Vincent Van Gogh -  - E-Book

Vincent Van Gogh E-Book

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Beschreibung

Vincent Van Gogh’s Lebensgeschichte, die längst zu den spannendsten Biografien weltberühmter Maler zählt, wird in diesem neu bearbeiteten E-Book sowohl durch eindrucksvolle Farbwiedergaben bekannter und weniger bekannter Gemälde, Landschaften, Porträts und Stillleben – als auch durch selbstverfasste Zeugnisse eines umtriebigen Lebens vorgestellt, die Einblicke in seine Welt und Werk erlauben. Besessen von seiner Malerei schuf er in nur 10 Jahren ein beeindruckendes Gesamtwerk. Abgelehnt und gedemütigt von der breiten Öffentlichkeit wurde sein verkanntes Genie nicht als Kunst gesehen, von Frauen wurde van Gogh nicht als Mann akzeptiert und von der Kirche als Prediger abgelehnt. Trotz dieser tragischen Umstände sind seine Gemälde von pulsierendem Leben geprägt – Ausdruck faszinierender Schönheit und beseelt von dem Gedanken, die Errungenschaften der Menschheit mit den Gaben der Natur in Einklang zu bringen.

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Seitenzahl: 210

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Selbstbildnis, Paris, Oktober - Dezember 1886 F178 JH1198 Ö auf Leinwand, 39 x 29,5 cm Den Haag, Gemeentemuseum.

VINCENT VAN GOGH

Hans Bronkhorst

Van Gogh's Lebensgeschichte wird in diesem Buch sowohl durch hervorragende Farbwiedergaben bekannter und weniger bekannter Gemälde – Landschaften, Portraits und Blumenstillleben – als auch durch eigene schriftliche Zeugnisse vorgestellt, die einen einzigartigen Einblick in sein Leben und Werk erlauben.

Van Gogh war ein besessen arbeitender Maler. Sein Gesamtwerk entstand im Laufe von nur 10 Jahren. Als ein verkanntes Genie wurde er von der breiten Öffentlichkeit nicht als Künstler gesehen, von Frauen als Mann nicht akzeptiert und von der Kirche als Prediger und Missionar abgelehnt. Trotz dieser tragischen Lebensumstände sind seine Gemälde von pulsierendem Leben erfüllt. Van Gogh war ein Idealist auf der Suche nach Schönheit, von dem Gedanken beseelt, die Errungenschaften der Menschheit mit den Gaben der Natur in Einklang zu bringen.

Das aufwendig gestaltet Buch wird diesem holländischen Maler von internationalem Rang gerecht, der von bahnbrechendem Einfluss auf die Entwicklung der modernen Malerei war.

Anmerkungen

Die Zahlen im Text beziehen sich auf Vincents Briefe an Theo.

Die mit Wil versehenen Zahlen beziehen sich auf Briefe von Vincent an seine Schwester Willemien.

Die mit B versehenen Zahlen beziehen sich auf Briefe von Vincent an Emile Bernard.

Alle angegebenen Briefe befinden sich in: Verzamelde brieven van Vincent van Gogh, Wereldbibliotheek, Amsterdam 1974.

Die mit JH versehenen Zahlen im Text beziehen sich auf den Gesamtkatalog „Van Gogh en zijn weg“ von Jan Hulsker, Meulenhoff, Amsterdam 1979.

Die Bildüberschriften geben zu den JH Nummern auch die F Nummern an. Diese beziehen sich auf den Katalog von J.B. de la Faille, The Works of Vincent van Gogh, Meulenhoff International, Amsterdam 1970.

Zusätzlich zu den hier angegebenen Quellen wurde eine große Zahl von anderen Werken benutzt. Diese sind in der Bibliographie aufgeführt. Der Autor möchte Anita Vriend, Bibliothekarin am Rijksmuseum Vincent Van Gogh, Amsterdam, seinen Dank für ihre Hilfe bei der Zusammenstellung der Bibliographie aussprechen.

VINCENT VAN GOGH

Hans Bronkhorst

Digitalisierte Neuausgabe 2020

Hrsg. Heinz Hermann Serges

© Originalausgabe by Royal Smeets Offset B.V., Weert, Niederlande

© by Media Serges B.V., Weert, Niederlande

© by Serges Medien, 42659 Solingen

Alle Rechte vorbehalten.

