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Beschreibung

Die Volksballade ist eine Dichtungsgattung, die von mündlicher Überlieferung geprägt ist. Autorin oder Autor werden nicht genannt und sind meist auch nicht bekannt. Diese Sammlung, herausgegeben von Hermann Schladt, enthält die wichtigsten deutschen Volksballaden vom Mittelalter bis zum 18. Jahrhundert und eine Einleitung, in der diese Lyrikgattung ausführlich vorgestellt und erläutert wird.

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Hermann Schladt (Hrsg)

Volksballaden

Titelei

 

 

 

 

 

Volksballaden

 

 

 

Hermann Schladt (Hrsg.)

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

 

Copyright: Edition Rabenpresse im vss-verlag

Jahr: 2021

 

ISBN:

 

Lektorat/ Korrektorat: Hermann Schladt

Covergestaltung: Chris Schilling

 

Verlagsportal: www.vss-verlag.de

Gedruckt in Deutschland

 

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie

 

Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verfassers unzulässig.

 

 

 

Vorwort: Definition der Volksballade

 

Die Volksballade ist eine Dichtungsgattung, die von mündlicher Überlieferung geprägt ist.

 

 

Begriff und literarische Einordnung

 

Die Beziehungen, die zum Begriff Ballade angeführt werden (romanisches Tanzlied), führen zumeist in die Irre. Zusammen mit dem Begriff Volkslied und auf Johann Gottfried Herder zurückgehend (vgl. dessen Sammlung Volkslieder 1778/1779, in der zweiten Auflage 1807 Stimmen der Völker in Liedern genannt) bezeichnet man damit eine Liedform, die (nach J. W. v. Goethe) Episches, Lyrisches und Dramatisches miteinander verbindet.

Die Volksballade erzählt (Epik) eine Geschichte, indem sie die einfache Metrik des populär überlieferten Liedes verwendet (zwei- bzw. vierzeilige Volksliedstrophe mit Endreim) und eigene Gefühle (Lyrik) in einen Refrain oder in besondere Strophen einbindet. Darstellungsformen sind Dialog und eine sprunghafte Anreihung der Ereignisse im Szenenwechsel (Elemente des Dramas) ohne erklärende Zusätze.

Im Gegensatz zur Sage erhebt die Volksballade keinen historischen Realitätsanspruch, verarbeitet aber enthistorisierend, verallgemeinernd auch Themen der Geschichte (etwa wenn sie in balladesker Form das Schicksal der Bernauerin bearbeitet). Sie pocht jedoch auf die „Wahrheit“ ihrer Darstellung, was sie vom Volksmärchen als gewollte Fiktion unterscheidet und dem Bereich des Mythischen näherrückt. Die Volksballade hat ihren eigenen Wahrheitsanspruch, der nicht von geschichtlichen Fakten und bestimmten Namensformen abhängig ist (vergleiche Tannhauser). Mit dem Anspruch auf Wahrheit hängt wohl auch zusammen, dass Volksballaden in der Regel in der Hochsprache (Hochdeutsch und Niederdeutsch) überliefert sind, nicht in der Alltagsmundart. Märchen, Sage, Lied sind die Hauptformen der Volksdichtung, zu denen es jeweils parallele Gattungen in der Hochliteratur gibt, für die Volksballade die Kunstballade.

 

Charakteristik der Gattung

 

Die Volksballade ist wie jegliche Überlieferung unter den Bedingungen der Mündlichkeit (vergleiche Mündliche Überlieferung) eine stark konzentrierende, engführende Literaturform, die durch Wiederholungen, formelhafte Sprache (epische Formel), Kürze und Stilisierung gekennzeichnet ist. Für gleiche und ähnliche Szenen der Handlung werden vorgeformte, stereotype Strophen verwendet; durch Wiederholungen von Teilen und Zeilen werden Strophen aneinandergereiht und zusammengebunden. Hauptmerkmal ist das Fehlen eines allein autorisierten Textes; die Entstehung von Text und Melodie ist anonym bzw. Autorennamen werden vergessen.

Die Volksballade lebt in einer Vielzahl von Varianten. Wir sprechen von einem Liedtyp mit gleicher Grundstruktur, die in einzelnen Varianten in den Details sehr unterschiedlich ausgearbeitet sein kann. Ständige Veränderlichkeit (und damit Anpassungsfähigkeit an die wechselnden Generationen im Laufe der Tradierung) ist ein wichtiges Merkmal mündlicher Überlieferung. Die folkloristische (literarische Volkskunde, Folkloristik) Interpretation versucht dem Rechnung zu tragen.

