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Wie konnte er die betörend schöne Christy nur je zurückweisen? Als der Bestsellerautor Simon Jardine sie nach Jahren wiedersieht, versteht er sich selbst nicht mehr. Vielleicht gibt ihm das Schicksal ja noch eine Chance? In der Karibik, unter Palmen, an ihrer Seite …
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Seitenzahl: 207
IMPRESSUM
Verzauberte Herzen erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© by Penny Jordan Originaltitel: „Exorcism“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIABand 662 - 1986 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Bärbel Bosse
Umschlagsmotive: Harlequin Books S.A.
Veröffentlicht im ePub Format in 04/2017 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733777913
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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Es war ein herrlicher Frühling gewesen. Auf einen klaren, nassen April folgte ein unerwartet heißer Mai. Die Hecken in Dorset begannen zu blühen, und der alte Harry Carver, der zweimal im Monat die Gartenarbeit verrichtete, sagte pessimistisch voraus, dass dies nichts Gutes verheiße. Jetzt kam bald der Juni, und das Wetter hatte sich immer noch nicht geändert.
Christy lag unter den alten Obstbäumen im Gras und schaute versonnen zum Himmel hinauf. Konnte sie es sich leisten, noch eine halbe Stunde zu faulenzen, oder sollte sie ins Haus gehen und etwas arbeiten? Diese Ungebundenheit war eine der angenehmen Seiten der Arbeit bei ihrer Mutter. Gleich nach Abschluss der Sekretärinnenschule hatte sie eine Anstellung gehabt, bei der sie täglich von neun bis fünf Uhr beschäftigt war. Mittlerweile wusste sie die freie Zeiteinteilung besonders zu schätzen.
Das bedeutete jedoch nicht, dass sie sich auf ihrem momentanen Posten ausruhen konnte. Die Tätigkeit für eine einfallsreiche Schriftstellerin brachte viel Aufregung mit sich. Ihre Mutter hasste es, ein Diktiergerät zu benutzen, und hatte die Angewohnheit, ihre Einfälle auf alle möglichen Papierfetzen zu kritzeln. Immer wieder gab es Schrecksekunden, wenn diese Notizen gerade nicht auffindbar waren.
Nicht viele junge Frauen im Alter von vierundzwanzig Jahren mochten für ihre Mütter arbeiten, besonders dann nicht, wenn diese so erfolgreich wie Christys Mutter waren. Georgina entsprach jedoch so ganz und gar nicht den allgemeingültigen Vorstellungen einer beruflich erfolgreichen Frau. Im Gegenteil, sie war klein und zerbrechlich, wirkte oft geistesabwesend und konnte manchmal recht ärgerlich werden, aber meistens war sie äußerst liebenswürdig.
Christy konnte nicht sagen, wie viele Menschen sich im Laufe der Jahre durch den äußeren Anschein hatten täuschen lassen.
Als junge Witwe mit einem kleinen Baby und wenig Geld hatte sie es trotzdem verstanden, sich dem Drängen ihrer Eltern und Schwiegereltern zu widersetzen, zu einem von ihnen zu ziehen. Sie hatten ihr erklärt, dass sie mit zwanzig Jahren jung genug war, um wieder zu heiraten. Außerdem wäre es dumm von ihr, sich mit dem Kind zu belasten, zumal die Großeltern es ihr gern abgenommen hätten. Doch Georgina setzte sich durch und schaffte es sogar, für ihre Kinderbücher einen Verleger zu finden und sich bald einen Namen zu machen.
Inzwischen war sie unter einem Pseudonym berühmt, aber Christy beneidete sie nicht darum. Sie selbst nutzte ihr künstlerisches Talent, die Bücher ihrer Mutter zu illustrieren. Und nicht nur diese, auch andere Autoren hatten ihre Fähigkeit erkannt und rissen sich um ihre Bilder.