Für Werke von Bildenden Künstlern, angeschlossen bei einer CISAC-Organisation (oder vergleichbaren Organisationen) sind die Urheberrechte geregelt mit Beeldrecht Amsterdam, Niederlande

© 1996 c/o Beeldrecht

Realisierung der Digitalausgabe: Zeilenwert GmbH., 07407 Rudolstadt und Ingenieurbüro Müller, 76228 Karlsruhe

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Biographischer Überblick

I

Ein Menschenfreund

II

Der Maler der Bauern Etten, Den Haag, Drenthe, Nuenen, Antwerpen

III

Die Aufhellung der Palette Paris

IV

Die Sonne der Provence Arles

V

Übersetzung in Farbe Saint-Rémy-de-Provence

VI

Weizenfeld mit Krähen Auvers-sur-Oise

Literaturverzeichnis

Namensverzeichnis

Fotonachweis

Biographischer Überblick

1853

Vincent Willem van Gogh wird am 30. März als Sohn des Predigers Theodorus van Gogh und seiner Frau Cornelia, geb. Carbentus, im niederländischen Groot-Zundert geboren.

1857

Geburt von Theo van Gogh am 1. Mai.

1861

Vincent kommt in die Dorfschule in Zundert.

1864

Einschulung in das Internat in Zevenberge, das er bis zum Sommer 1866 besucht.

1866

Vom 15. September 1866 bis zum 19. März 1868, also weniger als zwei volle Schuljahre, ist er Schüler an der „Rijks Hogere Burgerschool Willem II“ in Tilburg. Er verlässt die Schule aus ungeklärten Gründen, möglicherweise war der Schulaufenthalt für die Familie zu kostspielig. Bis 1869 bleibt er zu Hause.

1869

Vincent wird als Lehrling in der Filiale der Pariser Kunsthandlung Goupil & Cie. in Den Haag eingestellt. Diese Den Haager Niederlassung, die sein Onkel Vincent gegründet hatte, lag in den „Plaats“. Heute ist an dem Gebäude eine Erinnerungstafel angebracht.

1871

Der Vater, Theodorus van Gogh, wird als Pastor nach Helvoirt in Brabant versetzt und zieht mit der Familie dort hin.

1872

Ab August beginnt Vincent regelmäßig an Theo zu schreiben. Er wird dies die folgenden 18 Jahre, bis zu seinem Tode, beibehalten und während dieser Zeitspanne über 650 Briefe an den jüngeren Bruder senden.

1873

Er wird zuerst nach Brüssel und dann in die Londoner Filiale von Goupil & Gie. versetzt.

1874

Im Oktober wird Vincent vorübergehend im Haupthaus in Paris beschäftigt, bereits im Dezember jedoch wieder nach London geschickt.

1875

Im Mai wird er schließlich endgültig in die Hauptgeschäftsstelle, nach Paris, versetzt. Er vernachlässigt jedoch seine Arbeit und widmet sich dem Studium religiöser Schriften.

1876

Zum 1. April wird Vincent entlassen. Er fährt nach Ramsgate bei London und verdingt sich als Hilfslehrer gegen Kost und Logis. Mitte des Jahres zieht er nach Isleworth, einem Arbeiterviertel am Stadtrand von London, wo er als Lehrer und Hilfsprediger bei einem Methodistenpfarrer arbeitet.

1877

Im Januar kehrt er in die Niederlande zurück und arbeitet als Gehilfe bei dem Buchhändler Blussé und Van Braam in Dordrecht. Er überzeugt den Vater von seiner religiösen Berufung und zieht nach Amsterdam zu seinem Onkel Jan van Gogh. Um die Aufnahmeprüfung an die theologische Fakultät der Universität Amsterdam bestehen zu können, nimmt er Unterricht in Griechisch und Latein bei M.V. Mendes da Costa. Das Studium der klassischen Sprachen fällt ihm jedoch schwer, und er gibt den Plan, an der Universität Theologie studieren zu wollen, auf.

1878

Ende August schreibt sich Vincent van Gogh am Evangelischen Kolleg in Brüssel für einen Kurs ein, um als Laienprediger tätig werden zu können. Die Evangelistenschule weist ihn jedoch ab. Trotzdem fährt er im November in die Borinage, das belgische Kohlerevier, wo er in Wasmes eine Stelle als Hilfspfarrer bekommt.

1879

Vincent wird nach 6 Monaten wegen seiner extremen religiösen Anschauungen vom Kirchenrat in Wasmes entlassen. Er zieht nach Cuesmes, ebenfalls in der Borinage gelegen, und wird unbezahlter Laienprediger. Hier beginnt er ernsthaft zu zeichnen.

