Versteckt im Amazonas - Dorothea Hesser - E-Book

Versteckt im Amazonas E-Book

Dorothea Hesser

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Beschreibung

Pedro, ein armer Junge aus den brasilianischen Favelas, trifft eines Abends unverhofft auf ein Mädchen namens Gabriela. Anders als er, ist sie aus gutem Hause. Gemeinsam mit ihr fasst er den Plan, Rio de Janeiro den Rücken zuzukehren. Pedro nimmt das Mädchen mit auf eine abenteuerliche Reise in die Tiefen des brasilianischen Dschungels, wo er auf seinen Onkel und ein dort lebendes Urvolk treffen möchte. Unerwartete Begegnungen und Gefahren ebnen ihre Flucht in die vermeintliche Freiheit. Währenddessen lernt Gabriela, wie man auf sich alleine gestellt im Dschungel überleben und über sich selbst hinauswachsen kann. Zwischen den ungleichen Kindern entwickelt sich eine enge Freundschaft, die durch den Zusammenhalt und die Erlebnisse in einer fremden Welt geprägt ist.

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Seitenzahl: 101

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhaltsverzeichnis

Dunkle Gassen

Das reiche Mädchen

Pedros Zuhause

Der Plan

Flucht in den Dschungel

Gefahren aus dem Dickicht

Fieser Regen

Andere im Dschungel

Der Fremde

Die letzten Kilometer

Der erste Tag bei den Bortolani

Das Fest

Zurück im Dorf

Der Plan

Angriff im Morgengrauen

Die Heimreise

Unerwartete Hilfe

Dunkle Gassen

Es ist ein sonniger Tag. Pedro liegt im heißen Sand und lauscht den Wellen, die hart auf die Felsen schlagen. Der Wind pfeifft ihm um die Ohren und die Sonne brennt in sein Gesicht. Eigentlich ist es ein Tag wie jeder andere in diesem Sommer, wären da nicht diese Sorgen.

Sorgen um den großen Bruder, um die Mutter und einfach um den kommenden Tag. Heute ist Freitag, das heißt, dass es heute gutes, warmes Essen gibt. Am Wochenende suchen er und sein kleiner Bruder am Abend immer leckere Reste in den Mülltonnen der teuren Restaurants. Denn an diesen Tagen gehen viele Leute essen und das bedeutet auch, dass mehr Essen übrig bleibt und im Müll landet. Mutter macht dann einen sagenhaften Eintopf mit Gemüse und Fleisch, manchmal gibt es sogar Nudeln oder Reis dazu. Doch Pedro kann im Moment nur an eines denken, nämlich an seinen großen Bruder Luiz. Der hat richtig Mist gebaut mit seinen gefährlichen Freunden. Mit denen hat er Drogen an irgendwelche Touristen verkauft und die Polizei hat ihn dabei erwischt. Er sitzt deshalb jetzt im Gefängnis und das ist kein Spaß in der Haftanstalt in Bortugena.

Manchmal gibt es da richtige Bandenkriege und das ist lebensgefährlich. Luiz gehört auch zu einer Gang in Rio de Janeiro.

Doch im Gefängnis sind auch andere Gangs und die mögen sich gegenseitig nicht. Pedro hat Angst davor, dass seinem geliebten Bruder etwas passieren könnte.

