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Was geschieht, wenn die Seele weder Himmel noch Hölle verdient? 1462: Das Osmanische Reich ist unter Sultan Mehmed II. auf dem Vormarsch. Der für seine Grausamkeit bekannte Fürst der Walachei, Vlad Drăculea, stellt sich den Türken mit all seiner Macht entgegen. Doch auch er droht zu scheitern, als ein Verbündeter des Sultans eine Schwachstelle des gefürchteten Herrschers ausnutzt. Um die drohende Niederlage abzuwenden, trifft Vlad eine folgenschwere Entscheidung …
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Veröffentlichungsjahr: 2024
Vorwort
Vlad
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Epilog
Danksagung
Über die Autorin
Band 2
Impressum
Copyright © 2018 by Charlotte da Silva
da Silva, Charlotte: Vlad - Der erste Seelenfänger
2. überarbeitete Auflage November 2019
Alle Rechte am Werk liegen beim Autor:
Charlotte da Silva
c/o Fakriro GbR
Bodenfeldstr. 9
91438 Bad Windsheim
E-Mail-Kontakt: [email protected]
Website: www.charlotte-da-silva.de
Cover: Colors of Cronos, www.colors-of-cronos.style
Illustration (Vlad): Julia Pollok (JunipArts)
Lektorat: Mona Silver
Dieses Buch (E-Book), einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt und darf ohne Zustimmung der Autorin nicht vervielfältigt, wiederverkauft oder weitergegeben werden.
»Was geschieht, wenn die Seele weder Himmel noch Hölle verdient?«
1462: Das Osmanische Reich ist unter Sultan Mehmed II. auf dem Vormarsch.
Der für seine Grausamkeit bekannte Fürst der Walachei, Vlad Drăculea, stellt sich den Türken mit all seiner Macht entgegen. Doch auch er droht zu scheitern, als ein Verbündeter des Sultans eine Schwachstelle des gefürchteten Herrschers ausnutzt.
Um die drohende Niederlage abzuwenden, trifft Vlad eine folgenschwere Entscheidung …
Dieses Buch ist der erste Teil der Seelenfänger-Reihe.
Reihenfolge:
Band 1: Vlad – Der erste Seelenfänger
Band 2: Seelenfänger – Jäger und Gejagte (erscheint 2024)
Band 3: Seelenfänger – Das Blut des Pfählers (noch nicht erschienen)
Wer sich mit dem historischen Vlad Drăculea schon einmal beschäftigt hat, wird in diesem Roman einige der Geschehnisse aus seiner Biografie und bekannte historische Persönlichkeiten wiedererkennen. Dennoch ist die Handlung lediglich von der wahren historischen Figur, den Legenden, die mit der Zeit um sie entstanden sind, und von Ereignissen aus der Vergangenheit inspiriert. Sie erhebt somit keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder Richtigkeit.
Diese Geschichte verknüpft Fantasy mit historischen Elementen und erzählt, wie die Rasse der Vampire – oder Seelenfänger, wie sie sich in meinen Romanen lieber nennen – geboren wurde.
Ich wünsche Ihnen, liebe Leserin und lieber Leser, ganz viel Spaß und freue mich, wenn Sie mir im Anschluss Ihre Meinung über meinen Roman mitteilen würden. Gerne als Bewertung, per Facebook, Instagram, Mail oder über meine Website. Im Gegensatz zu den Charakteren in meinem Buch, beiße ich auch nicht. ;-)
Herzliche Grüße
»Unde ești tu, Țepeș Doamne?«
(Wo bist du, Pfähler, Herr?)
Rumänischer Spruch.
Wird in vom Chaos beherrschten Zeiten gebraucht.
Aus einem Gedicht von Mihai Eminescu.
1444, Adrianopel
Hauptstadt des Osmanischen Reiches
Vlad richtete seinen Blick starr auf sonnengebräunte Hände, die ihn mit einem weißen Seidentuch an einen Baumstamm fesselten. Edler Stoff schmiegte sich sanft an die Haut seiner Handgelenke, im Gegensatz zur Rinde, die sie aufkratzte. Die Türken hatten denselben Baum wie die letzten Male gewählt. Mehr als einmal hatte der Boden, der sich weich unter seinen nackten Fußsohlen anfühlte, bereits von seinem Blut gekostet. Als seine Fesseln stramm saßen, schoben sich zwei Finger unter sein Kinn, hoben seinen Kopf an und zwangen ihn dazu, aufzublicken. Der Baumstamm schmiegte sich rau in die Vertiefung zwischen Vlads Rippen. Salih, ein Ausbilder der jungen Soldaten des Sultans, musterte seinen Gefangenen mit der gleichen entschlossenen Verbissenheit, die Vlad selbst oft an den Tag legte. Vlad bemühte sich, den Blick besonders grimmig zu erwidern. Es war ihm ein Anliegen, dass Salih und jeder andere Türke erkannte, dass kriegerische Zeiten, Gefangenschaft und nicht zuletzt Vlads eigener Vater schon vor langer Zeit einen Mann aus ihm gemacht hatten. Lediglich sein Körper war der eines Dreizehnjährigen.
Salih war nur wenige Jahre älter als er selbst. Vlad schätzte ihn auf sechzehn oder siebzehn, doch in seinen Augen spiegelte sich der gleiche Stolz wider, den er in den Augen so vieler Türken bereits erblickt hatte – ganz gleich ob jung oder alt. Sie waren voller Überzeugung für ihr Volk, ihren Glauben und ihre Politik.
»Dein Starrsinn wird dich eines Tages zu Fall bringen. Du kannst deinem Gott danken, dass du der Sohn des Woiwoden bist. Jeden anderen hätten wir für eine solch beharrliche Auflehnung dem Tod übergeben!« Salih verzog wütend das Gesicht, was Vlad nicht ohne Häme entging. Er blieb ein Fels in der Brandung, an dem sich die Türken wie das tosende Meer brechen sollten. Niemals würde er sich ihrem Willen beugen.
»Willst du dieses Mal um Vergebung bitten und Besserung geloben? Oder bleibst du das sture Kind, wie immer?«, fragte Salih und nahm demonstrativ die Peitsche von seinem Gürtel. Vlad ignorierte die Beleidigung. Er war schon längst kein Kind mehr und seit er in diesem Land war, hatte er sich kein einziges Mal einem Spiel hingegeben. Seine Stimme war von Natur aus ungewöhnlich tief für sein Alter. Dies betont zu seinem Vorteil nutzend, gab er Salih die Antwort, die der junge Türke von ihm erwartete. »Weder das eine noch das andere.«
Er war froh über den harten Klang seiner Sprache, mit dessen Hilfe er sich immer wieder – sehr zum Verdruss der Türken – eine Brücke in seine Heimat baute. Salih entlockte diese Tatsache ein resigniertes Seufzen. Einen kurzen Moment senkte Vlad seinen Blick auf den Boden. Die langen Schatten der anderen beiden Türken, die ihn hierhergebracht hatten, schüttelten die Köpfe über seine Antwort. Es machte ihn stolz, doch er ließ nicht zu, dass sein Gesichtsausdruck ihn verriet.
Salih ließ die Peitschenschnur auf den Boden fallen und schloss für einige Augenblicke müde die Augen. »Du könntest so viel von uns lernen. Du könntest dir Ehrentitel verdienen und bei Zeiten in dein Land zurückkehren, um es mit unserer Hilfe weit zu bringen. Weshalb nimmst du das hier immer wieder auf dich?« Er stieß mit dem Peitschenstiel demonstrativ gegen Vlads gefesselte Hände, sprach beharrlich weiter Türkisch.