1880

Er erhält jetzt finanzielle Unterstützung von seinem Bruder Theo, der nun ebenfalls bei Goupil & Cie. in Paris beschäftigt ist. Vincent zieht nach Brüssel und beschließt, sich dem Malen zu widmen. Er studiert an der Kunstakademie und freundet sich mit dem fünf Jahre jüngeren Maler Anthon van Rappard an.

1881

Vincent kehrt zu seiner seit 1875 in Etten bei Breda lebenden Familie zurück und arbeitet an Zeichnungen. Er verliebt sich in seine Cousine Kee Vos-Stricker, die kurz vorher Witwe geworden war. Sie weist ihn jedoch zurück. Im Dezember kommt es zu einer schwerwiegenden Auseinandersetzung zwischen ihm und seinem Vater und er verlässt Etten. Vincent zieht nach Den Haag, wo er bei dem Maler Anton Mauve Unterricht nimmt. Finanziell wird er weiterhin von seinem Bruder Theo unterstützt.

1882

Er lernt Sien Hoornik kennen, eine schwangere Prostituierte, die auch als Modell arbeitet. Sien zieht mit ihrer fünf Jahre alten Tochter und dem Baby zu ihm.

1883

Vincent trennt sich wieder von Sien und geht nach Drenthe, einer Gegend im Norden der Niederlande mit vielen Torfmooren. Er lebt in Hogeveen, dann in Neu-Amsterdam, und malt und zeichnet die Bauern dieser Landschaft bei ihrer Arbeit. Im Dezember zieht Vincent wieder zu seiner Familie, die mittlerweile in Nuenen lebte, wohin sein Vater versetzt wurde. Hier lebt und arbeitet er zwei Jahre lang.

1885

Der Vater, Pastor Theodorus van Gogh, stirbt am 26. März an einem Herzanfall. Im November geht Vincent nach Antwerpen.

1886

Am 18. Januar schreibt er sich an der königlichen Kunstakademie ein und besucht die Mal- und Zeichenklasse. Es kommt jedoch mit den Lehrern zu Differenzen. Daraufhin verlässt Vincent die Akademie und Antwerpen und fährt zu seinem Bruder Theo nach Paris. Dort macht er die Bekanntschaft einiger Vertreter des Impressionismus. Er beginnt, durch sie beeinflusst, seine Farbpalette aufzuhellen. Zwei Jahre bleibt er in Paris und arbeitet während dieser Zeit an etwa 200 Gemälden.

1888

Am 20. Februar kommt Vincent auf seiner Fahrt in die Provence in Arles an. Bald mietet er sich das sogenannte „Gelbe Haus“. Er plant eine Künstlergemeinschaft mit Paul Gauguin, den er aus Paris kennt, und mit dem er von Oktober bis Dezember in Arles lebt und arbeitet. Die Beziehung zwischen beiden wird jedoch immer gespannter, und am 23. Dezember erleidet Vincent einen Anfall geistiger Umnachtung, bei dem er sich ein Stück seines linken Ohres abschneidet. Als Ursache seiner Krankheit werden Epilepsie, Trunksucht und Schizophrenie angenommen. Gauguin verlässt Arles, und Vincent wird in das Krankenhaus der Stadt eingewiesen.

1889

Theo van Gogh heiratet am 18. April die 27jährige Jo Bonger. Am 8. Mai lässt sich Vincent van Gogh auf eigenen Wunsch in die Nervenheilanstalt Saint-Paul-de-Mausole in Saint-Rémy-de-Provence einweisen.

1890

Nach einem Jahr in der Anstalt und ständig wiederkehrenden Anfällen reist er am 16. Mai über Paris nach Auvers-sur-Oise. Er freundet sich mit dem dort lebenden Arzt und Kunstfreund Dr. Paul Gachet an, der ihn auch behandelt. Am 27. Juli begeht Vincent mit einer Schusswaffe einen Selbstmordversuch und stirbt zwei Tage später, am 29. Juli, an inneren Blutungen. Er wird auf dem Friedhof von Auvers beigesetzt.

1891

Am 21. Januar stirbt Theo van Gogh in Utrecht, wo er auch begraben wird.

1914

Theos sterbliche Überreste werden nach Auvers überführt, wo er neben seinem Bruder beigesetzt wird. Im gleichen Jahr lässt Jo van Gogh-Bonger die erste holländische Ausgabe von Vincents Briefen veröffentlichen: „Vincent van Gogh, Brieven aan zijn broeder“, 3 Bände, Wereldbibliothek, Amsterdam.