Mit den großzügigen Honoraren wäre es ein leichtes gewesen, sich von der Mutter unabhängig zu machen, hätte sie wirklich den Wunsch gehabt, allein zu sein.
Vielleicht war es ungewöhnlich, in ihrem Alter noch zu Hause zu wohnen. Sie lebten jedoch in einem großen alten Pfarrhaus inmitten eines riesigen, wunderschönen Gartens. In diesem kleinen Dorf in Dorset gab es noch strohgedeckte Cottages, einen kleinen Krämerladen und einen Pub mit so guter Küche, dass Leute von weither kamen, um dort zu essen. Christy konnte sich nicht vorstellen wegzuziehen.
Sie kam gut mit ihrer Mutter aus, ohne dass eine die andere einengte. Georgina Lawrence hatte es schon immer verstanden, sich Freiräume zu schaffen, und das hatte Christy von ihr gelernt. Sie waren sich zwar nicht so nahe wie Schwestern, doch verband sie eine enge Freundschaft. Einige Interessen hatten sie gemeinsam, andere verfolgten sie getrennt. Christy hatte früh erkannt, dass ihre Mutter eine kluge Frau war. Das fand man oft bei Menschen, die großes Leid ertragen hatten. Sie konnte sich zurücknehmen, war fähig, die Dinge objektiv zu betrachten. Obwohl ihre Eltern und Schwiegereltern strikt dagegen gewesen waren, dass sie allein lebte, warf sie ihnen diese Haltung nicht vor. Vielmehr hatte sie erkannt, dass sie aus Liebe zu ihr so in sie gedrungen waren.
Alles in allem war Georgina Lawrence eine bemerkenswerte Frau, Christy gönnte ihrer Mutter den Erfolg. Sie selbst hatte keinerlei beruflichen Ehrgeiz, vielleicht war dies ihr großer Fehler. Sie schlug wohl nach ihrem Vater. Er war ein junger Captain der britischen Armee gewesen, der in Nordirland bei einem Bombenanschlag getötet wurde.
Christy hatte ihre Mutter einmal gefragt, warum sie nicht wieder geheiratet hatte. An Gelegenheiten hatte es sicher nicht gemangelt. Mit fünfundvierzig Jahren war Georgina noch eine ungemein attraktive Frau. Sie war klein und zierlich, hatte dichtes dunkelrotes Haar und sehr ansprechende weibliche Züge.
„Vielleicht bin ich darüber hinausgewachsen“, hatte sie offen geantwortet. „Ich habe deinen Vater geliebt, wie man eben mit achtzehn liebt, leidenschaftlich und ohne Einschränkungen. In unserer Beziehung waren wir beide gleichberechtigt, wir waren jung und hatten uns gegen unsere Eltern durchgesetzt. Sie fanden, wir hätten zu früh geheiratet, und wahrscheinlich hatten sie recht. Wenn man jung heiratet und den Partner bald verliert, läuft man Gefahr, die Ehen gleichaltriger Freunde zerbrechen zu sehen, während die eigene in der Erinnerung perfekt bleibt. Wer weiß, wäre dein Vater am Leben geblieben, vielleicht hätte er das gleiche männliche Rollenverhalten angenommen wie so viele Ehemänner meiner Freundinnen. Möglicherweise hätte er etwas dagegen gehabt, dass ich schreibe. Ich bin eine sehr egoistische Frau, Christy, aber nur deshalb kann ich mich durchsetzen gegen gefühlsmäßige und gesellschaftliche Widerstände. Ich genieße das Recht, meine eigenen Entscheidungen zu treffen, tun zu können, was ich will. Sicher habe ich deshalb nicht wieder geheiratet. Als Geliebte eines Mannes behalte ich meine Eigenständigkeit, und er respektiert mich dafür, als Ehefrau dagegen verschieben sich die Perspektiven. Meist haben Männer bestimmte Ansprüche an ihre Frauen. Möglicherweise ist das in deiner Generation anders, aber ich möchte mich nicht in Abhängigkeit begeben.“
Christy verstand ihre Mutter sehr gut. Betrachtete sie die Ehen anderer, so war klar, weshalb ihre Mutter eine freie Beziehung vorzog. Ohne Zweifel hatte es Männer in ihrem Leben gegeben, obwohl Georgina immer sehr diskret gewesen war. Christy hatte nicht mit einer Reihe von Onkeln leben müssen. Georgina war eine liebevolle Mutter, die Christy jedoch zu Selbstständigkeit und Unabhängigkeit erzogen hatte. Sie beide hatten Rechte, die sie gegenseitig respektierten.
