8,99 €
Claudia Zimmermann nimmt euch mit auf ihre ganz persönliche Reise voller Abenteuer, Sehnsucht und Neugier! Getrieben von der Frage, wo sie wirklich hingehört, führt ihr Weg sie rund um den Globus – zu magischen Orten, inspirierenden Menschen und Momenten, die ihr Herz berühren. So manche Situation hätte kein Drehbuch besser schreiben können. Doch es ist nicht alles perfekt: Manchmal bringt das Leben sie ins Wanken und lässt sie gehörig zweifeln. Authentisch, mitreißend und voller Überraschungen – auch über sich selbst. Bist du bereit, mit ihr die Welt neu zu entdecken?
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Veröffentlichungsjahr: 2025
Claudia Zimmermann
Verrückte Welt
Travels through a world full ofweirdness and wonder
IMPRESSUM
1. Auflage
Copyright © 2025 Claudia Zimmermann
c/o Autorenglück #51241
Albert-Einstein-Str. 47
02977 Hoyerswerda
Alle Rechte vorbehalten.
Coverdesign: Linda Böhm
Buchlayout: BookDesigns
ISBN Taschenbuch: 978-3-7592-9182-0
ISBN e-Book: 978-3-7592-9674-0
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Abbildungen © Claudia Zimmermann
Für Oma & Opa.
Ihr würdet Augen machen!
Sie ist irre – diese Welt. Irre schön, irre verrückt, irre groß, irre kontrastreich, irre schwachsinnig manchmal. Das ist beliebig fortführbar.
Schon immer schrieb ich gerne Dinge auf. Angefangen hat alles mit Namenslisten und Pflanzenverzeichnissen, die ich tippte, nachdem mir meine Oma, als ich zehn Jahre alt war, eine lang ersehnte Schreibmaschine schenkte. Dass ich zu dieser Zeit auch total gerne Reisebüro spielte, ist vermutlich nur ein weiterer Ausgangspunkt zu dem, was hier folgt.
Als ich schließlich 2016, nach relativ vielen einzelnen Reisen quer um den Globus, eine Weltreise antrat, nahm ich mir zunächst fest vor, meine Erlebnisse in einem Blog niederzuschreiben. Doch wie viele davon gab es bereits? Eine Million? Wer wollte bei all dieser Fülle lesen, was ausgerechnet ich auf meiner Reise erlebe? Außer meinen drei interessierten Freunden und den Lieben zu Hause natürlich. Aber auch reine Erlebnisberichte schienen mir zu abgegrast – bei der Menge an Berichten von Backpackern und Weitgereisten auf der Welt, die im Internet kursieren.
Doch es liegt in meiner rebellischen Natur ihn zu hinterfragen: den Status quo – überall da, wo das Privileg des einen zum Nachteil des anderen wird. Genauso aber auch so manche fragwürdige Gegebenheit mit weniger drastischen Auswirkungen im globalen Vergleich.
Aber es gelingt mir nicht wegzuschauen, denn ich will es gar nicht. Natürlich immer in dem Wissen, dass sich dem Auge eines Durchreisenden wie mir stets auch nur ein Ausschnitt vom großen Ganzen präsentiert.
Hier werden also Schlaglichter geworfen, bei denen ich versuche so vorurteilsfrei wie möglich zu sein, ohne jammern zu wollen oder anmaßend zu sein. Immer dann, wenn einem die Paradoxe auf den Wegen durch die Welt mal wieder vor die Füße fallen. In ihrer Hauptrolle, wie sollte es anders sein, der Mensch, dieses undurchschaubare Wesen.
Also, das wird nun nur bedingt eine dieser „Nimm dein Glück in die Hand, draußen wartet das wahre Leben“ - Abhandlungen. Stattdessen eher eine Auseinandersetzung mit den vermeintlichen Irrsinnigkeiten, die einem beim Erkunden des Erdballs oft bewusst werden. Genauso aber auch, was mehr als ein Jahrzehnt des unentwegten Reisens mit mir gemacht haben. Treibt es einen doch wieder und wieder an, sein eigenes Sein neu auszurichten.