Das Pfarrhaus, Nuenen, Oktober 1885 F182 JH948 Öl auf Leinwand, 33 x 43 cm Amsterdam, Rijksmuseum Vincent van Gogh.

Ein Menschenfreund

Vincent van Gogh wurde nur 37 Jahre alt; ein kurzes Leben als Künstler, vergleichbar mit dem der ebenso jung verstorbenen italienischen Maler Raffael und Caravaggio, oder mit dem seines Zeitgenossen und Freundes Henri de Toulouse-Lautrec. Dabei widmete sich van Gogh erst in seinen letzten zehn Lebensjahren ausschließlich der Malerei und dem Zeichnen. Während dieser relativ kurzen Zeitspanne von 1880 bis 1890 arbeitete er unermüdlich. Trotz Krankheit und finanzieller Nöte schuf er 2125 Werke, davon 825 Gemälde und 1300 Zeichnungen und Skizzen. Den Umfang seines Werkes verdanken wir der Tatsache, dass er sehr schnell arbeiten konnte. Gegen Ende seines Lebens vollendete er häufig ein Gemälde an nur einem Tag, getrieben von einer gewaltigen inneren Schaffenskraft.

Anerkennung von Seiten der Kunstwelt, Kritikern und Händlern, sowie dem Publikum blieb ihm versagt. Erst kurz vor seinem Tod veröffentlichte ein Kritiker eine lobende Besprechung seines Werkes.

Heute werden die Gemälde van Goghs auf dem Kunstmarkt für astronomische Summen gehandelt, bei Auktionen Sensationspreise erzielt. Aufsehenerregende Kunstdiebstähle erweckten das Interesse des Publikums, das dem Maler Zeit seines Lebens nicht gezollt wurde. So lebte van Gogh von 150 Francs im Monat, einer regelmäßigen Unterstützung, die ihm sein vier Jahre jüngerer Bruder Theo gewährte, da sich für keines seiner Bilder ein Käufer finden ließ. Bereits 1912, 20 Jahre nach seinem Tode, wurde für das Gemälde „Die Zugbrücke in Arles“ 32 000 Francs gezahlt. In einem fast prophetisch klingenden Satz eines Briefes an seine Schwester Willemien, schrieb Vincent 1888 (Wil 4): „Viel Geld wird für das Werk eines Malers gezahlt, wenn er gestorben ist.“

Berufung und Mission

Vincent van Gogh sagte von sich selbst, dass er alles mit wahrer Leidenschaft male und sah seine Aufgabe als Künstler als eine Sendung zum Wohle der Menschheit an. Seine Gemälde und seine Symbolik sollten Bedeutungsträger sein, die für den Betrachter eine allgemeingültige Aussage enthalten sollten. Aus einem tiefen, inneren Bedürfnis heraus drückte er seine Beobachtungen und Erfahrungen in Bildern und Zeichnungen aus. Sein Werk beruht auf den Errungenschaften des Impressionismus. Üblicherweise wird er zu den Neo-Impressionisten hinzugezählt, obwohl sich sein Werk auch hiervon abhebt. Er nimmt vielmehr eine vermittelnde Position zur Malerei der Klassischen Moderne, des Expressionismus und des Fauvismus ein, für die er, durch Vorwegnahme einiger ihrer Elemente, wegbereitend war. Keiner definierten Kunstströmung zugehörend, malte und zeichnete er ohne jegliche Zugeständnisse an akademische Regeln und Normen oder den Zeitgeschmack.

Beim Kunsthändler

Vincent begann seine berufliche Laufbahn als junger Mann bei einem renommierten Kunsthändler. Nach sieben Jahren Tätigkeit in dieser Branche, die ihn in keiner Weise befriedigte, folgte er einer inneren Berufung und wollte Prediger werden. Nach verschiedenen Stationen kam er in die Borinage, um dort das Wort Gottes unter den Bergarbeitern zu verbreiten. Durch seine radikalen Ansichten, sein Engagement für die Arbeiter und die Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen, bekam er bald Schwierigkeiten, die ein Weiterführen seiner Tätigkeit unmöglich machten. Er begann zu zeichnen und erkannte in der Malerei eine Möglichkeit, die Menschen anzusprechen und ihnen eine Botschaft zu übermitteln. Nach zehn Jahren gab er auf. Er sagte, er habe die Erfolglosigkeit verspürt. Auf seinem Sterbebett liegend meinte er, es würde immer Schwermut um ihn sein, und es wäre sinnlos, sein Leben zu retten. Seine letzten Werke strahlen eine Vitalität und Kraft aus, die ihm selbst nicht mehr zu eigen war.