Vlad dagegen verweigerte die Sprache seiner Feinde anzuwenden wann immer er konnte. So auch jetzt. Dabei hatte er sie in all den Jahren, in denen er Geisel der Türken war, nahezu fehlerfrei erlernt. »Eure Ehrentitel bedeuten mir nichts. Ich lerne von euch und über euch alles, was ich wissen will. Eines Tages werde ich mit diesem Wissen in mein Land zurückkehren und dort werde ich es ohne eure Hilfe noch sehr viel weiter bringen, das verspreche ich dir.«
Vlad bemühte sich, ruhig zu sprechen, obwohl Salihs scheinheiliges Gerede Zorn in ihm auflodern ließ. Sein eigenes Blut rauschte in seinen Ohren und dämpfte das Zwitschern der Vögel, die sich über ihm in der Baumkrone niedergelassen hatten.
Der hinterlistige Plan der Türken ging seit Jahren auf und Vlad wusste das. Sie nahmen in den Ländern ihrer Feinde immer wieder Gefangene. Viele, wie Vlad, von herrschaftlicher Abstammung. Diese politischen Geiseln wurden gut behandelt und konnten sich hohe Ränge in den Reihen der Türken erarbeiten. Sogar eine Ausbildung innerhalb der Janitscharen, der Eliteeinheit der türkischen Armee, war möglich. Die Geiseln sollten Gefallen am türkischen Leben finden und sich ihrem Feind und dessen Gott mit Leib und Seele verschreiben. Wenn man sich ihrer Treue sicher war, schickte man sie in ihre Heimatländer zurück, wo sie die Gepflogenheiten der Türken und Allahs Wort verbreiten sollten. So waren es die einstigen Gefangenen, die dabei halfen, das Osmanische Reich stetig zu erweitern. Wer sich aber, wie Vlad, nicht durch Versprechungen verführen ließ und den Türken widersetzte, dessen Wille wurde durch Bestrafung gebrochen.
Sowohl sein Vater als auch sein älterer Bruder waren Ritter im Auftrag des Drachen. Sie hatten sich der Aufgabe des Drachenordens verschrieben, das Christentum zu verteidigen. Obgleich Vlad noch zu jung gewesen war, den offiziellen Schwur zu leisten, hatte er ihn in seinem Inneren schon längst abgelegt. Er wollte seinem Vater und seinem Bruder nacheifern. Die Türken sollten keinen Zweifel daran hegen, dass auch er ein Ritter im Auftrag des Ordens war. Sobald er die Gelegenheit dazu bekam, würde er sich offiziell dem Orden verschreiben, dem Namen Drăculea Ehre machen und jedem zeigen, dass das Herz eines Christen in seiner Brust schlug, bereit, das Kreuz um jeden Preis zu verteidigten.
An seinem Versprechen hielt Vlad fest. Bisher hatte ihn nichts dazu bringen können, sich den Türken zu ergeben. Ihre Bemühungen, seinen eisernen Willen zu durchbrechen, scheiterten wie ein Regentropfen, der versuchte den heißen Stein zu kühlen. Und sie hatten schon vieles versucht …
»Dein älterer Bruder Mircea wird nach deinem Vater Woiwode sein und über dein Land herrschen. Mit unserer Hilfe und wenn Allah es will, könntest du ein ebenso mächtiger Mann werden, wenn nicht mächtiger.« Salih gab nicht auf, doch seine Versuche entlockten Vlad nur ein müdes Lächeln.
»Wie oft haben wir dieses Gespräch bereits geführt? Du kennst meine Antwort. Ich werde niemals einer von euch sein. Tu weshalb wir hergekommen sind und verschwende nicht unser aller Zeit.«
Salih stieß ein abfälliges Zischen aus, drückte ihm einen sandigen Stock zwischen die Kiefer und ließ die Peitsche knallen. Der Hieb riss den Boden auf und grub eine dünne Schneise hinein. Moos wirbelte durch die Luft und landete fernab der frisch geschlagenen Furche, wo es bald durch die Hitze vertrocknen würde. Vlad lehnte seine Brust stärker gegen den Baum. Auf ein Handzeichen von Salih hin nahm ein Mann ihm den Stoff von den Schultern, der seinen bloßen Rücken bedeckte. Seine weichen Hände hatten bisher wohl nur Federn geführt und Pergamente gerollt. Der Stoff strich über Vlads alte Wunden von vorherigen Bestrafungen. Über einige hatte sich erst vor kurzem dünne Haut gebildet, die ihn jede Berührung intensiv spüren ließ. Vlads edles türkisches Gewand hatte man ihm bereits abgenommen, bevor Salih ihn an den Baum gefesselt hatte. Es lag ordentlich zusammengefaltet einige Fußlängen von Vlad entfernt auf moosbewachsenen Waldboden. Auch nach Jahren verabscheute er die türkische Kleidung, die man ihn zwang zu tragen. Er heftete seinen Blick starr auf die edlen Gewänder, die sich wie ein Geschwür vom Waldboden erhoben, und schürte seinen Hass, der ihm immer wieder half, die Schmerzen stumm zu ertragen.
In diesen Momenten wünschte er sich, dass er mehr wäre als ein Mensch und einen Körper besäße, den kein Feind zerstören konnte. Bis jetzt hatten sein eiserner Wille und sein junger Körper dafür gesorgt, dass er die Bestrafungen der Türken mit Würde ertragen hatte. Mit Gottes Beistand hoffte er auch dieses Mal, die Prüfung zu bestehen. Jeden noch so kleinen Zweifel daran verbarg er hinter seiner grimmigen Miene. Die Türken sollten niemals wissen, was wirklich in ihm vorging. Er bereitete sich auf die bevorstehenden Qualen vor, indem er jeden Muskel anspannte. Seine Zähne bohrten sich in den Ast zwischen seinen Kiefern. Um seinen Körper während der Auspeitschung unter Kontrolle halten zu können, verscheuchte er jeden Gedanken außer den an Gott und schloss die Augen. Stumm betete er um Stärke und dafür, die Schmerzen wie ein Mann zu ertragen.
Salihs Schritte entfernten sich. Vlad war bereit, doch anstelle des ersten Peitschenhiebes hörte er, wie Salih einen Befehl auf Türkisch gab: »Hol ihn.«
Irritiert über das unübliche Geschehen, trat Vlad von einem Fuß auf den anderen. Aus den Augenwinkeln heraus versuchte er zu erkennen, was die Türken vorhatten. Unsicherheit drohte in seinem Brustkorb heranzuwachsen und machte ihn zornig. Wen sollten sie holen? Für gewöhnlich peitschte ihn Salih ohne großes Aufsehen mit zwei oder drei Handlangern außerhalb des Sultanhofs aus, ehe sie ihn blutüberströmt dorthin zurückbrachten. Vlad mutmaßte, dass die sandfarbenen Steine, aus denen die prachtvollen Gebäude am Hof errichtet waren, nicht durch sein Blut und seinen Schweiß besudelt werden sollten, die unter den Hieben der Peitsche aufspritzten. Warum sie ihn nicht mitten in der Stadt vor den Augen der aufgehetzten Menge auspeitschten, war ihm allerdings ein Rätsel. Vlad konnte nur Vermutungen darüber anstellen. Er hoffte, dass die Türken fürchteten, sich zu blamieren, wenn sie es in der Öffentlichkeit nicht schafften, seinen Willen zu brechen. Dieser Gedanke hatte ihn immer stolz gemacht, doch jetzt verunsicherten ihn die Änderungen der Prozedur. Die Zweifel begannen sich wie eine Krankheit durch die Mauer seiner Konzentration zu fressen. Er durfte nicht zulassen, dass sein Fundament aus Willensstärke und Stolz, das ihm ermöglichte, die Schmerzen zu ertragen, brüchig wurde. Er durfte nicht versagen! Diese Genugtuung wollte er Salih und seinen Männern niemals gönnen.