Bei all dem will ich aber nicht den Anspruch erheben, vermeintliche universelle Wahrheiten zu verbreiten, weil es die nicht gibt, nur unterschiedliche Brillen, eingefärbt je nach kulturellem und sozialem Hintergrund. Auch wenn sich dabei nicht selten Fragen aufwerfen, die manchmal einfach dastehen gelassen werden müssen. Nur, um natürlich sogleich neugierig auf die nächsten zu machen. Aber jedes Ereignis, dass uns dazu bewegt, es deuten zu wollen, ist ein Rütteln an alten Konventionen, ein Hinterfragen. Einer der vielen richtungsgebenden Wegweiser auf den persönlichen, kulturellen und gesellschaftlichen Straßen des Lebens, der bestimmt, wo wir schlussendlich ankommen. Nur um von dort wieder und wieder aufzubrechen, auf der Suche nach den nächsten richtungsweisenden Erkenntnissen.
Dieses Buch ist also für alle die, die das hier fühlen können, weil sie auch ständig unter Fernweh leiden oder sich die Zeit zwischen den Reisen genauso gerne mit Literatur über solche vertreiben.
Denn wie man es auch dreht und wendet – es ist so viel, was es mit einem macht. Kaum sonst kann man fühlen, ja nahezu greifen, wie sich der eigene Horizont erweitert. Und immer wieder muss dieser neu reflektiert werden. Die äußere Bewegung des Reisens setzt sich im Inneren fort. Wider den Stillstand und erstarrenden Vorstellungen.
Aber auch noch etwas passierte ganz nebenher mit mir. Denn nach jeder Reise begann ich, mein zu Hause aus einer völlig anderen Perspektive wahrzunehmen. Stück für Stück bewahrheitete sich der Ausspruch der finnischen Moomin Figur Snufkin, die da sagt: „You must go on a long journey before you can really find out how wonderful home is.“ Etwas, das ich lange Zeit nicht für möglich hielt.
Und dennoch kommt ein Buch über das Reisen nicht ohne ein paar der tiefgreifendsten Anekdoten von mehr als zehn Jahren des Stromerns, Suchens und Findens rund um den Erdball aus: Kurze Abstecher zu einigen der schönsten Orte auf der Welt und den Momenten, die mir von dort blieben.
Dass es gleichwohl ein unglaubliches Privileg ist, all diese Erfahrungen überhaupt machen zu können, ist mir bewusst. Ich habe dieser wundervollen Welt wahrlich viel zu verdanken und weiß, dass nicht jeder dieses Glück hat. Das könnte man nun entweder ausnutzen und sich darin sonnen oder erkennen, dass daraus Verantwortung entsteht. Ich habe mich für Zweiteres entschieden. Deshalb will das Folgende auch nicht für sich alleinstehen und in mehrerlei Hinsicht den Versuch unternehmen, dieser Verantwortung Rechnung zu tragen und etwas zurückzugeben – auch wenn das nie genug sein kann.
Zum einen werden sich im Anhang QR-Codes von ausgewählten Organisationen befinden, die sich in ihrer aufopfernden Arbeit um das Wohl benachteiligter Menschen und Kinder, den Erhalt unserer wunderschönen Natur oder den Schutz von Tieren kümmern. Es würde mich sehr glücklich machen, damit weitere Unterstützer für gute Zwecke rund um die Welt zu finden.
Dem nicht genug, gehen fünf Prozent vom Erlös dieses Buches an die New Futures Organisation in Kambodscha. Eine Hilfsorganisation, die es Kindern in ländlichen Gegenden des Landes ermöglicht, nachmittags eine Schule zu besuchen, in dem Bemühen Defizite des eher unzureichenden staatlichen Schulsystems auszugleichen.