Ausgangspunkt eines Kommentars kann nur eine konkrete Textfassung einer Variante sein, in der Interpretation jedoch zwingend mit dem Blick auf Struktur und Handlungselemente der gesamten Variationsbreite des entsprechenden Volksballadentyps. Gegenüber dem Wortlaut steht der Textsinn im Vordergrund. Während die Interpretation der Hochliteratur sich in der Regel eines festen, so vom Dichter gewollten Textes bedienen kann, müssen bei Texten aus der Volksüberlieferung die Differenzen zwischen dem von der Wissenschaft als Zusammenschau verschiedener Fassungen konstruierten Typ zu dem tatsächlichen Wortlaut der vielen unterschiedlichen Varianten aus der Überlieferung bedacht werden.

 

Entstehung und Überlieferung

 

Viele Erzählstoffe der Volksballaden knüpfen an mittelalterliche Literatur an (Ritterthemen, Kreuzzüge, Adel). Die Gattung ist wahrscheinlich bereits im Spätmittelalter lebendig, obwohl die Überlieferung in der Regel erst seit dem 16. Jahrhundert zum Beispiel auf Liedflugschriften oder in handschriftlichen Liederbüchern dokumentiert ist (in Spanien und in Skandinavien gibt es ältere Quellen dieser europäischen Gattung der Volksdichtung).

 

Kreativ werden auch hochliterarische Stoffe umgeformt und den Bedingungen mündlicher Überlieferung angepasst (zum Beispiel durch Familiarisierung mit einem Minimum handelnder Personen; Enthistorisierung durch Anpassung an die eigene Erlebniswelt und an das Milieu der aktuellen Sängerinnen und Sänger). Diese umformende Kraft der Volksdichtung bleibt bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts lebendig; die Lieder bieten in einer weitgehend schriftarmen Gesellschaft Unterhaltung und Belehrung. Volksballaden vermitteln zumeist eine konservative Moral und tradieren eher angepasste, schicksalsergebene Mentalitäten.

Bei dem Begriff Bänkelsang steht die Vortragsweise des Liedes im Vordergrund; vorgetragen wurden oft auch Volksballaden. Der Bänkelsänger verdiente an den geduckten Liedflugschriften, die diese Texte enthalten und die er auf der Straße und auf dem Marktplatz anbot, indem er sie sang. Manche Volksballaden fingen entsprechend mit einer Bitte, doch still zu sein und zuzuhören (etwa „Nun will ich aber heben an... zu besingen...“ wie beim „Tannhauser“) an, und sie endeten mit einer formelhaften Verfasserstrophe (etwa „Wer ist der uns dies Liedlein sang...“ wie beim Schloss in Österreich).

 

Themen von Volksballaden

 

Themen von Volksballaden sind historische Ereignisse wie bei der Bernauerin, die Verdeutlichung des sozialen Gegensatzes zwischen Arm und Reich und zwischen den Ständen wie etwa bei Graf und Nonne und Schloss in Österreich, Bearbeitung hochliterarischer Stoffe seit der Antike wie bei den „Königskindern“ (Es waren zwei Königskinder), erfundene Schauergeschichten wie beim Mädchenmörder und Stoffe mit religiösem Hintergrund (Teilgattung: Legendenballaden) wie beim Tannhauser. Die genannten Themen stellen charakteristische, aber sehr unterschiedliche Beispiele dar.

Eine „spannende Handlung“ im herkömmlichen Sinne wie die Hochliteratur hat die Volksballade nicht, obwohl ihre balladesken Darstellungsmittel dramatischer Art sind (vergleiche epische Formel). Die Volksballade ist keine dichterische Individualleistung, die auf „Überraschung“ eines Lesers zielt, sondern gewachsene Kollektivüberlieferung, deren Handlung dem Hörer und Mitsänger geläufig ist [war] und die vor allem in der lokalen Singgemeinschaft einen hohen Wiedererkennungswert hat [hatte; diese „Gemeinschaft“ besteht seit den 1950er Jahren praktisch nicht mehr]. Nicht die Handlung zählt, sondern das Thema, etwa der Standesunterschied (vergleiche Graf und Nonne). Die sozialen Bedingungen der Themen werden [wurden] mit den Liedtexten als gesellschaftliche „Norm“ eingeübt und an die nächste Generation vermittelt. In diesem Sinne ist die Volksballade überliefertes, vorurteilsbeladenes Erfahrungswissen.

