Vom Glück geküsst - Mila Summers - E-Book

Vom Glück geküsst E-Book

Mila Summers

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Beschreibung

Als der alljährliche Wohltätigkeitsball der Firma ihres verstorbenen Vaters naht, hofft Drew, über eine Datingseite im Internet endlich den richtigen Mann fürs Leben zu finden. Seit Jahren wird sie von ihrer Stiefmutter Estelle und ihren Stiefschwestern Ashley und Madison bevormundet, verhöhnt und gedemütigt. Ihr letzter Hoffnungsschimmer ist die Suche nach der ganz großen Liebe. Nach mehr oder minder katastrophalen Verabredungen lernt sie unverhofft Brian kennen, der ihr Prinz Charming werden könnte. Oder etwa doch nicht? Aus der Reihe: Tales of Chicago Kann ohne Vorkenntnisse der anderen Bände gelesen werden.

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Seitenzahl: 216

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Mila Summers

Vom Glück geküsst

Über das Buch:

Als der alljährliche Wohltätigkeitsball der Firma ihres verstorbenen Vaters naht, hofft Drew, über eine Datingseite im Internet endlich den richtigen Mann fürs Leben zu finden. Seit Jahren wird sie von ihrer Stiefmutter Estelle und ihren Stiefschwestern Ashley und Madison bevormundet, verhöhnt und gedemütigt. Ihr letzter Hoffnungsschimmer ist die Suche nach der ganz großen Liebe. Nach mehr oder minder katastrophalen Verabredungen lernt sie unverhofft Brian kennen, der ihr Prinz Charming werden könnte. Oder etwa doch nicht?

Über die Autorin:

Mila Summers, geboren 1984, lebt mit ihrem Mann und der kleinen Tochter in Würzburg. Sie studierte Europäische Ethnologie, Geschichte und Öffentliches Recht. Nach einer plötzlichen Eingebung in der Schwangerschaft schreibt sie nun humorvolle Liebesromane mit Happy End und erfreut sich am regen Austausch mit ihren LeserInnen.

Vom Glück geküsst ist der zweite Band der Kurzromanserie, die in Chicago spielt.

Bisher erschienen:

Küss mich wach (Band 1 der Tales of Chicago)

Vom Glück geküsst (Band 2 der Tales of Chicago)

Ein Frosch zum Küssen (Band 3 der Tales of Chicago)

Küsse in luftiger Höhe (Band 4 der Tales of Chicago)

Zum Küssen verführt (Band 5 der Tales of Chicago)

Weitere Bücher der Autorin:

Manhattan Love Stories

Irresponsible Desire (Band 1)

Irrepressible Desire (Band 2)

Vielleicht klappt es ja morgen. Liebe in (wahlweise Hamburg, Leipzig, Wien oder Würzburg)

Rettung für die Liebe (Band 4 der Sieben Sommersünden, ein Projekt mit sechs weiteren Autorinnen und Autoren)

Schneegestöber (Charitybuch für die Stiftung Bärenherz in Wiesbaden)

Alle Teile sind in sich abgeschlossen und können unabhängig voneinander gelesen werden. Allerdings gibt es ein Wiedersehen mit den Protagonisten der vorhergehenden Bücher.

MILA

SUMMERS

Vom Glück geküsst

Kurzroman

Band 2

Tales of Chicago

Deutsche Erstauflage Oktober 2015

Copyright © Mila Summers

Lektorat: Dorothea Kenneweg

Korrektorat: Genya Bieberbach

Covergestaltung:Nadine Kapp

Alle Rechte, einschließlich dem des vollständigen oder teilweisen Nachdrucks in jeglicher Form, bedürfen der Einwilligung der Autorin.

Personen und Handlungen sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Menschen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

[email protected]

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Epilog

Danksagung

Weitere Bücher der Autorin

Kapitel 1

»Hallo? Drew? Bist du noch dran? Kindchen, ich hab nicht ewig Zeit.«

Am liebsten hätte ich mit Nein geantwortet, doch ich wusste, dass es zu nichts führen würde. Ich kannte diese lästigen Debatten und ich war mir dessen durchaus bewusst, dass ich nicht als Sieger daraus hervorgehen würde. Was brachte es also, sich gegen die Obrigkeit aufzulehnen?

