lange an.

Es begann mit einer plötzlichen Kälte, die sich über den Raum legte. Laura öffnete die Augen, und ihr Atem bildete kleine Wolken in der kühlen Luft. Sie konnte förmlich spüren, wie die Temperatur sank, und ihre Finger krallten sich in die Bettdecke, als sie das Gefühl hatte, nicht mehr allein zu sein.

"Laura..." Das Flüstern war deutlicher jetzt, und es ließ ihr Blut in den Adern gefrieren. Es war nicht ihre Vorstellungskraft. Es war real. Sie hörte es klar und deutlich, als würde jemand direkt neben ihr stehen. Eine Welle der Panik überkam sie, und sie wollte schreien, doch ihre Stimme versagte ihr den Dienst.

Die Matratze neben ihr gab plötzlich nach, als würde sich jemand daraufsetzen. Laura spürte den Druck und drehte den Kopf, ihr Herzschlag dröhnte in ihren Ohren. Da war niemand zu sehen, doch sie fühlte es – eine Präsenz, die so stark war, dass sie kaum atmen konnte.

"Wer bist du?" flüsterte sie, ihre Stimme kaum mehr als ein Hauch. Die Kälte kroch weiter über ihren Körper, und dann spürte sie es – eine Hand, die sich sanft auf ihre Schulter legte. Laura erstarrte. Die Berührung war so real, so körperlich, dass sie wusste, sie konnte sich das nicht einbilden.

Sie drehte langsam den Kopf und sah die Gestalt – nur eine vage Silhouette, eine schemenhafte Figur, die neben ihr saß. Zwei Augen, tief und dunkel, starrten sie an, und sie spürte, wie ihre Furcht in etwas anderes umschlug. Da war eine Traurigkeit, eine Sehnsucht in diesen Augen, die sie fast nicht ertragen konnte.

"Ich... bin so allein..." flüsterte die Gestalt, und Laura fühlte, wie die Worte sich tief in ihr Herz gruben. Sie wollte wegrennen, wollte sich verstecken, aber gleichzeitig fühlte sie eine merkwürdige Verbindung zu dieser Seele – eine Verzweiflung, die so stark war, dass sie ihre eigene Einsamkeit widerzuspiegeln schien.

Die Hand an ihrer Schulter wurde fester, drängender, und Laura schloss die Augen, während ihr Herz hämmerte. Sie wusste nicht, was geschehen würde, doch sie spürte, dass es gefährlich war – gefährlich, sich dieser Präsenz hinzugeben, gefährlich, sich auf die Dunkelheit einzulassen, die diese Gestalt mit sich brachte. Doch ihre eigene Einsamkeit, ihr eigener Schmerz ließen sie zögern, ließen sie die Augen schließen und für einen kurzen Moment die Berührung zulassen.

"Bitte... lass mich nicht allein sein..." Das Flüstern war kaum mehr als ein Hauch, und Laura fühlte, wie Tränen in ihre Augen stiegen. Sie spürte die Verzweiflung, die tief in dieser Stimme lag, und für einen Moment tat sie nichts. Sie blieb einfach liegen, ließ die Berührung zu, während ihr Herz in ihrer Brust pochte und die Dunkelheit um sie herum dichter wurde.

Doch plötzlich schreckte sie auf, riss sich von der Berührung los und setzte sich abrupt auf. Sie keuchte, ihre Augen weit geöffnet, während sie in die Dunkelheit starrte. Die Gestalt war verschwunden, doch die Kälte blieb, als stünde sie immer noch irgendwo im Raum.

Laura wusste in diesem Moment, dass sie kämpfen musste. Dass diese Präsenz, so traurig und verzweifelt sie auch sein mochte, sie nicht loslassen würde, wenn sie nicht den Mut fand, sich ihr zu widersetzen. Der Schmerz und die Sehnsucht, die sie fühlte, waren nichts im Vergleich zu der Gefahr, die von diesem Wesen ausging.

Sie musste einen Weg finden, sich zu schützen – bevor es zu spät war.

Kapitel 3: Das Flüstern in der Dunkelheit

Laura war am nächsten Morgen erschöpft. Sie hatte kaum geschlafen – die Ereignisse der vergangenen Nacht hatten ihre Gedanken in ein endloses Labyrinth aus Angst und Verwirrung geführt. Die Berührung, das Flüstern, die Gestalt – all das war zu real, zu greifbar gewesen, um es als bloße Einbildung abzutun. Sie fühlte sich innerlich zerrissen, zwischen Furcht und einer seltsamen Empathie, die sie für den Geist empfand. Es war, als wäre seine Verzweiflung ein Spiegel ihrer eigenen Einsamkeit, die sie hierhergetrieben hatte.

Das Haus war still, als sie in die Küche ging, um sich einen Kaffee zu machen. Der Wasserkocher summte leise, während sie sich am Tisch niederließ und in die Leere starrte. Sie konnte immer noch das Gefühl der kalten Hand auf ihrer Schulter spüren, die Wärme, die in ihr aufgestiegen war, gemischt mit einer unbestimmten Bedrohung. Laura wusste, dass sie etwas tun musste – sie konnte nicht einfach darauf warten, dass die Dinge eskalierten. Aber was konnte sie tun? Das Anwesen schien lebendig, fast so, als hätte es seine eigenen Absichten.