Kaffeemahlende Frau, Etten, November 1881 F889 JH75 Federzeichnung, weiß gehöht mit Wasserfarben, 56 x 39 cm Otterlo, Rijksmuseum Kröller-Müller.

In diesem Buch gilt das besondere Augenmerk den letzten Lebensjahren van Goghs. Die ersten Jahre seiner künstlerischen Tätigkeit in Etten, Den Haag und Drenthe werden nur kurz gestreift, etwas ausführlicher wird sein Aufenthalt in Nuenen geschildert.

Die Zeit in Frankreich

Hauptsächlich befasst sich dieses Buch mit dem Aufenthalt van Goghs in Frankreich. Dort kam er mit den neuen Stilrichtungen des Impressionismus und des Pointillismus in Berührung. In Paris entwickelte sich van Gogh zu einem Erneuerer der Kunst: Ein Maler des 20. Jahrhunderts am Ende des 19. Jahrhunderts. Edvard Munch, Maurice de Vlaminck, Henri Matisse, die deutschen Expressionisten der Künstlergemeinschaft „Die Brücke“, zusammen mit Ernst Ludwig Kirchner, später Francis Bacon, wurden von ihm entscheidend beeinflusst. Auch für zeitgenössische Künstler ist van Gogh ein wichtiger Wegbereiter gewesen.

Das literarische Werk

Vincent van Gogh hinterließ auch ein bedeutendes literarisches Werk von ungefähr 800 Briefen, meist an seinen Bruder Theo gerichtet. Diese Briefe, die ursprünglich nicht für eine spätere Veröffentlichung bestimmt waren, geben Aufschlüsse über seine Gedanken während der Entstehungsprozesse von Bildern, seine Begründungen und seine Beurteilungen. Von keinem anderen Maler ist das Werk so detailliert und umfassend beschrieben worden.

Junges Mädchen in einem Gehölz, Den Haag, August 1882 F8 JH182 Öl auf Leinwand, 39 x 59 cm Otterlo, Rijksmuseum Kröller-Müller.

Der Maler der Bauern

Ende April 1881 zog Vincent nach kurzem Aufenthalt in Brüssel nach Etten. Dort wohnte er bei seinen Eltern im Pfarrhaus. An Theo schrieb er (144); „Ich bin sehr froh, dass alles so gekommen ist, dass ich hier ruhig für einige Zeit arbeiten kann.“ Dieser Aufenthalt in Etten war der Beginn seiner künstlerischen Laufbahn. In Brüssel hatte er für kurze Zeit an der Kunstakademie anatomisches und perspektivisches Zeichnen studiert. Im übrigen weitgehend Autodidakt, widmete er sich in Etten wiederum vorwiegend der Zeichnung, die er entweder mit Bleistift, Feder, schwarzer Kreide oder Holzkohle anfertigte, manchmal weiß gehöht und nachträglich aquarelliert. In Etten entstanden auch schon zwei Stillleben in Öl, die jedoch über ein Versuchsstadium noch nicht hinausgingen. „Die Kaffeemahlende Frau“ (JH 75), vom November 1881, eine Federzeichnung, weiß gehöht und mit Wasserfarben koloriert, zeigt eine Brabanter Bäuerin beim Kaffeemahlen. Diese Zeichnung ist ein Beispiel für die Darstellung wirklichkeitsnaher Szenen, wie sie Vincent zu dieser Zeit schuf. Die Zeichnung wurde 1928 von Frau Hélène Kröller-Müller von Hidde Nijland, einem Sammler aus Dordrecht, erworben.

Während er in Etten lebte, widmete er sich besonders der Darstellung von Bauern bei der Feldarbeit, beim Säen und Graben, der Darstellung von Frauen bei Hausarbeiten, wie beim Kartoffelschälen oder Nähen. Themen, die von Jean François Millet (1814 - 1875) schon einige Jahrzehnte früher für darstellungswürdig befunden wurden, und dessen Gemälde van Gogh sowohl thematisch als auch stilistisch beeinflussten. Im Stile Millets zeichnete er einen Sämann und einen Schnitter. Acht Jahre später, in Saint-Rémy, benutzte er diese Zeichnungen als Vorlagen für Ölgemälde. Die herbe, karge Landschaft seiner Heimat, verarbeitete van Gogh ebenso künstlerisch, wie Szenen im Leben der Ärmsten, deren Schicksal er während seines gesamten Lebens teilte. Der Bauer und der Arbeiter waren Hauptthemen seiner Kunst.