Anfang der Woche war Georgina nach London gefahren, um ihren Verleger aufzusuchen und noch ein paar Tage dort zu bleiben. Sie wollte Einkäufe machen und alte Freunde besuchen. Christy hätte sie begleiten können, war aber lieber zu Hause geblieben. Die Hitze in der Stadt war keine verlockende Aussicht.
Sie reckte sich genüsslich und gähnte träge. Die Sonne hatte ihre Haut braun gebrannt. Sie sah ihrer Mutter überhaupt nicht ähnlich. Die dunkle Haut und das schwarze Haar hatte sie von ihrem Vater geerbt, die Augenpartie ähnelte der ihrer Großmutter, Größe und Wuchs stammten wieder vom Vater. Ohne Make-up und mit offenen Haaren sah sie wie eine Siebzehnjährige aus. Ein geübter Beobachter hätte allerdings erkannt, dass sie schmerzliche Erfahrungen gemacht hatte und sich gegen eine Wiederholung wappnete.
Eines hatte sie mit ihrer Mutter gemein: Beide verbargen sie gekonnt ihre Willenskraft. Georgina tat zerstreut, und Christy sah den Anforderungen des täglichen Lebens gelassen entgegen. Wer sie nicht genau kannte, wunderte sich über ihren fehlenden Ehrgeiz, bedauerte sie vielleicht sogar und meinte, sie würde im Schatten ihrer Mutter stehen. Tatsächlich hatte Christy aber keinen Grund, sich für irgendetwas besonders anzustrengen. Als Einzelkind hatte sie eine ausgeprägt romantische Ader, sie lebte viel in Tagträumen.
Ihre Mutter hatte versucht, ihr behutsam zu erklären, dass das wirkliche Leben anders war als in den Büchern, die sie verschlang. Christy hatte diese Warnung jedoch überhört und musste dafür bezahlen. Einen kurzen Sommer lang kostete sie alle Freuden des Lebens aus und wurde bitter enttäuscht, als sie erkannte, dass alles nur ein Traum gewesen war.
Damals war sie achtzehn Jahre alt gewesen. Sie hatte die Enttäuschung längst überwunden, und auch die Erinnerung an den Mann war inzwischen verblasst. Jetzt stand sie dem Leben realistischer gegenüber. Sie träumte nicht mehr. Eines Tages würde sie vielleicht einen netten Mann kennenlernen, den sie gern genug hatte, um ihn zu heiraten. Sie würden Kinder bekommen und ein zufriedenes Leben führen, aber im Augenblick war sie auch so glücklich.
Ein Auto kam die schmale Straße zum Pfarrhaus heruntergefahren. Bei dem Krach, das es machte, konnte es nur das einzige hiesige Taxi sein. Georgina war zurück.
Christy stand auf, klopfte das Gras von ihren Shorts und ging langsam ins Haus. Nach jeder Reise war ihre Mutter voller neuer Ideen für ein Buch. Diesmal hatte sie jedoch vor ihrer Abreise verkündet, vor dem Herbst kein neues Projekt anfangen, ja sogar eine Urlaubsreise machen zu wollen. Das war etwas sehr Ungewöhnliches für sie. Bei dem Gedanken musste Christy lächeln. Sie ging in die Küche und setzte Teewasser auf.