»Was ist denn nun? Drew, ich erwarte, dass du dich zu Wort meldest«, schallte es erneut durch den Hörer.

»Estelle, ich bin auf der Arbeit. Können dich denn nicht Ashley oder Madison holen?«, versuchte ich mich aus der Affäre zu ziehen.

»Ach, wir wissen doch beide, dass du keiner richtigen Arbeit nachgehst. Außerdem weißt du genau, dass deine Stiefschwestern eine sehr verantwortungsvolle Position innehaben – im Gegensatz zu dir.« Verächtlich schnalzte sie mit der Zunge.

23, 24, 25… zählte ich gebetsmühlenartig auf, während ich tief ausatmete. Ganz ruhig. Lass dich nicht von ihr provozieren. Das kennst du bereits zur Genüge, ermahnte ich mich und stieß dabei immer wieder leicht mit dem Kopf gegen die Wand hinter meinem Schreibtisch.

»Also beweg deinen Hintern endlich hierher und hol mich von diesem schrecklichen Ort ab! Ich halte es hier keine Sekunde länger aus.«

Wenn man sie so reden hörte, konnte man fast meinen, sie säße in einem der schlechteren Viertel der Stadt fest oder, noch schlimmer, bei Bloomingdales im Schlussverkauf. Estelle hasste es, wenn sich das einfache Volk unter ihresgleichen mischte.

»Okay, ich mach mich gleich auf den Weg.« Es hatte keinen Sinn, mit Estelle zu diskutieren. Als meine Stiefmutter vor über zwanzig Jahren in unserem Haus eingezogen war, hatte sie neben ihren Töchtern den herrischen Befehlston gleich mitgebracht.

Nur gut, dass ich heute weiter an der Konzeption des Projekts ›Kinder haben Spaß im Museum‹ arbeiten und mir damit die Zeit frei einteilen konnte. Ganz anders sähe es aus, wenn ich eine Führung gehabt hätte, dann wäre es mir nicht möglich gewesen, Estelle abzuholen. Wobei sie dieser Umstand sicherlich wenig gekümmert hätte.

»Wird aber auch langsam Zeit, dass du zur Vernunft kommst. Schließlich warte ich hier schon eine halbe Ewigkeit.«

Ich schloss die Augen, kniff sie fest zusammen und schüttelte leicht den Kopf. Warum nahm sie sich kein Taxi? Warum musste sie sich in solchen Fällen immer an mich wenden? Stand auf meiner Stirn geschrieben: Hey, mein Name ist Drew. Ich lasse mich gerne herumkommandieren und ausnutzen? Musste so sein. Spätestens nach meiner letzten Beziehung war ich davon überzeugt.

Chris machte mir im Namen der Liebe glaubhaft, dass es besser sei, nur das zu tun, was er mir erlaubte. Außerdem bediente er sich nach Lust und Laune an meiner Haushaltskasse, um mir eine Freude machen zu können. Das hatte er zumindest behauptet. Von den vermeintlichen Geschenken hatte ich nie eines zu Gesicht bekommen, aber das war eine andere Geschichte.

Wenn ich ehrlich war, wusste ich ganz genau, warum Estelle sich mit all den unliebsamen Dingen immer vertrauensvoll an mich wandte. Ohne es je offen ausgesprochen zu haben, musste ich mir eingestehen, dass sie mich in der Hand hatte.

Nicht wegen der Vermögenswerte oder des Geldes, das mein Vater in seinem letzten Willen durch sie treuhänderisch verwalten ließ, bis ich verheiratet war. Nein, vielmehr verwahrte sie unter all dem Prunk, den sie in ihrem Haus hortete, meinen ganz eigenen Schatz, den sie mir einfach nicht aushändigen wollte. Was ich auch tat, sie ließ einfach nicht locker. Doch die Hoffnung starb schließlich zuletzt und aufgeben konnte ich einfach nicht. Zu kostbar war das kleine Sammelsurium für mich.

»Wo genau finde ich dich denn am Flughafen?« Ich versuchte weiterhin nett und gelassen zu wirken, wobei mir mein zuckendes Auge verriet, dass ich kurz davor stand zu explodieren.