Weihnachten 1881 bekam Vincent Streit mit seinem Vater. Der Grund für die Auseinandersetzung waren unterschiedliche religiöse Anschauungen und ein vom Vater missbilligtes Werben Vincents um Kee Vos-Stricker, seine Cousine, die ihn schließlich abwies. Vincent schrieb an Theo (166): „Weihnachten hatte ich einen schlimmen Streit mit Vater und er ging so weit, dass Vater sagte, es wäre besser, wenn ich das Haus verließe. Nun er war so unerbittlich, dass ich am selben Tag das Haus verließ“. Vincent zog von Etten nach Den Haag. Er freundete sich dort mit dem Maler Anton Mauve (1838 - 1888) und weiteren Mitgliedern der sogenannten „Haager Schule“ an. Von Mauve wurde er im Malen und Aquarellieren unterrichtet und fertigte unter seiner Obhut die ersten Ölbilder, unter anderem: „Junges Mädchen in einem Gehölz“ (JH 182). Das Gemälde entstand im August 1882 in den Wäldern bei Den Haag. In einem Brief an Theo erwähnte Vincent diese Waldstudie, die auf einem mit trockenem Laub bedeckten Waldboden, zwischen großen, grünen Buchenstämmen, die kleine Gestalt eines in Weiß gekleideten Mädchens zeigt. Er erklärte Theo die Probleme, die er mit der richtigen Darstellung der Perspektive hatte, und meinte weiter (227): „Der Wald muss so sein. dass man förmlich dann atmen und umhergehen kann, ja, seinen würzigen Duft verspürt." In dieser Studie beschäftigte sich Vincent mit der Einbettung einer menschlichen Gestalt in die sie umgebende Landschaft. Es gelang ihm, mittels einer diagonal verlaufenden Anordnung der gezeigten Baumstümpfe und deren Größenabnahme, Raumtiefe zu suggerieren. Das Mädchen, an einen Baum gelehnt, ist die Bezugsgröße für die räumliche Dimensionierung. Eine hier gezeigte Pinselzeichnung „Kartoffelfeld in den Dünen“ (JH 390), entstand ebenfalls in dieser Zeit.

Kartoffelfeld in den Dünen, Den Haag, August 1883w F1037 JH390 Pinselzeichnung mit Tusche, weiß gehöht, 27,5 x 42 cm, Otterlo, Rijksmuseum Kröller-Müller.

Sien Hoornik

Eine intime Szene zeigt die Zeichnung „Mädchen vor einer Wiege“ (JH 336), ausgeführt mit tiefschwarzer Bergkreide, Bleistift und Weißhöhung. Hier hat Vincent die kurze Episode seines Lebens verewigt, in der er mit einer Frau und deren Kindern fast wie mit einer Familie lebte.

Zu Beginn des Jahres 1882 lernte Vincent in Den Haag eine Prostituierte kennen, die 32jährige Clasina Maria Hoornik, ledige Mutter einer fünf Jahre alten Tochter, Marie. Sie erwartete ihr zweites Kind, als sie zu Vincent zog. Er nannte sie „Sien“. Zuerst verschwieg er Theo die Affäre, aber Anfang Mai 1882 schrieb er an seinen Bruder: „In diesem Winter lernte ich eine schwangere Frau kennen, die vom Vater ihres zu erwartenden Kindes verlassen wurde. Eine schwangere Frau, die sich im Winter auf der Straße herumtrieb und die ihren Lebensunterhalt auf eine Weise, die Du Dir vorstellen kannst, verdienen musste. Ich nahm die Frau als Modell und arbeitete mit ihr den ganzen Winter über. Ich konnte ihr nicht den vollen Lohn als Modell zahlen. Aber dies hinderte mich nicht, ihre Miete zu begleichen und bis jetzt konnte ich, Gott sei Dank, sie und ihr Kind vor Hunger und Kälte bewahren, indem ich mein Brot mit ihr teilte.“ Als Vincent „Kleines Mädchen vor einer Wiege“ im März 1883 zeichnete, war das Kind schon etwa acht Monate alt. Das Werk zeigt die fast sechs Jahre alte Tochter Siens, Maria, mit ihrem kleinen Bruder Willem, der in einer kleinen eisernen Wiege liegt. In dieser Zeit wohnte Vincent, zusammen mit Sien und ihren Kindern, beim Rijnspoor-Bahnhof, einer Gegend, in der er viele Motive fand und zeichnete.