„Wunderbar, du hast Sams Auto gehört. Ich sehne mich nach einer Tasse Tee. In London war es drückend heiß, du hast gut daran getan, nicht mitzukommen.“
Die Stimme ihrer Mutter hatte einen merkwürdigen Unterton, doch Christy ging nicht darauf ein, sondern beschäftigte sich mit der Zubereitung des Tees.
„Wollen wir draußen oder auf der Veranda Tee trinken?“, fragte Christy als sie alles auf ein Tablett gestellt hatte. Nicht einmal die Lieblingskekse ihrer Mutter fehlten. Keine von ihnen hatte Gewichtsprobleme, trotzdem aßen sie nur wenig.
„Auf der Veranda“, antwortete Georgina und fügte mit einem Seufzer hinzu: „Du weißt ja gar nicht, welches Glück du hast, meine helle Haut nicht geerbt zu haben.“
„Vornehme Blässe kommt wieder in Mode“, entgegnete Christy. Ihre Mutter bekam beim kleinsten Sonnenstrahl einen Sonnenbrand. Dagegen hob sich ihre eigene goldene Bräune besonders ab.
„Ich hätte dich Gipsy nennen sollen“, bemerkte Georgina und nahm ihrer Tochter das Tablett ab. Sie ging zu der von wildem Wein umwucherten Veranda voraus.
Christy folgte ihr und ließ sich in einen der alten, gemütlichen Sessel fallen. Georgina betrachtete leicht tadelnd die bloßen Füße ihrer Tochter. Die beiden Frauen waren schon sehr verschieden. Georgina trug ein elegantes graues Kostüm mit passender Bluse, seidene Strümpfe und hochhackige Schuhe.
„Du gehst ohne Schuhe?“, meinte Georgina. „Du könntest dir die Füße verletzen.“
„Es ist aber gesünder“, verteidigte Christy sich, dabei lächelte sie nachsichtig. „Außerdem weißt du doch, wie groß meine Füße sind. In zierlichen Schuhen sehe ich wie ein Elefant aus.“
Das war etwas übertrieben, und beide wussten es. Wenn sie wollte, konnte Christy sehr elegant wirken. Sie zog es jedoch vor, ihre Mutter nicht nachzuahmen, sondern ihren eigenen Stil zu verfolgen. Ihre Kleidung war eher locker und leger.
Georgina sah ihre Tochter verstohlen über den Rand der Teetasse hinweg an. War es richtig gewesen, sie zu Unabhängigkeit und Selbstständigkeit zu erziehen? Christy war im Gegensatz zu ihrer Mutter leicht zu verletzen. Unter ihrem gelassenen Äußeren verbargen sich Gefühle und Unsicherheiten, die ihr mitunter sehr zu schaffen machten. Christy hatte sich nie Gleichaltrigen angeschlossen, sondern eher ihre Individualität weiterentwickelt.
Sie war eine außerordentlich attraktive junge Frau, und doch blieb sie lieber allein, als sich mit Männern einzulassen. Georgina wurde bewusst, wie unbequem es in diesem Augenblick war, dass sie Christy gelehrt hatte, den Freiraum des anderen zu respektieren, denn nun konnte sie selbst schlecht in ihre Tochter dringen und sie ausfragen. Sie stellte die Tasse ab, ohne zu bemerken, dass Christy ihre nachdenkliche Haltung beobachtet hatte.
„Also gut, heraus damit“, meinte Christy lakonisch. „Du musst bis zum Herbst drei neue Bücher schreiben, stimmt’s?“ Als ihre Mutter nicht darauf einging, wurde Christy unruhig. „Ich weiß, dass du etwas auf dem Herzen hast. Bitte sag es mir …“
Ganz ruhig antwortete Georgina: „Liebling, Simon ist wieder da.“
Christy war sehr stolz auf ihre äußerlich ruhige Reaktion. Nicht einmal in ihren grauen Augen zeigte sich ein Schimmer von Erregung.