 

Viele Volksballaden haben mittelalterliche Stoffe zum Inhalt und tradieren über Jahrhunderte Mentalitäten (Mentalität), die stark traditionsgebunden, manchmal sogar archaisch anmuten. Eine ganze Reihe dieser Lieder haben internationale Verbreitung (vergleiche etwa auf Englisch „folk ballad“, auf Dänisch „folkevise“ und ähnliche Bezeichnungen). – Von der Volksballade geringfügig zu unterscheiden ist das erzählende Volkslied mit geschichtlichen Themen, deren Bearbeitung jedoch gewollt historisch bleibt wie etwa beim „Bayerischen Hiasl“. Dieser, eher einer Gattung unserer Neuzeit zuzurechnende Text will keine Fiktion sein, sondern Tatsachenbericht, wenn auch subjektiv aus dem Mund des Wilderers.

 

 

Das jüngere Hildebrandslied

 

»Ich wil zu Land ausreiten«,

sprach sich Meister Hiltebrant,

»Der mir die Weg tet weisen

gen Bern wol in die Land,

Die seind mir unkund gewesen

vil manchen lieben Tag:

In zwei und dreißig jaren

Fraw Utten ich nie gesach.«

 

»Wilt du zu Land ausreiten«,

sprach sich Herzog Abelung,

»Was begegent dir auf der Heiden?

Ein schneller Degen jung.

Was begegent dir auf der Marke?

Der jung Herr Alebrant;

Ja, rittest du selbzwölfte,

von im wurdest angerant.«

 

»Ja, rennet er mich ane

in seinem Ubermut,

Ich zerhaw im seinen grünen Schild,

es tut im nimmer gut,

Ich zerhaw im sein Brinne

mit einem Schirmenschlag,

Und daß er seiner Mutter

ein ganz jar zu klagen hat.«

 

»Das solt du nicht entun«,

sprach sich Herr Dieterich,

»Wann der jung Herr Alebrant

der ist mir von Herzen lieb;

Du solt im freundlich zusprechen

wol durch den Willen mein,

Daß er dich wöl lassen reiten,

als lieb als ich im mag sein.«

 

Do er zum Rosengarten ausreit

wol in des Berners Marke,

Do kam er in große Arbeit

von einem Helden starke,

Von einem Helden junge

da ward er angerant:

»Nun sag an, du vil Alter,

was suchst in meines Vatters Land?

 

»Du fürst dein Harnisch lauter und rain,

recht wie du seist eins Königs Kind,

Du wilt mich jungen Helden

mit gesehenden augen machen blind;

Du soltest da heimen bleiben

und haben gut Hausgemach

Ob einer heißen Glute.«

Der Alte lachet und sprach:

 

»Sölt ich da heimen bleiben

und haben gut Hausgemach?

Mir ist bei allen meinen Tagen

zu raisen aufgesetzt,

Zu raisen und zu fechten

bis auf mein Hinefart,

Das sag ich dir vil jungen,

darumb grawet mir mein bart.«

 

»Dein Bart will ich dir ausraufen,

das sag ich dir vil alten Man,

Daß dir dein rosenfarbes plut

uber dein wangen muß abgan;

Ein Harnisch und dein grünen Schild

must du mir hie aufgeben,

Darzü must mein gefangner sein,

wilt du behalten dein leben.«

 

»Mein Harnisch und mein grüner Schild,

die teten mich dick ernern,

Ich traw Christ vom Himel wol,

ich wil mich dein erweren.«

Sie ließen von den Worten,

sie zugen zwei scharpfe Schwert,

Und was die zwen Helden begerten,

des wurden die zwen gewert.

 

Ich weiß nit, wie der junge

dem Alten gab einen Schlag,

Daß sich der alte Hiltebrant

von Herzen sere erschrack.