Das Schwierigste und gleichsam Bedeutendste ist es jedoch, anzufangen, Details und Dinge, von denen man immer denkt, sie sich merken zu können, auch wirklich aufzuschreiben. Und glaubt mir, ich wünschte manchmal, ich wäre witziger, könnte die Dinge in wortgewandtere Formulierungen kleiden. Aber das bin ich nicht. Diese Gabe wurde mir tatsächlich nur bedingt zuteil. Aber was soll’s, raus wollten die Abenteuer trotzdem endlich. Für manche, die meine Reisen auf Instagram und Co. verfolgen wohl nur eine letzte Konsequenz dessen, was ich da treibe.
Seit jeher dachte ich, dass diese oder jene Geschichte es wert sei, in mein Buch zu kommen und ich sie mir bis zu dem Zeitpunkt, an dem ich tatsächlich anfangen würde es zu schreiben, natürlich bis in jede Einzelheit merken könnte. Ich glaube sogar, tief in mir denke ich immer noch so, gleichwohl ich ganz genau weiß, dass genau diese Gedankengänge zu einer Geschichte für immer verflogen sein werden, wenn ich sie nicht aufschreibe. Vergleichbar mit einem Stapel Papier voller Aufzeichnungen, der Blatt für Blatt vom Wind davongetragen wird. Nur aus dem jedoch, was mein Gehirn schafft sich zu merken, kann man einfach nicht erwarten, ein Buch zu schreiben. Es wäre lediglich das Gerüst, der Rahmen, das Gestell – ohne Deko.
Und so trugen sich auf den Haupt- und Nebenstraßen dieser Welt Fragmente zusammen, von verschiedenen Reisen und verschiedenen Momenten der Muse zu schreiben. Und mit etwas Glück ergeben diese am Ende ein Bild, ebenso gezeichnet von einem Menschen, der manchmal denkt, es besser zu wissen – so von außen betrachtet. Um dann doch wieder und wieder von der Welt und sich selbst überrascht zu werden. Oder, der einfach nur aufhören wollte, seinen Freunden all diese „Einmal, im Ferienlager...“- Geschichten zu erzählen und schlussendlich doch zum Stift griff, um diese aufzuschreiben. Für den, den’s interessiert und der Freude daran hat, sie zu lesen, immer mit der Option, den Redeschwall auch einfach mal bei Seite legen zu können.
In diesem Sinne, andiamo!
Dieses Potpourri an Erzählungen unterlag bereits der ein oder anderen Überarbeitung. Ursprünglich stand hier mal etwas von Asien Traumata wegen auf 16 Grad runtergekühlter Transportmittel und einem grundsätzlichen Zuviel an Reizen, welche auf meinen ersten beiden Reisen nach Südostasien auf mich einprasselten.
Das waren mein erster großer Solo-Trip nach Indonesien 2014 und ein Schüleraustausch auf die Philippinen zwei Jahre später. Vor allem letzterer hat mich, wie auch später noch einmal zu lesen sein wird, nachhaltig geprägt und mein Verlangen, ein asiatisches Land zu besuchen, vorerst (für ganze 8 Jahre) außer Kraft gesetzt.
Doch plötzlich stand ich da. In meinem Leben liefen manche Dinge, wie es das ja oft mal tut, nicht mehr ganz nach Plan und in mir verfestigte sich der lange gehegte Wunsch Gutes tun und etwas zurückgeben zu wollen. Etwas von dem großen Glück, meinen ersten Atemzug hier in Deutschland gemacht zu haben, was wiederum den glücklichen Umstand zur Folge hatte, dass ich dadurch einen Reisepass besitze, der zu den wertvollsten weltweit gehört. Denn sind wir mal ehrlich, all dies bot mir unwillkürlich Chancen, für die ich niemals mehr tun musste, außer sie zu nutzen.
Und im Grunde kam dafür nur eine Organisation in Frage. Auch wenn ich recherchierte und sich natürlich unzählige weitere tolle Stellen fanden, an denen Menschen ihre Zeit in den Dienst um das Wohlergehen anderer Menschen, Tiere oder der Umwelt stellen. Für mich aber stand fest, dass ich nach Jahren, die ich bereits in Kontakt mit ihr stand, bei der im Prolog erwähnten New Futures Organisation in Kambodscha ein Volunteering machen wollte.