»Doofe Frage, ich bin natürlich in der Ankunftshalle. Wo auch sonst? Sag mal, isst du etwa, während ich mit dir rede?«

Erschrocken bemerkte ich, dass ich begonnen hatte, mit meinen Zähnen zu knirschen, und antwortete schnell: »Nein, nein, bin jetzt unterwegs. Bis gleich«, und legte den Hörer ohne ein Wort des Abschieds einfach auf. Oh Backe, das würde sicherlich auch wieder eine Schimpftirade nach sich ziehen.

Keine Ahnung, wie Estelle das immer machte. Aber allein ihre Stimme am Telefon verwandelte mich in das eingeschüchterte kleine Mädchen zurück, das während ihrer gesamten Jugend peinlich darauf bedacht war, ihrer Stiefmutter möglichst aus dem Weg zu gehen.

»Was ist denn mit dir los?«, fragte mich Stacy, die gerade vom Kopierer zurückkam, besorgt. »Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen. Ist alles in Ordnung bei dir?«

»Alles gut. Muss nur eben schnell zum Flughafen und Estelle abholen. Kannst du hier allein die Stellung halten?«, lenkte ich eilig ab, während ich versuchte mir nicht anmerken zu lassen, dass mich das vorangegangene Gespräch sehr wohl aufgewühlt hatte.

»Hast du etwa schon wieder nachgegeben? Dieser alten Giftschlange solltest du keinen Gefallen mehr tun. Warum holen ihre Töchter sie nicht ab?«

Stacy hatte gut reden. Sie war mit Mitch seit einem Jahr glücklich verheiratet, hatte wundervolle Schwiegereltern, die die Vollwaise rührend in ihrer Familie willkommen hießen und erwartete als Krönung des Ganzen das erste gemeinsame Kind.

Ich verbot es mir, neidisch auf meine Freundin zu sein, und schob die Gedanken beiseite. Auch Stacy hatte eine schlimme Zeit des Hoffens und Bangens hinter sich. Mitchs Exfreundin hatte den beiden ihre Liebe nicht gegönnt und so lange dazwischen gefunkt, bis es fast zu spät war.

»Nein, nein, ich hab es vergessen. Sie hat mich bereits vor ihrer Reise darum gebeten«, log ich in der Hoffnung, einer längeren Auseinandersetzung mit ihr aus dem Weg zu gehen.

Stacy schien den Braten gerochen zu haben, hakte allerdings nicht weiter nach, wofür ich ihr sehr dankbar war. Dennoch wagte ich es nicht, ihr in die Augen zu sehen. Mit gesenktem Blick schmiss ich achtlos mein Handy in die Handtasche und verfluchte mich innerlich dafür, dass ich mal wieder klein beigegeben hatte.

Jetzt fing ich auch schon an, meine Stiefmutter und ihr Verhalten in Schutz zu nehmen, und belog deshalb sogar die Frau, die ich seit fast zwei Jahren sehr ins Herz geschlossen hatte. Die Zeit war reif. Ich musste dringend etwas an meinem Leben ändern.

Was das genau sein würde, konnte ich mir während der Autofahrt zum Flughafen überlegen. Schließlich würde ich dank Estelle ausgiebig Zeit dafür finden, da sie mich mitten in der Rushhour einmal quer durch die Stadt jagte.

***

Unmotiviert sichtete er die eingegangen Emails auf seinem Handy. Der Flug hatte gerade mal drei Stunden gedauert und dennoch hatte man ihn deutlich spüren lassen, wie unabkömmlich er doch war.

Er hob den Kopf und hielt Ausschau nach seinem Koffer. Zu seiner Verwunderung musste er allerdings feststellen, dass sich das Kofferband noch nicht mal in Bewegung gesetzt hatte. Bevor er sich jedoch erneut seinem Smartphone zuwenden konnte, fiel sein Blick auf eine ältere, hagere Dame im Pelzmantel, die eine sehr viel jüngere Frau schroff zurechtwies und ihr unmissverständlich klarmachte, dass man sie nicht warten ließ.

Trotz des Altersunterschieds zwischen der Dame und seiner Mandantin, zog er unweigerlich einige Parallelen und erinnerte sich an die Situation vor zwei Tagen, die ihn gezwungen hatte, Boston für einige Zeit den Rücken zu kehren.