Mädchen vor einer Wiege, Den Haag, März 1883 Fl024 JH336 Schwarze Kreide, Bleistift, weiß gehöht, 48 x 32 cm Amsterdam, Rijksmuseum Vincent van Gogh.

Die Kartoffelesser, Nuenen, April 1885 F82 JH764 Öl auf Leinwand, 82 x 114 cm Amsterdam, Rijksmuseum Vincent van Gogh.

Stillleben mit aufgeschlagener Bibel, Kerzenhalter und Roman, Nuenen, Oktober 1885 F117 JH946 Öl auf Leinwand, 65 x 78 cm Amsterdam, Rijksmuseum Vincent van Gogh.

Umzug nach Drenthe

Im Sommer 1883 verließ Vincent, auf Drängen seines Vaters und Theos, Sien, die ihn durch die Rückkehr zu ihrer früheren Lebensweise persönlich enttäuscht hatte. Am 11. September fuhr er mit dem Zug nach Hogeveen in Drenthe. Insgesamt hatte er zwanzig Monate in Den Haag verbracht und sich in dieser Zeit zeichnerisch stark verbessert. Seine Abneigung gegenüber der Lehrmethode seines Malerfreundes Mauve, der ihn ständig nur Gipsabgüsse zeichnen ließ, führte zum Bruch. In seinen Hoffnungen, bei den Mitgliedern der „Haager Schule“ Anerkennung zu finden, enttäuscht, zog es ihn nun in die karge, herbstlich dunkle Gegend Nordhollands, zu den Torfmooren in Drenthe. Von seinem dreimonatigen Aufenthalt dort haben sich einige gute Zeichnungen erhalten, sowie ein sehr qualitätvolles Aquarell von der Zugbrücke in Neu-Amsterdam (jetzt im Groninger Museum). Aus Drenthe kehrte Vincent Anfang Dezember 1883 zu seinen Eltern zurück, die mittlerweile in Nuenen wohnten, wo sein Vater Pastor geworden war.

Nuenen

Ursprünglich beabsichtigte Vincent nicht, lange bei seinen Eltern zu bleiben. Tatsächlich lebte und arbeitete er jedoch zwei Jahre in dem kleinen Ort in Nordbrabant. Hier schuf er ein Gemälde, von dessen Qualität er trotz aller Selbstkritik, sein Leben lang überzeugt war, „Die Kartoffelesser“.

Im März 1885 fertigte er eine Ölstudie von vier Bauern an, die beim Essen saßen (JH 686). Darauf folgte im April eine erste Fassung, heute in Otterlo, mit einer Gruppe von fünf Personen um einen Tisch sitzend (JH 734), und schließlich die Endfassung der „Kartoffelesser“ (JH 734), eine ländliche Genreszene, fünf Personen in einem nur spärlich beleuchteten Raum, bei einer Mahlzeit gezeigt. Diese letzte, hier im Buch abgebildete Version befindet sich heute im Van Gogh Museum in Amsterdam. Die Entstehungsgeschichte dieses Werkes wurde von einem Freund Vincents beschrieben (435e): „Eines Abends, nachdem er den ganzen Tag im Freien gemalt hatte, kam er zum Haus der Familie de Groot, und ging, wie so oft hinein, um sich ein wenig auszuruhen. Die Familie hatte sich gerade um den Tisch gesetzt und mit dem Essen begonnen. Vincent griff spontan nach Leinwand, Pinsel und Palette und begann, die Gruppe zu malen.“ Das ganze Frühjahr 1885 war er völlig von diesem Thema gefangengenommen. Nach der ersten Ölskizze vor Ort fertigte er eine Serie von Porträtstudien von Bauern und Bäuerinnen, als Zeichnung und als farbige Studien. Er zeichnete auch faszinierende Detailskizzen, so eine Hand, die eine Kaffeetasse umfasst, eine Hand, die eine Gabel hält, Skizzen vom Löffelregal und der Uhr an der Wand. Die endgültige Version des Gemäldes ist im Atelier nach den Skizzen und aus dem Gedächtnis gemalt. Die vorausgehenden Studien nährten während des künstlerischen Entstehungsprozesses seine Phantasie mit Bildern. Auf der Amsterdamer Fassung, die er Anfang Mai 1885 vollendete und zu Theo nach Paris schickte, sind uns die dargestellten Personen namentlich überliefert. Von rechts: Die Mutter, Cornelia de Groot van Rooij (59), die den Kaffee ausschenkt; ihr Bruder, This van Rooij (62), der eine Kaffeetasse in der Hand hält; Cordina de Groot (30), die Tochter und Sis van Rooij (46), ein jüngerer Bruder der Mutter de Groot. Der Name des Mädchens, das in Rückansicht gezeigt wird, ist nicht überliefert. Das kleine Haus der Bauernfamilie lag am heutigen Gerwenseweg in Muens, bei der Windmühle De Roosdonck. Das ursprüngliche Gebäude brannte im 2. Weltkrieg nieder und ein Neubau entstand am selben Ort. Vincents Einstellung zu seiner Darstellung wird aus einem Brief vom 30. April 1885 an Theo deutlich (404): „Ich habe versucht zu zeigen, wie diese Menschen unter der Lampe mit denselben Händen, die in der Erde nach Kartoffeln gegraben haben, nun nach den Kartoffeln in der Schüssel langen; ein Bild der körperlichen Arbeit, des redlich verdienten Mahles. Ich wollte ein Dasein aufzeigen, mit dem unsere kultivierte Lebensform nichts mehr gemein hat. Deshalb liegt mir auch gar nicht daran, dass das Bild auf Anhieb gefällt, oder gar bewundert wird.“