„Nach seiner erfolgreichen Tour durch Amerika kehrt er sicher im Triumph zurück. Mum, ich bin nicht mehr achtzehn“, fügte sie leise hinzu. „Simon Jardine ist nur eine schmerzliche Erinnerung für mich. Ich bin froh, dass er den Erfolg errungen hat, nach dem er so gestrebt hat. Er hätte sich mit nichts anderem zufriedengegeben.“
Sie hatte Simon vor sechs Jahren kennengelernt und sich leidenschaftlich in ihn verliebt, obwohl er ihr von Anfang an erklärt hatte, dass er nur ein Ziel kannte: ein erfolgreicher Schriftsteller zu werden. Christy hatte ihm nicht geglaubt. Sein erstes Buch war gerade vom Verleger ihrer Mutter angenommen worden. Es war ein Mittelding zwischen Tatsachenbericht und Roman, das schnell begeisterte Leser fand. In der Folge landete er drei Bestseller und wurde ein berühmter Autor. In den letzten vier Jahren hatte er im Ausland gelebt, und nun war er zurückgekommen. Was erwartete man von ihr? Sollte sie etwa zu ihm eilen und sich ihm ein zweites Mal an den Hals werfen?
„Sieh mich nicht so an“, warf sie ihrer Mutter vor und goss Tee nach. Innerlich hatte sie die Nachricht sehr aufgewühlt, ihr Puls raste, der Magen verkrampfte sich. „Gut, ich brachte ihm mit achtzehn eine kindliche Verehrung entgegen, den Rest kennst du ja. Jeder macht mal einen Fehler.“ Sie lächelte mühsam. „Kopf hoch, Mum, es ist nicht das Ende der Welt.“
Sie war nicht immer dieser Ansicht gewesen. Als er sie damals verließ, brach eine Welt für Christy zusammen. Simons blasierter Spott war fast unerträglich gewesen. Er hatte sie grausam behandelt und glauben lassen, er erwidere ihre Gefühle, um sie plötzlich zurückzuweisen. Ihre Unerfahrenheit schien ihn zu langweilen. Es war eine harte Lektion gewesen, die sie lernen musste, vor allem da sie nicht versucht hatte, ihre eigenen Empfindungen vor ihm zu verbergen.
„Ich muss dir aber noch mehr erzählen.“
Christy wurde von einer schrecklichen Vorahnung erfasst. Lieber Gott, lass ihn nicht verheiratet sein oder eine andere lieben, betete sie.
„Jeremy möchte, dass du den Sommer über für ihn arbeitest.“
Es dauerte einige Minuten, ehe Christy die Bedeutung dieser Worte begriff. Sie war völlig verwirrt. Seit Jahren hatte sie kaum an Simon gedacht. Sie hatte geglaubt, ihn vergessen zu haben, und nun brachte sie die bloße Erwähnung seines Namens, der Gedanke, er könne eine andere lieben, total durcheinander. Ich war eben nur völlig unvorbereitet, beruhigte sie sich selbst. Natürlich bin ich über ihn hinweg, schließlich war es nur eine kindliche Schwärmerei.
„Ich soll für Jeremy arbeiten?“ wiederholte sie. Sie musste sich jetzt zusammenreißen, durfte sich nicht vom Aufruhr ihrer Gefühle überwältigen lassen.
„Nein, nicht für ihn“, verbesserte Georgina geduldig, „sondern für Simon. Die Handlung seines nächsten Buches spielt in der Karibik. Der Held ist ein Abenteurer zur Zeit Elisabeths, der unter Sir Francis Drake segelte und später Pirat wurde. Simon hat während eines Ferienaufenthaltes von seiner Geschichte gehört. Es existiert eine Sage über den Mann und über die Dynastie, die er begründet haben soll. Sein Schiff wurde von rivalisierenden Piraten versenkt, nachdem sie sein Haus überfallen hatten. Simon fand heraus, wo das Wrack ungefähr liegen muss. Wenn die Geschichte stimmt, braucht er eine erfahrene Sekretärin, die gleichzeitig zeichnen und tauchen kann.“
„Warum ausgerechnet ich?“ Christy betrachtete ihre Mutter eindringlich.