»Verstehen Sie mich nicht falsch, Mr. Graham. Ich war all die Jahre eine treusorgende Ehefrau. Meinem Mann hat es nie an etwas gemangelt, wenn Sie verstehen, was ich meine.« Dabei hatte sie ihm verführerisch zugezwinkert und sich lasziv über die leicht geöffneten Lippen geleckt. »Im Grunde haben wir uns auseinandergelebt. Sie wissen schon: Unüberbrückbare Differenzen. Früher oder später trifft es doch die beste Beziehung. Ich kann so nicht weiterleben und möchte Sie nun bitten, mich bei der Scheidung vor Gericht zu vertreten«, hatte sie schließlich den Grund ihres Erscheinens offenbart.

»Mrs. Cooper, gab es einen Ehevertrag?« Noch ehe er geendet hatte, mokierte sich die gerade noch so beherrschte und aufreizende Person über eine derart unsensible Frage. Kleinlaut hatte sie am Rande eines sich abzeichnenden hollywoodreifen Schwächeanfalls zugegeben, eine solche Abmachung unterzeichnet zu haben.

»Mr. Graham, es ist nun Ihre Aufgabe, für mich das bestmögliche Ergebnis herauszuholen. Schließlich war ich mit diesem alten Sack beinahe fünf Jahre verheiratet. Ich habe ihm meine Jugend geschenkt. Das muss doch in irgendeiner Form in Geld aufgewogen werden. Sehen Sie mich an. In diesem Zustand werde ich sicher so schnell keinen geeigneten Heiratskandidaten mehr finden. Ich muss versorgt sein. Das ist er mir schuldig.«

Während sie sprach, hatte er das aufpolierte Gesicht etwas näher betrachtet. Nase, Kinn und Lippen waren sicherlich gemacht worden. Ohne Zweifel. Leider traf er diese Art von Frau mindestens einmal die Woche in seiner Kanzlei und, wie jedes Mal zuvor, hatte er sich eben in diesem Moment gefragt, warum er sich mit diesen Fällen abgab.

Sein Blick war tiefer geglitten und er war sicher, dass auch ihre Brüste nicht mehr ganz dem entsprachen, was Mutter Natur ihr auf den Weg mitgegeben hatte. Diese Frau war eine einzige Mogelpackung gewesen und mitnichten konnte man davon sprechen, dass sie verbraucht oder gar unvermittelbar aussah.

Die wasserstoffgefärbte blonde Barbiepuppe würde sich bald den nächsten Junggesellen jenseits der Fünfzig unter den Nagel reißen. Er wusste nur zu gut, dass Mrs. Cooper nicht die Wahrheit gesprochen hatte. Mit Sicherheit nicht.

Diese Frauen hatten einen besseren Fisch an der Angel mit noch mehr Geld und Ferienhäusern auf Hawaii und wollten dringend ihre Altlasten abschütteln. Dies allerdings nicht, ohne den möglichst größten Profit aus der entbehrungsreichen Zeit der noch bestehenden Ehe zu schlagen.

Immer wieder das Gleiche. Brian hatte diese Abgeklärtheit einfach nicht mehr ertragen. Am Anfang war es regelrecht tröstlich gewesen zu sehen, wie gefühlskalt diese Welt wirklich war. Diese Distanz ermöglichte es ihm, mit seiner Vergangenheit abzuschließen. Gefühle waren nicht wichtig. Umso besser man lernte, diese im Zaum zu halten, desto leichter war es.

Dennoch hatte er an diesem Tag einen leichten Stich an der Stelle verspürt, wo sich sein Herz befand. Vielleicht war es an der Zeit gewesen, etwas Abstand von seinem Alltag zu gewinnen. Dr. Bennett riet ihm seit langem zu einem Tapetenwechsel, um mal auf andere Gedanken zu kommen.

Nachdem Mrs. Cooper endlich gegangen war, hatte er auf die Sprechanlage in seinem Büro gedrückt und seine Sekretärin gebeten, ihm ein Flugticket nach Chicago zu buchen.