Er sprang hinter sich zu rucke

wol siben Klafter weit:

»Nun sag an, du vil junger,

den Streich lernet dich ein Weib!«

 

»Sölt ich von Weibern lernen,

das wer mir immer ein Schand,

Ich hab vil Ritter und Knechte

in meines Vatters Land,

Ich hab vil Ritter und Grafen

an meines Vatters Hof,

Und was ich nit gelernet hab,

das lerne ich aber noch.«

 

Er erwüscht in bei der Mitte,

da er an dem schwechsten was,

Er schwang in hinder sich zu rucke

wol in das grüne Gras:

»Nun sag mir, du vil junger,

dein Beichtvater wil ich wesen:

Bist du ein junger Wölfinger,

von mir magst du genesen.

 

Wer sich an alte Kessel reibt,

der empfahet gern Rame,

Also geschieht dir, vil jungen,

wol von mir alten Manne;

Dein Beicht solt du hie aufgeben

auf diser Heiden grün,

Das sag ich dir vil eben,

du junger helde kün.«

 

»Du sagst mir vil von Wölfen,

die laufen in dem Holz:

Ich bin ein edler Degen

aus Krichenlanden stolz,

Mein Mutter die heißt Fraw Utte,

ein gewaltige Herzogin,

So ist der Hiltebrant der alte

der liebste Vater mein.«

 

»Heißt dein Muter Fraw Utte,

ein gewaltige Herzogin,

So bin ich Hiltebrant der alte,

der liebste Vatter dein.«

Er schloß ihm auf sein gulden Helm

und kust in an seinen Mund:

»Nun müß es Gott gelobet sein,

wir seind noch beid gesund.«

 

»Ach Vater, liebster Vater,

die Wunden, die ich dir hab geschlagen,

Die wolt ich dreimal lieber

in meinem Haubte tragen.«

»Nun schweig, du lieber Sune:

der Wunden wirt gut Rat,

Seid daß uns got all beide

zusammen gefüget hat.«

 

Das weret von der None

biß zu der Vesperzeit,

Biß daß der jung Her Alebrant

gen Bern einhin reit.

Was fürt er an seinem Helme?

Von Gold ein Krenzelein.

Was fürt er an der Seiten?

Den liebsten Vater sein.

 

Er fürt in mit im in seinen Sal

und satzt in oben an den Tisch,

Er pot im Essen und Trinken,

das daucht sein Mutter unbillich.

»Ach Sune, lieber Sune,

ist der Eren nicht zu vil,

Daß du mir ein gefangen Man

setzst oben an den Tisch?«

 

»Nun schweige, liebe Mutter,

ich will dir newe Meer sagen:

Er kam mir auf der Heide

und het mich nahent erschlagen;

Und höre, liebe Mutter,

kein Gefangner sol er sein:

Es ist Hiltebrant der alte,

der liebste Vater mein.

 

»Ach Mutter, liebe Mutter mein,

nun beut im Zucht und Er!«

Do hub sie auf und schenket ein

und trug ims selber her;

Was het er in seinem Munde?

Von Gold ein Fingerlein,

Das ließ er inn Becher sinken

der liebsten Frawen sein.

 

Die Urfassung des Hildebrandlieds erschien im 8. Jahrhundert im Althochdeutscher Sprache und kann nicht den Balladen zugerechnet werden.

Diese „modernisierte“ Fassung des Hildebrandslied erschien 1806 in "Des Knaben Wunderhorn", Band 1 von Clemens Brentano und Achim von Arnim.

 

Lied vom alten Hildebrandt

Ich will zu Land ausreiten,

Sprach Meister Hildebrandt,

Wer wird die Weg mir weisen

Gen Bern wohl in das Land?

Unkund sind sie geworden

Mir manchen lieben Tag,

In zwey und dreyßig Jahren

Frau Utten ich nicht sah.

Willt du zu Land ausreiten,

Sprach Herzog Amelung,

Was begegnet dir auf der Heiden?

Ein stolzer Degen jung.

Was begegnet dir in der Marke?

Der Junge Hildebrandt,

Ja rittest du selb zwölfe,

Von ihm würdst angerannt.

Und rennet er mich an,

In seinem Übermuth,

Zerhau ich seinen grünen Schild,

Das thut ihm nimmer gut,

Zerhau ihm seine Bande,

Mit einem Schriemenschlag,

Daß er's ein ganzes Jahr

Der Mutter klagen mag.

Und das sollt du nicht thun!

Herr Dieterich wohl spricht,

Denn dieser junge Hildebrandt

Ist mir von Herzen lieb.