Ein Klopfen an der Haustür riss sie aus ihren Gedanken. Laura sprang beinahe auf, ihr Herz hämmerte vor Schreck, und sie eilte zur Tür. Sie öffnete sie und fand eine ältere Frau vor, deren Augen warm und freundlich wirkten. Die Frau trug einen groben Wollmantel und hielt einen Korb voller frischer Äpfel in den Händen.

„Guten Morgen, junge Frau! Ich bin Margarethe, ich wohne im Dorf, nicht weit von hier. Ich dachte, ich bringe Ihnen ein paar Äpfel zur Begrüßung“, sagte die Frau mit einem Lächeln, das Lauras Anspannung ein wenig löste.

Laura nahm das Angebot dankbar an und lud Margarethe ein, einen Moment zu bleiben. Margarethe setzte sich in die Küche, und während der Kaffee langsam durch die Maschine tropfte, fühlte Laura, wie sich ein wenig Normalität in die beängstigenden letzten Stunden schlich.

„Sie sind die Erste seit vielen Jahren, die hierhergezogen ist“, sagte Margarethe, während sie die Küche mit prüfendem Blick musterte. „Viele hier im Dorf halten nicht viel von dem alten Anwesen.“

„Warum denn nicht?“, fragte Laura zögernd, während sie eine Tasse Kaffee vor die Besucherin stellte.

Margarethes Blick wurde einen Moment lang ernster. Sie lehnte sich zurück und nahm einen Schluck Kaffee, bevor sie weitersprach. „Es heißt, hier gäbe es eine Präsenz. Eine verlorene Seele, die nicht zur Ruhe kommen kann. Ich weiß nicht, ob Sie an so etwas glauben, aber… die Menschen hier haben immer davon gesprochen, dass das Haus nicht leer ist.“

Laura spürte, wie ihre Kehle trocken wurde. Sie versuchte, ruhig zu bleiben, doch ihre Hände zitterten leicht, als sie die Tasse zum Mund führte. „Ich… ich hatte tatsächlich das Gefühl, dass etwas hier ist“, gab sie schließlich zu, ihre Stimme kaum mehr als ein Flüstern.

Margarethe nickte langsam, als hätte sie genau diese Antwort erwartet. „Viele sagen, dass es die Seele eines Mannes ist, der hier einst lebte. Ein tragisches Schicksal, heißt es. Seine Familie verließ ihn, und er starb in Einsamkeit. Er konnte nicht loslassen – und sucht seitdem nach Gesellschaft.“

Laura spürte eine Mischung aus Trauer und Angst in sich aufsteigen. Die Worte der alten Frau klangen so vertraut, als würde sie das bestätigen, was sie bereits gespürt hatte. Ein einsamer Geist, der nicht loslassen konnte. Die Kälte, das Flüstern – alles schien plötzlich einen Sinn zu ergeben. Doch es war nicht nur Trauer, die sie erfüllte; da war auch eine tiefe Furcht, dass sie vielleicht bereits in eine unheilvolle Verbindung geraten war, aus der sie sich nur schwer befreien konnte.

„Was soll ich tun?“, fragte Laura schließlich, ihre Stimme bebend. „Wie kann ich ihn dazu bringen, mich in Ruhe zu lassen?“

Margarethe sah sie mitfühlend an. „Es ist nicht leicht, eine Seele zu vertreiben, die so verzweifelt nach Gesellschaft sucht. Aber… vielleicht gibt es einen Weg, ihn zu besänftigen. Manche sagen, er sucht nach Wärme, nach einem Gefühl der Nähe, das er im Leben verloren hat. Wenn Sie ihm zeigen können, dass er Frieden finden kann, ohne jemanden festzuhalten, dann könnte er loslassen.“

Die Worte der alten Frau hinterließen einen schweren Druck auf Lauras Brust. Es klang so einfach, doch wie konnte sie jemandem, der nicht mehr lebte, helfen, Frieden zu finden? Die Vorstellung, weiterhin mit der Präsenz zu leben, weiterhin diese Berührungen und das Flüstern zu ertragen, ließ ihre Haut kribbeln. Doch sie wusste, dass Flucht keine Lösung war. Das Wesen würde sie nicht einfach gehen lassen, solange es keinen Frieden fand.

Nachdem Margarethe gegangen war, blieb Laura lange Zeit einfach nur sitzen. Sie starrte auf die Äpfel, die die alte Frau ihr gebracht hatte, und dachte darüber nach, wie seltsam das Leben manchmal spielte. Sie hatte sich auf dieses Anwesen zurückgezogen, um der Einsamkeit und dem Schmerz ihrer gescheiterten Ehe zu entfliehen, nur um jetzt auf einen Geist zu stoßen, dessen Einsamkeit noch viel tiefer ging. Es war, als würde ihr das Universum aufzeigen, dass es keine Flucht gab – dass man sich den eigenen Dämonen stellen musste, egal ob sie real oder imaginär waren.