„Du kannst mir glauben, es war nicht meine Idee. Jeremy nannte zuerst deinen Namen. Er erzählte Simon, wie gut du für Michael in Indien gearbeitet hast.“
Im vergangenen Jahr hatte Christy vier Monate mit Michael Trent in Indien verbracht. Auch er war ein Autor in Jeremy Thomas’ Verlag. Er sollte eine Novelle schreiben, die zur Zeit der britischen Herrschaft in Indien spielte, und überredete Christy, als seine Assistentin mitzufahren. Michael war ein unentschlossener Mann ohne jedes Organisationstalent. Später behauptete er, es allein Christy zu verdanken, dass er seine Arbeit so schnell beenden konnte. Christy war jedoch der Ansicht, dass er weniger ihre beruflichen Fähigkeiten schätzte als vielmehr die Tatsache, dass sie unempfänglich für sein gutes Aussehen war. Armer Michael, er wurde einfach mit seinen weiblichen Bewunderern nicht fertig. Er sah wie ein Filmstar aus, dabei war er ein ernst zu nehmender Schriftsteller, dem seine Arbeit über alles ging. Obwohl schon über dreißig Jahre alt, war er immer noch Junggeselle.
Christy hatte ihn vor vielen Frauen beschützen müssen. Er mochte sie gern, doch Georgina hatte ihrer Tochter vor Antritt der Reise zu verstehen gegeben, dass sie ihn nicht für einen guten Liebhaber hielt. Christy gab ihrer Mutter recht und musste nur über die Schlagzeilen schmunzeln, die sie mit Michael in Verbindung brachten. Sie passten überhaupt nicht zusammen.
„Ich glaube, wir brauchen uns darüber weiter keine Sorgen zu machen“, sagte sie jetzt ganz ruhig. „Simon will mich bestimmt nicht als Assistentin haben. Warum sollte er sich mit einer Frau begnügen, die alle drei Sachen macht, wenn er doch drei verschiedene Frauen auswählen könnte? Du kennst doch Simon, für ihn ist Abwechslung das halbe Leben.“
„In diesem Falle scheint das aber nicht zuzutreffen“, antwortete Georgina. „Er besteht darauf, dass du für ihn arbeitest. Er hat es mir ausdrücklich gesagt. Das Tauchen ist sehr wichtig und muss sorgfältig geplant werden, da es vom Wetter abhängt. Es ist nur für kurze Zeit im Sommer möglich.“
„Erzähl ihm, dass ich nicht schwimmen kann“, gab Christy schroff zurück. „Ich will diese Stelle nicht, Mum. Ich habe mich auf einen ruhigen Sommer gefreut.“
„Christy …“ Georgina sah ihre Tochter hilflos an. Wie sollte sie Christy überzeugen, ohne zu sehr in sie zu dringen? „Liebling, ich fürchte, er ist fest entschlossen, dich zu überreden …“
Die Worte waren unglücklich gewählt, Christys Augen funkelten.