Pedros Familie ist arm. Er lebt mit seiner Mutter und den zwei Brüdern in einem Armutsviertel. Viel haben sie nicht. Die Häuser der Favela wachsen am Rand der Stadt die Berge hoch. Pedros Haus ist aus Pappe und Wellblech gebaut. Dem Regen hält die Behausung der Familie kaum stand. Es gibt hier kein fließendes Wasser oder Strom. Die Kinder schlafen auf einer alten Couch vom Sperrmüll oder auf dem Boden, die Mutter liegt in einem kaputten Sessel. Man freut sich hier über Kleinigkeiten und auch, wie Pedro, wenn die Familie am Wochenende ein halbwegs richtiges Essen bekommt. Zur Schule kann Pedro leider nicht gehen. Wie seine Geschwister muss er mit seinen 13 Jahren durch kleine Jobs und Betteln etwas Geld für die Familie verdienen. Schule ist nur etwas für Reiche hier, man hat dafür kein Geld. Es gibt Wichtigeres. Eigentlich würde Pedro gerne zur Schule gehen. Endlich richtig Lesen und Schreiben lernen, etwas für seine Zukunft tun. Er will eine andere Zukunft, ein anderes Leben. Er möchte weg aus dem Viertel. Am liebsten würde er Arzt werden, einen angesehenen Beruf ausüben und dann anderen helfen können. Er bewundert die ehrenamtlichen Ärzte aus Europa, die freiwillig herkommen und die Armen umsonst behandeln und mit Medikamenten versorgen. Doch Pedro weiß, dass das nur ein Traum ist und auch ein Traum bleiben wird. Die Mutter, sein kleinerer Bruder Antonio und Luiz brauchen ihn. Jetzt brauchen sie ihn besonders, da sein großer Bruder im Gefängnis bleiben wird. Für wie lange, das weiß keiner. Leider hat die Familie nicht das Geld, einen guten Strafverteidiger für Luiz zu bekommen. Das bedeutet, dass Pedro einen Verteidiger vom Staat gestellt bekommt, und jeder weiß, dass die sich für die Angeklagten kaum ins Zeug legen. Warum sollten sie auch? Von Leuten wie Luiz halten die sowieso nichts, man ist froh, wenn die einfach eingesperrt sind. Pedro laufen Tränen über das Gesicht. Er möchte gerne weg von Allem, doch er kann nicht weglaufen. Er wird gebraucht. Etwas Anderes als das hier kennt er auch garnicht.

Wenn man, so wie Pedro, aus den Favelas kommt, ist man fremd im eigenen Land. Man schämt sich für seine Herkunft. Rio ist eine Millionenmetropole. Eine sehr große Stadt mit zwei Gesichtern. Es gibt hier Armut genauso wie es Reichtum gibt. Arbeiten, betteln und manchmal auch Gewalt bestimmen den Alltag der Armen hier, die abseits vom Trubel der Großstadt in ihren Vierteln leben. Jeder Tag ist hier ein Kampf ums Überleben. Träume kann sich hier keiner leisten. Doch Pedro hat sie trotzdem und hält an ihnen fest. Eines Tages würde er hier verschwinden. Viele seiner gleichaltrigen Freunde sind bereits abgerutscht. Sie stecken schon mit drin, in den Bandengeschäften, bei denen mit Drogen gehandelt und Gewalt angewandt wird. Doch Pedro hält sich hier raus. Lieber hat er keine Freunde als so zu enden, wie Luiz. Pedro muss langsam den einsamen Strand von Sao Constatido verlassen. Es wird spät und allmählich dunkel. Das heißt, es wird gefährlich noch auf den Straßen zu sein. Außerdem wird es Zeit, die Restaurants aufzusuchen und die Mülltonnen zu durchforsten, sonst räumen die anderen alles ab und Pedros Familie bekommt nichts mehr.

Das reiche Mädchen

Als Pedro durch die schmutzigen, engen Gassen schlendert trifft er viele Bekannte. Darunter ist auch ein ehemals guter Freund von ihm: Amanios. Der ist aber komisch geworden und steht Schmiere für irgendein kriminelles Geschäft seiner Gang. „Na, was machst du so spät noch allein in dieser gefährlichen Gegend?“ Amanios schaut angriffslustig in Pedros Richtung und versperrt ihm den Weg.

„Was willst du von mir? Ich interessiere mich nicht für eure Geschäfte, ich will nur nach Hause,“ Pedro drückt sich vorsichtig an Amanios vorbei.