Mit einem Ruck hob er seinen Koffer von dem Band, das inzwischen seine Runden drehte. Dabei blickte er noch einmal in das Gesicht der jungen Frau, die noch immer stoisch die Standpauke über sich ergehen ließ. Ihre Augen glichen dem Blau des Himmels und ihre Haut erinnerte ihn stark an das gute, weiße Porzellan, das bei seiner Großmutter nur zu bestimmten Anlässen herausgeholt wurde. Ohne Vorwarnung regte sich bei ihrem Anblick etwas tief in ihm. Vielleicht war es die Hoffnung, irgendwann wieder die schönen Seiten des Lebens spüren zu können. Wer weiß …

***

Kapitel 2

»Du hast was gemacht?«, schrie Stacy, als ich mich endlich durchgerungen hatte, ihr von meinem Geheimnis zu erzählen. Blöd nur, dass ich ausgerechnet die Kantine des Museums zu dem Ort auserkoren hatte, an dem ich mein Gewissen erleichtern wollte.

Noch viel blöder war allerdings die Tatsache, dass Stacy gerade den ersten Schluck ihres Kaffees zu sich nahm. Sie prustete los, verschluckte sich unglücklich und das End vom Lied war leider mehr als voraussehbar. Unzählige Augenpaare richteten sich auf uns. Mir fiel diese Tatsache sofort auf, Stacy leider nicht.

»Was hat dich bloß dazu bewogen? Wir hätten dir doch geholfen«, plapperte sie in einer Lautstärke munter drauflos, sodass sie bestimmt auch Mildred vorne an der Ausgabe klar und deutlich vernehmen konnte.

»Psst, nicht so laut. Wenn du weiter so herumschreist, weiß es gleich das ganze Haus«, versuchte ich sie zu bremsen. Mit Erfolg. Stacy sah sich kurz im Raum um, blickte mir dann verschwörerisch in die Augen und ergänzte leise: »Wie kam es denn nun dazu?«

»Naja, ich weiß nicht so recht, wie ich sagen soll. Eigentlich wollte ich es einfach mal ausprobieren. Online-Dating machen doch mittlerweile so viele. Außerdem muss ich auch langsam schauen, wo ich bleibe. Schließlich geh ich steil auf die Dreißig zu«, rechtfertigte ich mich zaghaft.

»Aber so?«

»Warum nicht? Ich meine, du hast leicht reden. Schließlich hast du deinen Prinzen auf dem weißen Pferd bereits gefunden. Bei den Männern, die ich bisher kennengelernt habe, hätte ich eben besagtes Tier gut für die Flucht brauchen können.«

»Ach, komm. Du übertreibst.«

»Findest du? Ich dachte, du fandest Dylans nicht enden wollenden Monolog über die Auswirkungen des Klimawandels auch ziemlich langweilig. Muss ich dich erst daran erinnern, dass du Mitch sogar dein Glas Rotwein über den Schoß gekippt hast, nur damit der Kerl aufhört zu sprechen?«

»Naja, das war doch nur der eine.«

»Nur der eine? Okay, dann hast du offensichtlich James vergessen, der mir nach einer heißen Nacht ein Schlafmittel verabreicht hat, um anschließend in aller Ruhe meine Wohnung auszuräumen. Anscheinend hast du auch Bobby vergessen, der mir die große Liebe vorgegaukelt hat, obwohl er verheiratet war. Okay, wer war da noch? Was ist mit Sebastian? Weißt du noch, wie er …«

»Ist ja schon gut. Ich verstehe, worauf du hinauswillst.«

»Es ist ja erst einmal nur ein Testlauf. Ich erwarte nicht, die Liebe meines Lebens dort zu finden, aber eine Begleitung für den alljährlichen Wohltätigkeitsball von Dads Firma wäre echt toll. Alleine mag ich dort nicht auftauchen und wenn ich gar nicht hingehe, spricht Estelle kein Wort mehr mit mir.«

»Was nicht unbedingt das Schlechteste wäre«, erwiderte Stacy grinsend.