Ich bin seit fast zwölf Jahren Lehrerin für Englisch, Geschichte, Geographie und Latein und habe meinen Job seit jeher mit viel Liebe ausgeführt. Aber dennoch – so viele schöne Momente ich im Zusammenhang mit dieser Arbeit stets hatte, ist nicht zu leugnen, dass unsere Gesellschaft in vielerlei Hinsicht eine übersättigte ist. Und dies spiegelt sich natürlich auch im Klassenraum wider.
Aber das Verlangen über den Tellerrand zu schauen kam nicht nur aus dieser Richtung. Ein lieber Freund half in der Vergangenheit für mehrere Monate an den Schulen der Organisation und begeisterte mich bereits damals ungemein dafür. Vorerst musste ich mich jedoch damit begnügen, an unserer Schule zusammen mit meiner eigens dafür ins Leben gerufenen Entwicklungshelfer-AG Projekte zu starten, um von hier aus Spendengelder für die NGO zu sammeln.
Nun war es jedoch endlich soweit, den Schritt zu wagen. Das einzige Problem – Kambodscha liegt bekanntermaßen in Südostasien!
Es ist nicht übertrieben, wenn ich sage, dass mich diese Tatsache im Vorfeld einige schlaflose Nächte kostete. Ich ging die Straßen im 52.000-Einwohner-Städtchen Takeo, dem Hauptsitz der Schulen, zuvor sogar auf Google Maps ab, was nicht unbedingt zu meiner Beruhigung beitrug. Mein Gefühl war, als würde ich in das Motiv einer ausgeblichenen Postkarte reisen. Ein großer Schritt raus aus meiner Komfortzone. So groß, dass ich mir sicherheitshalber sowohl das Rückflugdatum als auch den Ort offenließ und ein paar Pläne B, in Form von thailändischen Inseln und Co, zurechtlegte, sollte mir Kambodscha überhaupt nicht liegen.
Was ich jedoch an dem Tag im Juni 2024, als ich das Flugzeug nach Phnom Penh bestieg weder wissen konnte, noch jemals geahnt hätte war, dass ich jede Sekunde der viereinhalb Wochen langen Reise in das Land zutiefst genießen würde.
Das Asien Trauma war geheilt!
Und irgendwie war mir das schon auf den ersten Metern im klapprigen Tuk-Tuk auf dem Weg zum Hotel bewusst. Großstädte find ich eigentlich meist doof. Nicht so jedoch Phnom Penh. Dort lag ein Charme in der Luft, der schwer in Worte zu fassen war. Nicht, dass die Stadt besonders hübsch gewesen wäre. Aber sah man die ersten in Orange gehüllten Mönche mit ihren gleichfarbigen Schirmen die Straße queren, bekam man eine Idee vom Calm des Landes. Und so sehr man sich bei jeder dieser Begegnungen in Friedlichkeit gehüllt fühlte, so unvorstellbar war es, was sich vor gerade einmal 50 Jahren unter dem Regime der Roten Khmer in Kambodscha abspielte.
Wie war es möglich, dass im völlig utopischen Streben nach einem Bauernstaat, die geistige Elite des Landes nahezu völlig ausradiert wurde und insgesamt 1,7 Millionen Menschen dem grausamen Genozid der Militärregierung zum Opfer fielen? In einem Land, in dem ich nicht einen einzigen aufgebrachten, wütenden oder sich streitenden Menschen gesehen habe.
Ähnlich wie im Hinblick auf unsere eigene Vergangenheit sind manche Kapitel der Geschichte einfach kaum zu ertragen und wohl doch ein Zeugnis dessen, dass da wo Licht, auch immer Schatten ist, in den Tiefen der menschlichen Seele.
