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Die siebenjährige Viola langweilt sich an einem regnerischen Herbsttag sehr. Alle Märchenbücher aus ihrem Bücherregal hat sie schon gelesen. Auf das Fensterbrett trommeln seit Tagen schwere, dicke Regentropfen. Bestimmt ist ein Ungeheuer aus einem ihrer Märchenbücher geklettert und hat die Sonne heimlich aufgefressen, so zumindest fühlt es sich für Viola an. Aber sie ist ja kein kleines Kind mehr und schiebt diesen Gedanken schnell beiseite. Da beschließt Viola, dass nur ein Spaziergang im Wald sie vor der Langeweile retten kann. Heimlich macht sie sich allein auf den Weg und taucht unterwegs in eine wundersame Welt ein, in der Blumenkinder sie zu sich nach Hause einladen.
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Seitenzahl: 23
Veröffentlichungsjahr: 2021
Für unsere Kinder und Enkelkinder
Anselm und EilikaLia, Jonathan, Levi, Florian und JaroPauline, Ricarda und Gregor
Die Bäume und Steine werden dich Dinge lehren,die dir kein Mensch sagen wird.
Bernhard von Clairvaux
Eisiger Wind und große dicke Regentropfen schlugen ihr entgegen, als sie aus der Schule trat. Viola zog ihre rote Filzmütze tiefer ins Gesicht und stapfte vorsichtig durch die Pfütze vor dem Schulhof. Die kleinen Hände hielten den Kragen des grünen, warmen Wollmantels fest umklammert, sie fühlten sich kalt und rau an.
Sie hatte keine Lust, nach Hause zu gehen, schon gar nicht wollte sie auch nur eine Minute länger auf dem Schulgelände bleiben. Schon wieder hatte sie es keinem recht machen können. In der großen Pause hatte sie sich mit ihrem Pausenbrot abseits der spielenden Kinder gestellt. Seit ihre beste Freundin Mila in eine andere Stadt gezogen war, mochte sie die Pausen nicht mehr so gern, sie fühlte sich ein wenig allein. Viola empfand keine Freude daran, andere zu schubsen oder laut brüllend durch die Flure des alten Backsteingebäudes zu rennen. Frau Lehmann, ihre Klassenlehrerin, hatte sie heute zur Seite genommen und sie gefragt, ob sie denn nicht mit anderen Kindern spielen wolle. Viola war in Gedanken bei Mila, in der anderen Stadt, sie war still und traurig, sie wollte heute nicht mit Frau Lehmann sprechen.
Sie war, wie sie war - ein Mädchen von sieben Jahren, das viel lieber im Wald spazieren ging, Blumen pflückte, den Vögeln zuhörte, statt fünf unendlich lange Stunden täglich in der stickigen Schulluft zu sitzen und sich vor den Lehrern rechtfertigen zu müssen, warum sie lieber aus dem Fenster als in das Mathebuch sah. Ďas Diktat, das sie in der dritten Stunde zurückbekommen hatte, zeigte, dass sie auch in Deutsch fleißiger lernen sollte. Das schrieb Frau Lehmann so auch in Violas Hausaufgabenheft ein.
Schlecht gelaunt stieß sie mit dem linken Fuß eine Kastanie aus dem Weg, die der Herbstwind schon vor Tagen von den dicken, alten Kastanienbäumen, die an der Straße standen, heruntergepustet hatte. Kaum ein einziges Blatt war noch an den Bäumen und Viola schien es auf dem Nachhauseweg, als ob sämtliche Farbe aus ihrem kleinen Leben gewichen wäre. Nur ab und an schaukelte an einer Linde ein kleines, ausgefranstes gelblichbraunes Blatt, wenn das nun auch noch weg wäre...
Der Weg nach Hause schien Viola heute eine kleine Ewigkeit zu dauern. Ihre Füße waren schwer und sie spürte, wie das Regenwasser ihre Schuhe eroberte. Den Schal band sie mehrfach fest, doch der Wind