Zu ihm sollst freundlich sprechen,

Wohl durch den Willen mein,

Daß er dich lasse reiten,

So lieb ich ihm mag seyn.

Da er zum Rosengarten reit,

Wohl in der Berner Mark,

Er kam in viel Arbeit;

Von einem Helden stark,

Von einem Helden jung,

Ward er da angerannt.

Nun sage mir, viel Alter,

Was suchst in Vaters Land?

Du führst den Harnisch eben,

Wie eines Königs Kind,

Du machst mich jungen Helden

Mit sehnden Augen blind;

Du sollst daheime bleiben,

Beym guten Hausgemach,

Bey einer heißen Glute.

Der Alte lacht und sprach:

Sollt ich daheime bleiben

Bey gutem Hausgemach?

Ich bin in allen Tagen

Zu reisen aufgesezt,

Zu reisen und zu fechten

Bis auf mein Heimefahrt;

Das sag ich dir, viel Junger,

Drauf grauet mir der Bart.

Dein Bart will ich ausraufen,

Das sag ich, alter Mann,

Daß dir dein rosenfarbnes Blut

Die Wangen überläuft;

Dein Harnisch und dein grünes Schild

Mußt du mir hierauf geben,

Dazu auch mein Gefangner seyn,

Willt du behalten Leben.

Mein Harnisch und mein grünes Schild

Mich haben oft ernährt;

Ich traue Christ vom Himmel wohl,

Ich will mich deiner wehren!

Sie ließen von den Worten,

Und zogen scharfe Schwerdt,

Was diese zwey begehrten,

Des wurden sie gewährt.

Ich weiß nicht, wie der Junge

Dem Alten gab ein'n Schlag,

Deß sich der alte Hildebrandt

Von Herzen sehr erschrack,

Sprang hinter sich zurücke,

Wohl etlich Klafter weit:

Nun sag du mir, viel Junger,

Den Streich lehrt' dich ein Weib!

Sollt ich von Weibern lernen,

Das wäre mir ja Schand',

Ich hab viel Ritter, Grafen,

In meines Vaters Land;

Auch sind viel Ritter, Grafen,

An meines Vaters Hof,

Was ich nicht lernet hab,

Das lern' ich heute noch.

Er nahm ihn in der Mitte,

Da er am schwächsten war,

Und schwang ihn dann zurücke,

Wohl in das grüne Gras.

Nun sage mir, viel Junger,

Dein Beichtvater will ich seyn,

Bist du ein junger Wolfinger,

Von mir sollt du genesen.

Wer sich an alte Kessel reibt,

Empfahet gerne Rahm,

Also geschiehet dir Jungen

Von mir altem Mann;

Dein Geist mußt du aufgeben,

Auf dieser Heiden grün,

Das sag ich dir gar eben,

Du junger Helde kühn.

Du sagst mir viel von Wölfen,

Die laufen in das Holz,

Ich bin ein edler Degen

Aus deutschem Lande stolz.

Mein Mutter heißt Frau Utte,

Die edle Herzogin,

Und Hildebrandt der Alte,

Der liebste Vater mein.

Heißt deine Mutter Utte,

Die edle Herzogin,

So bin ich Hildebrandt der Alte,

Der liebste Vater dein!

Aufschloß er seinen grünen Helm,

Küßt ihm auf seinen Mund,

Nun muß es Gott gelobet seyn!

Wir sind noch beid' gesund.

Ach Vater, liebster Vater!

Die Wund die ich geschlagen,

Die wollt ich dreimal lieber

An meinem Haupte tragen.

Nun schweig, mein lieber Sohn!

Der Wunden wird wohl Rath,

Nun muß es Gott gelobet seyn,

Der uns zusammen bracht!

Das währte nun von Neune

Bis zu der Vesperzeit,

Allda der junge Hildebrandt,

Zu Bernen einher reit.

Was führt er auf dem Helme?

Von Gold ein Kreuzelein.

Was führt er auf der Seiten?

Den liebsten Vater sein.

Er führt ihn zu der Mutter Haus,

Ihn oben an zu Tisch,

Und bot ihm Essen und Trinken,

Das däucht der Mutter fremd.

Ach Sohne, liebster Sohne mein!

Der Ehren ist zu viel,

Du setzest den gefangnen Mann

Ja oben an den Tisch.

Nun schweiget, liebste Mutter,

Und höret was ich sage:

Er hätt' mich auf der Heiden,

Schier gar zu tod geschlagen.