„Er hat vor, dich hier zu besuchen. Ich konnte ihn einfach nicht davon abbringen. Wenn du dich weigerst, ihn zu empfangen, dann …“
„… wird er annehmen, ich würde ihn immer noch anhimmeln“, warf Christy zornig ein. „Weshalb sollte ich aber eine Arbeit annehmen, nur um jemandem etwas zu beweisen, an dem ich überhaupt nicht interessiert bin?“
„Nun, wenn das deine Meinung ist …“
Georgina war so hilflos und unsicher, dass Christy sie verwundert betrachtete. Sie kannte ihre Mutter gut genug, um zu wissen, dass sich hinter diesem Ton etwas verbarg. „Offensichtlich stimmst du mir nicht zu.“
„Die Frage ist nicht, ob ich dir zustimme“, gab Georgina zu bedenken, „sondern eher, weshalb du so sehr dagegen bist. Wenn du wirklich nichts für Simon empfindest, sehe ich nicht ein, warum du das Angebot ablehnst. Erst neulich sagtest du, du würdest gern in die Karibik fahren, wüsstest aber nicht, wovon du es bezahlen solltest.“
„Dabei habe ich an einen Urlaub gedacht, nicht an Arbeit. Und du hast recht, Simon ist mir nicht gleichgültig“, sagte sie kurz angebunden. „Ich mag ihn nicht. Wir könnten nicht harmonisch zusammenarbeiten.“
„Auch wenn du entschlossen bist, wird Simon bestimmt versuchen, dich umzustimmen. Dieses Buch bedeutet ihm viel. Er hat schon alle Vorarbeiten geleistet, es fehlt ihm nur noch die Reise ins Karibische Meer.“
„Und natürlich darf den Wünschen des großen Simon Jardine nichts im Wege stehen.“ Christy war jetzt richtig verbittert. „Ich bin schon einmal Opfer seines Ehrgeizes geworden, das soll mir nicht wieder passieren.“
Georgina war nach oben gegangen, um auszupacken, und Christy genoss im Garten die letzten Strahlen der Nachmittagssonne. Es war ihr jedoch nicht möglich, sich richtig zu entspannen. Sie hatte bestimmt die rechte Entscheidung getroffen. Simon Jardine hatte ihr einmal sehr wehgetan. Die Erinnerung daran war immer noch schmerzhaft, aber er konnte sie jetzt nicht mehr verletzen.
Warum lehnte sie dann sein Angebot ab? Christy zwang sich, ehrlich zu sein. So musste sie zugeben, dass sie die Stelle angenommen hätte, würde sie mit jemand anders zusammenarbeiten. Käme der Vorschlag von Michael Trent, so hätte sie sofort zugegriffen. War Simon ihr gleichgültig? Natürlich nicht, aber sie liebte ihn nicht mehr. Dennoch war ihr Entschluss sicher richtig.
In jenem Sommer war sie die ganze Zeit über von ihren Gefühlen hin und her gerissen gewesen. Das wollte sie nicht noch einmal durchmachen. Sie war jetzt mit ihrem Leben zufrieden und wollte sich nicht ständig ihre Unabhängigkeit ihm gegenüber beweisen müssen. Simon würde niemals akzeptieren, dass er keine Wirkung auf sie hatte. Er erwartete von jeder Frau, dass sie ihn bewunderte, gleichgültig ob er das Interesse erwiderte oder nicht.
Ich muss ihn vergessen, schimpfte sie mit sich selbst, darf nicht mehr an ihn denken, will mich stattdessen auf den kommenden Sommer freuen. Sie schloss die Augen, doch keine Träume von der Zukunft kamen, sondern die Erinnerung an die Vergangenheit. Sie wehrte sich nicht länger dagegen, gab sich den Gedanken hin. Vielleicht half es ihr, über alles hinwegzukommen.
Christy war gerade achtzehn Jahre alt geworden und besuchte eine Sekretärinnenschule. Ihr Aussehen hatte sich seitdem kaum verändert, nur ihre Bewegungen waren damals kindlich und unsicher gewesen. Auch ihre Gefühle hatten offen in ihrem Gesicht gestanden.
Georgina war nach London gefahren. Nach einer Woche rief sie an und verkündete, dass sie Gäste mit nach Hause bringen würde, ihren Verleger und einen jungen Autor. Christy hatte sich keine besonderen Gedanken darüber gemacht. Sie kannte Jeremy Thomas seit ihrem fünften Lebensjahr, und er kam nicht zum ersten Mal zu Besuch.