Die Türken warteten beinah lautlos. Vlad rief sich stumm zur Ordnung, still zu stehen. Er drückte den Rücken durch und machte sich größer, als er war. Voll aufgerichtet konzentrierte er sich wieder auf Gott und atmete betont ruhig und gleichmäßig.
Minuten vergingen. Gegen seinen Willen schweiften Vlads Gedanken ab. Schweiß rann ihm über die Stirn, seine Schläfen hinab und tropfte auf seine Schultern. Aus leidiger Erfahrung wusste er, dass das Salz zusätzlich in den Wunden brennen würde. Seine Kehle fühlte sich trocken und seine Lippen spröde an. Er bemerkte es erst, als er hörte wie einer der Türken dem anderen Wasser anbot.
Da ansonsten niemand etwas sagte, lauschte er seinem wild pochenden Herzen, das durch die Furcht zu versagen angetrieben wurde. Obendrein marterte ihn die drückende Hitze des Hochsommers, trieb ihm mehr und mehr Schweißrinnsale aus den Poren und trocknete seine Kehle.
Endlich hörte Vlad Schritte, die sich ihm näherten.
In einiger Entfernung ertönte eine Stimme, die Vlad nur zu gut kannte. »Ich will, dass du zusiehst und lernst.« Sie gehörte Mehmed, dem Sohn des Sultans. Irgendwann würde er die Nachfolge seines Vaters antreten und einer der mächtigsten Männer der Welt werden. Er war in Vlads Alter und fiel häufig in den Reihen der Türken durch seine Intelligenz auf. Bei Kampfübungen, in denen zwei oder mehr Gruppen gegeneinander antraten, gewann Mehmeds Gruppe außergewöhnlich oft, wobei er selbst nur selten in den Zweikampf ging. Einmal hatte er sich mit seiner Gruppe so lange im Verborgenen gehalten, dass die Übung vier Tage andauerte und man schließlich nach dem Sohn des Sultans suchen ließ, da sein Vater um sein Wohlergehen fürchtete. Ausgebildete Janitscharen und Mehmeds Mitstreiter aus den anderen Truppen begaben sich auf die Suche nach dem Sultanssohn. Darauf hatte Mehmed nur gewartet. Er verbarg sich vor den Janitscharen seines Vaters und nahm die jungen Männer, die nicht mal ahnten, dass sie noch Teil der Übung waren, nach und nach gefangen. Am fünften Tag kehrte er mit seinen Mitstreitern und seinen Gefangenen zurück, hörte sich den Wutausbruch seines Vaters an und erklärte ihm, dass dies ein notwendiger Teil seiner Kampftaktik gewesen sei. Er hatte unbedingt gewinnen wollen, sei aber davon überzeugt gewesen, dass die Männer, die man ihm in seiner Gruppe zugeteilt hatte, im Zweikampf versagt hätten.
Vlad konnte nicht glauben, dass Mehmed dieses Mal seiner Bestrafung beiwohnte. Der Sultanssohn hatte mehrfach betont, dass ihm Vlads Auflehnungen gegen seinen Vater missfielen. Vielleicht sah er nun den Bogen als überspannt an. Der Gedanke, dass Mehmed Vlads Sturheit als Herausforderung betrachten könnte, ließ das Pochen in Vlads Brust noch etwas schneller werden. Mehmed konnte ein gefährlicher Gegner sein, wenn man ihn provozierte. Das hatte er während der Kampfübungen mehr als einmal unter Beweis gestellt. Sein Erscheinen hier vor den Stadttoren konnte nichts Gutes verheißen.
Mehmed kam näher. Vlad hörte außerdem jemanden flüstern, verstand aber weder die Worte, noch wusste er, wer da sprach. Der heiße Wind zerstreute sie und machte sie unverständlich. Gebannt lauschte Vlad, doch noch ehe das Wispern erneut ertönte, befahl Mehmed herrisch, der Sprecher möge schweigen.
Schweres Brokatgewebe rieb aufeinander. Mehmeds förmliche Kleidung machte deutlich, dass er als Sohn des Sultans kam, nicht als Salihs Schüler. Wenn er sich vorgenommen hatte, seinem Vater dabei zu helfen Vlad gefügig zu machen, würde die Bestrafung besonders hart ausfallen. Gebannt starrte Vlad auf die Schatten der Männer vor sich auf dem Boden. Sie verbeugten sich. Jemand von geringer Körpergröße und schmächtiger Gestalt begleitete Mehmed. Vlad erkannte eindeutig den Schatten eines Kindes.
Sein lauter werdender Atem machte ihm bewusst, dass ihm die Kontrolle allmählich entglitt. Er biss kräftiger auf den Ast zwischen seinen Zähnen, um die immer heftiger an seiner Ruhe zerrende Nervosität zu verdrängen. Ausgerechnet dieses Mal, wo es wie nie zuvor darauf ankam, standzuhalten, drohten seine Nerven zu versagen. Er spürte die Blicke der Türken auf seinem entblößten Rücken. Noch immer sagte niemand ein Wort. Vlad erkannte an den Schatten, dass Mehmed die Hand des Kindes in seine nahm. Eine dunkle Vorahnung drohte Vlad gänzlich aus der Fassung bringen. Er betete darum, dass es nicht Radu war, den Mehmed hergebracht hatte. Radu, Vlads jüngerer Halbbruder, der wie er in Gefangenschaft der Türken lebte. Der Drang sich Gewissheit zu verschaffen wuchs ins Unermessliche, doch Vlad verhärtete seine Nackenmuskeln, um sich selbst daran zu hindern, den Kopf zu drehen. Er wollte nicht, dass die Türken und vor allem Mehmed bemerkten, wie sehr sie ihn tatsächlich verunsichert hatten.
»Fahrt mit der Bestrafung fort«, ordnete Mehmed mit kalter Stimme an.
Vlads Atem stockte, als er die Worte so dicht hinter sich vernahm. Man konnte bereits erahnen, dass aus Mehmed einmal ein guter Herrscher für sein Volk werden würde. Er besaß wie Vlad große Willensstärke und obwohl sie sich beide als Feinde sahen, brachten sie sich auch respektvolle Bewunderung entgegen. Wären sie aus dem Schoß derselben Mutter gekommen und hätte sie nicht der Glaube getrennt, sie wären ein machtvolles Gespann gewesen, das die Welt hätte erobern können. Mehmed war ein Denker und Taktiker, der fleißig lernte und viel las, was ihm seine zunehmende Körperfülle beschert hatte. Vlad hingegen sah sich als Schaffer – drahtig und stark mit zupackenden Händen. Er hatte erfahren, dass nicht wenige am Sultanshof seinen unermüdlichen Widerstand als Torheit auslegten. Daher nutzte er während der Übungen jede Gelegenheit, um den Türken und vor allem Mehmed zu zeigen, dass auch in ihm ein scharfer Verstand arbeitete. Vlads Herz und das des Sultanssohns schlugen gleichermaßen stark für ihre Heimat und ihren Gott und in ihren Adern floss das Blut von Herrschern. Obwohl Vlad wusste, dass sie vereint vielleicht sogar unbesiegbar gewesen wären, so war er sich auch sicher, dass – sollten sie sich irgendwann im Krieg gegenüberstehen – keiner von beiden ruhen würde, bis der andere gefallen wäre.