Die Auswirkungen dieser Zeit sind jedoch bis heute spürbar. Noch immer leidet die Bevölkerung unter Traumatisierung, Landraub, einem schwachen Justizsystem und Korruption. Ganz zu schweigen von den Folgen für das Schulsystem des Landes.
90 von 100 Lehrern verloren unter den Roten Khmer ihr Leben oder wurden aus dem Land gejagt, Bildung wurde bekämpft.1 So ist es kaum überraschend, dass auch heute noch viele Lehrer nur unzureichend ausgebildet sind. Egal wie viel Motivation und Engagement sie mitbringen, oft sind sie einfach unterbezahlt, das Material nicht sehr nützlich und die Methoden nicht wirklich gewinnbringend. Und dennoch, von der Bevölkerung geht eine Wärme aus, die ich so noch nirgendwo auf der Welt erlebt habe. Eine Wärme, die ich so sehr aufnahm, dass ich selbst nach der Rückkehr in den heimischen Sommer nur von einem kalten Land sprechen konnte, als ich wieder nach Deutschland kam. Es flutet wirklich noch heute mein Herz, wenn ich an die Zeit dort zurückdenke.
Denn nach einer Nacht in Phnom Penh fuhr ich schließlich ins circa 70 Kilometer entfernte Takeo, um am darauffolgenden Tag das erste Mal mit an eine der drei von der New Futures Organisation unterhaltenen Schulen zu gehen. Diese lagen jeweils in einem eher abgelegenen Dorf außerhalb des Ortes und boten Kindern am Nachmittag kostenlose zusätzliche Bildung. Wobei Schule nicht ganz das trifft, was wir hierzulande darunter verstehen. Denn das entweder aus Bambus oder Beton und Metallgittern bestehende Gebäude beinhaltete lediglich einen Raum, der mit kleinen Tischen und Bänken, einer Tafel und mit etwas Glück sogar einem Ventilator ausgestattet war.
Was so ärmlich klingt, war aber eigentlich völlig ausreichend. Wie oft wünschte ich mir zu Hause ein grünes Klassenzimmer. Und hier war man im Grunde nur von einem Dach von der Außenwelt getrennt. Ließ man sowohl die Moskitos als auch die sengende Wärme außer Acht, gab es für mich nichts Schöneres, als sich im Unterricht die leichte Brise um die Nase wehen zu lassen.
Der Lehrplan der kleinen NGO konzentrierte sich vor allem auf den Unterricht in Englisch, Mathematik und Khmer. Insgesamt drei aufeinanderfolgende Klassen, beginnend mit den Jüngsten, wurden hier täglich zwischen 13 Uhr und 17 Uhr von jeweils einem Lehrer unterrichtet. Wie schon erwähnt war die Methodik, die sich vor allem auf das Wiederholen vorgegebener Worte und Laute konzentrierte eher fraglich, doch selten hatte ich so willige und enthusiastische Kinder gesehen, wie hier. Nicht eines hat sich jemals beschwert über die zusätzlichen Stunden am Nachmittag, zu denen ihre Eltern sie bei der Organisation angemeldet hatten.
Wie süß war es anzusehen, wenn sie auf ihren zum Teil viel zu großen Rädern auf den Vorhof der Schule geradelt kamen und die Zeit bis zum Beginn ihrer Stunde damit verbrachten, noch die aufgegebenen Hausaufgaben zu machen oder gemeinsam mit Steinen und Stöcken im Sand zu spielen.
Den Kindern ein etwas anwendungsbereiteres Englisch beizubringen war eine tolle Erfahrung für mich. Zugleich war es aber manchmal auch total frustrierend. Denn beispielsweise hatten sie zwar auswendig gelernt zu sagen, wie sie hießen, ließ man sie das dann aber in einem Steckbrief oder in einem etwas abgewandelten Kontext aufschreiben, wussten sie nicht, was sie tun sollten. Oft hatten sie einfach keinerlei Bezug zu dem auswendig Gelernten.