»Komm schon, Stacy, du weißt, wie ich es meine.«

»Aber warum denn über diese Datingseiten im Internet? Noch unpersönlicher geht es doch wirklich nicht. Soll ich nicht lieber noch mal mit Mitch reden? Einer seiner Freunde würde sicherlich gerne mit dir dorthin gehen.«

»Nein, ich hab mich jetzt auf diesem Portal angemeldet und versuche einfach mal mein Glück. Was hab ich denn schon zu verlieren?«

»Waschmaschine, Sofa, Fernseher …«

»Ha, ha, ha. Sehr lustig. Noch mal passiert mir sowas nicht. So mies kann mein Karma gar nicht sein. Außerdem will ich mit dem Kerl ja nicht in die Kiste. Ich brauch nur jemanden für den Ball. Weiter nichts.«

»Wer’s glaubt, wird selig.«

»Wie sieht es am Montagnachmittag mit einer kleinen Shoppingtour aus? Hast du Zeit und Lust?«, bemühte ich mich, das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken, und offensichtlich gelang es mir dieses Mal sogar.

»Ja, das ist doch eine schöne Idee. Wollen wir danach noch zu Alfonso? Ich könnte auch Emily fragen, ob sie Lust hat mitzugehen. Mitchs kleine Schwester ist gerade dabei, ihren Abschluss in Harvard zu machen. Am Freitag kommt sie nach einer gefühlten Ewigkeit endlich mal wieder nach Hause und Abigail hat mir aufgetragen, sie etwas abzulenken.«

»Oh, cool, Emily würde ich echt gern mal treffen, aber muss es ausgerechnet zum Shoppen sein? Das mit dem blöden Kleid ist eh schon stressig genug.«

Am liebsten trug ich Jeans, kombiniert mit einem einfachen Shirt und flachen Schuhen. Da Estelle sicherlich nicht besonders angetan davon wäre, wenn ich so zu der Veranstaltung erschiene, musste ich wohl oder übel in den sauren Apfel beißen und mir ein Kleid besorgen. Jedes Mal das gleiche Theater und eigentlich hatte ich überhaupt kein Geld dafür.

Es ist ein ungeschriebenes Gesetz, dass ein Kleid aus dem Vorjahr kein zweites Mal auf dem Event des Jahres getragen werden durfte. Gesellschaftlich und familiär hätte ich mich mit einem solchen Fauxpas weit ins Aus gespielt. Die Medien kannten bei solchen Dingen kein Pardon. Sicherlich hätte sich eine ambitionierte Journalistin auf diese Tatsache gestürzt, nachdem sie von Ashley und Madison auf diesen Umstand hingewiesen wurde. Nicht auszudenken, welche Schlagzeilen daraufhin durch die Presse gegangen wären, und nicht auszudenken, wie Estelle darauf reagiert hätte.

Dennoch wäre das Geld, das ich für das Designerteil ausgeben musste, besser in Betsys anstehende Reparaturen investiert. Ich liebte mein Auto, dennoch war ich mir bewusst, dass es bald das Zeitliche segnen würde.

»Übrigens bekommen wir die nächsten Tage Besuch. Mitchs Studienkollege Brian kommt aus Boston für einige Zeit nach Chicago und wohnt währenddessen in unserem Gästezimmer. Ich könnte etwas Hilfe gebrauchen.«

»Was meinst du damit? Wie kann ich dir helfen?«

»Mitch ist einige Tage in New York bei irgendeinem Meeting. Mein immer unförmiger werdender Körper zwingt mich mehr und mehr dazu, Pausen einzulegen und kürzerzutreten. Brian möchte sicherlich etwas von der Stadt sehen, schließlich kommt er das erste Mal nach Chicago.«

»Wie kann ich dir …? Moment Mal, willst du mich etwa verkuppeln?«

»Ich? Quatsch! Das würde ich nie tun!« Dabei zwinkerte sie mir vielsagend zu und noch ehe ich etwas erwidern konnte, ergänzte sie: »Ich hab Brian bereits von dir erzählt und ihm vorgeschlagen, dass du sein Cityguide wirst. Du kannst also gar nicht mehr Nein sagen.«

Noch ehe ich etwas darauf antworten konnte, erhob sie sich flink von ihrem Platz, schnappte sich ihren Kaffeebecher und stellte ihn bei Mildred auf dem Servierwagen ab.