Doch der hält ihn fest: „Und, wenn ich dich nicht gehen lassen will? Du bist zur falschen Zeit am falschen Ort. Nimm einen anderen Weg!“ Pedro hat keine Wahl, wenn er sich jetzt mit Amanios anlegt, wird es kein gutes Ende für ihn nehmen. Amanios ist nicht mehr derselbe wie früher als sie noch zusammen Fußball mit Blechdosen aus dem Müll gespielt haben. Er ist jetzt ein Anderer und ein Leben ist hier nicht viel wert. Manch einer würde hier für fünf Euro ein Verbechen begehen. Enttäuscht und nachdenklich dreht sich Pedro um und nimmt einen anderen Weg. Jetzt muss er überlegen, welche Straßen um diese Uhrzeit noch durchquerbar sind und welche Gefahren birgen. Als er an einer dunklen Ecke Halt macht und darüber nachdenkt, wie er jetzt zu den Restaurants kommen kann, hört er ein Winseln. Es hört sich nach einem Mädchen an. Das Winseln wird zu einem lauten Weinen. Pedro wundert sich, dass jetzt noch in dieser Gegend ein Mädchen alleine unterwegs zu sein scheint. Er folgt dem Weinen bis hinter zwei Container. Jetzt sieht er sie: Ein gut gekleidetes Mädchen mit langem, schwarzem Haar und strahlenden blauen Augen, aus denen kullernde Tränen laufen. Sie müsste ungefähr in seinem Alter sein. Doch, was macht so ein reiches Mädchen hier in seinem Viertel. Ist sie denn lebensmüde?

„Hey, was machst du denn hier? Was hast du?“, Pedro nähert sich vorsichtig, normalerweise hält er sich fern von den Reichen. Die meinen, dass sie was Besseres wären. Manchmal bespucken sie Pedro und seine Brüder, wenn die am Straßenrand sitzen und um Geld oder etwas zu essen betteln.

Ängstlich blickt das Mädchen auf: „Ich bin von zuhause weggelaufen. Ich will nicht mehr bei meinen Eltern bleiben. Sie wollen mich sowieso loswerden.“ Das Mädchen wischt sich die Tränen aus dem Gesicht und steht langsam auf.

Pedro blickt sie scharf an: „Du bist hier in der falschen Gegend, Mädchen. Es ist gefährlich, man kann ausgeraubt werden, wenn man so aussieht wie du oder noch Schlimmeres!“ Seine warnenden Blicke führen dazu, dass das wohlgekleidete Mädchen wieder anfängt, bitterlich und verzweifelt zu schluchzen.

„Wie heißt du denn?“, frägt Pedro und kommt allmählich näher, dabei legt er zögerlich eine Hand auf die Schultern des Mädchens. „Gabriela heiße ich. Ich will einfach nur nicht mehr zuhause sein und ich muss mich irgendwo verstecken. Hier würden mich meine Eltern niemals suchen. Sie haben bestimmt schon die halbe Stadt damit beauftragt, mich zu suchen.“ „Aber hier wirst du nicht lange überleben. Wo willst du dich denn verstecken? Weißt du eigentlich wo du genau bist?“, möchte Pedro gerne wissen und klopft Gabriela dabei beruhigend auf die Schulter. Mit seinen pechschwarzen Haaren und seinen braunen Augen sieht er sie freundlich an. In seinem Gesicht zeichnen sich freundliche Grübchen ab. Gabriela spürt, dass er ihr nicht gefährlich werden wird, dass er ihr helfen könnte. Mutig greift sie seine Hand. Pedro zuckt zusammen. Was für eine weiche Haut sie doch hat, denkt er sich. Dabei merkt er, wie seine Wangen kurz ganz heiß werden. Er muss wohl errötet sein. Noch nie hat ein Mädchen seine Hand ergriffen und erst recht keine von den Reichen. Doch Pedro bemerkt, dass die Sonne vollends untergeht, auch für ihn ist es nicht mehr sicher hier, schon garnicht in Begleitung dieser Fremden. Hastig erklärt Pedro: „Du musst sofort zurück gehen! Du überlebst in diesen Straßen nicht lange und ich muss zu meinem Bruder und meiner Mutter. Die werden sich schon Sorgen um mich machen und außerdem muss ich noch das Abendessen besorgen. Die Zeit läuft mir davon.“