Hinzu kam, dass auch einer der Lehrer völlig von seiner Herangehensweise überzeugt war und es am liebsten gehabt hätte, dass nun einfach ich die Kinder eineinhalb Stunden lang das englische Alphabet vor und zurück aufsagen ließe. Er hatte es selbst nie anders gelernt und war wahrscheinlich einfach seines Alters geschuldet nicht mehr sehr offen für eine fortschrittlichere Methodik. Es war nur so frustrierend mit anzusehen, wie viel Mühe sich jeder einzelne Beteiligte hier gab und wie viel Zeit aufgewandt wurde, ohne dass es jedoch einen nennenswerten Effekt gegeben hätte.
Da sich dessen auch die Leiterin der Organisation bewusst war und ich eben nicht nur Volunteer, sondern auch eine richtige Lehrerin, bat man mich eine eintägige Fortbildung für die Lehrkräfte vor Ort abzuhalten. Doch dies war auch für mich völliges Neuland, was mich durchaus nervös machte – völlig zu Unrecht jedoch, wie sich später herausstellte.
Nachdem wir uns an einem Freitag im Nebenraum eines Cafés mit Flipchart und einem von mir ausgearbeiteten Methodenkoffer getroffen, diesen besprochen und verschiedene Aktivitäten direkt an uns ausprobiert hatten, hatte ich tatsächlich das Gefühl, etwas Nachhaltiges bewirkt zu haben. Die Freude darüber hielt auch bei mir so lange an, dass ich mir wünschte, ich könnte so etwas zukünftig in noch viel mehr Ländern und Gebieten, in denen Schule unter derartigen Bedingungen stattfindet, tun.
Sicherlich leistet die Entwicklungshilfe an ganz vielen Stellen richtig gute Arbeit, scrollt man sich jedoch durch die Stellenmärkte der einschlägigen Organisationen, scheint das Thema Bildung nahezu vollständig ausgespart. Wirklich schade, bedenkt man, dass hier doch der Schlüssel zu einer langfristig gelingenden Entwicklungsarbeit rund um den Globus läge.
Was mein Herz an den Schulen jedoch am meisten berührte war die Freundlichkeit der Kinder. Nicht nur mir, sondern auch allen anderen Lehrern gegenüber.
Während des Unterrichts, aber vor allem am Ende, bedankten sie sich mit gefalteten Händen und einer kleinen Verbeugung bei jedem von uns. Nicht gelangweilt und im Klassenverband, sondern jeder einzelne von ihnen kam nach vorn, verbeugte und bedankte sich, und gab einem zum Schluss noch eine Umarmung oder ein High five, bevor der nächste Schüler an der Reihe war.
Und in diesen Momenten realisierte ich, dass zu geben wirklich nicht ärmer machen konnte. Im Gegenteil, die geballte menschliche Wärme, die ich dort erfuhr, ist kaum mit etwas, dass ich bisher erlebte zu vergleichen.
Und dies war nicht allein auf die Schulen und deren Kinder begrenzt. In dem Café, in dem ich vormittags saß, um Dinge für den Unterricht vorzubereiten, hatte ich eines Tages eine Begegnung mit zwei Frauen, die ich nur als magisch bezeichnen konnte. Die beiden, die wie sich schnell herausstellte, Mutter und Tochter waren, saßen am Nebentisch. Ich beobachtete, wie die ältere, zugegebenermaßen schon sehr alt wirkende Frau, ein Buch aus ihrem Schal wickelte, das sie zuvor sorgfältig in ihn gehüllt hatte, um es beim Tragen vor Knicken zu schützen. Da das mit Buddha versehene Cover etwas Spirituelles vermuten ließ und auch ich ein Buch auf dem Tisch liegen hatte, das den Titel „Die Katze des Dalai Lama und die vier Geheimnisse des Glücks“ trug, wurden wir gegenseitig aufeinander aufmerksam und kamen ins Gespräch.