Kapitel 3

»Du bist also Steuerprüfer«, versuchte ich das Gespräch am Laufen zu halten, während mir bereits der Schweiß auf der Stirn stand. Noch ehe mein Gegenüber etwas antworten konnte, wusste ich, wie tiefgründig seine Antwort ausfallen würde.

»Ja.«

So ging das jetzt bereits seit einigen Minuten. Ich stellte fleißig Fragen und bemühte mich händeringend um etwas Konversation, während mein Date mir lediglich bruchstückhafte Häppchen hinwarf, die nicht über ein Ja oder Nein hinausgingen.

Dave hatte mir vor einigen Tagen über die Datingseite geschrieben, bei der ich mich angemeldet hatte, und mich um eine Verabredung gebeten. Sein Profilbild gefiel mir, sodass ich mich nun zum vierten Mal in dieser Woche mit einem mir unbekannten Mann zum Essen traf.

Bereits beim Betreten des Restaurants musste ich feststellen, dass keiner der Anwesenden mit dem virtuellen Dave kompatibel war. Die winkende Hand, die mir den Weg wies, offenbarte eine Persönlichkeit, die nicht im Geringsten Ähnlichkeit mit dem im Netz verwendeten Foto aufwies.

So hatte der Dave in der wirklichen Welt mindestens zwanzig Kilo mehr auf den Rippen, beginnende Geheimratsecken und eine zentimeterdicke Nickelbrille. Die strahlend blauen Augen waren einem ausdruckslosen Braun gewichen und obwohl er saß, konnte ich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit behaupten, dass er alles andere als ein Hüne war.

Allein aufgrund der Tatsache, dass er mich so unverschämt getäuscht hatte, hätte ich auf dem Absatz kehrtmachen und das Restaurant verlassen sollen. Jedoch rückte der Termin für den Wohltätigkeitsball immer näher und ich war nicht gewillt, von meiner persönlichen Zielsetzung – einen angenehmen Begleiter zu finden – abzukommen.

Verbissen kämpfte ich gegen meine innere Stimme an, die mir unter den gegebenen Umständen dringend von einem Festhalten an meinem Vorsatz abriet. Fieberhaft überlegte ich, wie ich Dave dazu bewegen konnte, etwas mehr von sich preiszugeben.

Diese Verzweiflungstat war den vorangegangenen drei Dates geschuldet, die allesamt katastrophal geendet hatten. Date Nummer eins war bis zu dem Moment, als der Bewährungshelfer auf dem Handy anrief, eigentlich ziemlich gut verlaufen. Bei kleineren Delikten wäre ich sogar bereit gewesen, darüber hinwegzusehen, doch bei einem Drogendealer hört der Spaß auf.

Date Nummer zwei war an und für sich ganz nett gewesen, bis er begonnen hatte, von seiner Mutter zu erzählen. Der tiefgreifende Ödipuskomplex war überdeutlich ausgeprägt und für mich in keinem Fall vertretbar.

Date Nummer drei rülpste und gab andere undefinierbare Laute von sich, sodass alle anderen Gäste im negativen Sinne auf uns aufmerksam wurden. Während mir sein Verhalten die Schamesröte ins Gesicht trieb, schoss der Kerl den Vogel ab, als er begann, in der Nase zu popeln. Widerlich!

»Was machst du so in deiner Freizeit?«, versuchte ich es zur Abwechslung mit einer offenen Frage, in der Hoffnung, er würde mehr als eine Silbe erwidern.

»Fachbücher lesen, meine Mom besuchen oder Angeln gehen«, entgegnete er wenig euphorisch. Bei dem Wort Mom schrillten bei mir sämtliche Alarmglocken. Wenn ich bis jetzt noch geglaubt hatte, den Abend zu einem guten Ende bringen zu können, musste ich mir langsam eingestehen, dass ich in einer Sackgasse gelandet war.

Was stimmte nicht mit mir? Warum war ich nicht in der Lage, einen netten Kerl kennenzulernen? Was machte ich bloß falsch? Ging ich die Sache zu verbissen an? Vielleicht war es doch keine gute Idee gewesen, jemanden über das Internet zu suchen.