Vlad mahnte sich selbst zur Konzentration, holte seine abschweifenden Gedanken zurück ins Hier und Jetzt. Er durfte nicht versagen. Nicht vor Mehmed. Es gehörte zu dessen Plan, den Druck auf den Gefangenen seines Vaters zu erhöhen. Er suchte eine Schwachstelle, um Vlads Willen zu zerschmettern wie die türkischen Kanonen die Schilde ihrer Feinde. Vlad spannte sich an. Was immer Mehmed vorhatte, er musste standhalten!
Der bedrohliche Schatten Mehmeds berührte Vlad beinahe. Salih führte den Befehl seines Herrn aus und las die Anklage vor. »Vlad Drăculea, Euer Vater und Woiwode, gab Euch aus freien Stücken in die Hände unseres ehrwürdigen Sultans. Euer Aufbegehren gegen ihn ist auch ein Aufbegehren gegen Euren eigenen Vater und Fürsten.«
Vlad hatte das ungute Gefühl, dass die Worte nicht wirklich für ihn bestimmt waren, sondern eher für den Ankömmling. Dessen Schatten wirkte so klein neben Mehmeds. Allmählich war Vlad gänzlich davon überzeugt, dass es sich bei Mehmeds Begleiter um seinen Bruder handelte. Dennoch trafen ihn die Worte, im Gegensatz zu den körperlichen Bestrafungen, ins Herz, das er mit keiner Willensstärke der Welt zu schützen verstand. Er war sich sicher, dass Mehmed sie mit Bedacht gewählt hatte.
Vlads eigener Vater hatte ihn dazu verdammt hier zu sein. Er hatte ihn und seinen jüngeren Halbbruder Radu als Geiseln an den Herrscher des Osmanischen Reiches gegeben. Verbissen verdrängte er den Gedanken an seinen Vater und konzentrierte sich auf Salihs Stimme.
»Es war die Entscheidung des Woiwoden, einen Bund mit unserem Reich einzugehen. Die Ablehnung unserer Regeln und das Aufwiegeln Eures Bruders gegen uns, richtet sich somit nicht nur gegen uns, sondern auch gegen Euren Vater.« Die letzten Worte betonte Salih, legte große Verachtung hinein. Das dumpfe Pochen von Vlads Herzschlag dröhnte in seinen Ohren. Wie sein Vater seinen Eid als Drachenritter hatte brechen können, hatte er nie verstanden. Diese Tatsache war für ihn das Salz in einer nie verheilenden Wunde und Mehmed wusste es auszunutzen. Mehmeds Schatten schien zu wachsen, berührte nun Vlads Beine. Ein Schritt zur Seite zeigte keine Wirkung. Vlad konnte ihm nicht entkommen.
Verbissene Entschlossenheit ließ ihn die Hände ballen. Er würde es nicht zulassen, dass die Türken seinen Vater als seine Schwachstelle ausnutzten! Er war anders als sein Vater. Niemals würde er sich ihnen beugen. Niemals würde er sie über sich herrschen lassen, wie es sein Vater tat!
Salih sprach weiter, Vlad hörte ihm kaum zu. Erst als sein Ankläger ihn direkt ansprach, lenkte er seine Aufmerksamkeit auf ihn zurück. »Am Hofe des Sultans habt Ihr ausnahmslos unsere Sprache zu sprechen. Darüber hinaus ist es Euch streng verboten, Euren Bruder mit Geschichten aus Eurem Land zu verwirren und vom rechten Pfad abzubringen. Ihr habt mit Euren Taten Verrat an unserem Volk begangen, worauf gewöhnlich der Tod steht. Da Allah gnädig ist, gewährt der Sultan Euch eine Strafminderung. Die Strafe erfolgt daher durch die Peitsche.«
Der aufsteigende Hass zerfraß Vlads verbissene Bemühungen ruhig zu bleiben immer mehr. Es war nicht Allahs Barmherzigkeit, die ihn vor dem Tod rettete, sondern einzig die Tatsache, dass nur ein lebendiger Sohn ein Druckmittel für den Vater darstellte. Bittere Galle drängte seine Kehle hinauf, von der er sich sicher war, dass sie seine Fesseln verätzt hätte, wenn er darauf gespien hätte. Er presste seine feuchten Hände fest gegeneinander, damit sein Zittern nicht sein aufgewühltes Inneres verriet.
»Habt Ihr Eure Anklage verstanden und seid Ihr bereit, Eure Strafe zu empfangen?«, fragte Salih und läutete damit das Ende seiner Ansprache ein. Damit Vlad antworten konnte, nahm Salih ihm noch einmal den Stock aus dem Mund.
Vlad wechselte den Stand, ließ Mehmeds Schatten auf sich fallen. In seiner Landessprache sagte er: »Ich verstehe jedes Wort, das du sagst. Ich bin bereit.«
Die Hand von Mehmeds Schatten zuckte. Vlad glaubte seine verachtenden Blicke zu spüren. Nicht genug damit, dass er sich vehement weigerte Türkisch zu sprechen, er sträubte sich auch dagegen, die förmliche Anrede zu gebrauchen. Genugtuung darüber ließ seinen Zorn abschwellen. Holz stieß unsanft an seine Zähne, als man ihm den Ast wieder in den Mund rammte und ließ ihn für einen Moment die Augen zusammenkneifen.
Salih sagte in bemüht gefasstem Tonfall: »Dann wisst Ihr, was Ihr zu erwarten habt.«
Wieder hörte Vlad Kleidung aufeinander reiben, als Salih zurücktrat und sich hinter ihm positionierte. Ein Pferd schnaubte. In einigen Fußlängen Entfernung flimmerte die Luft in der enormen Hitze. Ein nervöses Kribbeln huschte über Vlads Nacken bis hinauf zu seinem Scheitel.
»Lasst ihn sagen, wieviel Peitschenhiebe vollstreckt werden sollen.« In Mehmeds Stimme lag etwas Lauerndes.
Vlad blinzelte den Schweiß aus seinen Augen, fragte sich für einen Moment, ob Mehmed ihn meinte. Gegen seinen Willen fuhr er zusammen, als er die kindliche Stimme seines Halbbruders Radu vernahm. Der Siebenjährige antwortete auf Türkisch. »Vierzig Peitschenhiebe sollen ohne Unterbrechung auf den Angeklagten niedergehen.«
Eifer und Stolz schwangen in Radus Stimme mit. Sie und seine kindliche Unbedachtheit veranlassten ihn wohl, dieses absurde Strafmaß vorzuschlagen. Es würde Vlad töten. Willst du, dass ich sterbe, kleiner Bruder?
Mehmeds Schatten verriet, dass er in die Hocke ging. »Wir wollen ihn doch nicht umbringen. Allah ist gnädig. Zwanzig sollten genügen, denkst du nicht?«
Vlad glaubte das hämische Lächeln, das gewiss in Mehmeds Gesicht stand, hören zu können. Radu nickte und Mehmed richtete sich wieder auf.