Der Abend brach herein, und Laura entschied sich, den Versuch zu wagen. Sie bereitete sich vor, wie eine Kriegerin, die in den Kampf zog. Sie zündete Kerzen im Wohnzimmer an und stellte eine Tasse heißen Tee auf den Tisch. Sie wollte nicht fliehen, sondern dem Geist begegnen, ihn vielleicht verstehen, wenn das überhaupt möglich war. Vielleicht konnte sie ihm wirklich helfen, Frieden zu finden – und damit auch sich selbst.

Die Stunden vergingen langsam, und das Haus schien stiller als je zuvor. Laura saß auf dem Sofa, ihre Hände fest um die Tasse geschlossen, und wartete. Ihr Herzschlag beschleunigte sich bei jedem kleinen Geräusch, und sie fühlte, wie die Spannung ihren Körper ergriff. Die Dunkelheit legte sich wie ein Schleier über das Haus, und die flackernden Kerzen schienen die Schatten zum Leben zu erwecken.

Dann spürte sie es – die plötzliche Kälte, die sich im Raum ausbreitete, das seltsame Gefühl, dass sich die Luft veränderte. Laura hob den Kopf, ihr Blick wanderte zur Ecke des Zimmers, in der die Dunkelheit sich zu verdichten schien. Eine Gestalt formte sich, kaum mehr als ein schemenhaftes Abbild, doch die Augen, die sie ansahen, waren so klar, so durchdringend, dass Laura den Atem anhielt.

„Ich… bin hier“, flüsterte sie, ihre Stimme bebend, aber entschlossen. „Ich weiß, dass du hier bist. Was brauchst du?“

Der Geist bewegte sich nicht, blieb einfach nur stehen und starrte sie an. Dann spürte Laura es wieder – eine Berührung, sanft und zugleich voller Verlangen, als legte sich eine unsichtbare Hand auf ihre Wange. Sie schloss die Augen, und eine Träne lief ihre Wange hinunter. Die Kälte wurde intensiver, und sie konnte das tiefe Seufzen hören, das von Schmerz und Sehnsucht erzählte.

„Ich… verstehe deine Einsamkeit“, sagte Laura, und ihre Stimme brach fast. „Aber du kannst mich nicht besitzen. Ich bin nicht derjenige, der dir Frieden bringen kann.“

Für einen Moment war der Raum still, so still, dass Laura nur das Rauschen ihres eigenen Blutes in den Ohren hörte. Dann hörte sie das Flüstern – ein einziges Wort, das wie ein Echo durch das Zimmer hallte.

„Bleib…“

Es war ein Flehen, das Laura tief im Herzen traf, und sie spürte die Verzweiflung des Geistes, die so groß war, dass sie fast daran zerbrach. Doch sie wusste, dass sie ihm nicht geben konnte, was er wollte. Die Berührung wurde stärker, fast schmerzhaft, und Laura öffnete die Augen, Tränen liefen über ihr Gesicht.

„Ich kann nicht“, sagte sie, ihre Stimme kaum mehr als ein heiseres Flüstern. „Du musst loslassen.“

Der Geist schien zu schwanken, seine Konturen verschwammen, und Laura spürte, wie die Kälte sich zurückzog. Es war, als würde etwas in ihm brechen, als würde die Dunkelheit, die ihn umgab, für einen Moment verblassen. Dann, ohne ein weiteres Wort, verschwand die Gestalt, und die Kälte wich langsam aus dem Raum.

Laura blieb alleine zurück, das Herz schwer, der Körper von der Anstrengung erschöpft. Sie wusste, dass dies nicht das Ende war, dass die Präsenz noch immer da war, doch etwas hatte sich verändert. Sie hatte ihm gezeigt, dass sie nicht bleiben konnte, und vielleicht – nur vielleicht – hatte er es verstanden.

Sie warf einen Blick auf die Kerzen, deren Flammen jetzt wieder ruhig brannten, und ließ sich schwer gegen das Sofa sinken. Die Dunkelheit fühlte sich nicht mehr ganz so bedrohlich an, und zum ersten Mal seit ihrer Ankunft glaubte Laura, dass es eine Möglichkeit gab, diesen Ort wirklich zu ihrem Zufluchtsort zu machen – einen Ort, an dem sie lernen konnte, Frieden zu finden, selbst inmitten von Schatten.

Kapitel 4: Die Erscheinung

Die Tage vergingen, und Laura fühlte sich, als würde sie langsam den Verstand verlieren. Seit ihrer Konfrontation mit dem Geist war er jede Nacht zu ihr gekommen. Anfangs waren es nur flüchtige Erscheinungen – ein kalter Hauch, ein Schatten im Augenwinkel, das Gefühl einer Berührung auf ihrer Haut, die sie bis ins Mark erschütterte. Doch mit jeder Nacht wurde die Präsenz stärker, und Laura konnte immer deutlicher spüren, dass der Geist nicht bereit war, sie gehen zu lassen.