„Nein! Ich gehe nicht zurück. Ich suche mir hier ein Versteck für die Nacht und morgen überlege ich mir dann, wie es weitergeht!“, entschlossen dreht sich Gabriela um und läuft los. Pedro überlegt: Was soll ich nur tun? Wenn ich sie gehen lasse, wird ihr vielleicht etwas passieren und, wenn nicht? Ich kann ihr nicht helfen, aber ich kann sie auch nicht im Stich lassen.

„Halt!“, Pedro hastet Gabriela hinterher und sieht sie eindringlich an. Selbstsicher sagt er zu Gabriela: „Du kommst heute Nacht mit zu mir.

Ich werde dich dort sicher hinbringen. Meine Mutter ist ein guter Mensch, sie wird das verstehen.“

„Echt? Danke!“, mit diesen Worten fällt Gabriela vertrauensvoll Pedro um den Hals. Sie zweifelt keine Sekunde daran, dass das eine schlechte Idee sein könnte. Gesagt, getan. Gemeinsam setzen sie sich in Bewegung, dabei achtet Pedro genau darauf, wer ihnen folgen oder sie bemerken könnte. Allerdings haben sie heute Glück. Zwar erspähen sie einige neugierige Blicke aus den Häusern, doch auf den Straßen ist heute nur wenig los. Anscheinend wird ein größeres, illegales Geschäft auf der anderen Seite der Stadt abgeschlossen. Niemand, der hier etwas zu sagen hat befindet sich in der Nähe und bemerkt irgendetwas. Pedro ist zufrieden und irgendwie freut er sich. Er hat schon lange keine neuen Freunde mehr gefunden und Gabriela scheint echt nett zu sein. Ein bisschen nervös ist Pedro aber darauf, wie seine Mutter auf seine neue Bekanntschaft reagieren könnte. Immerhin ist das Mädchen von der anderen Seite und vor welchen von denen hat seine Mutter ihn und seine Geschwister immer gewarnt.

Pedros Zuhause

Bevor sie aber nach Hause gehen können, muss Pedro noch etwas Essbares auftreiben, deswegen führt er Gabriela zu einem bekannten Restaurant in Rio de Janeiro, dem Restaurante Marian Degustare. Hier gibt es immer tolle und schmackhafte Reste in den Mülltonnen. Als Gabriela das Restaurant erkennt, stellt sie fest: „Oh, das kenne ich! Hier war ich schon einmal mit meinen Eltern zum Abendessen. Was machen wir hier?“

Gabriela sieht verwirrt aus und wirkt ein bisschen ängstlich auf Pedro, der entgegnet ihr nur: „Essen suchen! Wir werfen mal einen Blick in die Mülltonnen hinter dem Haus!“

Gabriela wird ganz blass um die Nase und geht einen Schritt zurück: „Nein, ich wühle ganz bestimmt nicht im Dreck anderer Leute! Essen, das andere schon auf dem Teller hatten oder Verdorbenes, das fasse ich nicht an!“ Angewidert dreht sie sich um und wendet sich von ihrem verdutzten Begleiter ab. Pedro lässt ihre Reaktion dabei völlig kalt. Entschlossen läuft er an dem Eingang des Restaurants vorbei und hinter das Haus. Zwei Kellner stehen da und rauchen eine Zigarette, einer starrt dabei interessiert auf sein Handy und tippt wie wild in die Tasten. Sie nehmen keine Notiz von Pedro. Der ist schon bekannt und meist stört es niemanden, wenn sich die Ärmsten der Armen etwas aus den Mülltonnen suchen. So tritt Pedro heran, späht in eine der Tonnen hinein und zieht freudig etwas heraus. Vieles, wie zum Beispiel Gemüsereste oder übrig gelassene Pasta ist noch geschickt