»Zwanzig Peitschenhiebe, weil Allah gnädig ist.« Radus Stolz war ungebrochen.
Die Worte schnitten Vlad tief ins Herz. Mehmed hatte seine größte Schwachstelle gefunden. Dank seiner kindlichen Naivität war Radu den Türken verfallen. So sehr, dass er seinen eigenen Bruder verriet. Die Geiselhaft des Jungen trug die Früchte, die der Sultan gesät hatte. Radu bewunderte die Türken, Vlad hatte vergebens versucht, Leidenschaft für die Walachei bei dem Jungen zu erhalten. Seine Bemühungen hatten ihn lediglich hierhergebracht und Mehmed nutzte nun seinen Halbbruder dazu, Vlads Strafe besonders schmerzvoll zu gestalten.
Speichel rann Vlad aus dem Mundwinkel, seine Lider flackerten und er rief Gott stumm um Hilfe an. Er durfte vor Mehmed und seinem Bruder nicht zusammenbrechen.
Dankend empfing Radu das Lob, mit dem die Türken ihn überschütteten. Besonders in Mehmeds Stimme lag eine tiefe Zuneigung für Radu, als er ihn lobte. Eifersucht kochte in Vlad hoch und vermengte sich zusammen mit seinem Zorn zu einem gefährlichen Gemisch. Einmal mehr erkannte er, dass Mehmed keinen Säbel brauchte, um tiefe Wunden zu schlagen. Seine zukünftigen Feinde würden es sehr schwer im Kampf gegen ihn und die Männer haben, die er irgendwann in die Schlacht führen würde.
Ein Knall ertönte, den Vlad nicht unmittelbar zuordnen konnte. Längst war seine sonst messerscharfe Auffassungsgabe getrübt. Völlig unvorbereitet hatte ihn der erste Peitschenhieb getroffen. Tausend Nadeln schienen seinen Rücken zu spicken. Er ächzte, rang nach Luft. Ein gurgelndes Geräusch stahl sich aus seiner Kehle, das zu einem Schrei anzuschwellen drohte. Gerade noch konnte er das verhindern. Vlads trockene Zunge drückte gegen den Ast, in den sich seine Zähne gruben.
Der nächste Peitschenhieb ließ einen Feuerregen auf seinem Rücken niedergehen. Warmes Blut rann seine Oberarme hinab und tropfte von seinen Ellenbogen. Er krümmte sich vor Schmerz zusammen. Nur der Baum hielt ihn auf den Beinen, drückte gegen seinen Brustkorb und erinnerte ihn daran, dass er atmen sollte.
Mehmeds Schatten hatte Vlads vollständig vereinnahmt. Schwer atmend versuchte Vlad sich aufzurichten. Die Peitsche hinderte ihn daran. Erst nach zwei mühsamen Versuchen gelang es ihm schließlich doch. Vlad bemerkte, dass die dünne Haut, der noch nicht vollständig ausgeheilten Striemen, wie überreife Früchte aufplatzte. Der Schmerz warf ihn in eine gebeugte Haltung zurück. Sie erinnerte ihn daran, dass Mehmed seinem Vorhaben gefährlich nahe kam, ihn zu unterwerfen. Blut spritze an die Rinde des Baumes, an den Vlad gebunden war. Die Peitsche knallte wieder und wieder in seinen Ohren, ebenso wie auf seinem Fleisch. Genauso stark wie die Hiebe aber schmerzte ihn, dass sein eigener Bruder begeistert mitzählte. »Acht, neun …«. Die kindliche Stimme verdrängte das Geräusch der Peitsche und war bald das Einzige, das er noch hörte.
Vlad rang keuchend nach Atem, bemühte sich, seinen Blick geschärft zu halten. Nur nicht bewusstlos werden …
»Zwölf, dreizehn«.
Der Feuerregen verwandelte sich in Eis, das seinen gesamten Körper erzittern ließ. Vlads Lunge schrie nach Luft, seine Beine drohten unter der Last seines eigenen Körpers nachzugeben. Erbarmungslos hieb die Peitsche auf die Beherrschung, die Vlad sich mühevoll abzuringen versuchte, ein und zerstörte sie zusammen mit der Haut auf seinem Rücken.
»Fünfzehn, Sechzehn.«
Er glaubte die Peitsche bereits auf seinen blanken Knochen zu spüren. Ihm war bewusst, dass ein Verharren in dieser Vorstellung nur dazu führte, dass er den kargen Rest der Beherrschung auch noch verlieren würde. Er sah sein Blut im Boden versickern und fühlte, wie ihm der Schmerz den Mageninhalt hinauftrieb. Die nächste Zahl, die sein Bruder verkündete, ging in seinem eigenen, animalischen Schrei unter. Der Ast fiel aus seinem Mund vor seine nackten, mit Blut bespritzten Füße. War es anfangs noch ein Schmerzensschrei, bemerkte Vlad, wie sehr er ihn befreite. Zu seiner eigenen Genugtuung verwandelte seine tiefe Stimme ihn in das zornige Brüllen eines wütenden Mannes, einem Kampfschrei gleich. Er verriet keinen schwachen Moment, sondern machte ihn stärker, unbesiegbar. Da er sich nun nicht mehr darauf konzentrieren musste, seine Schreie zu unterdrücken, gelang es ihm, sich wieder aufzurichten und seinen Mageninhalt dorthin zurück zu drängen, wo er ihm keine Schmach bescherte. Sein nächster Schrei klang so zornig und hasserfüllt, dass er seine vorherige Zurückhaltung fast schon bedauerte. Sollten sie ihn alle hören! Bis in das Land seines Vaters sollten sie hören, dass es nicht Schmerz, sondern Zorn war, der aus ihm herausbrach. Niemals würde er sich den Türken beugen! Mehmeds Findigkeit stand immer noch sein eiserner Wille entgegen. Seine rasende Wut verwandelte jeden weiteren Schrei in ein gnadenloses Versprechen an die Türken. Seine Standhaftigkeit war unzerstörbar.
»Zwanzig.«
Sein letzter Schrei hielt noch Momente später an, als das Knallen der Peitsche längst verstummt war. Nachdem er verhallte, herrschte betretene Stille. Kein Türke wagte sich an Vlad heran. Er wusste selbst, dass er wie ein Wahnsinniger anmuten musste, aber es gefiel ihm, dass es die Türken verwirrte und selbst Radu zum Schweigen brachte.
Mehmeds Gestalt schob sich in sein Blickfeld. Vlad schluckte nach Eisen schmeckenden Speichel hinunter. Hatte er sich auf die Zunge gebissen? Möglich. Er spie Blut ins Moos neben sich, hob den Kopf und blickte Mehmed herausfordernd in die dunklen Augen. Es hätte sich angeboten seine Verachtung auszudrücken, indem er Mehmed anspuckte, doch Vlad würde es nicht tun und Mehmed wusste das. Dafür respektierten sich die beiden jungen Männer viel zu sehr. Mehmed hatte einen klugen Schachzug ausgespielt und Vlad hatte bestmöglich pariert, was ihm Mehmeds Respekt zugesichert hatte. Dies wollte er nicht zerstören, indem er wie ein Wilder den zukünftigen Sultan anspuckte.