»Was ist jetzt? Gehen wir zu dir oder zu mir? Das Frage- und Antwortspiel langweilt mich und wir sollten dringend zusehen, dass du mich bei der Stange hältst. Wenn du verstehst, was ich meine …«

Ich weiß nicht, was mich mehr schockierte: Daves unverschämte Äußerung und wie er mir dabei lüstern auf das Dekolleté starrte oder die Tatsache, dass er ungefragt mehr als einen Satz von sich gegeben hatte.

»Ähm, also …, ich dachte … wir sollten …«, stotterte ich verlegen, während Daves Blick sich tief in meine Augen grub.

Jetzt war ich es, der die Sprache abhandengekommen war. Aber mal ehrlich, wer hätte bei dem untersetzten Kerl im graugestreiften Pullunder ahnen können, dass er einzig und allein auf das Eine aus war? Stille Wasser waren ja bekanntlich tief, doch dass sich gleich solche Abgründe auftun würden, damit hatte ich wirklich nicht gerechnet.

»Also, was ist jetzt, Schätzchen?«, unterbrach mich Dave bei meinem Gedankengang. Dabei deutete er selbstsicher auf seine Armbanduhr und leckte sich lasziv über die Lippen.

Angewidert versteifte ich mich auf meinem Stuhl, unfähig etwas zu sagen oder mich zu rühren. Woher nahm dieser Kerl nur die Zuversicht, er hätte eine Chance bei mir? In meinem Bestreben, den Abend zu einem Erfolg zu führen, hatte ich ihm wohl schlichtweg Hoffnungen gemacht, die ich in diesem Maße auf keinen Fall erfüllen konnte. Was sollte ich nun tun?

»Entschuldige mich bitte, ich müsste kurz zu den Restrooms«, war alles, was mir auf die Schnelle einfiel, während ich versuchte, die Bilder in meinem Kopf beiseitezuschieben. In meiner Vorstellung entledigte sich Dave gerade seiner grauen Anzughose, strich sie glatt, ehe er sie auf dem Sofa in meinem Schlafzimmer ablegte, und stand in weißen Feinrippunterhosen vor mir, während ihm der Sabber nur so aus dem Mund lief.

Als ich bereits im Begriff war, mir meinen Weg durch das Restaurant zu bahnen, hörte ich Dave noch lautstark hinter mir her schreien: »Baby, lass dir Zeit.«

Ich beschleunigte meine Schritte, wandte mich nicht mehr um und sah keinem der anderen Gäste oder Kellner ins Gesicht. Mein Blick war wie gebannt auf das Schild gerichtet, das mir den Weg zu den Restrooms zeigte. Als ich die Tür zu den Toiletten schließlich erreichte, stieß ich diese ungestüm auf und verbarrikadierte mich in der erstbesten Kabine. Puh, erst mal durchatmen und wieder zur Besinnung kommen.

Was sollte ich nur machen? Ich konnte mich ja schlecht den Rest des Abends hier verstecken. Einfach abhauen, war auch keine Option, da wir die Rechnung noch nicht beglichen hatten und ich diesem schleimigen Widerling nichts schuldig bleiben wollte. Man wusste nie, wann man sich das nächste Mal traf, denn meist sah man sich wirklich zweimal im Leben.

Sollte ich Stacy anrufen und sie um Hilfe bitten? Nein, ich wollte ihr und mir nicht eingestehen müssen, dass sie mit der Datingsache recht gehabt hatte, und entschied mich dagegen. So saß ich also auf dem heruntergeklappten Klodeckel, hörte ein ums andere Mal wie Türen klapperten, die Spülung betätigt wurde und Papiertücher raschelten, als plötzlich eine Stimme nach mir fragte: »Drew, bist du hier drinnen?«

»Was erlauben Sie sich? Das ist hier die Damentoilette, Sie Flegel!«, hörte ich die Stimme einer älteren Dame schimpfen. Durch den Türschlitz konnte ich sehen, wie sie mahnend ihren Zeigefinger erhob und Dave kräftig die Leviten las: »Wenn Sie nicht sofort das Weite suchen, schreie ich so laut, dass man mich noch in Oklahoma hören kann. Haben Sie mich verstanden?«

Anscheinend reagierte Dave für ihre Verhältnisse nicht schnell genug, denn noch ehe er wusste, wie ihm geschah, pfefferte ihm die rüstige Rentnerin ihre Handtasche um die Ohren.