Die Tochter war etwas jünger als ich, ihre Mutter jedoch bereits 83 Jahre alt. So erzählte sie mir, dass sie für die Organisation bookbridge arbeitete, nachdem es ihr durch ein Sponsoring möglich war, die Universität zu besuchen. Zusammen mit ihrer Mutter zog sie dabei die vier Kinder ihrer bereits verstorbenen Schwester auf. Der Tag wäre ein besonderer gewesen, da es nicht oft vorkäme, dass sie ihre Mutter ins Café ausführen konnte, zumal diese, wie sie meinte, die Enkelkinder auch immer sofort vermisste, wenn sie einmal nicht zu Hause war. Nicht nur, dass die beiden eine besonders friedvolle Herzlichkeit ausstrahlten. Während des gesamten Gesprächs, an dem sich die ältere der beiden verbal nicht beteiligen konnte, da sie kein Englisch sprach, hielt sie meine Hand und himmelte mich an, wie es sonst nur eine Großmutter kann. Ich weiß nicht wie oft sie meinen Arm und meine Wange liebevoll tätschelte oder mir die Hand drückte, ihrer Tochter immer wieder zu verstehen gebend, wie angetan sie von mir war. Und nicht einen Moment lang wäre mir das unangenehm gewesen. Es war so echt. So tief menschlich.
Wir machten noch zwei Fotos und als wir schließlich auseinandergingen war ich nicht nur voller Freude über diese Begegnung, sondern zutiefst berührt. Wie war es möglich, dass die Menschen hier in kürzester Zeit eine Nähe und Verbindung schafften, die man sonst nur aus langjährigen Freundschaften kennt?
Und auch am Ende meiner Reise lernte ich noch einen solch warmherzigen Menschen kennen.
Doch zunächst führte mich mein Weg nach der Zeit in Takeo noch einmal auf die Insel Koh Rong im Golf von Thailand, wo ich vorhatte, mich für einige Tage dem tropischen Traum unter Palmen hinzugeben. Genau den findet man da nämlich auch. Und nicht viel anderes sollte man dort tun. Zumindest nichts, was der Fahrt mit einem Moped bedarf. Da mir jedoch das Moped fahren gerade zu einer meiner liebsten Beschäftigungen geworden war, machte ich mich direkt auf, um beim erstbesten Verleih einen Scooter für die nächsten vier Tage zu mieten. Es war ja nicht zu ahnen, in welch desolatem Zustand sich ein Großteil der Wege auf der Insel befanden. Lernen durch Schmerz war hier also das Motto. Jedoch gleich vorweg, die Schande eines für den gemeinen Backpacker üblichen Ellenbogen- und Knieverbandes blieb mir erspart. Aber nur knapp.
Die Wege glichen einem Videospiel auf verschieden Leveln. War ein Schlammpfad gemeistert, wartete schon die nächste Herausforderung in Form einer felsigen Piste mit riesigen Gesteinsbrocken auf dich. All das bei tropischem, zum Glück also warmen, Dauerregen.
An irgendeiner Stelle konnte ich vor lauter Verzweiflung nur noch lachen, gefolgt von einem Schrei in die Wälder, um schließlich lauthals das Lied „Ironic“ von Alanis Morisette anzustimmen, um es während der Fahrt aus voller Kehle vor mich hin zu brüllen (es ist ein wirklich großes Glück, dass die Insel nur so dünn besiedelt ist). Und während ich so klitschnass, singend und ein bisschen wie vom Wahnsinn getrieben vor mich hinfuhr, spürte ich es in vollen Zügen, das Leben. Ich liebte es. So bizarr es auch war, aber ich hätte mich in dem Moment nicht lebendiger fühlen können. Weil mir bewusst wurde, wie besonders das, was ich dort gerade erlebte, bei aller Beschwerlichkeit eigentlich war. All diese Euphorie hat mich natürlich nicht davor bewahrt, das Moped kurze Zeit später dann doch noch einmal im Seitengraben zu versenken. Zum Glück jedoch schiebend. Aber auf einem Abschnitt mit einem besonders glitschigen und steinigen Untergrund, mit lediglich Flip-Flops am Fuß, entglitt mir schließlich kurz das Gefühl für den Gashebel und das Gefährt schnippte davon.