Ein Maler bäuerlichen Lebens

Vincent bezeichnete „Die Kartoffelesser“ als „ein echtes Bauernbild“. Er fügte hinzu: „Wenn jemand die Bauern sentimental darstellen will, so soll er es tun. Soweit es mich angeht, so bin ich überzeugt, dass letztlich die Ergebnisse besser sind, wenn sie so rau gemalt werden, wie sie sind und nicht mit konventioneller Schönfärberei." An anderer Stelle meinte er, „ein Bauernbild sollte nach Speck, Rauch und dampfenden Kartoffeln riechen.“

Pappelallee bei Nuenen, Nuenen, November 1885 F45 JH959 Öl auf Leinwand, 78 x 97,5 cm Rotterdam, Museum Boymans-van-Beuningen.

Über zwei Jahre später, im Sommer 1887, als er Nuenen schon verlassen hatte und nach kurzem Aufenthalt in Antwerpen in Paris angekommen war, schrieb er einen Brief an seine Schwester Willemien (Will): „Ich glaube, dass das Bild von den Bauern, dass ich in Nuenen gemalt habe, immer noch das beste ist, was ich je geschaffen habe.“ Drei Monate vor seinem Tod, am 29. April 1890, schrieb er aus Saint-Rémy an Theo (629): „Könntest Du mir einige meiner alten Zeichnungen mit Personen schicken? Ich möchte eine andere Fassung von dem Bild mit den Bauern malen, nur beleuchtet vom Lampenlicht.“ Vincent verwirklichte diesen Plan zwar nicht, fertigte aber im Frühjahr 1890 in Saint-Rémy eine Reihe von Studien und Zeichnungen von Bauern an, die gerade eine Mahlzeit einnehmen.

Künstlerische Einflüsse

Es sind - bezüglich seiner Schaffenszeit in Nuenen - einige Bemerkungen über den Einfluss, den andere Maler, Vorgänger und Zeitgenossen, auf van Goghs Werk ausübten, zu machen. Er selbst nannte hierfür den französischen Maler L. A. Lhermitte (1844-1925), einen Künstler, der 8 Jahre älter als van Gogh war, und der vorwiegend ländliche Genreszenen darstellte. Auch Jozef Israels (1824-1911), ein Mitglied der „Haager Schule“, dessen Werk van Gogh sehr verehrte, war von entscheidendem Einfluss. Anfang März 1882 bewunderte er in Den Haag ein Gemälde Israels „Das karge Mahl“, ein mit den „Kartoffelessern“ verwandtes Thema. Der niederländischen Tradition Rembrandts folgend, gestaltete van Gogh das Hell-Dunkel, stellte er Licht durch den Kontrast zur Dunkelheit dar. Den Grundtenor seiner damaligen Palette nannte er selbst „Seifengrün“. Er bevorzugte tertiäre oder Erdfarben.