Mehmed musterte Vlad eingehend und der hielt dem Blick stand. Schließlich sagte Mehmed, ohne den Blick abzuwenden: »Bindet ihn los. Er muss zum Medicus.«
Vlad wusste, dass dies genauso wenig aus Freundlichkeit geschah, wie der Umstand, dass man ihm trotz seiner Verfehlungen das Leben geschenkt hatte. Auch die Behandlung seiner Wunden verdankte er allein der Tatsache, dass er der Sohn des Herrschers der Walachei war und damit eine kostbare Geisel. Die Türken informierten seinen Vater regelmäßig über seinen Gesundheitszustand. Dass dieser bisher immer gut war, lag auch an ihren herausragenden Kenntnissen der Heilkünste. Sie hatten ihn bisher immer wieder auf die Beine gebracht. So konnten sich die Türken mit seiner Gesundheit die Treue seines Vaters immer wieder erkaufen.
Vlad hätte sein Leben ohne zu zögern geopfert, wenn das den Bund seines Vaters mit den Türken gebrochen und sie aus der Walachei vertrieben hätte. Allerdings war er nicht der einzige Woiwodensohn, den die Türken in ihrer Gewalt hatten. Das Leben des kleinen Radus wollte er auf keinen Fall riskieren, auch wenn ihn dieser in kindlicher Unwissenheit verraten hatte. Er konnte sich nicht sicher sein, ob die Türken Radu am Leben ließen, wenn sein Vater mit ihnen brach, weil er, Vlad, während seiner Geiselhaft den Tod fand.
Der Schmerz tobte heftig in seinem Körper, als Vlad sich zu seiner vollen Größe vor Mehmed aufrichtete und ihn zweifingerbreit überragte. Sein Körper versagte ihm jedoch nicht den Dienst. Die drohende Bewusstlosigkeit verdrängte Vlad mit ein paar tiefen Atemzügen. Sein Körper funktionierte und würde hoffentlich noch so lange durchhalten, bis der Medicus mit ihm fertig war und er alleine in seinem Bett auf seinem Zimmer war. Erst dann würde er die Schwäche zulassen.
Während die zwei Männer neben Salih damit begannen, Vlad loszubinden, bemerkte er, dass Blut den Bund seiner Hose tränkte. Fliegen witterten die Gelegenheit und warteten nur darauf, sich auf die Wunden zu setzen. Vlad lächelte schadenfroh, als er sah, wie die Türken widerstrebend seine blutigen Arme umschlangen, um ihn abzuführen. Es erstarb jedoch, als Mehmed seinen Männern durch eine Handbewegung Einhalt gebot. Vlads Beine hielten ihn, doch die Türken umklammerten seine Arme so fest, als drohe er zusammenzubrechen. Widerspenstig versuchte er sich aus dem Griff zu winden, der ihn schwach aussehen ließ. Er war jedoch so fest wie der Wille, das Osmanische Reich auszuweiten.
»Das war das dritte Mal, dass du versucht hast, Radu gegen uns aufzubringen. Beim nächsten Mal lasse ich ihn auspeitschen.« Mehmed war offensichtlich noch nicht mit ihm fertig. Er tat den nächsten Schachzug.
Vlad hörte seinen Atem rasseln und spürte seine trockene Kehle brennen, während er abschätzte, ob Mehmed es wirklich wagen würde, einen Siebenjährigen auszupeitschen. Gerüchte am Sultanshof besagten, dass er ehrliche Zuneigung zu Radu empfand, würde er dennoch diesen Schritt gehen? Vlad brauchte nur in sich selbst hineinzuhorchen, um zu wissen, dass er es tun würde. Mehmed war ihm zu ähnlich. Um seine Ziele zu erreichen, konnte er grausam sein. Wieder trafen sich die Blicke der beiden jungen Männer, versanken tief ineinander. Vlad wusste, dass einer von ihnen nun nachgeben musste, anderenfalls würde Radu in die Mühlen geraten, die ihre Feindschaft antrieben. Der Zorn loderte heißer in seiner Brust als das Feuer auf seinem Rücken.
Mehmed bedrängte ihn weiter. »Ich will, dass du das tust, was ihr Christen so gerne macht. Schwöre auf deinen Gott, Radu nicht mehr zu beeinflussen. Du bist der Zweitgeborene. Wenn Mircea fällt, wirst du als Woiwode eingesetzt. Radu jedoch ist unwichtig. Reize mich nicht, diesen Umstand zu nutzen, Vlad. Schnell ist meinem Vater etwas eingeflüstert, an das er möglicherweise noch nicht denkt. Und wenn ich ihn nicht überzeugen kann, könnte Radu ein Unglück widerfahren.« Er machte eine bedeutungsschwere Pause, ehe er sagte: »Du wirst Türkisch sprechen, wie es mein Vater, der Sultan, von dir verlangt und aufhören, dich zu widersetzen.«
Vlad erschauderte. Er wusste nicht, ob es der brennende Schmerz oder die plötzliche Gefährlichkeit war, die sich lauernd in Mehmeds Blick stahl. Obwohl das Gesicht des Sultanssohns noch rundlich, beinahe kindlich wirkte, verblasste alles, das seine Jugend verraten hätte, neben seinem angriffslustigen Auftreten. Vlad wurde einmal mehr bewusst, dass Mehmeds junges Aussehen nicht weniger trügerisch war, als das seine.
Seine Lippen zitterten und er versuchte sich einzureden, dass es nur Zorn war, der sie beben ließ. Verbergen konnte er es nicht. Hass trieb ihm Tränen in die Augen, die Mehmed hoffentlich in seinem schweißüberströmten Gesicht nicht auffielen. »Eines Tages werde ich mich dafür rächen, Mehmed. Das schwöre ich dir.« Vlads Stimme klang heiser und brüchig, den Klang seiner Sprache zu hören, schenkte ihm nicht die übliche Genugtuung. Er ahnte, dass Mehmed nur die Hälfte verstand, doch es würde reichen, um ihm die Botschaft zu überbringen.
Die Türken, die ihn hielten, scheuchten bereits die Fliegen fort, die ihre Brut in Vlads Wunden setzen wollten, doch Vlad war es egal.
»Ich will, dass du es schwörst, Vlad«, raunte Mehmed unbeirrt. Er ließ sich von der Drohung nicht schrecken, drängte seinen Feind kompromisslos in die Ecke.
Einen kurzen Moment wandte Vlad den Blick ab, um zu Radu zu sehen, der spielerisch einen Holzsäbel schwang und türkische Kampfschreie ausstieß. Er war so in diese Beschäftigung vertieft, dass er seinem Bruder keine Beachtung schenkte. Ein schmerzender Klumpen setzte sich in Vlads Kehle, obwohl er dem Verhalten des Siebenjährigen nicht so viel Bedeutung beimessen wollte. Er war doch noch ein Kind und unter dem Einfluss der Türken. Er wusste nicht, was er tat.
Das Gefühl, Mehmed hätte ihm eine unsichtbare Kette angelegt, verursachte Beklemmung in Vlads Brust. Er wusste, sie würde ihn so lange binden, bis er dem Sultanssohn eine Antwort gab. Und diese war für Radus Schicksal ausschlaggebend.
»Ich warte nicht ewig«, flüsterte Mehmed drohend.
Eine plötzliche Schwäche überfiel Vlad. Er war sich nicht mal mehr sicher, ob sein Körper ihm bis zum Medicus, geschweige denn noch länger, treu blieb.