Selten wird einem die Bedeutung des Begriffs Loslassen eindringlicher bewusst als in einer solchen Situation. Glaubt mir!
Als ich zurück und alle weiteren Unwegsamkeiten überstanden waren, führte mich mein Weg direkt zum Mopedverleih, wo ich das Gefährt unter dem Vorwand, ich müsste die Insel morgen schon verlassen, wieder abgab. Schluss mit Exploring! Von nun an widmete ich mich tatsächlich den Palmen und lauschte für den Rest der Zeit dem Regen, der vom Vordach des Strandcafés meiner Unterkunft tropfte. Die Begriffe Zen und Calm mussten hier wirklich nicht großgeschrieben werden, sie waren einfach da, die Luft quasi erfüllt davon. Manchmal legte ich sogar mein Buch beiseite, um diese einmalige Atmosphäre voll und ganz in mich aufnehmen zu können. Auch wenn natürlich keiner dieser Orte ohne einer vor Schmalz tropfenden Playlist auskam, die das Ganze noch einmal um ein Vielfaches unterfütterte. Aber hey, wenn, dann schon richtig.
Meine letzte Station in Kambodscha war Siem Reap im Nordwesten des Landes, der Ausgangspunkt für Erkundungen der magischen Tempelanlage von Angkor Wat. Aber auch hier verzauberte mich vor allem die Atmosphäre der Stadt. So verbrachte ich auch dort die Tage, neben täglichen Yogastunden, hauptsächlich damit, einfach durch die Straßen zu schlendern und mich treiben zu lassen.
Zurück nach Phnom Penh ging es in einer 6-stündigen Fahrt im Minivan. Dort hatte ich vor meinem Heimflug noch zwei Tage, um eine Runde mit dem Boot auf dem Mekong zu schippern und auch hier noch einmal den Spirit des Landes voll und ganz in mich aufzunehmen. Ich lief barfuß um den Königspalast, aß an der Riverfront und schlenderte über Märkte, die allerlei gegrilltes, exotisches Getier verkauften.
Und hier lernte ich auf einer Fahrt im Tuk-Tuk Martin kennen, mit dem ich bald ins Gespräch kam.
Wie elementar es für die Menschen in einem Land wie Kambodscha ist, Englisch zu lernen, wurde in dieser Situation einmal mehr besonders deutlich. Denn wer es, gerade als Fahrer – sei es im Taxi oder Tuk-Tuk – nicht kann, dessen Welt bleibt sich mir als Besucher verschlossen. Mit dem Beherrschen der Sprache jedoch ist es beiden Seiten möglich einen Zugang zur Lebensrealität des anderen zu finden. Einer der großen Angelpunkte, wenn man als Gast ein Land kennenlernen und verstehen möchte. Für das Land wiederum, und das ist wohl um einiges wichtiger, ein Schlüssel dazu, sich der Welt zu öffnen. Macht doch der aufstrebende Tourismus einen großen Teil des heutigen Bruttoinlandsproduktes Kambodschas aus.
Dies hat natürlich wie immer seine Vorzüge und auch Schattenseiten. Zum einen ist die Hinwendung des Landes zum Tourismus zum Teil noch so jung, dass einem Tourenanbieter, wie beispielsweise die auf dem Mekong, im Nachgang in einer wirklich ehrlichen Weise dafür danken, dass man ihr Land besucht. Auch das ist etwas, das einem ans Herz geht und das Gefühl gibt mit seinem Besuch einen Unterschied zu machen. Auf der anderen Seite sind es jedoch, vor allem in der Nebensaison, zum Teil einfach zu viele Menschen, die ihr Einkommen darauf ausgerichtet haben vom Tourismus zu leben. Die vielen Tuk-Tuk-Fahrer am Straßenrand, die einen in der Hoffnung auf wenigstens eine Einnahme am Tag unablässig ansprechen, können dabei wirklich lästig werden und einem in ihrer Vielzahl durchaus die Laune verderben.