Als sie ankamen, war Christy im Obstgarten und las ein Buch. Sie war nicht aufgestanden, denn Mrs Carver, die einmal in der Woche zum Putzen kam, konnte sich um die Gäste kümmern. Später würde sie hineingehen, sich umziehen und Guten Tag sagen. Jetzt hatte sie keine Lust. Ihre weißen kurzen Shorts waren voller Gras, ihr T-Shirt spannte über der Brust. Obwohl sie schon achtzehn war, wuchs sie immer noch. Sie schämte sich ihres Körpers etwas, denn im Gegensatz zu ihrer zierlichen Mutter, hatte sie runde Formen. Georgina nannte sie lächelnd sexy, aber sie selber konnte sich mit ihrer Figur, die die Blicke der Männer anzog, noch nicht abfinden.
Christy lag auf dem Bauch im Gras und war so versunken in ihr Buch, dass sie alles um sich herum vergessen hatte. Plötzlich beugte sich jemand über sie und las laut ein paar Zeilen aus ihrem Buch vor. Die Stimme war heiser, sehr männlich. Sein Tonfall verlieh den Worten eine Sinnlichkeit, die für Christy ganz neu war. Ärgerlich schlug sie das Buch zu und sah den Eindringling an. Sie hasste es, wenn jemand sie beim Lesen störte. Sie identifizierte sich noch leicht mit den Heldinnen ihrer Geschichten. Der Fremde hatte die Worte des Helden gelesen, seine Stimme war wie ein Streicheln gewesen. Sie fühlte sich betroffen.
„In deinem Alter solltest du eine Romanze erleben und nicht darüber lesen“, neckte er lächelnd. Er war sehr groß, und mit seinen breiten Schultern verdeckte er die Sonne. Er hatte eine unglaubliche sexuelle Ausstrahlung auf Christy. Zu verwaschenen Jeans trug er ein kariertes Hemd. Unwillkürlich schreckte sie vor seiner Männlichkeit zurück.
Er betrachtete sie so, dass ihr die Röte ins Gesicht stieg. Fast kam es ihr vor, als berühre er sie. Sie begann haltlos zu zittern.
„Du bist also Georginas Gipsy“, sagte er bedächtig, „eine leidenschaftliche kleine Wilde. Ich frage mich, wie lange es dauern würde, dich zu zähmen.“
Christy war empört aufgesprungen. Teils ärgerte sie sein Eindringen, teils fand sie seine Gegenwart aufregend. Sein Haar war noch dunkler als ihr eigenes, das Gesicht leicht gebräunt, und seine Augen hatten eine ungewöhnliche goldene Farbe. Neugierig schaute sie ihn an. Als sie seine Bewunderung bemerkte, war ihr Zorn vergessen.
„Du siehst deiner Mutter jedenfalls überhaupt nicht ähnlich“, stellte er schließlich fest. Merkwürdigerweise kränkten sie seine Worte. Entsprach sie nicht seinen Vorstellungen? Zum ersten Mal in ihrem Leben wünschte sie, wie Georgina zu sein. War dieser Mann etwa der Liebhaber ihrer Mutter?
Er war jünger als Georgina, vielleicht Mitte zwanzig. Seine Ausstrahlung ließ selbst ein unschuldiges Mädchen wie Christy nicht unbeeindruckt. Er sah nicht übermäßig gut aus, dafür waren seine Gesichtszüge zu hart, die Nase war sogar etwas gebogen, so als wäre sie einmal gebrochen gewesen. Trotzdem hatte er etwas an sich, das sie magisch anzog.
Er streckte seine Hand aus und umfasste ihr Handgelenk. Seine Berührung war kühl, und doch brannte sie wie Feuer auf ihrer Haut. „Georgina schickt mich, dich zu holen. Es sieht so aus, als sollten wir beide uns wie liebe Kinder die Zeit miteinander vertreiben, während sie mit Jeremy über Geschäfte redet. Glaubst du, wir schaffen das, Christy?“ fragte er lachend. „Glaubst du, wir können miteinander spielen?“