Mehmed wartete auf seine Entscheidung. Vlad würde seinen Bruder so oder so verlieren, doch noch hatte er die Chance, ihm das Leben zu retten. Das Blut ihrer gemeinsamen Vorfahren verband sie, er konnte ihn nicht opfern. Er musste ihn beschützen, auch wenn das Kind sein Schicksal anders annahm, als Vlad es tat. Vielleicht würde auch in Radus Herz eines Tages das Feuer für sein Land wieder auflodern. Dieser Chance wegen musste er leben. Mehmed traktierte Vlad mit Blicken, die auf seiner Haut schlimmer brannten als die Peitschenhiebe zuvor.
Gerade als der Sohn des Sultans mit erhobenem Arm den Mund öffnete, um seinen Männern einen Befehl zu erteilen, brach Vlad zusammen. Sein eiserner Wille zerbarst und ihm versagten die Knie. Die heiße Luft drohte ihn wie ein Kissen zu ersticken, er rang geräuschvoll nach Luft und wandte seinen verschwommenen Blick von Mehmed ab. Die Türken hielten ihn aufrecht. Mehmeds Gesicht war von Genugtuung erfüllt, als er Vlads Stimme auf Türkisch hörte. »Ich schwöre bei Gott, dass ich meinen Bruder nicht mehr beeinflussen werde.«
Mehmeds Blick wandelte sich. Er sah zufrieden aus, wirkte jedoch nicht überheblich. Obwohl er es als erster geschafft hatte, Vlad, den Sohn des Woiwoden, während seiner nunmehr drei Jahre andauernden Geiselhaft zu brechen. Vielleicht war es sogar so etwas wie Unbehagen, das in Mehmeds Augen aufblitzte, als er erkannte, dass er sein Ziel tatsächlich erreicht hatte. Ein Unbehagen, das auch auf seine Männer übersprang. Vielleicht würden sie diesen Erfolg eines Tages bereuen …
Mit einer hastigen Handbewegung gab Mehmed den Befehl, Vlad abzuführen, und ging voran. Keinen Widerstand leistend, hielt Vlad seinen Blick gesenkt und sah verschwommen, wie Radu an ihm vorbeirannte, Mehmeds Hand umfasste und sich gelegentlich zu ihm umdrehte. Er hatte nichts von Mehmeds Drohung mitbekommen. Weder wusste Radu, was sein Bruder für ihn getan hatte, noch, dass der Mann, dessen Hand er vertrauensvoll hielt, sein Leben opfern würde, wenn er damit sein Ziel erreichte. Radu hatte keine Ahnung, dass die Rivalität der Herrschersöhne sein Leben in Gefahr brachte. Vlad war zu schwach, um seine Verbitterung gegen Mehmed zu richten, der Radu in die trügerische Sicherheit wiegte, sein Beschützer, Lehrer und Freund zu sein.
Instinktiv gelang es Vlad, einen Fuß vor den anderen zu setzen, auch wenn seinen Schritten die übliche Kraft und der Stolz fehlten. Am Rande der Bewusstlosigkeit schwelgte er in der Vorstellung, dass man seine Schreie bis in die Walachei gehört hatte. Grimmiger Hass schwelte in seiner Brust und betäubte alle anderen Empfindungen.
Endlich erreichten sie das Stadttor. Die Sonne blendete Vlad und ließ ihn die Augen zusammenkneifen. Wenige Momente später fiel ein Schatten auf ihn, schirmte den Feuerball am Himmel ab. Vlads Sinne schärften sich, seine Sicht wurde klarer. Er blickte auf, um die Quelle des Schattens auszumachen. Ein Pfahl, nicht ganz so dick wie sein Unterarm, ragte meterhoch vor ihm auf. An seinem oberen Ende hing der leblose Körper eines Menschen, aus dem die Krähen Fleischstücke hinausrissen. Die Haut des Toten trocknete in der Hitze, sein Schädel war nur noch blanker Knochen. Der süßliche Duft des Todes, der von der Leiche ausging, verbannte mit einem Schlag die Schwäche aus Vlads Körper. Er stand wieder sicher auf seinen eigenen Beinen und war weit entfernt von der Bewusstlosigkeit, die ihn gerade noch vereinnahmen wollte. Vlad verharrte so lange im Schatten des Hingerichteten, bis die beiden Männer an seinen Armen zerrten und zum Weitergehen drängten. Wiederstrebend leistete er Folge und betrat blutüberströmt die Stadt.
Die Sonne hatte das Blut auf seinem Rücken bereits teilweise getrocknet. Durch seine schärfer gewordenen Sinne spürte er schmerzhaft die Krusten, die an den Wundrändern rieben. Neugierige Blicke trafen ihn. Salih, der Vlads Türkenkleider trug und mit der Peitsche in der Hand hinter ihm ging, forderte die Schaulustigen auf, sich um ihre eigenen Angelegenheiten zu kümmern. Mehmed hatte sich mit Radu zurückfallen lassen und schritt neben Salih. Der Sultanssohn erregte nicht weniger Aufmerksamkeit als Vlad es tat.
Der schwelende Hass in Vlads Brust war einer Eiseskälte gewichen, die sich in ihm ausbreitete. Ein letztes Mal drehte er den Kopf, warf einen Blick auf den Toten am Pfahl und sog tief den Leichengestank in seine Lunge. »Eines Tages …«, raunte er finster in akzentlosem Türkisch.
16. Juni 1462, Fürstentum der Walachei
18 Jahre später
Mehr als ein Dutzend Kerzen erhellten das Hauptzelt, in dem Vlad den Kriegsrat mit seinen Feldherren einberufen hatte. Die feuchtwarme Luft wurde durch die Flammen weiter erhitzt und umklammerte Vlads Lunge bei jedem Atemzug. Erst vor wenigen Minuten hatte er sich mit kühlem Wasser Gesicht und Haare befeuchtet, doch ihm kam es vor, als sei es Stunden her. Schweißtropfen rannen, begleitet von dem Gefühl kribbelnder Insektenbeine auf der Haut, seine Stirn und seinen Nacken hinunter. Er wischte einige mit dem Handrücken fort und wies den Bojar Galeş, einen Adligen von hohem Rang, der gerade das Zelt betrat, mit einer Handbewegung an, Platz zu nehmen.
Mit seinem Erscheinen war der Kriegsrat vollzählig. Den Männern schien die drückende Hitze ebenso wie Vlad zuzusetzen. Auf ihrer Haut glitzerte der Schweiß im goldgelben Licht der Kerzen. Galeş stürzte den Inhalt seines Bechers so schnell hinunter, dass ein Teil der klaren Flüssigkeit seinen Bart hinabrann. Er nahm seinen ledernen Trinkbeutel vom Gürtel und schenkte sich nach. Noch bevor er den Becher erneut ansetzen konnte, hatte sich Vlad von seinem Platz erhoben, war neben ihm getreten und umklammerte die Hand, die gerade den Becher zum Mund führen wollte. Überrascht blickte Galeş auf, ließ sich den Becher dann wortlos aus der Hand nehmen. Vlad ignorierte die fragenden Blicke seiner Heerführer und hielt sich den Becher unter die Nase. Der Duft nach süßem Wein bestätigte seinen Verdacht. Mit einer schnellen Handbewegung schüttete er den Inhalt auf den Boden und wies einen Bediensteten an, den Becher mit Wasser zu füllen.
»Sind wir denn Tiere?«, fragte Galeş belustigt und zornig zugleich, als er seinen gefüllten Becher zurückbekam und erntete zurückhaltende Blicke.