Nun hört mich, liebe Mutter!

Gefangen sollte seyn,

Herr Hildebrandt der Alte,

Der liebste Vater mein?

Ach Mutter, liebste Mutter!

Ihm biethet Zucht und Ehr.

Da hub sie an zu schenken,

Und trugs ihm selber her.

Er trank, und hatt' im Munde,

Von Gold ein Ringelein,

Das fiel da in den Becher

Der lieben Frauen sein.

Warhafftige Erbärmliche vnd auch erschröckliche newe Zeytung/

 

so sich Anno 1602 an der Herren Faßnacht bey Elbing in Preüssen / in einem Flecken Schwartza genanndt / mit einer armen Witfrawen sampt jren drey kleinen Kindern / sampt eim Becken einem argen Geitzhals begeben vnd zugetragen / in Gesang weiß gestelt / Jm Thon: Kompt her zu mir spricht Gottes Sohn / etc.

 

Ach Gott in deinem höchsten Thron /

laß dich die noth erbarmen thon /

so sich vor wenig tagen /

bey Elbing in Preüssen bekandt /

in einem Dorff Schwartza genandt /

an der Fasenacht zutragen.

 

In diesem Flecken zu der frist /

ein reicher Beck gesessen ist /

groß wücher thet er treiben /

mit körn vnd dem lieben brot /

dardurch erfolgt groß angst vnd not /

wie ich ietz wil beschreiben

 

Diser Beck wie ich singen thu /

hett sich mit Brot gerüstet zu /

beladen seinen wagen /

am Faßnacht abend wie ich meldt /

fuhr er gen rnarckt zu lösen gelt /

nach Elbing thuo ich sagen.

 

Zuuor eh er hinfaren thet /

ein arme Nachbewrin er hett /

welche ein Witwe wäre /

dieselbig hett drey Kinder klein /

mit jhn kam sie in angst vnd pein /

wie ich wil melden klare.

Mit den Kindern litt sie grosse not /

hett drey gantzer Tag kein bissen Brott /

die Kinder weinten sehre /

das arm Weib mit betrübten sin /

gieng zu jrem Nachtbawren hin /

bat jhn durch Gottes Ehre.

 

Sok sich erbarmen jrer not /

vnnd ir borgen einen Leib brot /

jr kinder klein bedencken /

sie wolt etwas verkauffen thon /

vnnd jn ehrlich bezalcn schon /

er darff jr solches nicht schencken.

 

Jr Nachbawr bald gantz vngestümm /

antwort jr da mit zern vnd grimm /

was hab ich mit dir zuschaffen /

darzu mit deinen Kindern klein /

was bekümmert mich dein hungers pein /

darzu deine Rotzaffen.

 

Auß meinem brot ich dir vermeld /

muß ich jetzund lösen bar gelt /

ich kann dir gar nichts borgen /

für kein pfenning gib ich dir nit /

geh mir bald von meinem Angesicht /

magst dich anderstwo versorgen.

 

Das arme Weib betrübt ellendt /

sich wider von dem Geitzhals wendt /

gieng heim zu Hauß mit schmertzen /

weinet klaget hefftig vnd sehr /

jr händ die wand sie hin vnd her /

die noth gieng jhr zu Hertzen.

 

Als sie sich lang geklaget hett /

Gieng sie so ohngessen zu bett /

das war die vierdte nachte /

die Kinder weinten von hunger sehr /

das bekümmert die Muotter noch vil mehr /

O Mensch das wol betrachte.

 

Die Kinder fürten so grose klag /

das arme Weib betrübt ich sag /

mit auff gereckten armen /

in mitternacht stund auff vom Bett /

mit solcher klag im Hauß vmgeht /

das ein Stein möcht erbarmen.

 

Der böse Feind listig vnd arg /

in d’gestalt zuschüret starck /

das sie kam gar von sinnen /

sich selb vnd jre Kinder klein /

dardurch hat bracht in Todtes pein /

ertrenckt in einem Brunnen.

 

Sie sprach zu jren Kindern klein /

wir wollen in vnsern Garten gehn /

da wollen wir brot finden /

vnnd gieng mit klagen auß dem hauß /

alß bald in jren Garten nauß /

mit den dreyen Kindern.