»Ich dulde keinen Wein! Nichts, das die Sinne berauscht, soll uns von der Verantwortung ablenken, mit der wir über unser aller Schicksal entscheiden«, ordnete Vlad an, nahm seinen Platz wieder ein und setzte seinen eigenen, mit einem Drachen verzierten Becher, an die Lippen. Er genoss, wie das kühle Wasser seine Kehle hi-nabrann. Auch er hielt sich an sein Gebot. Er wusste um die Eigenschaft des Alkohols, einen Mann tollkühn und unvorsichtig zu machen. Niemals fällte Vlad wichtige Entscheidungen, wenn der Alkohol sein Blut berauschte. Niemals ließ er Blut fließen, wenn seine Sinne nicht messerscharf waren. Während andere Herrscher den Kampf oder ihre zuvor angeordneten Hinrichtungen nur im Rausch ertragen konnten und deshalb zu oft richteten oder zu unbedacht mit dem Schwert in den Kampf zogen, legte Vlad großen Wert darauf, alle seine Entscheidungen bei klarem Verstand zu tätigen. So manch einer, der dem Woiwoden vorgeworfen hatte nicht bei Sinnen zu sein, wenn dieser eine Anordnung traf, verrottete schon längst in der kalten Erde der Walachei.
Vlad ließ seine Heerführer Bericht erstatten und beobachtete währenddessen, wie zähflüssiges Wachs einer Kerze auf die Holzplatte des Tisches tropfte und dort zu matten, rötlichen Flecken erkaltete. Die Flamme der Kerze erlosch. Rauch stieg empor und überlagerte für einige Augenblicke den schweren Duft nach verschüttetem Wein, Leder, Schweiß und Pferd.
»Mein Fürst, es gibt keinen Ausweg mehr. Wenn wir hier auf diesem Hügel bleiben, können wir uns zwar gegen feindliche Angriffe verteidigen, doch dem Hungertod entgehen wir nicht. Die Türken wissen das, sie müssen nur warten. Wagen wir einen Angriff, fallen wir dem Feind in die Hände. Während unser Heer mit jedem Tag, der verstreicht, schwächer wird, sammeln Mehmeds Schergen neue Kräfte, die sie ohnehin bald nicht mehr brauchen werden, um uns zu vernichten«, endete Galeş seinen Bericht und sprach aus, was Vlad schon längst wusste. Der erfahrene Krieger führte eine Reitereinheit an. Ein Blick in die ernsten Gesichter der Männer des Kriegsrates bestätigte Vlad, dass sie ebenfalls die ausweglose Situation erfasst hatten, in der sich das walachische Heer befand. Respektvoll senkten sie ihre Blicke, als sie sich Vlads Aufmerksamkeit gewahr wurden. Möglicherweise versuchte der ein oder andere auch nur seine Zweifel an Vlad, dem Woiwoden, zu verbergen, der sie schließlich erst in diese Situation gebracht hatte.
Bis hierher hatte Vlad sich gegen Mehmed und seine Armee, die drohte, ihm sein Land zu entreißen, gut geschlagen. Obwohl seine Streitmacht zum großen Teil aus Frauen, Kindern und Sklaven bestand, hatten sie es den Türken nicht leicht gemacht. Zu ihrer aller Verdruss hatte Vlad nicht verhindern können, dass der Feind vorrückte und den Fluss überquerte. Aber die Türken waren geschwächt von den Tagen und Wochen, die danach gefolgt waren. Sie hatten es zwar als Triumph empfunden, ihrem Feind am Flussufer zu begegnen, doch anstatt wie erwartet zu kämpfen, hatte sich Vlad mit seiner Streitmacht immer tiefer ins Landesinnere zurückgezogen. Dort führte er, wann immer sich die Gelegenheit bot, kleine Überraschungsangriffe mit wenigen Männern aus. Zwar vermochten Vlads Männer damit keinen verheerenden Schlag zu erringen, der dem Feind den Todesstoß versetzte, aber ihre Scharmützel waren wie ein schmerzender Zahn. Nicht lebensbedrohlich, aber doch so zermürbend, dass sie den Feind ablenkten, aus dem Konzept brachten, verunsicherten und schwächten. Ein schmerzender Zahn gab niemals Ruhe und nicht selten konnte er eine Entzündung hervorrufen, die sich weit in den Knochen hineinfraß und das Blut vergiftete. Sogar ein starker und gesunder Mensch konnte sich dann in den klammen Händen des Todes wiederfinden. Vlad wollte dieser faulige Zahn im Maul des türkischen Teufels sein. Er gab keine Ruhe, wollte um jeden Preis seinen Gegner zu Fall bringen. Der Boden seines Landes sollte ihr Grab werden.
Die Türken waren Vlad trotz seiner Angriffe wie treue Hunde ins Landesinnere gefolgt. Die Streitmacht des Woiwoden hatte ihnen jedoch lediglich ein Land der Verwüstung hinterlassen, dessen Durchquerung ihnen obendrein schwer zugesetzt hatte. Vlads Männer hatten ungläubig den Befehl ihres Herrschers vernommen, als die Späher meldeten, dass das Türkenheer ihnen nachfolgte. Mit geballten Fäusten, die Stein zerschmettert hätten, wenn es nur sein Wille gewesen wäre, und einer Stimme wie Donnergrollen, hatte er befohlen: »Brennt alles nieder, lasst ihnen nichts!«
So war es geschehen. Die Menschen, deren Heimat er den Flammen übergeben wollte, sandte Vlad mit allem, was sie tragen konnten, in die Sicherheit der Berge. Trotz seines Versprechens, nach dem Krieg den Wiederaufbau der Dörfer zu unterstützen, weigerten sich einige Bewohner ihre Heimat zu verlassen und verschanzten sich in ihren Behausungen. Vlad blieb unnachgiebig. Er ließ jeden, der sich verbarrikadierte, hinauszerren und brannte die Häuser bis auf die Grundmauern nieder, ohne dem Wehklagen der Bewohner Beachtung zu schenken. Danach waren auch sie gegangen.
Das türkische Heer fand lediglich verlassene Städte vor, in denen sich verkohlte Ruinen wie leere Insektenpanzer aus dem Staub eines alten Folterkellers erhoben. Vlad, der Woiwode, hatte sein eigenes Land verwüstet und wollte nicht ruhen, solange die Türken ihm und seinem Heer durch sein Fürstentum folgten.
Durstig, wie Mehmeds Krieger durch den Marsch und die Hitze waren, stürzten sie sich auf das einzige, was noch wertvoll in den zerstörten Orten war: Wasser aus den Brunnen. Als sie es ihre trockenen Kehlen hinabrinnen ließen, starben die meisten von ihnen innerhalb kürzester Zeit qualvoll. Nur weil das Gift so schnell wirkte, konnten die Türken größere Verluste verhindern. Während das Heer der Walachen weiterzog, war Vlad selbst mit einigen Männern zurückgeblieben. Von einer Anhöhe aus hatte er voller Verachtung auf seinen Feind hinabgeblickt und größten Triumph darüber empfunden, als dieser begriff, dass der Tod im Trinkwasser lauerte. Sicher war Mehmed zutiefst erzürnt über Vlads tödliche Aufmerksamkeit, die er den türkischen Kriegern hatte zukommen lassen.
Mit Freude erkannte Vlad die Schwäche, die durch Unterernährung, Wassermangel, kräftezehrende Kämpfe und den langen Marsch durch ein restlos verwüstetes Land die stolzen Krieger in Mehmeds Armee unerbittlich überfiel.