 

Das eitest sie vor jr her sand /

dz ander sie hey der hand /

das kleinst het sie auff den armen /

wann ein Mensch hett ein steinern hertz /

der gesehen hett den grossen schmertz /

hett sich müssen erbarmen.

 

Ein Tieffer Brunn stund hinderm hauß/

darzu gieng sic bald ohne grauß /

das eitest thet sie nein werffen /

durch des listigen Teüffels rath /

sie das Kind nein geworffen hat/

thet jms leben verkürtzen.

 

Das ander ficng sehr zu weinen an /

vnd sprach hertzliebste Mutter schon /

ich bitt laß mich doch leben /

mich hungert nicht / ich will kein brot /

errett mich vor dem grimmen Todt /

darffst mir nichts mehr zessen geben.

 

Ach Gott es haiff kein bitten dar /

die Muotter war verzweiffelt gar /

nams auch gar vnbesunnen /

kein mensch war da der retten kundt /

das arme Kind zur selben stund /

warffs auch in tieffen Brunnen.

 

Als die zwey kind ertrencket hett /

jämmerlich an der selben stette /

fieng sie sehr an zuklagen /

ach du vntrewe böse Welt /

ach du verfluchtes guot vnd gelt /

das thustu alles machen.

 

Ach du schanlicher geitz ohn maß /

vrlaub jetzunder laub vnd graß /

vrlaub du schnöde Welte /

drey schrey thett sie O höchster Gott /

rechen mein vnd meiner Kinder Tod /

solchs der Geitzhalß entgelte.

 

Damit stürtzt sie sich auch geschwind /

mit dem dritten vnd kleinsten kind /

auch in des brunnens gründe /

also durch grosse hungers not /

bliben diese vier Menschen Todt /

jemerlich zu der stunden

Bey disem garten ein schewren stund /

hart an dem Brunnen thu ich kundt /

ein armer Mann drin läge /

der war gantz lahm vnd auch contract /

derselb den Leuten alles sagt /

morgens als es war tage.

 

Jtzund muß ich euch zeigen an /

wie es dem Geitzhals thet ergan /

wie in strafft Gott d’ Herre /

als er von seinem wagen schon /

das tuoch od’ teck hin weck het thon /

wolt dz brot verkauffen ere.

 

Ein leib wolt er auffschnciden thon /

den Leuten das Brot zeigen schon /

da kundt ers nicht gewinnen /

das Brot war worden hart vnd fest /

er schnitt drauff als er kundt das best /

er thet sich bald besinnen.

 

Sein Hawen er vom Wagen nam /

vnd damit zu den Leuten kam /

sprach ich wils von einander bringen /

legt ein Leib auff das Pflaster bald /

hieb vnd schlug darein mit gantzer gewalt /

da thets von einander springen.

 

Das Brot war worden lautter Stein /

sein Roß thet er bald spannen ein /

thet wider heimwartz faren /

als er war kommen auff das Feld /

von der Statt ein viertel meil ich meldt /

fieng er an zu bochen vnd schweren.

 

Fluchet im Himmel dem höchsten Gott /

lestert jhn in seiner Mayestat /

welchs nicht ist außzusprechen /

das hörten die Leut auff dem Feld /

lieffen zu mit hauffen wie ich meldt/

thetten jn vmb solches straffen.

 

Er sprach was hab ich mit euch zu than /

was geht euch mein fluchen vnd schweren an /

thut mich nur nit vil affen /

keiner fehrt nicht für mich in dhell /

der sitzen wirdt an meiner Stele /

drumb last von ewrem klaffen.

 

Drauff lesterlich thet sagen schnell/

das alle Teüffel auß der Höll /

Roß vnd Wagen hin thet füren /

als er ein ackerleng für baß kam /

in der lufft etliche Feuerflamm /

thet man sehen vnd spüren.

 

Das waren die Teüffel auß der Höll /

die thetten auff jn faren schnell /

namen jn vom Roß mit gwalte /

fürten jn in die Lüfft darvon /

vnd rissen jhn zu stucken schon /

wurffen jhn auff die Erden balde.

 

Also empfieng er seinen lohn /

Gott wolt nicht vngerochen han /

den Jammer vnd den schmertzen /

an dem betrübten Weib vnd Kind /

ich bitt schlagt solches nicht in wind /

Gott lest nicht mit jm schertzen.

 

Ein Warhafftige vnd Erbermliche Neuwe Zeytung/

von einem Jungen Gesellen / wie er ein Junge Tochter Erbermlich vmbgebracht hat / vnd darnach geschend / vnd sie zu stucken gehawen / geschehen zu Dirschenreyt / in disem 1573. Jar den 6. Jeneris.

 

DJese Erschröckliche Figur/

So vber menschliche Natur.

Geschehen ist in disem Jar /

Alß man Fünffzehen hundert war

Vnd drey vnd sibentzig gar drat /

Zu Dirschenreidt wol in der Statt.

Darinn säße wol an dem endt /

Ein burger H. Freymüllergenendt/

Der hette ein Tochter fürwar /

Die gieng in das 18. Jar.

Die schicket er für das Stat thor /

Denn er het ein Stadel daruor.

Zu holen daussen strow vnd hew/

Den Kühen zu Fuder vnd Strew.

Alß sie kam inn den Stadel gangen /

Mit grossem Leid war sie vmbfangen.

Von eim vngeradenen Beßwicht /

Der sein sinn hat daher gericht.

Ob er sie möcht bringen inn schänd /

Zu nemen jhr Weiblich ehr vnd pfänd.

Derhalben er gieng auß der Statt /

Versteckt sich in die Scheuten dratt.

Darinn lag er die zeit verborgen /

Biß ann einen sambstag zu morgen.

Wellicher tage war gewiß /

Nämlich der sechste Jenneris.

Zu morgens frü gegen dem tag/

Als die Glock was vmb den 9. Schlag.

Da kam dasselb meidlein gegangen /

Von dem Bößwicht ward sie empfangen.

Vnd sprach zu jhr fein mit begihr/

Mein lust volbringe ich mit dir.

Den ich lang zu dir hab getragen /

Das meidlein thet schreien vnd klagen.

Vnd wehrt sich auffs best als sie kundt /

Der Bößwicht hielt jhr zu den mundt.

Ein messet setzt er jhr an die Brust/

Sprach du must thon nach meiner lust.

Oder ich nim dir dein junges Leben /

Dz meidlein kundt kein wort mehr geben.

Der Bößwicht zwange sie mit schmertz /

Das messer stach er durch jhr hertz.

Das sie schon todt vor jm lag /

Darnach er erst sein willen pflag.

Mit der schönen Junckfrawen wert /

Jn dem zuckt er sein scharpffes schwert /

Zerhiebe sie wol zu der stund /

Den ersten streich ab nasen vnd mund.

Wie denn die Figur dir allein /

Oben auch anzeiget gar fein.

Viel manchen stich er jhr auch gab /

Den kopff hieb er jhr auch gar ab/

Vnd auch die Arni vnd die Bein /

Hieb er ab dem Junckfrewelein.

Darumb o Christ bedenck mit schmertz /

Wie der Thirrann hab gehabt ein hertz. /

Noch hett sein valsches hertz kein end /

Hieb jhr auch ab fuß unde hend.

Die sach thet jm gar fein gelucken /

Er hieb sie zu sechtzehen stucken.

Noch wolle er gar nicht nachlassen /

Das ober theil nam er dermassen.

Das wolt er auch zerschroten hon /

Jnn dem hat sich her nahen thon.

Ein junge maid wol auß der statt /

Die das mordt auch vernommen hat.

Als sie sah zu eim loch hinein /

Das da thet in der Schemen sein.

Hub sie zu schreyen ann dem orth /

O Weh des jemerlichen Mordt.

Der daherinnen ist geschehen /

Jn dem thet sich gegen jr nehen.

Des Meidleins vatter auß der Statt.

Der den jamer vernommen hatt.

Eylt er der Scheweren zu behend /

Der Bößwicht het sich an dem endt.

Gemacht darvon inn schneller eyl /

Es stund an gar ein kleine weyl.

Da kamen die Burger mit hauffen /

Weib vnd kind auß der Statt gelauffen.

Die sahen den jämerlichen mort /

Doch kcndten sie nicht ann dem ort.

Wer deß Weibßbild möchte gesein /

Der Richter sprach fein inn gemein.

Nempt den Kopff vnd die Brust behend /

Setzt es zusamen ann dem end.

So möcht jhr erkennen zur frist /

Wer das Weibßbild gewesen ist.

Als man thete nach seiner sag/

Da sah man stehn mit grosser klag.

Den vatter gar betrübt allein /

Als er erkendt das kinde sein.